Protokoll der Sitzung vom 29.10.2020

Sonst hätten Sie ja darauf Bezug genommen. Kein Wort darüber vorhin!

Ich denke, es ist mehr als klar geworden, Sie benutzen den grausamen Konflikt im Südkaukasus, um Ihre völkischen und islamophoben Ansichten in ein Mäntelchen internationalistischer Solidarität zu kleiden. Damit lassen wir Sie hier aber nicht durchkommen. Ihren Antrag lehnen wir selbstredend ab. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, DIE LINKE und Wolfgang Waldmüller, CDU)

Vielen Dank, Herr Koplin!

Das Wort hat noch einmal der fraktionslose Abgeordnete Herr Arppe.

(Der Abgeordnete Holger Arppe wendet sich an das Präsidium. – Julian Barlen, SPD: Zeit läuft!)

Ja, sehr geehrte Frau Präsidentin! Damen und Herren Abgeordnete!

Herr Koplin, genau diese Reaktion habe ich vorhergesehen, dass Sie jetzt natürlich wieder versuchen, auf diese Schiene der Islamophobie das ganze Thema zu schieben.

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Das haben Sie selbst getan!)

Ich habe durchaus gesagt, dass dieses Thema, dass ich mir dessen bewusst bin, dass dieses Thema sehr viel komplexer ist, als man es in einer zehnminütigen Einbringungsrede darstellen kann. Also das, was Sie da vorgetragen haben, ist mir durchaus bewusst. Ich habe auch eine ganze Menge Papiere der OSZE und der Minsk-Gruppe und so weiter gelesen zu dem Thema. Aber das hätte ich natürlich jetzt hier alles gar nicht vortragen können. Und es ist nun mal ein Faktum, dass nicht Armenien in diesem Kriege, sondern dass Aserbaidschan mit der Türkei im Rücken der eigentliche Aggressor ist.

Und was Sie zu meinen Aussagen in diesem Video gesagt haben, da gehe ich auch keinen Zentimeter von ab. Es gibt Äußerungen der türkischen Regierungspartei AKP, die nämlich genau das belegen, dass die Türkei sich durchaus vorstellen könnte, Deutschland einmal zu erobern. Es gibt da die Aussage einer AKP-nahen Tageszeitung, die gesagt hat, wenn wir morgens losmarschieren, immer am Bosporus, dann können wir abends im Schloss Bellevue unser Abendgebet abhalten. Das ist also jetzt nicht irgendwie ein Hirngespinst und hat auch nichts mit Islamophobie zu tun, sondern rührt ausschließlich von der Aggressivität des türkischen Machthabers Erdoğan her. So!

Und was diese kleine Spitze mit der UNO angeht, meine Güte, Sie sind doch sonst auch immer bei jedem Thema, wo es eben nicht um Christen geht, sondern um Ihre geliebten Flüchtlinge aus allen anderen Teilen dieser Welt, dann sind Sie doch immer die Ersten, die auf der Barrikade sind, und dann kommt von Ihnen ja nie der Einwand, dass das in die UNO oder sonst wohin gehört, sondern dann steht meistens ja Frau Larisch hier und erzählt uns dann, warum sich der Landtag mit diesem Thema

(Julian Barlen, SPD: Langweilig!)

befassen muss.

Na, dass ich Sie intellektuell völlig überfordere mit diesem Thema,

(Julian Barlen, SPD: Nee, langweilen!)

habe ich im Vorfeld auch schon gewusst.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Aber ich rede ja auch nicht zu Ihnen, sondern ich rede ja primär zu den Bürgern draußen.

(Julian Barlen, SPD: Dem deutschen Volk!)

Und insofern kamen von Ihnen da auch

(Zuruf von Julian Barlen, SPD)

keine sachdienlichen,

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

sachdienlichen Argumente zu diesem Thema. Ihr ganzes Verhalten, auch während meiner Ausführungen, hat nur gezeigt, dass Sie überhaupt nicht mit der nötigen Ernsthaftigkeit hier zugange sind.

(Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

Und mir jetzt zu unterstellen, ich würde dieses Thema missbrauchen, das ist ja völliger Unsinn. Für Sie ist das nämlich auch, wenn Sie über solche Sachen reden, auch nichts anderes

(Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

als die Instrumentalisierung, dann aber im Interesse Ihrer politischen Ziele.

(Beifall Jürgen Strohschein, AfD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der AfD Herr Horst Förster.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Aha!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ja, der Konflikt um Bergkarabach ist auf den ersten Blick natürlich wirklich kein Thema für den Landtag. Wir befassen uns allerdings häufig mit Themen, die eigentlich kein Landesthema sind. Das hat Herr Arppe ja schon eben in Beispielen auch gesagt hier. Und irgendwie hängt doch immer alles zusammen, vor allem, wenn es um Krieg und Frieden geht, denn wenn es irgendwo auf diesem Globus brennt, können die Akteure morgen als Schutzsuchende vor unserer Haustür stehen. Bekanntlich haben wir hier doch Platz für alle.

Das Migrationsrisiko ist aber nicht alleine der Punkt, weshalb der Blick in die Kaukasusregion erhellend ist. Bei diesem Konflikt um Bergkarabach handelt es sich um einen uralten Konflikt zwischen den christlichen Armeniern und den muslimischen Aserbaidschanern. Der Konflikt wird seit jeher begleitet von der Einmischung dritter Mächte, heute insbesondere der Türkei und Russlands. Da die Türkei NATO-Mitglied ist, ist der Konflikt uns näher, als wir glauben. Das hat Herr Arppe ja schon sehr präzise dargelegt.

2003 erklärte der damalige armenische Präsident Kotscharjan, Aserbaidschaner und Armenier könnten nicht in einem Staat zusammenleben, weil sie ethnisch inkompatibel seien. Das hat allerdings auch hier für viel Aufregung gesorgt. Doch egal, wie man zu dieser Äußerung steht, sie wird von der Realität bestätigt, denn selbst die jahrzehntelange Verbundenheit im sogenannten homogenen Vielvölkerstaat Sowjetunion vermochte die Völker

nicht näherzubringen. Die Parallele zum Balkan ist im Übrigen offensichtlich. Offensichtlich lassen sich Völker, die sich nicht zusammengehörig fühlen, nicht einfach in ein Paket zusammenschnüren. Und offensichtlich haben multikulturelle Gesellschaften gegenüber relativ ethnischkulturell homogenen Gesellschaften einen geringeren inneren Zusammenhalt und dafür ein wesentlich größeres Konfliktpotenzial.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Das in der Migrationsdebatte auszublenden, ist töricht und unverantwortlich.

(Beifall Jens-Holger Schneider, AfD)

Vielmehr ist es ein absolut legitimes Ziel, die ethnischkulturelle Identität eines Volkes gegen ihre Auflösung durch Einwanderung aus anderen Kulturen zu schützen. Das sahen sogar die Bundesregierung und der Bundestag so, jedenfalls, wenn es um andere Völker geht. So hat der Bundestag 1996 in einer Entschließung die Massenansiedlung von Chinesen in Tibet als Zerstörung der ethnischen, kulturellen und religiösen Identität Tibets verurteilt.

Der Schlüssel zur Lösung eines Problems wie dem von Bergkarabach liegt im Selbstbestimmungsrecht der Völker. Und hier hat unser Land selbst bittere Erfahrungen gemacht. Das vom amerikanischen Präsidenten Wilson für eine Nachkriegsordnung zugesicherte Selbstbestimmungsrecht der Völker wurde nach dem Ersten Weltkrieg durch den Versailler Vertrag mit Füßen getreten und damit einer der Gründe geliefert, dass Adolf Hitler an die Macht kam. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in Bezug auf Deutschland das Selbstbestimmungsrecht perfekt unterlaufen, indem Millionen aus ihrer angestammten Heimat vertrieben wurden. Danach war für ein Referendum kein Raum mehr, das Land war leergefegt. Und Deutschland hat es geschafft, dass die Erinnerung daran bereits nach einigen Jahrzehnten bei den angepassten Eliten ein Stirnrunzeln hervorruft und der Verdacht des Geschichtsrevisionismus im Raum steht.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Auch heute steht das Selbstbestimmungsrecht nur auf dem Papier. Der Umgang der Türkei mit den Kurden ist nur ein Beispiel. Und wenn der Europarat Bergkarabach als ein von separatistischen Kräften besetztes Gebiet bezeichnet, dann sieht man, was „Werteunion“ in der Praxis bedeutet.

(Jens-Holger Schneider, AfD: Genau.)

Wir als Deutsche sollten aufgrund unserer eigenen Erfahrungen das Selbstbestimmungsrecht als fundamentalen Grundsatz für eine gerechte Friedensordnung stets hochhalten, auch oder erst recht, wenn es um ein kleines Land im Kaukasus geht.

(Beifall Jens-Holger Schneider, AfD)

In meiner Fraktion wird in dieser Sache jeder so abstimmen, wie er es persönlich ganz für richtig hält. – Vielen Dank!

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter!

Weitere Wortmeldungen liegen mir jetzt nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des fraktionslosen Abgeordneten Holger Arppe auf Drucksache 7/5424. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Vielen Dank! Damit ist der Antrag des fraktionslosen Abgeordneten Holger Arppe auf Drucksache 7/5424 bei Zustimmung durch den fraktionslosen Abgeordneten und teilweise Zustimmung durch die Fraktion der AfD sowie Gegenstimmen durch die Fraktionen der SPD, CDU, LINKEN sowie der fraktionslosen Abgeordneten abgelehnt.