Die AfD-Fraktion forderte deshalb im Mai mit dem Antrag „Konsolidierungsmöglichkeiten im laufenden Haushalt nutzen – Einsparungen durchsetzen“ die Landesregierung definitiv dazu auf – leider ohne Erfolg.
Obwohl der Finanzminister bei der Debatte zum Ersten Nachtrag circa 235 Millionen Euro Minderausgaben im laufenden Haushalt 2020 versprochen hatte, zeigt das
Zahlenwerk der Regierung zum Zweiten Nachtrag weiter einen unveränderten Ansatzwert von 9,4 Milliarden Euro für 2020. Auch das damals vom Finanzminister gebrachte Argument, wonach man nicht in eine Krise hineinsparen darf, verfängt nicht, denn wir haben es bei der Corona-Krise nicht mit einer zyklischen Konjunkturkrise zu tun, sondern mit den wirtschaftlichen Folgen eines Lockdowns, das heißt einem steuerlichen Einnahmeeinbruch und mit einer pandemieverbundenen Ausgabensteigerung der öffentlichen Haushalte, die nur durch Konsolidierung aufgefangen werden könne. Die Wahrheit ist, dass die Corona-Pandemie der Landesregierung mit ihrem viel zu aufgeblähten Wahlkampfhaushalt 2021 sprichwörtlich auf die Füße fällt.
Wir hatten damals bei der Debatte über den Doppelhaushalt 2021 bereits auf dessen Risiken hingewiesen. Heute ist der aufgeblähte Doppelhaushalt 2020/2021 durch die Corona-Krise zu einer schweren Hypothek für das Land geworden. Anstatt zu konsolidieren, will die Regierung die Flucht nach vorn in einen aufgeblähten Zweiten Nachtragshaushalt, der heute in Zweiter Lesung beschlossen werden soll. Nunmehr will die Landesregierung zusätzlich zu den 700 Millionen Euro vom April weitere 2,15 Milliarden Euro Kreditermächtigung genehmigt bekommen.
Das ergibt insgesamt die höchste Verschuldung in der Geschichte dieses Landes. Mein Kollege Professor Weber hatte in seiner Rede zur Ersten Lesung zum Zweiten Nachtragshaushalt
bereits auf die vermutete Verfassungswidrigkeit der Gesetzentwürfe hingewiesen und angemahnt, dass diese in der Ausschussarbeit beseitigt werden müsste. Wenn dies gelänge, würden wir uns auch einem Zweiten Nachtragshaushalt nicht verweigern.
Leider war die Ausschussarbeit recht ernüchternd und wurde aus unserer Sicht den potenziellen Risiken des Zweiten Nachtrags nicht gerecht. Um die vermutete Rechtswidrigkeit des Zweiten Nachtragshaushaltes bewerten zu lassen, hatte die AfD-Fraktion in der Obleuterunde des Finanzausschusses die mündliche Anhörung von Experten vorgeschlagen. Leider folgten die anderen Fraktionen dem Vorschlag nicht. Deshalb einigte sich der Finanzausschuss auf eine schriftliche Anhörung, dadurch fielen eventuelle Rückfragen an die Experten von vornherein weg.
Diese schriftlichen Stellungnahmen der Experten und des Landesrechnungshofes bilden die Grundlage für die Bewertung der vorliegenden Gesetzentwürfe durch meine Fraktion.
Erster Kritikpunkt: unnötige Schaffung eines Sondervermögens, obwohl die rechtskonforme Bewirtschaftung im
Haushalt möglich wäre. Die Landesregierung will nicht nur viel zusätzliches Schuldengeld, sie will auch noch eine bequeme, lockere Handhabung dieser Gelder gesetzlich absichern. Das soll durch das Sondervermögen MV-Schutzfonds gewährleistet werden,
denn Haushaltsgrundsätzegesetz und Landeshaushaltsordnung gelten dafür nicht. Damit schafft sich die Regierung de facto einen Schattenhaushalt beträchtlicher Größenordnung.
Der bei Errichtung eines Sondervermögens gesetzlich geforderte Wirtschaftsplan sieht diverse unterschiedliche Zweckbindungen vor, was eigentlich dem Charakter eines Sondervermögens widerspricht. Die ausgegebene Parole „coronabedingt“, die inhaltlich alles zusammenhalten soll, ist bestenfalls eine sogenannte Nebelkerze, im schlechtesten Fall ein Betrug an der nächsten Generation.
Auch die Mittelzuordnung zu den Zweckbestimmungen wird von der Regierung offenbar nicht so ernst gesehen, denn die Zweckbindungen sind untereinander deckungsfähig. Dies liegt wohl daran, dass bei den meisten angegebenen Zweckbindungen keine wirkliche Bedarfsplanung zugrunde liegt, sondern eher eine Liste mit der Bezeichnung „Wünsch dir was!“. Die Installation des Sondervermögens Teil 2 gerade zur Weihnachtszeit besitzt somit einen tieferen Sinn.
Das Sondervermögen soll zudem ohne zeitliche Befristung bis zum Verbrauch der Kreditermächtigung gelten. Dies verstößt gegen den verfassungsrechtlichen Haushaltsgrundsatz der Jährlichkeit,
denn, ich zitiere Professor Dr. Gröpl: „Ob eine Notlage vorliegt oder fortdauert und inwieweit zu deren Überwindung eine Notlagenverschuldung erforderlich ist, hat der Landtag nach dem Haushaltsgrundsatz der Jährlichkeit des Art. 61 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2“ der Verfassung Mecklenburg-Vorpommerns „für jedes Haushaltsjahr gesondert zu entscheiden.“ Zitatende.
Ich zitiere weiter Professor Dr. Korioth: „Die ausnahmsweisen Notlagenkredite sind keine Grundlage für längerfristige Aufgabenbündel.“ Zitatende.
Die Kritik einiger Experten an der Transparenz des Sondervermögens wurde inzwischen durch die Regierungskoalition mit der Einbindung des Finanzausschusses aufgegriffen.
Zweiter Kritikpunkt: ungerechtfertigte, zu große Notlagenverschuldung. Die jetzt geplante Neuverschuldung des Landes erreicht eine historisch einmalige Größenordnung. Da sollte es selbstverständlich sein, dass die Opposition genauer hinschaut. Denn auch wenn die Ausnahme von der Schuldenbremse, das heißt eine Notverschuldung nach Artikel 65 Absatz 2 Satz 2 der Verfassung Mecklenburg-Vorpommerns, aufgrund der coronabedingten Notlage gültig ist, wird damit die Schuldenbremse nicht grundsätzlich ausgehebelt. Laut Professor Dr. Gröpl ist das Ausmaß der Notverschuldung eng auszulegen und auf die Naturkatastrophe zu begrenzen. Er definierte unter anderem folgende Kriterien für die Sicherstellung einer rechtskonformen Notverschuldung:
Erstens. Der Zweck der Finanzierung muss sein, die Handlungsfähigkeit des Landes in der Notlage zu erhalten und zu stärken.
Zweitens. Die Kausalität, also der Veranlassungszusammenhang zwischen Corona-Pandemie und aktiven kostenverursachenden staatlichen Maßnahmen muss gegeben sein.
Professor Dr. Korioth beschreibt als mögliche Kredithöhe, ich zitiere: Auf dieser Grundlage dürfen Kredite in einer Höhe aufgenommen werden, in der „sich die Aufwendungen für die Bewältigung und Überwindung der … Naturkatastrophe“ oder Notsituation nach der Einschätzung des Haushaltsgesetzgebers „nachteilig auf den Haushalt auswirken“. Zitatende. Und Professor Lenk ergänzt, ich zitiere: „Die strukturelle Finanzierung von Aufgaben über Kredite ist hingegen nicht gestattet.“ Zitatende.
Aufgrund dieser Experteneinschätzungen haben wir jede einzelne der verschiedenen 35 Zweckbestimmungen des Wirtschaftsplans hinsichtlich Kalkulationsgrundlage, Veranlassungszusammenhang mit Corona und zeitlicher Eingrenzung und so weiter hinterfragt. Befremdlich wirkte, dass einzelne Mitglieder des Finanzausschusses über diese Gründlichkeit deutliche Zeichen des Unwillens äußerten. Offensichtlich wäre ihnen ein einfaches Durchwinken der Kreditermächtigung über 2,15 Milliarden Euro lieber gewesen.
Meine Fraktion hat insgesamt 30 Änderungsanträge zum Wirtschaftsplan des Sondervermögens eingereicht, weil wir bei zahlreichen Zweckbestimmungen den Veranlas
Erkennen konnten wir allerdings, dass die Landesregierung unter der Überschrift „Naturkatastrophe CoronaPandemie“ die Chance nutzt, die Schuldenbremse im wahrsten Sinne des Wortes auszubremsen und geradezu in eine Schuldenorgie zu verfallen zulasten der nächsten Generation.
Der Wirtschaftsplan des MV-Schutzfonds Teil 2 enthält acht Schwerpunkte mit insgesamt 35 verschiedenen Zweckbestimmungen. Die Hauptanteile 22 bis 18 Prozent sind für Gesundheit, Digitalisierung und Kommunen vorgesehen. Auffallend ist, dass für den durch Corona geprüften Bereich des Schwerpunktes „Wirtschaft und Arbeit“ nur 4,7 Prozent veranschlagt sind. Bei den einzelnen Zweckbestimmungen kam nicht nur uns als Opposition, sondern auch dem Landesrechnungshof manches mehr als fragwürdig vor – nicht fragwürdig im Sinne, dass die Maßnahme an sich unsinnig wäre, sondern fragwürdig, ob die Bedingungen für die Notlagenverschuldung gegeben sind. Diese Zweifel äußerten auch etliche der Sachverständigen. Der Experte Professor Dr. Ragnitz bewertete lediglich 700 Millionen Euro tatsächlich als coronabedingte Mehrausgaben.
Um es vorwegzunehmen, die AfD-Fraktion unterstützt schuldenfinanzierte Maßnahmen, wenn ein klarer Bezug zur ursächlichen Pandemiebekämpfung und zur Abmilderung der Sekundärrisiken für die Betroffenen der AntiCorona-Maßnahmen erkennbar ist. Wir lehnen den Missbrauch der Notverschuldung zur Korrektur vergangener Politikfehler aber strikt ab.