Protokoll der Sitzung vom 15.12.2020

und das kann in Zukunft nicht so weitergehen.

Meine Damen und Herren, und dann reden wir doch mal Klartext, der Finanzausschuss hat heute Morgen doch im Grunde nur die sprichwörtliche Wahl zwischen Pest und Cholera gehabt: Gibt er das Geld für den neuen Plan, die „Endeavor“ und die „Global 1“ fertigzustellen, frei und erkauft sich damit Zeit, um weiter an einer Lösung zu arbeiten, ohne zu wissen, ob das gut geht, oder sagt er, Schluss, aus, Feierabend, und legt den Beschäftigten auf den Werften und wohl auch in zahlreichen Zuliefererbetrieben die Insolvenz und damit die Kündigung unter den Weihnachtsbaum? Der Finanzausschuss hat sich in dieser Situation mehrheitlich, auch mit den Stimmen meiner Fraktion, dazu entschieden, dass es zunächst einmal weitergehen soll auf den Werften, denn hätte er das nicht getan, wäre schon heute klar, dass 226 Millionen Euro faktisch verloren sind.

Sehr erstaunlich ist allerdings Folgendes: Während vor eineinhalb Wochen in der Sitzung des Wirtschafts- und Finanzausschusses die Geschäftsführung der MV WERFTEN noch betonte, dass Alternativen wie der Bau von Plattformen oder Forschungsschiffen nur schwer vorstellbar seien, wird heute kundgetan, dass genau an solchen Alternativen gearbeitet wird. Statt „wir glauben an den Restart des Kreuzfahrtgeschäftes“ sollen es perspektivisch nun also wieder Plattformen, Tanker oder Forschungsschiffe richten.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ist schon mal schiefgegangen.)

Sie werden verstehen, dass dies nicht dazu beiträgt, unsere Sorgenfalten kleiner werden zu lassen. Während sich die Geschäftsführung und Landesregierung noch vorletzte Woche kräftig auf die Schultern geklopft und die herausragende Kommunikation untereinander gelobt haben, sehen sie sich nun mit der Entscheidung von Genting Hong Kong, die Universal-Class-Schiffe nicht zu bauen, konfrontiert.

Meine Damen und Herren, nehmen wir also mal zur Kenntnis, dass nun alternative Projekte angeschoben werden sollen. Das klingt ein bisschen nach dem Prinzip Hoffnung, und deshalb erwarte ich von der Landesregierung und von der Geschäftsführung, dass ab sofort offen darüber geredet wird, was das denn für die Beschäftigten bedeutet, denn jedem muss klar sein, dass es Jahre dauert, bis mögliche Aufträge eingeholt und auch geplant wurden. Das war vorletzte Woche übrigens noch eines der Hauptargumente gegen ein solches Vorhaben. Fakt ist also, da entsteht eine große Lücke zwischen dem Fertigbau der jetzigen Schiffe und dem Zeitpunkt, bis möglicherweise andere Projekte in die Bauphase eintreten.

Und deshalb erwartet meine Fraktion von der Landesregierung, dass sie ab sofort auch an einem echten Plan B für die Zeit nach der Ablieferung von „Endeavor“ und „Global 1“ arbeitet. Und dabei meine ich nicht allein die kurzfristig notwendigen Arbeitsmarktinstrumente wie die bereits zur Diskussion stehende Auffanggesellschaft für vom Arbeitsplatzabbau betroffene Beschäftigte, sondern ich meine eine Idee, die man im Worst Case ziehen kann und die darauf abzielt, einzelne oder auch alle Standorte weiterzuentwickeln. Ich habe bereits im August ausgeführt, was ich damit meine.

Mein Blick geht deshalb noch einmal in unser Nachbarland Dänemark. Wo früher Odense Steel Shipyard als einst zweitgrößte dänische Schiffswerft beheimatet war, ist seit 2012 mit Zwischenschritten die Lindø port of Odense A/S als Mischung aus Industriepark und Hafenbetrieb, auf deren Gelände sich circa 160 verschiedene, teilweise namhafte Firmen angesiedelt haben, entstanden. Und auch dort, meine Damen und Herren, ging das natürlich nicht über Nacht. Völlig klar ist, dass auch ein solcher Prozess nicht ohne massive Unterstützung, sprich entsprechende Fördermittel von Bund und Land, auf den Weg gebracht werden kann. Solch ein Schritt braucht viel Vorbereitung, aber die Zeit, die wir uns heute erkauft haben, sollte aus unserer Sicht auch effektiv genutzt werden.

Das ist ausdrücklich kein Abgesang auf den Werftstandort Mecklenburg-Vorpommern. Das, meine Damen und Herren, gehört zu einer seriösen Politik. Seriöse Politik

hat auch das denkbar schlechteste Szenario im Blick zu haben und ist gegebenenfalls darauf vorbereitet, um bei dessen Eintritt nicht nackt dazustehen.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Am Ende kann ich auch nur noch einmal an den Mutterkonzern Genting Hong Kong appellieren, den Forderungen von Bund und Land nachzukommen, um einen Weg aus dieser Krise zu finden und nicht zuzulassen, dass die Schotten noch vor Weihnachten womöglich für immer schließen. Es ist heute Morgen im Finanzausschuss angedeutet worden, wir werden am Freitag schlauer sein, jedenfalls, wenn ich die Ausführungen der Landesregierung richtig verstanden habe. Heute werden wir dem Antrag der Koalition zustimmen, auch wenn es ihn ob der relevanten Weichenstellung heute Morgen im Finanzausschuss nicht zwingend gebraucht hätte. Der Kollege Schulte ist darauf eingegangen, wie die rechtlichen Rahmenbedingungen für solche Zustimmungsverfahren im Landtag sind. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Foerster!

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der CDU Herr Wildt.

(Harry Glawe, CDU: Herr Foerster, das ging ja noch.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen Landtagsabgeordnete!

(Unruhe vonseiten der Fraktionen der CDU und DIE LINKE – Heiterkeit vonseiten der Fraktion der CDU)

Wir haben es schon gehört, die positive Entwicklung der MV WERFTEN war seit 2016 ungebrochen. Ich habe auch noch niemanden gehört, der sich irgendwie beschwert hätte über die monatliche Überweisung aus Hongkong. Bis in den März 2020 lief das ununterbrochen, daher auch die 2 Milliarden, die insgesamt investiert wurden und hier ins Geschäft reingesteckt wurden. Ich glaube, März war dann die letzte große Überweisung mit über 100 Millionen. Vorher kamen die regelmäßig jeden Monat, niemand hier im Haus hat sich darüber irgendwie gewundert oder aufgeregt.

Seitdem hat sich die Situation verändert, wir wissen das alle, Corona, Kreuzfahrtgeschäft brach zusammen. Für uns ist das besonders wichtig auch noch mal, wenn wir die Risiken abwägen, die wir eingehen als Land, als Landesregierung dann auch. Es gab ein Gutachten zu der Corona-Hilfe, und da war ganz klar – denn für die Corona-Hilfe ist ganz klar die Bedingung, dass das Unternehmen vorher, vor Corona, nicht in Schwierigkeiten gewesen sein darf, ansonsten dürfte keine Hilfe ausgezahlt werden –, und dieses Gutachten kommt ganz klar zu dem Schluss, das Unternehmen war vorher nicht in nennenswerten Schwierigkeiten. Das heißt, alle Parolen, die da immer wieder verbreitet werden oder über Schwierigkeiten schon im Vorfeld, die sind definitiv falsch, und ansonsten würden wir auch nicht in ein Unternehmen, sagen wir mal, investieren oder es stützen, wenn es diese Schwierigkeiten schon vorher gegeben hätte. Wir dürften das auch gar nicht. Das ist erst mal, um diese

Sache klarzustellen und da auch wieder der Legendenbildung vorzubeugen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Genting war ein gesundes Unternehmen, dem die Corona-Krise die Geschäftsmöglichkeit weggehauen hat. Und interessanterweise, es hat auch sein Geschäft in Asien, also gar nicht hier in Deutschland, wo ja immer die Regierung an allem schuld ist, also in dem Fall war es dann anscheinend nicht die Regierung, sondern tatsächlich das Virus. Auch an diesen Stellen, wenn man mal die internationale Perspektive sieht, merkt man, auf welch dünnem Eis da teilweise die Argumente sind.

Ja, und warum tun wir das, warum versuchen wir seit März, diesen Betrieb am Laufen zu halten? Herr Minister Glawe hat es schon gesagt, wir wollen nicht, dass die Werft erkaltet. Das wäre das Schlimmste für uns. Wir wollen diesen industriellen Kern erhalten. Und Frau Oldenburg hatte letzte Woche mal zu einem Kollegen gesagt: Tja, können Sie eigentlich nur Rostock oder können Sie auch Land? Da muss ich jetzt mal fragen, vielleicht an uns alle: Können wir nur Tourismus oder können wir auch Industriepolitik? Das ist nämlich am Ende die Frage: Können wir Industriepolitik?

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU und Rainer Albrecht, SPD – Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Und es ist ja definitiv, es ist ja definitiv so, dass tatsächlich staatliche Hilfsmaßnahmen nur in der Krise erforderlich sind. Das ist dann die Industriepolitik. Wenn wir also in den besten Zeiten dann noch Geld für die Werften zur Verfügung stellen müssten, das wäre ja katastrophal, dann würde man ja ein totes Unternehmen erhalten. Aber bei uns ist es ja ganz anders. Es war vorher ein gesundes Unternehmen, jetzt ist es durch einen exogenen Schock in Schwierigkeiten gekommen, und wir machen Industriepolitik und stützen dieses Unternehmen, um das Unternehmen durch die Krise hindurchzubekommen. Das ist eigentlich Politik, so, wie sie sich gehört.

Und so gehen auch die Länder vor, die einen industriellen Kern halten und aufbauen wollen, übrigens gerade auch Schwellenländer und Entwicklungsländer. Wenn man sich also fragt, warum wandert Industrie aus den entwickelten Ländern, aus Europa oder aus Nordamerika, in andere Länder ab, dann ist das genau der Grund, dass man dort eigentlich zu der Industrie steht und alles tut, um Industrie anzusiedeln und zu halten.

(Nikolaus Kramer, AfD: Nee, die wandern ab, weil sie woanders nicht so hohe Lohnnebenkosten haben.)

Ja, das spielt auch eine Rolle, Herr Kramer,

(Nikolaus Kramer, AfD: Ja, genau. Ja, genau das ist der Grund!)

aber gar nicht so eine große Rolle.

(Nikolaus Kramer, AfD: Natürlich!)

Wenn Sie sich mit der Werft auskennen würden –

(Zuruf von Nikolaus Kramer, AfD)

ich würde Ihnen sowieso den Tipp geben, lassen Sie lieber Herrn Lerche sprechen hier

(Zuruf von Simone Oldenburg, DIE LINKE)

als wirtschaftspolitischen Experten,

(Henning Foerster, DIE LINKE: Ob das dann besser wird?!)

denn Sie stecken ja in den Themen überhaupt gar nicht drin –, die Personalkosten spielen bei der Werft, bei dem Bau eines Schiffes eine untergeordnete Bedeutung. Der größte Teil des Geldes fließt in das Material, in die Dienstleister, in die Zulieferer, und nur ein kleiner Teil sind wirklich die eigenen Mitarbeiter. Und deswegen sind die Lohnunterschiede nicht so gewaltig oder nicht so wichtig und deswegen kann die Werft auch hohe Löhne zahlen. Deswegen hat die auch kein Problem damit, Tariflöhne zu zahlen, im Vergleich zu anderen Unternehmen, die das nicht können.

So, nun haben wir eben die Schwierigkeit, so wie jetzt schon dargestellt, es ist ja vollkommen klar, dass Genting Schwierigkeiten hat, neue Schiffe jetzt in Auftrag zu geben in der Situation, in der sie selber nicht über genügend liquide Mittel verfügen, in denen ihr eigenes Geschäft nicht funktioniert. Es war aber immer eine Bedingung, eine Bedingung des Gutachtens auch über die Fortführungsperspektive, dass Universalschiffe beauftragt werden, zumindest zwei Schiffe der Universal Class sollten beauftragt werden.

Und wenn wir also über das Gutachten sprechen – Herr Kramer, Sie haben es angesprochen, ja, da würden wir schon so lange darauf warten –: Warum warten wir so lange darauf? Weil es um die Fortführungsperspektive geht. Und genau diese Entscheidung, die war eben nicht vorher zu treffen,

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

denn diese Entscheidung muss ja auch seriös getroffen werden. Es nützt der Werft auch nichts, wenn jetzt Herr Kramer sagt, ich bestelle ein Schiff aus der Universal Class. Wir alle wissen, dass Sie das nicht bezahlen können. Keiner von uns könnte so ein Schiff bezahlen. Deswegen brächte diese Ankündigung oder diese Auftragsvergabe gar nichts. Und Genting muss natürlich als seriöses, börsengelistetes Unternehmen darauf achten, nur solche Geschäfte einzugehen, die es auch erfüllen kann. Und solange die Liquidität es nicht zulässt, können sie diese Aufträge eben leider nicht vergeben.

Dieses Damoklesschwert, das schwebte schon längere Zeit über der ganzen Geschichte, das wussten wir auch. Alles hängt daran und davon ab, ob neue Folgeaufträge vergeben werden können. Leider kommt das Unternehmen nicht schnell genug aus der Krise raus, es findet nicht schnell genug wieder zur Liquidität, sodass wir, Stand heute, leider keine neuen Aufträge von Genting erwarten können.

Aber, und das ist ganz wichtig, Genting hat auch klargemacht, sie möchten Aufträge vergeben, sie halten an diesem Geschäftszweig fest, sie können es nur im Moment nicht seriös finanzieren, aber sie würden es gerne und würden, sobald sie wieder in der Lage sind und die Finanzierung funktioniert, auch wieder diese Aufträge

geben. Das heißt, der sogenannte Plan A ist keineswegs zu den Akten gelegt, der ist jetzt nicht geschreddert, sondern den gibt es immer noch, nur, er ist jetzt erweitert worden um einen Plan B. Das heißt, um die Zeit zu überbrücken, bis neue Aufträge erteilt werden können, wäre die Werft jetzt auch berechtigt, andere Aufträge anzunehmen. Sie könnten jetzt auch zum Beispiel Konverterplattformen bauen, um ein Beispiel zu nennen. Das wäre jetzt möglich. Bisher hat Genting immer gesagt, das möchten wir eigentlich nicht, denn wir wollen ja unsere eigenen Schiffe bauen, was ja absolut logisch ist, denn sie haben ja die Werft gekauft, um dort eigene Schiffe zu bauen.

Also das Ganze ist in sich plausibel, ist in sich logisch, aber die Krise haut eben bei den Werften voll dazwischen. Und es werden immer wieder andere Beispiele genannt von guten Firmen, die Schwierigkeiten haben. Die MEYER WERFTEN wurden von Herrn Schulte zitiert, ich möchte mal auf Firmen wie Airbus hinweisen. Lufthansa, ein Flaggschiff der deutschen Wirtschaft, ist nicht in der Lage, jetzt neue Flugzeuge zu bestellen, das ist doch vollkommen klar.

(Nikolaus Kramer, AfD: Deutsche Wirtschaft, das ist genau der Punkt!)

Deswegen wird auch Airbus Schwierigkeiten haben. Die sind in Kurzarbeit, sie müssen auch sehen, wie sie über die Runden kommen, und auch dort greift die deutsche Industriepolitik. Wir wollen solche Unternehmen halten, denn wenn sie einmal weg sind, kommen sie nicht wieder zurück, dann können wir nur noch bei Boeing die Flugzeuge bestellen.

(Egbert Liskow, CDU: Das wollen wir nicht.)

Und das wollen wir nicht, wir wollen die Auswahl haben, so, wie sich das in einer Marktwirtschaft gehört.