Protokoll der Sitzung vom 06.04.2017

Familie, das ist für uns dort, wo Menschen füreinander Verantwortung übernehmen, egal, ob sie einen Trauschein haben, welche sexuelle Orientierung sie haben

(Zuruf von Enrico Komning, AfD)

oder in welcher Form sie zusammenleben,

(Thomas Krüger, SPD: Sehr richtig.)

ob alleinerziehend, Patchwork-, Regenbogenfamilie oder die Familie im klassischen Sinn.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE – Thomas Krüger, SPD: Ja, sehr richtig.)

Vor diesem Hintergrund kann es heute in Ihrem Antrag aus unserer Sicht nur um die Unterstützung von Familien mit Kindern gehen.

Was wir weiter feststellen, ist, dass Kinder heutzutage leider in einigen Bevölkerungsgruppen ein Armutsrisiko darstellen, was ich persönlich in einem reichen Land wie Deutschland einfach für verwerflich halte. Gemeint sind hier Alleinerziehende, Langzeitarbeitslose, Eltern aus ökonomisch schwachen Haushalten und Migranten. Doch sind Darlehen das richtige Mittel, um Familien zu

fördern, um Kinder- und Jugendarmut zu vermeiden? Hier unterscheiden sich unsere Positionen weiterhin ganz deutlich.

Wir LINKE meinen: Nein, Darlehen führen nur dazu, dass sich die ökonomische Situation weiter verfestigt und Familien so noch weiter in die Schuldenfalle hineingetrieben werden. Schon heutzutage berichtet jede fünfte Familie von Schulden für Kredite für Konsumkäufe wie Autos, Möbel, Haushaltsgeräte oder Reisen, bei denen sie noch nicht wissen, ob sie diese Kredite jemals zurückzahlen können und wie. Ökonomisch schwache Familien sehen die Gefahr der Nichtrückzahlung dreimal höher als Familien, wo das Durchschnittseinkommen sehr hoch ist. Gerade auch ein Drittel der Alleinerziehenden befürchtet schon jetzt, Kredite nicht zurückzahlen zu können. Deshalb ist es aus unserer Sicht der falsche Weg zu sagen, dann bekomm mal ein Kind, dann bekommst du einen Kredit über 5.000 Euro. Kinder sind aus unserer Sicht keine Möbel, Autos oder Reisen, für die man einfach mal so Kredite bekommen darf. Was ist denn das für eine Sicht auf die Kinder?!

Und zum Zweiten wird es aus unserer Sicht nicht wirklich die finanzielle Situation der Familien ändern, sondern kurzfristig hätten sie 5.000 Euro zur Verfügung, die sie dann zurückzahlen müssten. Erst beim dritten Kind – und von 180.000 Familien in Mecklenburg-Vorpommern sind das lediglich 16.000 Familien, also zehn Prozent, auf die das zutreffen würde – hätten sie einen kostenfreien Zuschuss, von dem sie profitieren würden. Dann erst wäre das Darlehen kostenfrei.

Was ich besonders verwerflich finde, ist, wenn Sie vorgeben, meine Damen und Herren von der AfD, dass dadurch die Kinder- und Jugendarmut in MecklenburgVorpommern beseitigt werde. Solange beispielsweise die Hartz-IV-Regelsätze für Kinder und Jugendliche nicht einmal deren Bedarfskosten decken,

(Zuruf von Holger Arppe, AfD)

solange also kein kindliches Existenzminimum beziehungsweise sanktionsfreies Existenzminimum für Familien in Mecklenburg-Vorpommern beziehungsweise Deutschland gewährleistet ist, werden wir Kinder- und Familienarmut nicht beseitigen. Was soll sich, bitte schön, durch einen Kredit in Höhe von 5.000 Euro ändern, wenn das Grundproblem nicht angepackt wird – was ich hier in Mecklenburg-Vorpommern seitens von SPD und CDU vermisse.

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Nein, wenn wir Familien signalisieren wollen, dass wir sie und ihre Kinder unterstützen wollen, dass wir kein Kind mehr in Armut sehen wollen, dann gehört aus unserer Sicht dazu, dass wir ein Kindergeld auf 328 Euro erhöhen,

(Christian Brade, SPD: Warum nicht 500?)

dass wir für die Kinder, die in Familien mit Hartz-IVBezug aufwachsen, endlich bedarfsgerechte, kindgerechte Hartz-IV-Regelsätze einführen, dass wir aber nicht nur die Leistungen für Kinder in Familien bedarfsgerecht erhöhen, Familien in Mecklenburg-Vorpommern sollen nicht benachteiligt werden, sondern es braucht auch hier endlich einen Weg zur kostenfreien Kita. Die Mini-MiniElternentlastungen werden jährlich aufgefressen. Das ist

aus unserer Sicht eine Maßnahme zur Bekämpfung von Kinder- und Jugendarmut und die bestmögliche Förderung von Bildung von Anfang an, und das kostenfrei, so, wie es uns Schleswig-Holstein, Berlin und Hamburg schon vormachen. Bei 200 Euro beispielsweise für einen Krippenplatz in Mecklenburg-Vorpommern für die Eltern pro Monat ist das schon eine Entlastung der Familien von jährlich 2.400 Euro, und das ohne Kredit, ohne dass sie etwas zurückzahlen müssten.

Zum Vierten werben wir, und das haben wir mehrfach gefordert, für die Einführung einer Familienkarte von monatlich 50 Euro, Geld, was den Familien für den Sportbesuch,

(Zuruf von Christian Brade, SPD)

für die Musikschule, für den Besuch eines Museums oder der Bibliothek zur Verfügung stünde. Das macht eine weitere Entlastung von 600 Euro pro Kind.

Das sind aus unserer Sicht die Schritte, die angegangen werden müssen, um Kinder- und Jugendarmut zu bekämpfen und uns zu einem kinder- und jugendfreundlichen Bundesland weiterzuentwickeln. Deshalb lehnen wir Ihren Vorschlag für ein Familiendarlehen ab. Es ist aus unserer Sicht nicht das Ansinnen, die Verschuldung der Familien noch weiter voranzutreiben, sondern Mecklenburg-Vorpommern zu einem kinder- und familienfreundlichen Land weiterzuentwickeln. „Kinderland M-V“, das soll nicht nur ein Wahlslogan der SPD bleiben, sondern tatsächlich in Mecklenburg-Vorpommern mit Leben erfüllt werden. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Vielen Dank.

Das Wort hat – jetzt muss ich erst mal gucken – der Abgeordnete Ehlers für die Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich freue mich, heute das erste Mal als familienpolitischer Sprecher hier vorne stehen zu dürfen,

(Heiterkeit bei Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Oh!)

und da ich ja einen zehn Monate alten Sohn zu Hause habe, traue ich mir auch zu, etwas aus der Praxis zu den vielen theoretischen Ansätzen hier beitragen zu können.

(Tilo Gundlack, SPD: Wart mal ab, wart mal ab!)

Fangen wir mal an.

(Enrico Komning, AfD: Einer ist ein bisschen wenig.)

Ja, ich komme gleich dazu. Vielleicht sollte die AfD nicht ganz so vollmundig sein bei dem Thema, denn das ist ein guter Einstieg. Ich weiß nicht, von wem der Zwischenruf gerade kam, von Herrn Komning wohl.

(Enrico Komning, AfD: Ja.)

Jetzt schauen wir es uns mal an: Sie fangen an im ersten Punkt mit der traditionellen Familie, bestehend aus Vater,

Mutter und Kind. So weit, so gut. Ich werde mal gleich aus dem CDU-Programm zitieren, da sind wir gar nicht so weit voneinander entfernt.

(Susann Wippermann, SPD: Echt? – Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

Aber wenn wir uns jetzt mal die Realität anschauen hier im Land, dann, finde ich, müssen auch wir zur Kenntnis nehmen, dass es durchaus andere Lebensentwürfe gibt.

(Thomas Krüger, SPD: Sehr schön. – Heiterkeit bei Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Das ist auch gut so.)

Und ausnahmsweise,

(Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

ausnahmsweise ist die AfD hier auch mal ein gutes Beispiel.

(Enrico Komning, AfD: Ja?)

Denn ich habe mir die Mühe gemacht, im Handbuch nachzuschauen. Ich hoffe, die Angaben sind alle noch korrekt. Und jetzt kann ich ja mal die Frage in die Runde stellen: Wie viele AfD-Abgeordnete von den 18 leben denn dieses Leitbild der AfD „Mutter, Vater, Kind“?

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Zwei?)

Nein, es sind ein paar mehr, es sind genau 9, also genau die Hälfte lebt diesen Lebensentwurf, und es gibt bei ihnen – so wie in unserem Land auch – auch andere Lebensentwürfe. Es gibt die Singles, es gibt die Geschiedenen, es gibt die Verheirateten ohne Kinder,

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Na so was!)

es gibt die eingetragenen Lebenspartnerschaften, sogar bei der AfD.

(Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Von daher würde ich das nicht so vollmundig wie eine Monstranz vor mir hertragen, wenn ich selber das in der Realität nicht lebe.