Protokoll der Sitzung vom 06.04.2017

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 18: Aussprache gemäß Paragraf 43 Ziffer 2 der Geschäftsordnung des Landtages zum Thema „Einsetzung einer EnqueteKommission ,Jung sein in Mecklenburg-Vorpommern‘“.

Aussprache gemäß § 43 Ziffer 2 GO LT zum Thema Einsetzung einer Enquete-Kommission „Jung sein in Mecklenburg-Vorpommern“

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete Frau Bernhardt.

Liebe Jugendliche! Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Meine Fraktion hat eine Aussprache über die Einsetzung einer Enquetekommission „Jung sein in M-V“ beantragt und ich möchte Ihnen und euch begründen und gern sagen, warum.

In knapp vier Jahren, also 2020/21, könnten wir Abgeordnete alle hier vorn am Rednerpult stehen und Sätze wie diese sagen, ich zitiere: „Es gab nach dem Einsetzen der Enquetekommission die eine oder andere Kritik an der uns selbst auferlegten Arbeitsweise. … Es hieß am Anfang, … das ist doch rausgeschmissenes Geld. Aber

dem war, wie Sie alle wissen, keinesfalls so, ganz im Gegenteil.“

(Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Einen Moment, Frau Bernhardt!

Ich bitte doch, die Gespräche – insbesondere in der ersten Reihe – einzustellen. Das ist eine Unruhe, die hier nicht mehr zu akzeptieren ist. Außerdem bitte ich alle, die den Saal verlassen wollen, ihn dann auch zu verlassen oder sich hinzusetzen.

Jetzt können Sie fortfahren, Frau Bernhardt.

„Durch diese Erarbeitung einer gemeinsamen Grundlage unserer Diskussionen traten doch ganz schön viele Dinge und Aspekte zutage, die so nicht jedem geläufig waren. … Die Ausgaben für die Enquetekommission waren absolut gerechtfertigt, absolut keine Verschwendung.“ Zitatende.

Frau Präsidentin, erlauben Sie mir im Nachhinein das Zitieren. Das waren die Worte von Frau Tegtmeier hier am Rednerpult am 8. Juli 2016. Sie haben die Kosten der Enquetekommission zu Recht verteidigt – ich sehe Sie jetzt gar nicht – und dass Ihre Fraktion der SPD und die CDU-Fraktion sich dann vehement dagegen wehren, das gleiche Geld für die notwendige Debatte über die Zukunft der Jugendpolitik auszugeben, das versteht wirklich niemand und vor allem nicht die Jugendlichen hier im Land.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Aber bleiben wir gleich bei den ach so hohen Kosten. 1 Million Euro im Jahr, das ist viel Geld, keine Frage. Meine Fraktion ist sich dessen bewusst, aber meine Fraktion will nicht in zehn Jahren auf ein MecklenburgVorpommern schauen und sagen, die Jugend hat hier keine Zukunft, kaum jemand will noch in MecklenburgVorpommern studieren.

(Rainer Albrecht, SPD: Was, was, was?!)

Die Jugend flieht nach dem Schulabschluss wieder in Scharen gen Westen. Kleine Dörfer und Gemeinden bluten aus. Attraktive, gut bezahlte Jobangebote für junge Leute gibt es schon lange nicht mehr.

(Rainer Albrecht, SPD: Nun rede mal nicht alles schlecht hier!)

Das Lehrpersonal und die Erzieherinnen und Erzieher sind so gestresst, dass sie kaum noch Zeit für die Kinder und Jugendlichen haben.

(Egbert Liskow, CDU: Wo leben Sie denn?!)

Und die 100.000 Euro zur Stärkung der Jugendbeteiligung werden rückblickend nur ausgelacht. Aber Sie können dann später stolz sagen: He, liebe Kinder und Jugendliche, damals, 2017, wisst ihr noch, da haben wir 5 Millionen Euro gespart, weil wir diese Enquetekommission nicht eingesetzt haben. Die größte Interessenvertre

tung für Kinder und Jugendliche wollte das zwar, aber wir haben es besser gewusst, zum Glück.

Meine Fraktion und ich sagen ganz deutlich: Nein, das ist ganz und gar keine tolle Entscheidung. Die Währung, mit der Sie für die Nichteinsetzung dieser Enquetekommission bezahlen, wird nicht der Euro sein, es wird die Zukunft der Mädchen und Jungen in Mecklenburg-Vorpommern sein.

Ich will es noch mal ganz deutlich sagen: Das hier ist kein Konflikt der LINKEN gegen alle anderen.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Das ist ein Konflikt der SPD und CDU, Seit an Seit mit der AfD übrigens – darüber sollten Sie sich Gedanken machen – gegen 200.000 Kinder und Jugendliche in diesem Land.

Einen weiteren Grund gegen die Enquetekommission konnte ich der Presse entnehmen. Da heißt es, die vergangene Enquetekommission habe nur wenig gebracht. Die Handlungsempfehlungen sind in den Schubladen verschwunden. Das war aus unserer Sicht wirklich der Gipfel. Die Empfehlungen sind in der Schublade verschwunden?! Ja, wie kommen sie denn da hin? So kann man natürlich auch Politik machen, liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und CDU. Das ist aber eine verdammt schlechte und verantwortungslose Politik.

Ich kann für meine Fraktion sagen, dass wir die Handlungsempfehlungen der vergangenen Enquetekommission zu „Älter werden in M-V“ sehr ernst nehmen und sie nicht in Schubladen verschwinden lassen. Und, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen doch mal ehrlich mit uns sein, bei einem Altersdurchschnitt von uns Abgeordneten von 50 Jahren sollten wir wirklich nicht so tun, als wären wir hier die Experten für die Jugend.

(Zurufe von Dr. Ralph Weber, AfD, und Sebastian Ehlers, CDU)

Dass wir alle mal Kinder waren und heute möglicherweise Kinder haben, schön und gut, aber das macht uns nicht zu Allroundexperten, was die Lebenssituation der Kinder und Jugendlichen in Mecklenburg-Vorpommern betrifft. Eine Enquetekommission hätte eine völlig neue, dem Thema angemessene und vor allem notwendige Qualität, und das wissen Sie auch.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie das Szenario einmal umdrehen, merken Sie eigentlich, wie absurd das ist, was nun hier geschieht.

(Vincent Kokert, CDU: Nun hören Sie sich das an!)

Stellen Sie sich einmal vor, das Kinder- und Jugendparlament in Wismar würde plötzlich Debatten führen über die Zukunft der Rente und der geriatrischen Versorgung, Beschlüsse fassen über die Pflegeleistungen und Ausstattung der Altenheime, das alles aber, ohne jemals in einem ordentlichen Verfahren mit älteren Menschen, die es betrifft, gesprochen zu haben. Und darauf angesprochen sagen sie, ich rede ja ab und zu zwischen Tür und Angel mit meinen Großeltern. Letztens habe ich sogar 12.24 Uhr einer älteren Dame über die Straße geholfen. Das wäre ja alles schön und gut, aber die Experten in Sachen Älterwerden in M-V wären die Jugendlichen dann

immer noch nicht. Und, liebe Kolleginnen und Kollegen, genauso wenig macht Ihre aktuelle Art des Dialogs Sie zu Expertinnen und Experten in Sachen Perspektiven der Jugend.

Ich will noch kurz auf die Debatten im Sozialausschuss eingehen, die waren ja teilweise wirklich grotesk. Da tritt der Landesjugendring an uns Abgeordnete heran, der, der 200.000 junge Menschen vertritt, und fordert eine Enquetekommission „Jung sein in M-V“. Und dann müssen sich diese Jugendlichen im Sozialausschuss anhören, dass die meisten Kinder und Jugendlichen weder Lust noch Zeit hätten, in so einer Enquetekommission mitzuarbeiten.

(Zuruf von Maika Friemann-Jennert, CDU)

Wie Sie auf diese pfiffige Argumentation gekommen sind, interessiert mich wirklich brennend. Nicht die Jugendlichen sind es, die keine Lust und Zeit für konstruktive Arbeit haben. Es ist nicht so, dass sich die Jugend nicht für Politik interessiert. Im Gegenteil, die Shell Jugendstudie zeigt das. Politisches Interesse geht seit 15 Jahren steil nach oben. Jeder Dritte hält es für wichtig, sich politisch zu engagieren. Es stimmt also nicht dieses Bild einer verkommenen Jugend, was einige des Öfteren zeichnen. Die Jugendlichen sind so interessiert an Politik wie lange nicht. Das kann man allerdings über das Interesse der herrschenden Politik an der Jugend überhaupt nicht sagen und ich und meine Fraktion finden das äußerst beschämend.

Zum Schluss möchte ich noch etwas zum Verhalten der AfD in dieser Sache sagen. Das ist noch viel grotesker, obwohl ich nicht dachte, dass das ginge. Schauen wir noch mal kurz zurück: Der Landesjugendring schreibt meine Fraktion und die Koalitionsfraktionen bezüglich der Enquetekommission an. Die AfD-Fraktion wird nicht angeschrieben, denn hier gibt es einen demokratisch gefassten Beschluss des Landesjugendringes, dass man keine gemeinsame Basis sieht, um mit der AfD zusammenzuarbeiten. Bei Herrn Professor Dr. Weber und Kollegen knallen natürlich die Korken, weil sie schon wieder die Opferrolle spielen können. So weit ist das ja alles relativ vorhersehbar, aber dann verlassen Sie während der Anhörung, wo eine gemeinsame Diskussion möglich gewesen wäre, einfach den Sozialausschuss und fordern die Landesregierung auf, die Zusammenarbeit mit dem Landesjugendring zu beenden. Das entbehrt wirklich jeder politischen Vernunft.

(Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

Um es noch mal klarzustellen: Der Landesjugendring saß mit Ihnen am 22. Februar an einem Tisch und wollte genauso Ihre Meinung wie die aller Fraktionen hören.

(Dr. Ralph Weber, AfD: Nein.)

Die haben ja auch nicht den Saal verlassen, als Sie das Wort ergriffen haben. Nein, sie haben zugehört. Man muss also sagen, dass es ganz sicher nicht der Landesjugendring ist, der ein gestörtes Verhältnis zur Demokratie hat, wie Ihre Pressemitteilung damals unterstellte. Nein, dieses gestörte Verhältnis zur Demokratie hat einzig Ihre Fraktion.

Abschließend möchte ich aus dem Jugendregierungsprogramm 2016 von „Jugend im Landtag“ zitieren. Da

schreiben die Jugendlichen mit Blick auf die Zukunft des Landes: „Mecklenburg-Vorpommern sah noch nie so alt aus wie heute.“

Und, meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie werden sich gewundert haben, dass ich diese Rede abgelesen habe. Es war die Rede unseres FSJlers Steven, 19 Jahre, der da hinten sitzt, weil es uns als Linksfraktion wichtig ist,

(Vincent Kokert, CDU: Der hat Ihnen die Rede geschrieben?)

den Jugendlichen nicht nur ab und zu mal Hallo zu sagen bei „Jugend im Landtag“ und sie ansonsten von den Türen des Schlosses fernzuhalten, sondern weil wir daran interessiert sind als Linksfraktion, ihnen auch hier eine Stimme zu geben bei der Landtagsdebatte, die heute stattgefunden hat. Insofern freue ich mich, Steven, über die Rede. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist wirklich sehr auffällig, dass hier viele bilaterale Gespräche zwischen den Bänken,