Protokoll der Sitzung vom 18.05.2017

Deutschland, insbesondere Mecklenburg-Vorpommern, ist in Anbetracht des zunehmenden Fachkräftemangels darauf angewiesen, dass auch in Zukunft Professionalität, Qualität und Verbraucherschutz für das Handwerk sprechen. Die Einführung von 21 Prüfkriterien vor dem Erlass neuer, aber auch vor der Änderung bereits bestehender und geprüfter Vorschriften beschränkt die Handlungsfähigkeit der nationalen Gesetzgeber vehement. Das duale Ausbildungssystem hat sich jedoch in Krisenzeiten bewährt und sollte weiterhin in seiner jetzigen Form Bestand haben.

Der Europäische Gerichtshof hat stets betont, dass jeder Mitgliedsstaat in eigener Regelungsbefugnis bestimmen kann, welche Berufe er auf welchem Niveau reglementiert. Nach den Vorstellungen der Kommission müssen die Mitgliedsstaaten umfangreiche Notifizierungen und Begründungspflichten gegenüber der EU-Kommission erfüllen, wenn sie bestehende Berufszulassungsregeln ändern oder neue Regelungen erlassen wollen. Hier

müsste sich der deutsche Gesetzgeber der Kontrolle der EU-Kommission unterwerfen, wohlgemerkt einem europäischen Exekutivorgan, das grundsätzlich nur Entscheidungen zur strategischen und politischen Ausrichtung der EU fällt.

Meine Damen und Herren, von daher ist es wichtig, dass wir diesen Antrag heute auf den Weg bringen. Ich denke, dass wir jederzeit bereit sind, mit dem Bund darüber zu reden. Am Ende vertritt der Bund die Interessen der Länder bei der EU. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Danke, Herr Minister.

Das Wort hat der Abgeordnete de Jesus Fernandes von der AfD.

Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrtes Präsidium! Geehrte Abgeordnete! Liebe Landsleute und Gäste! Ich persönlich habe mit Freude, aber gleichzeitig auch mit Verwunderung Ihren Antrag gelesen, mit Freude deshalb, weil sich die Landesregierung endlich und zum ersten Mal konkret gegen den nächsten institutionalisierten Unsinn der Europäischen Union wehrt,

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

was von unserer Seite auch sehr zu begrüßen ist.

Herr Krüger, Sie können ja auch bitte mal die Minister berichtigen, wenn sie falsch vorlesen.

(Thomas Krüger, SPD: Aber so was von.)

Die lesen nämlich auch nur. Selbst unsere Bildungsministerin ist am Vorlesen. Ich weiß gar nicht, was Sie sich hier aufregen.

(Thomas Krüger, SPD: Habe ich mich aufgeregt? – Jochen Schulte, SPD: Als Bildungsministerin muss man doch auch lesen können.)

Gleichzeitig war ich jedoch verwundert, da insbesondere CDU und SPD in einem ihrer letzten Anträge manifestiert haben, dass die Landesregierung gar nicht genug von diesen sogenannten Fachkräften aus aller Welt kriegen kann. Wie ist das zu verstehen? Amtsmüdigkeit nach nur acht Monaten?

(Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

Vielen von Ihnen wurde die Welt von einer Maus, einem blauen Elefanten und einem Mann, der in einem Bauwagen wohnt, in den Lach- und Sachgeschichten erklärt. Als Abgeordneter von Team blau, der sein Büro auf der Bauetage im Schloss hat, möchte ich Ihnen nur Folgendes zur politischen und fachlichen Dimension Ihres Antrages in dieser Lach- und Sachgeschichte erklären:

(Thomas Krüger, SPD: Bei mir war es Schnatterinchen.)

(Thomas Krüger, SPD: Sehen Sie!)

Die Sachgeschichte, also die fachlich kritische Auseinandersetzung zum europäischen Dienstleistungspaket zuerst: Diese gliedert sich vereinfacht in vier Teile. Dort sehen wir:

1. die Reformempfehlung für Berufsreglementierung im

COM-Papier 820 aus 2016,

2. den Richtlinienvorschlag zur Festlegung eines Notifi

zierungsvertrages, COM 821 aus 2016,

3. den Richtlinienvorschlag für die Einführung einer

Verhältnismäßigkeitsprüfung, COM 822 aus 2016,

(Thomas Krüger, SPD: Ich kann Ihnen folgen.)

4. jeweils einen Richtlinien- und Verordnungsvorschlag

zur europäischen Dienstleistungskarte, COM 823 und 824 aus 2016.

(Torsten Renz, CDU: Das steht da alles?)

Zu erstens, die Reformempfehlung für Berufsreglementierung. Aus dieser geht hervor, dass aus einer zuvor durchgeführten Erhebung 33 Prozent der deutschen Erwerbspersonen direkt von Reglementierungen betroffen sind. 33 Prozent – das klingt viel. Hier muss man sich auch vor Augen führen, dass von diesen circa 5.600 festgestellten reglementierten Berufen nur 149 in Deutschland zu finden sind und davon wiederum nur 41 im Handwerk.

Worum geht es eigentlich? Es ist des Weiteren zu lesen, dass aus der Analyse der wirtschaftlichen Auswirkung für die gesamte EU hervorgeht, dass je nach Bedarf oder je nach Beruf drei bis neun Prozent mehr Menschen im jeweiligen Beruf arbeiten könnten, wenn die Zugangsanforderungen gelockert werden würden. Gleichzeitig liest man im Faktenblatt der Europäischen Kommission zum EU-Dienstleistungspaket, dass das Bruttoinlandsprodukt nach EU-Schätzungen durch eine vollständige Umsetzung um 1,8 Prozent steigen könnte. Hier wiederholt sich das stetige Erklärungsmodell der EU aufs Neue: Mehr ist mehr. Fernab von Wachstumszahlen folgt kaum eine Betrachtung von negativen externen Effekten, geschweige denn von Auswirkungen in den einzelnen Mitgliedsstaaten.

Zu zweitens, der Richtlinienvorschlag zur Festlegung eines Notifizierungsvertrages. Nach diesem Vorschlag der Kommission müsste Deutschland umfangreiche Notifizierungs- und Begründungspflichten gegenüber der EU-Kommission erfüllen, gerade wenn man bestehende Berufszulassungsregelungen ändern oder neue erlassen möchte. Hier müsste sich der deutsche Gesetzgeber der Kontrolle durch die Europäische Kommission unterwerfen. Dies geht jedoch über die Kompetenzen der Kommission hinaus und bedeutet im Schluss, dass demokratisch legitimierte Parlamente unter die Kontrolle des Exekutivvorgangs gestellt werden.

Zu drittens, der Richtlinienvorschlag für die Einführung der Verhältnismäßigkeitsprüfung. Hier wird der Kontrollwahn der Kommission noch weiter forciert. Die Kommission verlangt, dass die einzelnen Mitgliedsstaaten die Verhältnismäßigkeitsprüfung unter, Zitat aus Artikel 4 Absatz 5 des Richtlinienentwurfs, „Mitwirkung unabhängiger Kontrollstellen“ ergreifen. Wer soll denn das sein?

Es wird uns in diesem Vorschlag nicht erklärt, welche Kontrollstelle zusätzlich zum demokratisch legitimierten Gesetzgeber gemeint sein könnte. Das ist mir persönlich aber auch gleich, weil eine Kontrollstelle generell vor diesem Hintergrund gestrichen werden muss, da es sich dabei eindeutig um eine Einmischung in den nationalen Gesetzgebungsprozess handelt, der hier einfach nicht hingehört

Zu viertens, und das ist das Schlimmste, zum Schluss: die europäische Dienstleistungskarte. Ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis aus einem Fachartikel „Nein zum Dienstleistungspaket der EU-Kommission“ vom Zentralverband Deutsches Baugewerbe: „Beantragt ein Bürger eines EULandes eine Dienstleistungskarte, um in Deutschland Brunnen zu bauen, und reagiert die deutsche Behörde nicht innerhalb von zwei Wochen“, was ziemlich oft der Fall sein könnte, wie ich mir vorstellen kann, „stellt die Behörde des Herkunftslandes die Karte aus. Der Antragsteller darf nun – ohne dass die deutsche Behörde die Anforderungen hinsichtlich der grundwasserrelevanten Bohrtätigkeit geprüft hat – in Deutschland Brunnen bauen“, und das unbefristet.

Und hier steht die AfD-Fraktion hinter den Forderungen des Deutschen Bauhauptgewerbes: keine Dienstleistungskarte ohne Zustimmung des Aufnahmestaates, keine schleichende Einführung des Herkunftslandprinzips durch die Hintertür. Damit können wir uns unseren Vorrednern, die das ja auch schon erwähnt hatten, quasi anschließen. Die Dienstleistungskarte darf keineswegs unbefristet ausgestellt werden. Vorausgesetzt, dieser EU-Unsinn kommt, werden sich aber trotzdem die Genehmigungsvoraussetzungen immer erweitern oder zumindest verändern. Es muss daher stets gewährleistet sein, dass die erforderlichen Genehmigungsvoraussetzungen tatsächlich vorliegen. Dazu soll die Gründung von Zweigniederlassungen erleichtert werden. Hier könnten sich durch die Dienstleistungskarte auch Briefkastenfirmen leichter in einem Mitgliedsstaat etablieren. Zudem können natürliche Personen eine Dienstleistungskarte beantragen, was der Scheinselbstständigkeit nochmals Auftrieb gibt.

Nun aber die Lachgeschichte: Auf Druck einer Vielzahl von wirtschaftlichen Akteuren und Interessenverbänden haben sowohl der Deutsche Bundestag als auch der Bundesrat in diesem Jahr beschlossen, eine Subsidiaritätsrüge einzulegen. Man stößt sich gemeinschaftlich, so wie ich heute auch, an dem Notifizierungsverfahren und der Verhältnismäßigkeitsprüfung. Damit ist meine Verwunderung über diesen Antrag auch schon erschlossen.

Es ist ja das Wahljahr, das wissen wir alle, und CDU und SPD sind auf Wählerfang.

(Torsten Renz, CDU: Die AfD nicht, ne?!)

Viele Handwerker in M-V haben die AfD gewählt und diese möchte man sich nun zurückholen.

(Torsten Renz, CDU: Woher wissen Sie das?)

Es ist nur schade, dass Ihre großen Schwestern und Brüder schneller waren und Frau Merkel ihr Okay gegeben hat. Aber ein wenig Mitnahmeeffekt muss da noch drin sein – nicht wahr, Herr Renz?! –, auch wenn es sich dieses Mal nur um einen politischen Gegenstand und nicht um einen materiellen Audi A8 handelt.

Interessant hätte ich gefunden, wenn Sie sich in Ihrem Antrag konkret gegen die Dienstleistungskarte gestellt hätten. Dies taucht nämlich in den Aufforderungen nicht auf, sondern nur für ein weiteres Engagement gegen die Einführung des europäischen Dienstleistungspaketes und für die Berufsreglementierung nach deutschem Vorbild. Gut, dass Sie mittlerweile ganz langsam Ihre Scheuklappen verlieren, dass Sie langsam laufen lernen. Aber passen Sie auf, dass Ihnen Frau Merkel nicht noch das vollste Vertrauen ausspricht! Wir, die AfD, werden Ihren Versuch des Aufbäumens gegen Ihre Parteispitzen unterstützen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Das Wort hat der Abgeordnete Jochen Schulte für die Fraktion der SPD.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Trotz vielleicht aller beim ersten Eindruck bestehenden Gemeinsamkeiten, was das Ziel dieses Antrages angeht, ist, glaube ich, gerade durch den Kollegen der AfD-Fraktion deutlich gemacht worden, dass es hier gleichwohl tatsächlich Unterschiede gibt.

Meine Fraktion, die Koalitionsfraktionen – ich vermute mal, sollte der Kollege Holter zu diesem Antrag reden, auch er – …

(Helmut Holter, DIE LINKE: Nein, da liegen Sie falsch.)