Protokoll der Sitzung vom 19.05.2017

Die Botschaft habe ich verstanden. Sie haben angedroht, für den Fall, es wäre nicht so gekommen, hätte es die soziale Auseinandersetzung gegeben im Land. Sie haben auch die Opposition erwähnt. In diesem Kontext meinten Sie wahrscheinlich sich, das ist ja mal eine klare Botschaft, wofür Sie sich zuständig sehen.

(Vincent Kokert, CDU: Ja, die Sensen waren geschliffen.)

Und dann ist mir nicht so recht deutlich geworden – ich glaube, da bin ich nicht allein –, was jenseits dieser Botschaft Ihre Botschaft war. Also ist das jetzt eine Einigung, mit der man leben kann, die fair ist, was der Städte- und Gemeindetag zum Beispiel sagt, interessengerecht? Wir haben uns vernünftig verständigt, dann ist diese Aussprache überflüssig. Oder ist sie das nicht? So hörte sich der zweite Teil Ihrer Ausführungen an.

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Dann muss man alles noch mal neu diskutieren, denn im zweiten Teil sagten Sie, dem liegt gar keine Vision zugrunde.

(Heiterkeit von Vincent Kokert, CDU)

Da darf ich Sie korrigieren. Wir sitzen ja gemeinsam im Finanzausschuss, da habe ich auch Ausführungen gemacht und ich kann Ihnen die Vision der Landesregierung gern vortragen.

Erstens möchten wir – das hat in der Vergangenheit nicht immer geklappt und lag wahrscheinlich nicht nur an einem – eine faire Verantwortungsgemeinschaft von Land und Kommunen zur Sicherstellung öffentlicher Güter, zur Finanzierung der Aufgaben, die wir im Land haben, auf

Augenhöhe, fair miteinander, auf der Basis rationaler Argumente. Ich würde sagen, das ist gelungen.

Das Zweite, was wir anstreben, ist ein Finanzausgleich, der sowohl zwischen Land und Kommunen als auch zwischen den Kommunen dem Prinzip der Gerechtigkeit und des Ausgleichs folgt, denn im Grundgesetz steht geschrieben, dass in diesem Lande gleichwertige Lebensverhältnisse herrschen sollen, und das gilt ebenfalls in Mecklenburg-Vorpommern,

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Echt?)

zwischen West und Ost, Nord und Süd, Stadt und Land. Und damit das gelingt, müssen die Stärkeren mehr schultern als die Schwächeren und es muss einen guten Finanzausgleich geben. Diesem Solidaritätsprinzip verpflichtet, was wir aus dem Grundgesetz entnehmen können, haben wir uns mit der kommunalen Ebene darauf verständigt, die Ausgleichsquote zu erhöhen.

Das dritte große Ziel war, dass wir einen wesentlichen Schritt nach vorn gehen wollen zum Thema Entschuldung. Da scheinen wir uns offenbar zu unterscheiden. Ich habe das erste Mal gehört, dass für Sie eine Entschuldung doch nicht so ganz wichtig ist, denn wir haben Schulden auf kommunaler Ebene und wir haben im Moment die Situation niedriger Kreditzinsen. Das kann sich aber innerhalb kürzester Zeit ändern. Wie Sie wissen, sind die Kredite auf kommunaler Ebene, die aus Altfehlbeträgen resultieren, Kassenkredite mit kurzen Laufzeiten, und da haben Sie ein maximales Zinsänderungsrisiko. Deswegen haben der Innenminister und ich, stellvertretend für die Landesregierung, mit den kommunalen Spitzenverbänden verhandelt, dass wir einen großen Schritt vorwärts gehen wollen im Bereich der Entschuldung der kommunalen Ebene, um dieses Zinsänderungsrisiko so klein wie möglich zu halten. Sie wissen, was dabei rausgekommen ist, ein Entschuldungsfonds von 35 Millionen, den man immer mit kommunalen Anteilen verdoppeln muss, also 70 Millionen Euro zusätzliche Entschuldung pro Jahr für unsere Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern.

Ich sage ausdrücklich, dafür verzichtet das Land, jedenfalls die Landesregierung – und ich hoffe, das Parlament folgt dem –, sehr gern auf die Entlastung, die der Bund im Jahr 2018 zur Verfügung stellt, obwohl wir als Land die Hauptlast im Rahmen des Bundesteilhabegesetzes schultern. Denn wenn es uns gelingt, einen richtig großen Schritt bei der Entschuldung voranzukommen, dann ist das etwas, was auch im Interesse des Landes ist. Das stärkt das gesamte Land.

Insofern gibt es eine klare Vision, die ich persönlich als Finanzminister – das habe ich im Finanzausschuss auch getan – um die Vision erweitere, den kommunalen Handlungsspielraum noch weiter zu vergrößern, das heißt, darüber nachzudenken, ob das eine oder andere Förderprogramm, das das Land im Moment macht, besser nicht im FAG abgebildet ist. Es gibt Ministerinnen und Minister, die dazu bereit sind, Sie werden das erleben. Dieses vierte große strategische Ziel, mehr kommunale Freiheit und Verantwortung, werden wir umsetzen. Nur, es gehört zu dieser Debatte folgende Wahrheit: Es sind nicht alle dafür auf kommunaler Ebene, Herr Wildt.

Noch mal ein Beispiel: Wir könnten das Ausführungsgesetz zum SGB XII komplett in das FAG tun, fast 300 Milli

onen Euro. Die einen sagen, das ist gut, dann erhöht sich die Beteiligungsquote, die kommunale Ebene partizipiert mehr an den Steuereinnahmen. Es gibt aber auch einige, die Ihnen sagen, das wollen wir gar nicht, weil das bedeutet nämlich, diesen Bereich dem Finanzierungsrisiko der Konjunktur und Steuerrechtsänderungen auszusetzen, denn das ist die andere Seite der Medaille einer hohen Beteiligungsquote, dass die Finanzausstattung der Kommunen sehr viel stärker konjunkturabhängig wird. Da gibt es auf kommunaler Ebene ganz unterschiedliche Meinungen. Ich persönlich kann mir das vorstellen, aber mir haben auch schon Vertreter von mindestens einem Verband gesagt, das wollen sie nicht, weil damit die Ausstattung der Mittel möglicherweise volatil wird. Man hat also die Chance darauf, in Zukunft mehr Geld zu bekommen, aber man hat auch das Risiko, dass in der Konjunkturkrise das ganz anders aussieht.

Deswegen würde ich Sie bitten, Herr Wildt, ich glaube, diesen Grundsatz, mehr kommunale Freiheit, aber auch Eigenverantwortung, teilen wir mehr oder weniger alle, aber es ist im konkreten Detail sehr viel komplizierter und es macht am Ende keinen Sinn, das ohne Zustimmung der kommunalen Ebene zu tun.

Dann komme ich zum letzten Punkt, der eigentlich Gegenstand dieser Aussprache ist: Armrechnen. Ich weise diesen Vorwurf in aller Entschiedenheit sowohl als Abgeordneter als auch als Mitglied der Regierung zurück. Dieses Verfahren ist in diesem Lande seit vielen Jahren das Berechnungsverfahren, das wir eingeführt haben. Es wurde seit vielen Jahren erprobt und ist vom Landtag Mecklenburg-Vorpommern beschlossen worden, Herr Wildt, nicht von der Landesregierung. Natürlich hat die Landesregierung einen Vorschlag gemacht, aber es ist in allen Ausschüssen beraten worden, es ist im FAG-Beirat beraten worden und es lagen alle Daten für alle offen. Das heißt, dieses Zickzackmuster, von dem in der Vergangenheit die Rede war, war aus allen Daten zu entnehmen. Der Abteilungsleiter Witte hat im Finanzausschuss noch mal auf die Ausschussdrucksachen und die Landtagsdrucksachen verwiesen, aus denen das alles hervorging. Ich habe dann selbst auch gesagt, dass es kurios genug ist, dass das niemandem aufgefallen ist, keinem Vertreter der kommunalen Ebene, keinem Landtagsabgeordneten, keinem Regierungsmitglied. Aber das ist die Wahrheit, so ist es. Es sind niemals Daten irgendwo nicht öffentlich gewesen.

Und jetzt zur Sache: Frau Rösler hat sich auch über die Einigung mit der kommunalen Ebene etwas abfällig geäußert oder gesagt, den letzten Punkt könne man nicht akzeptieren, dass es keine Rückforderung gibt. Die Einigung, die wir erzielt haben, haben wir im Einvernehmen mit dem Gutachter erzielt, der hat an diesen Verhandlungen teilgenommen. Und ich habe dem Gutachter mehrfach folgende Fragen gestellt: Wenn wir mal die 700 Millionen Euro vergessen, die das Land zusätzlich gezahlt hat, die schon ein Ausgleich sein könnten, wenn man so tut, als hätte es das Geld nicht gegeben, wäre es nicht ein systematischer Fehler, mögliche Zahlungen aus der Vergangenheit zu begleichen und gleichzeitig die Daten der Vergangenheit zu nehmen, um daraus die Finanzausstattung der Zukunft zu bemessen? Wäre das denn nicht gleichbedeutend damit, dass man diese Summe, die in Rede steht, zweimal bezahlt, einmal als Rückforderung und einmal als eine höhere Finanzausstattung der Zukunft?

Weiterhin habe ich gefragt: Wäre es dann nicht auch so, dass das nicht sachgerecht wäre? Ich glaube, ich habe den Gutachter zwei- oder dreimal gefragt, und ich darf Ihnen das hier offiziell sagen: Der Gutachter hat erklärt, dass es sachlich falsch wäre. Deswegen – und das ist ja irgendwie auch logisch –, wenn ich sage, die Finanzausstattung der Zukunft wird bemessen anhand der Daten der Vergangenheit, dann kann ich das nicht einerseits machen und andererseits für die Vergangenheit noch mal was bezahlen. Insofern ist der Kompromiss so zu verstehen, dass mit der Erhöhung der Finanzströme für die kommunale Ebene selbstverständlich eine nachträgliche angemessene Beteiligung an den Gesamtfinanzen hergestellt wird.

Zur Wahrheit gehört auch, dass der Gutachter in dieser Sitzung seine eigenen Rechnungen, die seit Wochen durch die Öffentlichkeit geistern, korrigieren musste. Es stehen nicht mehr 50 Millionen Euro pro Jahr in Rede, sondern 35 Millionen. Der Gutachter hat ausdrücklich erklärt, dass dies eine geeignete Grundlage ist, und dann haben wir die Steigerungskosten aus dem übertragenen Wirkungskreis noch dazugetan und kamen auf rund 45 Millionen Euro. Auch das gehört zur Wahrheit, dass die Daten, die über Wochen in der Öffentlichkeit kursierten, vom Gutachter selbst zurückgezogen wurden in den Verhandlungen – sie sind niedriger – und dass das, was da herausgekommen ist, sich in der künftigen Finanzausstattung der Kommunen widerspiegelt.

Insofern gibt es ein transparentes Verfahren, ein sachgerechtes Verfahren, ein Verfahren, das im Konsens mit der kommunalen Ebene erzielt wurde. Deswegen gibt es aus meiner Sicht auch keinen Grund mehr, darüber weiter Grundsatzdiskussionen zu führen, sondern wir werden uns in den FAG-Beratungen zum Jahr 2018 sicherlich fachlich noch über viele Details unterhalten müssen.

Ich möchte mich ausdrücklich bedanken vor allem bei den kommunalen Spitzenverbänden für faire, sachangemessene und sehr gute Verhandlungen und dafür, dass wir am Ende gemeinsam...

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kröger?

Selbstverständlich.

Bitte schön.

Vielen Dank, Herr Minister.

Herr Minister, ist es wahr, dass das Kernstück der Einigung zwischen Land und Kommunen das Finanzpaket des Bundes – Bund-Länder-Finanzpaket genannt – ist, das Ihre Bundestagsfraktion jetzt von der Tagesordnung genommen hat für die vorletzte Sitzung des Bundestags, das also mit sehr hohem Risiko erst in die letzte Bundestagssitzung gehen wird?

Sehr geehrter Herr Abgeordneter, ich habe jetzt den konkreten Tagungsverlauf im Bundestag nicht vor Augen. Es kann sein, dass etwas runtergenommen ist, und dann wird es mit Sicherheit irgendwann wieder aufgesetzt, wie das im Parlament so üblich ist, wenn man noch Beratungsbedarf hat. Davon gehe ich jetzt jedenfalls aus. Also ich stecke auf jeden Fall nicht dahinter, falls Sie mit der Frage darauf abzielen.

Nein, auf keinen Fall!

(allgemeine Heiterkeit)

Nur, es ist... Entschuldigung.

Gestatten Sie eine zweite Zwischenfrage des Abgeordneten Kröger? (Zu- stimmung)

Ich meine damit, wenn das Risiko besteht, dass dieses Paket nicht verabschiedet wird, dann ist doch die ganze Verhandlung, wie sie in der Vergangenheit passiert ist, gegenstandslos,

(Manfred Dachner, SPD: Das ist keine Frage!)

oder sehen Sie das anders?

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Kröger, das sehe ich ganz anders, weil die Teile, die jetzt zur Verhandlung gestanden haben mit der kommunalen Ebene, bereits beschlossene Sache sind. Das, worauf Sie mit Blick auf das Jahr 2020 abzielen, die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen, wird nach Vereinbarung mit der kommunalen Ebene gegebenenfalls Gegenstand einer zweiten kleineren oder größeren Novelle des FAG sein. Das ist ja gerade der erste Satz in unserer Vereinbarung, dass wir ein zweistufiges Verfahren machen und insofern die Änderungen, von denen Sie jetzt sprechen, die ab dem Jahr 2020 wirksam werden, noch nicht Gegenstand der Änderungen des FAG 2018 wären. Deswegen gibt es dieses Problem aus meiner Sicht nicht.

(Andreas Butzki, SPD: Er ist jetzt beglückt.)

Also ich darf noch mal allen Beteiligten für äußerst konstruktive, sachliche und faire Verhandlungen danken, auch dem Innenminister. Ich glaube, wir haben ein tolles Ergebnis für Land und Kommunen erzielt, mit dem alle gut leben können, und ich möchte Sie herzlich bitten, am Gesetzgebungsprozess in konstruktiver Art und Weise mitzuwirken, sodass wir auch den Kommunen möglichst bald eine Handlungssicherheit gewährleisten können. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Ich rufe jetzt auf für die Fraktion der CDU den Abgeordneten Herrn Reinhardt.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Beim Geld hört ja bekanntlich die Freundschaft auf und wie wir wissen, ist das ganz besonders bei den Kommunalfinanzen der Fall. Da haben wir nicht nur untereinander, da haben wir mitunter auch innerhalb unserer Parteien durchaus widerstreitende Auffassungen, die es dann immer wieder zusammenzubringen und am Ende einer Lösung zuzuführen gilt.

Sie wissen alle, dass sich gerade die CDU-Fraktion in der letzten Legislaturperiode immer für die Stärkung der Kommunalfinanzen eingesetzt hat. Wir haben gemeinsam mit unserem Koalitionspartner auch mehrere Kommunalpakete – ich will an den Entschuldungsfonds und an den Kofinanzierungsfonds in der letzten Legislaturpe

riode erinnern – aufgelegt. Alles das hat sicherlich dazu beigetragen, dass die Kommunalfinanzen gestärkt werden, so viel gehört zur Wahrheit dazu. Es hat aber auch gezeigt, dass mit Sicherheit Handlungsbedarf auf der kommunalen Ebene und beim Finanzausgleich besteht.

Wir haben uns dann darauf verständigt – Frau Rösler hat es ja vorhin bezeichnet als, wir haben uns „über die Runden gerettet“ –, indem wir ein Gutachten beauftragt haben. Ich glaube trotzdem, dass das der richtige Weg war. Wir haben das ja gemeinsam mit der kommunalen Ebene vereinbart und ich glaube, niemand von uns, keine Fraktion, wahrscheinlich auch nicht die Fraktion DIE LINKE, hätte die Möglichkeit gehabt, diese Untersuchung schneller und vielleicht fundierter abzugeben. Insofern halte ich das Vorgehen in diesem Punkt durchaus für richtig, auch wenn natürlich am Ende das Gutachten doch etwas später vorlag, als es uns allen lieb war. Wir alle, denke ich, haben aber gesagt, dass uns hier Genauigkeit vor Schnelligkeit geht.

Die Ergebnisse des Gutachtens, die Ergebnisse...

(Jeannine Rösler, DIE LINKE: Und wozu, wenn die Ergebnisse gar nicht berücksichtigt werden?)

Immer mit der Ruhe, Frau Rösler, dazu kommen wir gleich!

Man kann das natürlich so machen wie Sie und sagen, wir negieren das Ganze. Zum Teil haben Sie vorhin auch die Kompetenz, finde ich, der kommunalen Ebene ein wenig infrage gestellt. Ich würde das an Ihrer Stelle so nicht machen. Das Gutachten sieht natürlich viele Vorschläge vor, aber es gehört auch dazu, dass das hier im Parlament bewertet wird und dass man nicht eins zu eins jeden Vorschlag eines Gutachtens umsetzt. Wir haben uns für ein zweistufiges Verfahren entschieden.

(Zuruf von Jeannine Rösler, DIE LINKE)