Protokoll der Sitzung vom 13.07.2017

Das ist eine Arroganz, die sich die Politik in Zeiten zunehmender Politikverdrossenheit aus unserer Sicht nicht leisten kann.

(Minister Dr. Till Backhaus: Na, na, na, na! Ich bin nicht arrogant. Das lasse ich mir nicht sagen!)

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 120 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das auch so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Ums Wort hat zunächst gebeten die Sozialministerin. Frau Drese, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Es ist richtig, wir haben in Mecklenburg-Vorpommern einen hohen Anteil von Kindern, die in Bedarfsgemeinschaften leben. Und ich stimme Ihnen zu, jedes dieser Kinder ist eines zu viel. Deshalb ist Ihr Ansinnen, über die Chancengleichheit für alle Kinder zu reden, löblich, allerdings ist Ihre Aktivität sichtbar dem Bundestagswahlkampf geschuldet.

(Torsten Renz, CDU: Siehste, da habt ihr es wieder!)

Das schmälert Ihre Initiative dann doch gewaltig. Die Mutter Ihres Antrags und vieler weiterer ähnlicher Anträge in verschiedenen Landtagen ist ganz offenbar der Antrag der Linksfraktion im Bundestag vom 13. Dezember 2016 „Kinder und Familien von Armut befreien – Aktionsplan gegen Kinderarmut“.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das ist eine bundesweite Kampagne.)

Sehr geehrte Damen und Herren, doch schauen wir uns zunächst die Fakten an, und das erspare ich Ihnen hier heute nicht, Frau Bernhardt, auch wenn Sie sich das anders gewünscht haben.

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Nee, ich wünsche mir gar nichts mehr.)

Warum haben wir statistisch gesehen eine überdurchschnittliche Kinderarmutsgefährdungsquote? Vor allem deshalb, weil das Lohnniveau in Mecklenburg-Vorpommern nur etwa 75 bis 80 Prozent des Bundesdurchschnitts erreicht. Und da die definierte Armutsgefährdungsgrenze bei weniger als 60 Prozent des bundesweiten mittleren Nettoeinkommens der Bevölkerung in Privathaushalten liegt, sind Länder, in denen unterdurchschnittliche Löhne gezahlt werden, besonders betroffen.

(Jörg Heydorn, SPD: Und in Griechenland gibt es kaum noch Arme. – Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Ja, weil Sie sich alles schönrechnen.)

Das statistische Armutsgefährdungsrisiko von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist auf das Engste verbunden mit der Einkommens- und Vermögenssituation der Eltern. Das heißt, der beste Schutz vor Kinderarmut sind höhere Löhne bei uns im Land. Dafür kämpft die Landesregierung sowohl mit Erwin Sellering als auch jetzt mit Manuela Schwesig an der Spitze seit Jahren. Aber höhere Löhne können nicht einfach verordnet werden und auch nicht durch Frontalangriffe auf die Unternehmen hier im Land erzwungen werden. Höhere Löhne setzen eine gute wirtschaftliche Entwicklung, die wachsende Einsicht von Unternehmen in die Notwendigkeit einer besseren Bezahlung und starke Gewerkschaften voraus.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Die wirtschaftliche Lage ist gut.)

Hier ist in den letzten Jahren enorm viel geschehen, vor allem beim Abbau der Arbeitslosigkeit und durch die frühzeitigen Landesvorgaben zum Mindestlohn. Die besseren Rahmenbedingungen müssen sich nun auch in einem höheren Lohnniveau auswirken. Da sind wir dran, gemeinsam mit Gewerkschaften und Unternehmen.

Sehr geehrte Damen und Herren, selbstverständlich sind neben dem verfügbaren Einkommen der Eltern auch andere Lebenslagen wie die Wohnsituation, die Bildung und die Gesundheit bei der Herstellung von Chancengerechtigkeit zu berücksichtigen. Prekäre Lebenslagen schränken die gesellschaftlichen Teilhabemöglichkeiten der Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen erheblich ein. Insbesondere fehlende Bildung oder schlechte Schulabschlüsse erhöhen im Übergang von der Schule in die Ausbildung das Risiko, nicht zeitnah oder unter verschlechterten Bedingungen in den Arbeitsmarkt überzugehen. Auch hier setzt die Landesregierung an, um unmittelbar oder mittelbar die Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen zu verbessern. Zu nennen sind vor allem sozial- und arbeitsmarktpolitische Maßnahmen wie die Aktivierung der Langzeitarbeitslosen, die konsequente Umsetzung des Mindestlohns, die Schließung der Lohnlücke zwischen Männern und Frauen und die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ich gehe noch auf einzelne Aktivitäten näher ein.

Festzuhalten bleibt, die Bekämpfung der Kinderarmut ist eine sozialpolitische Aufgabe, an der die Gemeinden, die örtliche Jugendhilfe beziehungsweise Sozialhilfeträger, die Länder und der Bund weitgehend rechtskreisübergreifend zusammenwirken. Wir brauchen also keinen Aktionsplan, der erst die Einbeziehung aller Akteure, der in der Kinder- und Jugendhilfe Tätigen, einfordert. In allen Lebensbereichen von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien ist diese von der Fraktion DIE LINKE geforderte Einbeziehung und Teilhabe bereits gelebte Praxis.

Sehr geehrte Damen und Herren, die Landesregierung fördert benachteiligte Kinder und hilft ihnen gezielt. So schaffen wir Bedingungen, die ein besseres, chancengerechteres und gesünderes Aufwachsen der Kinder in unserem Land ermöglichen. Dabei zielen die Bemühungen auch auf die Eltern beziehungsweise Personensorgeberechtigten, um ihnen bedarfsgerechte und lebensphasenorientierte Angebote und Unterstützung zu unterbreiten. Die Landesregierung unterstützt mit Strukturen und Angeboten der Familienarbeit, der Eltern- und Familienbildung, mit Familienhebammen sowie einem breit gefächerten Beratungsnetzwerk Eltern in schwierigen Lebenssituationen und trägt somit zur Stärkung der Elternkompetenz bei.

Bildung ist ein wesentlicher Faktor, um Armut und Armutsgefährdung entgegenzuwirken. Daher sind alle bildungspolitischen Schritte der Landesregierung darauf ausgerichtet, die Bildungschancen von allen Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu verbessern. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der frühkindlichen Bildung. Mit massiven Investitionen hat die Landesregierung in den vergangenen Jahren die Kindertagesförderung qualitativ und quantitativ ausgebaut. Wir haben unsere Ausgaben hier in den letzten zehn Jahren auf mittlerweile 216 Millionen Euro deutlich mehr als verdoppelt. Wir sind bei den Betreuungsquoten bundesweit vorn. Wir stellen zusätzliche Mittel für Kitas in sozialen Brennpunkten zur Verfügung und Kitas aus MecklenburgVorpommern nutzen überdurchschnittlich die Angebote des Bundes KitaPlus und Sprach-Kita. Damit schaffen wir die Voraussetzungen für Eltern, eine Arbeit aufnehmen zu können, und wir fördern gezielt Kinder, die aufgrund ihrer sozialen und/oder ethnischen Herkunft benachteiligt sind.

Darüber hinaus unternimmt die Landesregierung große Anstrengungen, um langzeitarbeitslose Eltern, insbesondere Mütter und Alleinerziehende, in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zu vermitteln. Diese Familien benötigen Unterstützung und Hilfsangebote in ihrer Gesamtheit. Unter diesem Aspekt fördert das Sozialministerium zum Beispiel die Familiencoaches. Damit verfolgen wir einen ganzheitlichen, familienbezogenen Ansatz, um die Familienstruktur zu verbessern, zum Beispiel bei medizinischen, finanziellen oder anderen sehr persönlichen Problemen wie Sucht oder Schulden, die bei den Familien oft belastend sind und bei den Eltern auch Hindernisse für Bewerbungen darstellen.

Die Landesregierung wird sich zudem für verbesserte Rahmenbedingungen einsetzen, um mehr Alleinerziehenden die Teilhabe am Arbeitsleben zu ermöglichen. Sie wird sich dafür einsetzen, dass die Arbeitswelt insgesamt familienfreundlicher ausgestaltet wird, ein immer wichtiger werdendes Thema.

Die Landesregierung unterstützt zudem bereits die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum, indem sie nicht rückzahlbare Zuschüsse bereitstellt. Die Grundlage dafür ist die neue Förderrichtlinie „Wohnungsbau Sozial“, die in diesem Jahr in Kraft getreten ist. Das Förderprogramm wird mit Mitteln gespeist, die der Bund den Ländern im Rahmen des Integrationskonzepts für den Wohnungsbau zur Verfügung gestellt hat. Die Verknüpfung der Neubauförderung mit den Miet- und Belegungsbindungen sorgt dafür, dass die Wohnungen denen vorbehalten sind, die sich am Markt keine angemessene Wohnung leisten können.

Und ich möchte die Förderung von Familienerholungsmaßnahmen für einkommensschwache Familien durch das Land erwähnen. Seit dem 1. Januar 2017 hat das Land seine Zuschüsse deutlich erhöht. Wir wollen Familien und Alleinerziehende mit geringem Einkommen stärker fördern, um ihnen mit ihren Kindern ein paar schöne Tage gemeinsam abseits des Alltags zu ermöglichen. Für einen einwöchigen Urlaub erhält eine anspruchsberechtigte vierköpfige Familie nunmehr einen Landeszuschuss von 840 Euro statt bisher 560. Das sind ganz konkrete sozialpolitische Hilfen für bedürftige Familien, meine Damen und Herren. Und unser deutlich aufgewertetes Programm hat Erfolg. Die Landesmittel zur Bezuschussung von Urlaubsreisen werden sehr gut in Anspruch genommen. Darüber freue ich mich sehr.

Sehr geehrte Damen und Herren, die Maßnahmen, Programme und gesetzlichen Regelungen der Kommunen, Länder und des Bundes mit der Zielsetzung, die Kinderarmut wirkungsvoll zu bekämpfen, sind sehr vielfältig und in verschiedenen Wirkungskreisen der Bildungs- und Sozialpolitik miteinander verknüpft. Um Armutsrisiken zu verringern, zielt das Maßnahmenpaket des Bundes insbesondere auf die Stärkung der wirtschaftlichen Stabilität der Familien ab. Unter dieser Zielsetzung arbeiten Bund und Länder koordiniert und abgestimmt zusammen.

Auch die Bundesregierung setzte sich in den letzten Jahren für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein. Mit einer neuen Vereinbarung soll die partnerschaftliche Aufteilung von Beruf und Sorgearbeit in der Familie für Mütter und Väter ermöglicht werden. Eine möglichst umfängliche Erwerbstätigkeit beider Eltern senkt das Armutsrisiko nämlich erheblich.

Die Bundesregierung unterstützt Familien auch direkt mit Geldleistungen. Sie ermöglichen vielen Familien, unabhängig von Leistungen nach dem SGB II zu leben, zum Beispiel durch Kindergeld, Kinderzuschlag oder Elterngeld. Der Kinderzuschlag unterstützt zielgenau Familien mit geringem Einkommen, der steuerliche Entlastungsbetrag für Alleinerziehende unterstützt deren Erwerbstätigkeit, der Unterhaltsvorschuss bewahrt Alleinerziehende vor SGB-II-Bezug und senkt Armutsrisiken, was mit dem Inkrafttreten der Reform des UVG zum 1. Juli 2017 noch verstärkt wird.

Sehr geehrte Damen und Herren, Kinderarmut wirksam zu bekämpfen, ist nicht nur eine Frage der finanziellen beziehungsweise wirtschaftlichen Situation von Familien, es geht auch um Teilhabe und gute Entwicklungschancen für Kinder durch die Bereitstellung und Förderung unterstützender Infrastrukturen, zum Beispiel mit dem Bildungs- und Teilhabepaket, dem Programm „Elternchance II“, die bundesweite Ausbildung von Elternbegleitern, den Unterstützungsnetzwerken für Alleiner

ziehende in den Lokalen Bündnissen für Familien und anderen Maßnahmen.

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr Positives gibt es bei den Bildungs- und Teilhabeleistungen in unserem Land zu berichten. Die Ausgaben für Bildung und Teilhabe, also etwa für Mittagsverpflegung in Kitas und Schulen, für den persönlichen Schulbedarf und für Lernförderung, sind landesweit im sechsten Jahr in Folge gestiegen, gleichzeitig ist die Anzahl der Kinder, die Ansprüche auf BuT-Leistungen haben, unter anderem durch die verbesserte wirtschaftliche Situation im sechsten Jahr in Folge gesunken. Immer weniger Kinder im SGB-II- und Kinderzuschlagsbezug erhalten also immer mehr Mittel aus dem BuT-Paket des Bundes. Das, meine Damen und Herren, ist ein wesentlicher Beitrag für soziale Gerechtigkeit.

(Zuruf von Simone Oldenburg, DIE LINKE)

Sehr geehrte Damen und Herren, Sie sehen, die Landesregierung handelt mit ganz konkreten Maßnahmen, wenn es um Chancengerechtigkeit geht. Familien brauchen also keinen theoretischen Aktionsplan gegen Kinderarmut, Familien brauchen zielgenaue Unterstützung in einem ganzheitlichen System aus monetären, infrastrukturellen und zeitpolitischen Maßnahmen. Dafür haben wir uns entschieden, diese setzen wir um und bauen sie weiter aus. Dabei von politisch gewollter Kindeswohlgefährdung zu sprechen, ist ein starkes Stück, uns das vorzuwerfen. Das weise ich entschieden zurück. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Vielen Dank, Frau Ministerin.

Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Jörg Heydorn.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Fangen wir mal mit der Charta für Kinderrechte der LINKEN an. Die ist ja hier von Frau Bernhardt angesprochen worden, dieses 10Punkte-Programm, wo aufgelistet wird, was man jetzt unbedingt sofort tun muss. Einiges davon findet sich auch in diesem Antrag wieder. DIE LINKE beziffert dieses 10-Punkte-Programm selbst auf einen Umfang von 250 Millionen Euro. 250 Millionen Euro pro Jahr kostet der ganze Spaß.

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Das ist kein Spaß.)

Finanziert werden soll das Ganze aus Steuermitteln. 250 Millionen aus Steuermitteln! Jetzt kommt eine Berechnung unseres Finanzministeriums zu einer Mindestsumme an Belastungen für das Land in Höhe von 365,5 Millionen Euro. Ich sage es noch mal, mindestens 365,5 Millionen Euro.

Und hier ist das Thema Politikverdrossenheit angesprochen worden. Frau Bernhardt, ich sage Ihnen hier und heute, Dinge zu tun, von denen jeder weiß, dass sie finanziell überhaupt nicht zu gewährleisten und sicherzustellen sind, führt in wesentlich größerem Maße zu Politikverdrossenheit, als zu sagen, das sind unsere Möglichkeiten, wir entwickeln Schwerpunkte, und diese

Schwerpunkte arbeiten wir peu à peu ab. So viel also zu diesem Thema.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Der nächste Punkt: Es kommt ja immer wieder dieser Hinweis auf das mediane Einkommen, auf diese 60 Prozent, die dann Armutsgefährdung darstellen, und ab weniger als 50 Prozent gilt man als armutsgefährdet. Da ist es natürlich hilfreich, mal zu gucken, was das denn beinhaltet. Diese 60 Prozent, was fällt da letztendlich rein? Da kommt alles an Nettoeinkommen rein, also auch Sozialleistungen und dergleichen, alles, was den Leuten zufließt, fällt da rein.

Aber es fallen auch eine ganze Menge von Dingen nicht rein. Also wenn Sie jetzt eine Vielzahl von Fällen haben, in denen die Kitabeiträge durch die öffentliche Hand übernommen werden, dann wird das dabei nicht berücksichtigt. Wenn Essengeld durch die öffentliche Hand finanziert wird, wird das dabei nicht berücksichtigt. Und wenn dann auch noch Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket in Anspruch genommen werden, wird das dabei nicht berücksichtigt. Aber man kann doch nicht so tun, als wenn das überhaupt keine Rolle spielt, als wenn das nicht existiert. Das kann man doch nicht einfach voll ausblenden und sagen, na ja, also der bürokratische Aufwand, der ist ziemlich hoch, die Leute müssen sich hierhin wenden und sie müssen sich dahin wenden. Ich will sagen, ja, das stimmt, man sollte darüber nachdenken, wie man das Ganze vereinfacht. Aber eins kann man nicht tun: Man kann es nicht völlig negieren und sagen, das steht den Leuten nicht zur Verfügung.

(Thomas Krüger, SPD: So ist es.)

Ich finde es ziemlich, also ziemlich frech zu sagen, dann stehen die da vorm offenen Kühlschrank und haben nichts mehr zu essen drin.

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Das ist aber die Realität.)

Das ist eine Geschichte, da muss man sich auch mal die Frage stellen, wie werden Sozialleistungen letztendlich verwandt. Kommen die immer den Kindern zu oder werden die für andere Zwecke verbraucht. Da gibt es auch eine ganze Reihe von belastbaren Zahlen.

Und jetzt unterstellen wir mal, Frau Bernhardt, wir würden alle, die es betrifft, über dieses 60-Prozent-Niveau heben. Hätten wir damit die Situation der Kinder wirklich entscheidend verbessert? Wäre dann alles tippitoppi? Meines Erachtens nach nicht. Ich komme aus Schwerin und habe seit 1991 die Entwicklungen in Schwerin ziemlich alle mitbekommen. Mein Wahlkreis besteht zum großen Teil aus benachteiligten Quartieren, also sogenannten Quartieren mit besonderen sozialen Entwicklungsbedürfnissen. Wenn man sich dann anguckt, was in diesen Quartieren passiert ist, kann man sagen, als die Sanierungswelle einsetzte, zogen Leute aus den innerstädtischen Quartieren in frei werdende Wohnungen in diesen Quartieren, weil die Leute, denen es nach der Wende ökonomisch besser ging, verließen diese Quartiere. Als Nächstes kamen irgendwann russische Migranten hinzu und der nächste Punkt waren dann die Flüchtlinge, die auch schwerpunktmäßig in diesen Quartieren untergebracht worden sind.

Ich kenne andere Modelle, wenn man sich beispielsweise die Stadt Wien mal anguckt. Die Stadt Wien hat 1,8 Millionen Einwohner, 120.000 eigene Wohnungen, die sie letztendlich dafür nutzt, um sozial ausgewogen ihre Quartiere zu belegen. Das ist in Schwerin nicht passiert. Da haben mehrere Leute ihre Verantwortung drin, mehrere Leute ihre Verantwortung. Aber es gab in Schwerin auch eine linke Oberbürgermeisterin, die meines Erachtens auf solche Entwicklungen keinen entscheidenden Einfluss genommen hat.

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: BuT-Leistungen wurden in Schwerin schon überdurchschnittlich abgerufen.)