Protokoll der Sitzung vom 27.09.2017

Wenn Sie das politisch glaubwürdig den Bürgerinnen und Bürgern erklären wollen, dann ist die einfachste – wie ich finde – Möglichkeit folgende, um diese Idee der Generationengerechtigkeit deutlich zu machen: Wir haben uns darauf verpflichtet als Koalition, dass wir den überwiegenden Teil von Zinsersparnissen, den wir haben, wenn wir Schulden tilgen, verwenden, um Schritt für Schritt die Kinderbeiträge in Krippe und Kita komplett abzuschaffen. Wir geben das Geld nicht mehr den Banken und Kapitalgebern, es geht zu den Kindern und Familien.

(Thomas Krüger, SPD: Genau, darum geht es.)

Deshalb bauen wir Schulden ab. Wir bauen Schulden ab, weil wir für unsere Kinder eine bestmögliche Zukunft in diesem Land organisieren wollen, und ich glaube, das könnte Sie vielleicht überzeugen, warum man diesen Zusammenhang herstellt, weil das aus meiner Sicht die größtmögliche Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger auch für eine Politik der Entschuldung bieten kann.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Deswegen werbe ich dafür, dass man diesen Kurs weiterverfolgt. Er hat den Vorteil, dass, wenn man Schulden tilgt, dauerhaft Ausgaben weg sind für diese Zinsausgaben und man deshalb dauerhaft neue zusätzliche Ausgaben sich leisten kann für die Kinder in diesem Land. Da muss ich sagen – Frau Oldenburg ist jetzt leider nicht mehr da –, die Debatte,

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Kommt gleich wieder.)

die Debatte war jetzt nicht ganz ehrlich. Also wenn ich das richtig verstanden habe, ist das das alte Hase-und

Igel-Spiel zwischen Sozialdemokratie und einer der Sozialdemokratie verwandten Partei.

(Jochen Schulte, SPD: Mindestlohn.)

Das gibt es beim Mindestlohn, das gibt es bei anderen Themen. Es ist der Eindruck erweckt worden, als würde, wer der Linksfraktion folgt, mehr bekommen als derjenige, der den Vorstellungen der SPD oder der Koalition folgt.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das ist wahr. – Zuruf von Jochen Schulte, SPD)

Und das ist falsch, Herr Ritter.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sagen Sie!)

Schauen Sie bitte noch mal in Ihre eigene Pressemitteilung! Da müssen Sie bloß reinschauen. Schauen Sie in das, was Sie aufgeschrieben haben! Sie haben hier den Eindruck durch Ihre Fraktionsvorsitzende erweckt, als wären Sie in der Lage, von heute auf morgen beziehungsweise kurzfristig alle Kitabeiträge abzuschaffen. Der Witz ist nur, in Ihren Pressemitteilungen steht eines nicht, ich habe das Wort „Krippe“ nicht gefunden und ich habe das auch in der Rede von Frau Oldenburg nicht gehört. Bei der Kita könnten wir beide,

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Kindertagesstätten.)

könnten wir,

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Nur mal so zum Begriff!)

könnten wir beide gleich sein.

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Krippe, Kita, Hort.)

Schauen Sie noch mal rein, ich nenne jetzt keine Summen.

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Kommt noch, morgen!)

Ich nenne jetzt keine Summen, aber die Summe, die Sie in Ihrem Vorschlag haben, ist genauso hoch, das, was Sie ausgeben wollen für Kitabeitragsentlastungen, ist genauso hoch wie das, was die Koalition,

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Im ersten Schritt.)

ist genauso hoch wie das, was die Koalition mit diesem Haushaltsentwurf für die 50 Euro je Kind und das zweite und dritte Kind vorsieht, genau dasselbe von der Summe her.

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Wir kommen morgen dazu!)

Wir rechnen mit genau den Kosten. Das heißt, was Sie vorschlagen, ist eine schrittweise Abschaffung der Kitabeiträge. Sie selbst machen nur einen Schritt in dem Umfang wie wir, das ist Ihre Alternative – nur es ist ja keine Alternative, wenn ich genauso viel machen will wie die Regierung.

Wir sagen, natürlich können wir es nur schrittweise, wenn wir es seriös machen wollen ohne Neuverschuldung. Dann verstehe ich aber die Debatte nicht. Wenn Sie etwas schrittweise machen wollen und wir wollen etwas schrittweise machen

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Ihres kommt aber nicht an bei den Menschen. Gucken Sie sich doch die Elternbeiträge an!)

und es sind auch noch dieselben Summen, um die es geht, und die Ministerpräsidentin kündigt an, sie wird, nachdem die Regierung gebildet ist und nachdem klar ist, wie die Steuerrechtsänderung aussieht, gemeinsam mit den Fachministern einen Vorschlag unterbreiten und dann muss das Parlament diskutieren, ob das umsetzbar ist und wie, dann sind wir am Ende an dem Punkt in der Sache einig, dass es seriös nur schrittweise geht. Wir haben sogar dieselben Entlastungsversprechen von der Summe her, nicht mehr. Also erwecken Sie nicht den Eindruck, als wäre das, was Sie vorgeschlagen haben, 1 Cent mehr als das, was die Regierung vorschlägt beziehungsweise die Koalition!

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Ja, doch! Sagen Sie mal Ihren Betrag und wir sagen unseren!)

Es gibt nur einen wesentlichen Unterschied, und das ist einer der Gerechtigkeit.

Ich würde Ihnen jetzt gerne nur kurz erläutern, warum unser Vorschlag der bessere ist: Sie wollen, wenn ich das richtig verstanden habe, die Kitabeiträge abschaffen. Wir wollen in Krippe und Kita 50 Euro weniger, mit Ausnahme des Vorschuljahres, dann ab dem zweiten Kind die Beiträge halbieren und ab dem dritten ganz abschaffen.

Das hat folgende Konsequenzen: Wenn ich eine Familie mit drei Kindern habe, dann ist das dritte Kind normalerweise das jüngste.

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Und wie viele haben wir davon, Herr Brodkorb, die in diese Regelung fallen?)

Das dritte Kind ist normalerweise das jüngste.

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Neun Prozent?! Wahnsinn!)

Das jüngste geht normalerweise in die Krippe und in der Krippe sind normalerweise die Beiträge am höchsten. Das heißt, bei unserem Vorschlag, bei einer Familie mit drei Kindern, bekommt die Familie das Teuerste komplett erlassen, dazu einen halbierten Kitabeitrag. Das heißt, es ist eine weitaus größere Entlastung als die, die Sie vorschlagen, wenn es um Gerechtigkeit geht. Wir werden die Familien, die die größten Belastungen haben, weil sie die größten Beiträge zu zahlen haben, in der Tat bei unserem schrittweisen Weg jetzt mehr entlasten als zum Beispiel jemanden wie mich,

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Das haben die vergangenen Beiträge gezeigt, wie Sie entlastet haben!)

jemanden wie mich, der auch ein Kind in der Kita hat, aber nicht drei Kinder hat. Ich glaube, das ist in einem Land – wir hatten heute „gute Löhne“ – mit niedrigen Löhnen, wo es auch viele alleinerziehende Frauen gibt, die ein oder zwei oder auch zwei oder drei Kinder haben und die nicht viel Geld verdienen, genau der richtige Schritt zu sagen, dass wir nicht einfach alle gleichbehandeln, sondern wir helfen denen auf unserem schrittweisen Weg am meisten, die es am bittersten nötig haben. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist aus unserer Sicht soziale Gerechtigkeit und moderne Familienpolitik,

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Zurufe von Torsten Renz, CDU, und Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE)

ein solider Haushalt, der, was die ausgezeichneten Rahmenbedingungen angeht, nur von kurzfristiger Dauer ist, der im Wesentlichen keine neuen Schulden aufnimmt und in viele Bereiche investiert.

Was sind die Herausforderungen, vor denen wir stehen? Ich will gleich einen Blick in die Zukunft werfen, weil einige hier schon erhebliche Ausgabenfantasien entwickeln:

Das Erste ist schon genannt worden. Es wird auf Bundesebene eine Steuerreform geben, und das, was in diesem Haushalt als Vorsorge eingepreist ist – Herr Wildt, glauben Sie es –, wird komplett verschwinden. Diese Vorsorge wird gebraucht werden.

Zweitens. Wir werden in den nächsten Jahren damit konfrontiert sein, dass die Förderung der EU rückläufig ist. Regierung und Parlament müssen darüber diskutieren, welche der auslaufenden EU-Förderungen aus Landesmitteln fortgesetzt werden oder entfallen sollen. Das wird ein zweites großes Thema sein.

Drittens. Dieses Land wird weiter Einwohner verlieren, hoffentlich weniger, als viele Demografen uns prognostiziert haben. Das war in der Vergangenheit so, die Wirklichkeit war besser, als uns mitunter geschildert wurde. Darüber können wir froh sein, aber mit jedem Einwohner, den wir verlieren, verlieren wir pro Jahr über 3.000 Euro, weil wir einwohnerabhängig finanziert werden. Ich sage ausdrücklich: Das ist gerecht so, denn natürlich muss Nordrhein-Westfalen mehr Geld bekommen als Mecklenburg-Vorpommern, weil es sehr viel mehr Menschen hat, aber das heißt, dass unsere Einnahmeentwicklung in dieser Hinsicht gebremst sein wird.

Wir können daraus nur eine Schlussfolgerung ziehen, so bitter das ist. Wir werden weiter daran arbeiten müssen, die Zahl der Mitarbeiter in der Landesverwaltung verträglich zu reduzieren, denn wir müssen uns immer als Politiker entscheiden, wollen wir das Geld der Steuerzahler ausgeben für Leistungen für die Steuerzahler, zum Beispiel kostenlose Kita, wollen wir es ausgeben für Investitionen, um die Wirtschaft anzukurbeln, oder wollen wir es ausgeben für Verwaltung. Alle drei Bereiche müssen in gewissem Umfang sein, aber ich bitte darum, den Kurs zu verfolgen, dass die Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger sowie die Investitionen in die Wirtschaft Vorrang haben müssen vor den Verwaltungskosten. Dies ist eine Herausforderung, der wir weiter nachgehen müssen.

Viertens. Wir werden in den nächsten Jahren mit steigenden Pensionslasten zu rechnen haben. Das ist alles beherrschbar, bedeutet aber, dass sich die strukturelle Belastung des Haushaltes über mehrere Jahre um 100 Millionen Euro erhöhen wird. Auch diese Mittel müssen im nächsten Jahrzehnt erwirtschaftet werden.

Und schließlich müssen wir weiterhin Vorsorge treffen dafür – das hat der Fraktionsvorsitzende Herr Kokert schon gesagt –, dass wir auch wieder mal eine konjunkturelle Flaute erleben können. Je nachdem, wie die ausfällt, können das erhebliche Beträge sein. Die Rücklage, die das Land Mecklenburg-Vorpommern gebildet hat, dient nur einem einzigen Zweck: in einer Situation, wo eine solche Konjunkturkrise einsetzt, diese Finanzverluste, die wir dadurch haben, bei den Steuereinnahmen auszugleichen, um unseren Bürgerinnen und Bürgern in Mecklenburg-Vorpommern dieselben öffentlichen Leistungen gewähren zu können in Schule, in Kita, im Straßenbau, im Theater, was Sie wollen, also den Bürgerinnen und Bürgern weiterhin diese öffentlichen Leistungen gewähren zu können, ohne eingreifen zu müssen in die Struktur des Haushaltes, ohne Kürzungen in Kultur oder sonst was vornehmen zu müssen. Es geht mit diesen Mitteln nur darum, die Möglichkeit zu haben, Konjunkturdellen zu überbrücken und den Regelbetrieb von Schule und vielen anderen Einrichtungen vernünftig fortsetzen zu können. Deswegen glaube ich, dass diese Rücklage richtig ist, auch wenn sie hoch ist, aber sie muss hoch sein, um in schwierigen Zeiten den großen Tanker Mecklenburg-Vorpommern auf offener See weiter auf richtigem Kurs zu halten. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Simone Oldenburg, DIE LINKE: Oho!)

Danke, Herr Minister.