Protokoll der Sitzung vom 27.09.2017

in unserer mehr oder weniger dicht besiedelten Kulturlandschaft sei möglich, nicht ebenso in den Bereich der Märchen gehört wie das Grimm‘sche Rotkäppchen. Mit unserem Antrag wollen wir darauf reagieren.

Ich denke, über den strengen Schutzstatus des Wolfes haben wir uns schon verschiedentlich ausgetauscht, sodass ich mir an dieser Stelle weitere Ausführungen sparen kann. Um aber adäquat auf Probleme mit dem Wolf reagieren zu können, ist vor dem Hintergrund die

ses Status zunächst sicherzustellen, dass er durch wie auch immer geartete Maßnahmen nicht in seinem Bestand gefährdet wird. Ich gehe mal davon aus, zumindest diese Nichtgefährdung des Bestandes dürfte ein Punkt sein, an dem ich mich vielleicht auch mit Herrn Heydorn einig weiß.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Macht das mal im Koalitionsausschuss!)

Aber an diesem Punkt beginnen dann die Definitionsprobleme. Zuerst einmal muss geklärt sein, bei welchen Wolfsvorkommen in Deutschland man von einem guten Erhaltungszustand der Art sprechen kann. Hier setzt folgerichtig Punkt 1 unseres Antrages an, denn heute wird mehr denn je darüber gestritten, inwieweit eine Abgrenzung zwischen zentraleuropäischer Tieflandpopulation und der baltisch-ostpolnischen Population wissenschaftlich vertretbar ist.

Der Biologe Professor Dr. Hans-Dieter Pfannenstiel geht davon aus, dass die deutsche Wolfspopulation keine eigene Population darstellt, sondern Bestandteil der nicht gefährdeten eurasischen Gesamtpopulation ist.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ja, ja, ja, ja!)

Das durch wissenschaftliche Untersuchungen dokumentierte Wanderverhalten der Wölfe stützt meines Erachtens diese These.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Die sollen eine Obergrenze festlegen für Einwanderer!)

Auch Herr Ritter kann es nicht erwarten. Ich komme schon noch auf Ihr Lieblingsthema.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das Rotkäppchen! – Heiterkeit bei Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE)

Wenn es sein muss, auch das. Dann mache ich es im Rotkäppchenstil.

Sollte dies der Fall sein, wäre eine Aufrechterhaltung des derzeitigen Schutzstatus nicht länger erforderlich. Der Wolf könnte aus den Anhängen 2 und 4 der FFHRichtlinie in den Anhang 5 der Richtlinie überführt werden. Erst dann ließen sich Management und Maßnahmen zum Schutz vor allzu zutraulichen Wölfen rechtssicherer und praxistauglich umsetzen. Mecklenburg-Vorpommern allein kann die dafür erforderliche Datenbasis nicht liefern. Von daher muss der Bund handeln. Für ein Gesamtbild benötigt der Bund, wie unter Punkt 2 gefordert, selbstverständlich die Daten aller Bundesländer in entsprechender Qualität und Vergleichbarkeit. Insbesondere im Bereich der Telemetrie sehe ich da noch Luft nach oben.

Der Punkt 3 unseres Antrages nimmt die Prävention und den Schadensausgleich in den Blick. Kaum einer, der nicht aus der Praxis kommt, kann sich den Aufwand, der mit dem Bau und der Unterhaltung von wolfssicheren Zäunen verbunden ist, vorstellen.

Ein Tierfreund, der sich selbst als mit großem Fachverstand ausgestattet sieht, schrieb mir dazu kürzlich, ich zitiere: „Vielleicht sollte man lieber leichtfertige Viehhalter zur Verantwortung ziehen. Das ist so, wie wenn ich im Winter mit Sommerreifen herumfahre, wider besseren

Wissens, dass es besser wäre, Winterreifen zu benutzen.“ Zitatende. Na ja, ein Sprachexperte ist er jedenfalls nicht, das hat er aber auch nicht behauptet. Vielleicht sollte dieser Zaunexperte mal mit den Mitgliedern von WikiWolves reden, denen ich an dieser Stelle ausdrücklich für ihr Engagement danke, auch wenn wir in der Gesamteinschätzung der Situation...

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Heydorn?

(Torsten Renz, CDU: Bei der Einbringung ist das sehr unüblich, Frau Präsidentin. – Die Abgeordnete Beate Schlupp spricht bei abgeschaltetem Mikrofon.)

Es ist die Einbringung. In der Einbringung sind Zwischenfragen nicht zulässig. Ich bin aber gerne bereit, in der Aussprache auf jede Ihrer Fragen zu antworten, Herr Heydorn.

(Heiterkeit bei Torsten Renz, CDU: Das hängt mit dem neuen Plenarsaal zusammen!)

Zumindest sind sie – und ich beziehe mich jetzt wieder auf WikiWolves – in dem, was sie tun und was sie sagen, stringent, und das ist für mich schon ein Wert an sich.

In der Hoffnung, dass wir uns darüber hinaus alle einig sind, dass sich wolfssichere Zäune und Winterreifen nicht auf eine Stufe stellen lassen, ist die Forderung nach einer größtmöglichen Unterstützung der Schaf- und Ziegenhalter sowohl beim Zaunbau als auch bei der Anschaffung von Herdenschutzhunden wohl unumstritten. Gerade diese Förderung fällt allerdings in MecklenburgVorpommern nach wie vor unter die sogenannte Deminimis-Regelung, das heißt, dass der maximale Wert der Förderung in drei Jahren 15.000 Euro nicht überschreiten darf. Wer sich über die Kosten der Anschaffung und Unterhaltung von Schutzhunden oder die Errichtung von wolfssicheren Zäunen informiert hat, der weiß, dass diese Förderung bei Weitem nicht ausreicht. Meine Fraktion könnte sich vorstellen, dass die Landesregierung die entsprechende Förderrichtlinie bei der Europäischen Union notifizieren lässt, um eine bessere Förderung zu ermöglichen. Niedersachsen hat es bereits vorgemacht.

Bei aller Bereitschaft zur Förderung und Prävention dürfen wir allerdings nicht ausblenden, dass die Frage, wie der von der Gesellschaft erwünschte Schutz des Wolfes mit der ebenfalls gewünschten Weidehaltung von Rindern zu vereinbaren ist, nach wie vor steht. Derzeit gibt es für diesen Konflikt keine Lösung. Eine Einzäunung wäre nicht nur wirtschaftlich und unter Betrachtung des Aufwandes unzumutbar, sie würde auch der ebenfalls gesellschaftlich gewünschten Biotopvernetzung widersprechen. Darauf zu hoffen, dass die Rinder mit zunehmender Zahl der Wolfsangriffe geeignete Abwehrstrategien entwickeln und sich so das Problem irgendwann erledigen könnte, halte ich für, vorsichtig formuliert, eine Beleidigung der Intelligenz der Wölfe. Tiere, die gewohnt sind, im Rudel zu jagen, und es mit zunehmender Population auch immer häufiger tun, werden mit Sicherheit auch Jagdstrategien entwickeln können, um einen gewissen Widerstand einer Rinderherde zu überwinden.

Zur Ehrlichkeit gehört dazu, dass nach Auffassung meiner Fraktion den Landwirten in Sachen Weidehaltung

kurzfristig keine praktikablen Lösungen in Aussicht gestellt werden können.

Umso wichtiger ist der Punkt 4 unseres Antrages, die klaren Regeln zur Definition eines Problemwolfes. Ich bin mir bewusst, dass sich gerade an diesem Punkt die Geister scheiden werden. Aus biologischer Sicht gibt es keine Problemwölfe. Wenn ein Wolf erst einmal gelernt hat, Weidetiere zu reißen, dann verhält er sich für seine Art völlig normal. Als Beuteopportunist jagt er zunächst die Beute, die den geringsten Aufwand bei der Bejagung macht. Fachleute gehen davon aus, dass Prävention, aber auch Vergrämung keine geeigneten Mittel sind, um eine dauerhafte Verhaltensänderung beim Wolf herbeizuführen. Wenn also Mehrfachübergriffe auf Weidetiere durch einen oder mehrere Wölfe stattgefunden haben oder sie sonst stark auffälliges Verhalten zeigen, wie beispielsweise das häufige Annähern an Menschen oder menschliche Siedlungen, bedarf es eines abgestuften Kriterienkataloges nach dem Vorbild von Sachsen oder Brandenburg, der rechtssicher die zu ergreifenden Maßnahmen ableitet, bis hin zur Entnahme.

„Entnahme“ bedeutet dabei, dass in letzter Konsequenz einzelne Tiere auch geschossen werden dürfen, um dem Anspruch eines konfliktarmen Nebeneinanders von Mensch und Wolf Geltung zu verschaffen. Dann bliebe zu klären, wer diese Entnahme vorzunehmen hat. Kaum ein Jäger wird sich auf das rechtliche Glatteis begeben wollen, einen Wolf im Auftrag der zuständigen Behörden zu schießen. Der unweigerlich nachfolgende Shitstorm und die Bedrohung, die dann die gesamte Familie treffen würden, wären da noch das kleinere Problem. Ich bin mir sicher, die Angelegenheit würde auch unsere Gerichte beschäftigen. Von daher ist dieser Punkt der wohl anspruchsvollste Auftrag an die Landesregierung.

Der letzte Punkt unseres Antrages greift eine Forderung der von der Problematik am stärksten betroffenen Regionen auf. Dort ist nur schwer zu vermitteln, dass das einzige Betrachtungskriterium bei den Eingriffsmöglichkeiten in Wolfsgebieten eine Gesamtpopulationszahl für Deutschland ist, wobei manche Regionen sehr stark, andere wiederum gar nicht betroffen sind. Sie kennen den berühmten Spruch mit dem Durchschnitt und ich glaube, er ist heute auch schon zitiert worden. Darüber hinaus könnte sich meine Fraktion durchaus weitere Maßnahmen vorstellen.

Jetzt komme ich zu dem Thema, das Herr Ritter schon so dringlich erwartet, unter anderem zur Definition einer Bestandsobergrenze. Die soll allerdings nicht bei deutschlandweit 250 Tieren liegen, wie in einer Zeitung zu lesen war, sondern auf wissenschaftlicher Basis von unabhängigen Experten ermittelt werden, damit sie von breiten Teilen der Bevölkerung akzeptiert wird. Die 250, im Übrigen adulten Tiere habe ich tatsächlich erwähnt, und zwar im Zusammenhang mit dem guten Erhaltungszustand, der bei dieser Zahl erreicht wäre, wenn die zentraleuropäische Tieflandpopulation und die baltischostpolnische Population nicht als getrennt zu betrachten wären.

Die Aufnahme des Wolfes in die Liste jagdbaren Wildes, die hier und da noch als Allheilmittel gepriesen wird, gehört für uns dabei nicht zum Mittel der Wahl. Ich habe bereits in der Vergangenheit versucht zu erklären, warum, und versuche es heute erneut. Eine Aufnahme des Wolfes in die Liste jagdbaren Wildes würde bei seinem

derzeitigen strengen Schutzstatus bedeuten, dass er ganzjährig Schonzeit hätte. Zum Jagen und damit zum Schießen braucht man aber eine Jagdzeit. Eine Jagdzeit für den Wolf bekäme man aber nur bei verändertem Schutzstatus. Daher existiert diese so einfach scheinende Lösung nicht einmal theoretisch. Wir müssen schon, wie in unserem Antrag vorgesehen, bei der Definition des guten Erhaltungszustandes und eines gegebenenfalls zu verändernden Schutzstatus ansetzen.

Lassen Sie mich zum Schluss noch anmerken, dass wir mit unserer Diskussion zum Umgang mit dem Wolf nicht allein sind. In Frankreich gibt es derzeit massive Proteste der Landwirtschaftsverbände gegen den Entwurf eines neuen Sechsjahresplanes Wolf. Rumänien plant, seine Bestimmungen – unter anderem zur Bejagung der Wölfe – so weit zu lockern, dass es sich damit in direkten Widerspruch zur europäischen Gesetzgebung begibt. In dieser Gemengelage fordert das Forum Natur in Brandenburg eine Schutzjagd auf Wölfe nach schwedischem Vorbild und eine wildökologische Raumplanung, die in die gleiche Richtung geht wie unser Punkt 5.

Wir sind also gut beraten, für das Thema „Zukünftiger Umgang mit dem Wolf“ eine eigene Strategie zu entwickeln. Dieser Antrag macht dazu ein Angebot, auch wenn natürlich bereits aus meiner Rede klar geworden ist, dass sich meine Fraktion durchaus mehr hätte vorstellen können. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der CDU, AfD und Ralf Borschke, BMV)

Danke, Frau Abgeordnete.

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann verfahren wir so. Ich eröffne die Aussprache.

Zunächst hat ums Wort gebeten der Minister für Landwirtschaft und Umwelt Herr Dr. Backhaus.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Auch mir ist es ein Bedürfnis, in diesem neuen wunderbaren Plenarsaal das erste Mal reden zu dürfen, mich zu bedanken für diese wunderbare Investition. Wenn man von Anfang an dabei ist, muss ich schon sagen, stellen Sie sich bitte mal vor, schließen Sie die Augen und denken Sie mal darüber nach, Schwerin wäre nicht Landeshauptstadt geworden, was aus diesem Gesamtensemble – nicht nur des Schlosses –, der Ministerien, der Verwaltungssitze insgesamt geworden wäre.

(Heiterkeit bei Maika Friemann-Jennert, CDU: Da würde jetzt der Wolf rumlaufen!)

Für mich persönlich ist das ein großer Erfolg. Demokratie, Freiheit und Gerechtigkeit und auch das, was gestern der Bundestagspräsident gesagt hat, die Herzkammer der Demokratie schlägt hier. Auch die Denkfabrik des Volkes ist hier, um auf hohem Niveau zu diskutieren, zu debattieren und dann nach guten Lösungen zu suchen. Wenn uns das alle eint, dann kommen wir auch beim Wolf weiter.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD und Torsten Renz, CDU)

Warum sage ich das? Ich will Ihnen nicht zu nahe treten, Frau Schlupp, und als Vizepräsidentin schon gar nicht.

(Torsten Renz, CDU: Sie hat als Abgeordnete gesprochen.)

Das Thema beschäftigt uns schon sehr lange. Wenn ich an das Jahr 2010 zurückdenke – ich werde das jetzt auch mal anders machen –, dann war ich der Erste in diesem Lande, der mit meiner Fraktion ein Wolfsmanagement auf den Weg gebracht hat. 2010! Da gab es die ersten Hinweise in Sachsen, in Sachsen-Anhalt zur Einwanderung aus dem Raum Polen in diese Gebiete.

Wenn wir das Jahr 2010 betrachten, bin ich heute noch dem Bauernverband, dem Landesjagdverband, den Natur- und Umweltverbänden sehr dankbar, dass wir in ein gemeinsames Management eingetreten sind. Insofern, so zu tun, als ob wir hier keine strategische Ausrichtung hätten, das muss ich in aller Form zurückweisen. Dazu gehört, glaube ich, auch das, was wir gemeinsam mit den Verbänden unter wissenschaftlicher, wissensbasierter Grundlage von Norman Stier – ein Absolvent der Hochschule Tharandt, das dürften Sie wissen, der in diesem Lande groß geworden ist und als Kenner der Materie in Deutschland und in Europa hochgradig geschätzt wird – erreicht haben. Er berät mich, unser Haus und die Verbände in diesen Fragen.

Die Frage, die ich ihm gerade wieder gestellt habe, ob wir hier Versäumnisse haben oder wo wir weiter ansetzen müssen, beantwortet er mir wortwörtlich, Zitat: „Zurzeit nicht.“ Aber „zurzeit“ reicht mir nicht aus. In der aktuellen Situation bitte ich Sie zu berücksichtigen, ich werde morgen auf der Agrarministerkonferenz in Lüneburg sein und wir werden dieses Thema auf der Tagesordnung haben. Im Übrigen bin ich gespannt, was „Jamaika“ uns dazu vorlegen wird. Da bin ich schon sehr gespannt.

(Sebastian Ehlers, CDU: Wenn „Jamaika“ kommt! – Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Na! – Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Frau Schlupp, Sie können sich dann voll austoben in Berlin. Sie werden hoffentlich in die Koalitionsverhandlungen mit integriert. Ich war es das letzte Mal. Ich hätte hier heute das Versprechen abgegeben, dass zu dem Thema Wolf im Koalitionsvertrag auf Bundesebene ein entscheidender Beitrag stehen wird. Strengen Sie sich an, dass Sie das hinbekommen!

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Das macht sie doch!)

Denn ich weiß, dass heute und morgen auch die amtierende Bundesumweltministerin und der Staatssekretär Flasbarth, mit dem ich heute Morgen noch mal telefoniert habe, in Niedersachsen sein werden, weil die Proteste in Niedersachsen zunehmen, und ich sage, zu Recht. Ich möchte das hier vermeiden. Am Freitagabend, ich weiß nicht, ob Sie dorthin fahren, das kann ich Ihnen nur sagen, wird wieder ein Mahnfeuer in Rambin, also an dem Ort, wo es das letzte Mal einen Übergriff auf ein Kalb gegeben hat, stattfinden.