Im September haben wir hier im Rahmen der Aktuellen Stunde unter anderem darüber diskutiert, welchen Beitrag das Land leisten kann, um die Lohndifferenz insbesondere zu unseren Nachbarländern zu verklei
nern. Dass das nach wie vor ein wichtiges Thema ist, zeigt sich beispielsweise an der Entwicklung der Pendlerzahlen. Trotz positiver Entwicklungen am Arbeitsmarkt insgesamt pendeln nach wie vor mehr als 74.000 Frauen und Männer Tag für Tag aus – ganze 100 weniger als vor fünf Jahren. Im Jahresvergleich 2015 zu 2016 ist die Zahl derer, die zwar hier zu Hause sind, aber dennoch Tag für Tag Stunden auf Autobahnen und in Zügen verbringen, sogar um 1.500 Personen gestiegen. Deshalb ist es nun an uns, endlich die Steuerungsmöglichkeiten zu nutzen, die wir als Land haben. Eine wesentliche Voraussetzung ist in diesem Zusammenhang die Verabschiedung eines modernen Tariftreue- und Vergabegesetzes für Mecklenburg-Vorpommern.
Nachdem das sogenannte „Rüffert“-Urteil ja lange für Verunsicherung gesorgt hat, ist spätestens mit dem sogenannten „RegioPost“-Urteil des EuGH die prinzipielle Zulässigkeit vergabespezifischer Mindestlöhne noch einmal deutlich unterstrichen worden. Der Europäische Gerichtshof hat dabei verdeutlicht, dass vergabespezifische Mindestlöhne soziale Bedingungen im Sinne der EU-Vergaberichtlinie darstellen, und damit auch noch mal klargestellt, dass wir also auch in Zukunft die Möglichkeit haben, über den bundesweiten gesetzlichen Mindestlohn hinaus zusätzliche landesspezifische Mindestlohnregelungen für den Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe vorzugeben.
Meine Fraktion will über diese Gestaltungsoption nicht nur reden, also Worte verlieren – Sie erinnern sich an die Aktuelle Stunde –, sondern wir wollen diese Möglichkeit nutzen. Diese Option geht nämlich weit über die Ziele des gesetzlichen Mindestlohns hinaus. Während Letzterer ja vor allem einen halbwegs auskömmlichen Lohn sichern soll, zielen vergabespezifische Mindestlöhne darüber hinaus auf die Schaffung von fairen Wettbewerbsbedingungen ab. Sie sollen nämlich die Lohnkostenkonkurrenz nicht nur zwischen bietenden privaten Unternehmen, sondern auch zwischen privaten und öffentlichen Leistungserbringern begrenzen.
Nun kommt heute unser Gesetzentwurf zurück. Ich habe mir in Vorbereitung auf diese Rede noch mal das Protokoll der Sitzung angeschaut, in die er eingebracht worden ist. Da hat seinerzeit mein geschätzter Kollege Helmut Holter gesprochen. Ich bin im Zusammenhang damit auf folgendes Zitat gestoßen: „Herr Kollege Holter, es ist richtig, … dass die Koalitionsfraktionen in Abstimmung mit der Landesregierung beabsichtigen, in diesem Jahr 2017 – und das Jahr 2017 ist nach meinem Kenntnisstand noch nicht in Gänze zu Ende, wir haben, glaube ich, noch ein paar Monate – tatsächlich eine Novellierung des Tariftreue- und Vergabegesetzes Mecklenburg-Vorpommern durchführen wollen und wir werden sie auch durchführen.“ Zitatende.
Der Autor, den ich hier zitiert habe, hat den Saal gerade wieder betreten. Sie werden es vielleicht erraten haben, das ist der Kollege Schulte. Und der müsste jetzt eigentlich ziemlich kleinlaut sein,
denn, um Ihre Wortwahl aufzunehmen, das Jahr ist ja nun zwischenzeitlich doch schon ein Stück weit alt.
Und, Kollege Schulte, Aktuelle Stunden, in denen wir mal mehr, mal weniger nett miteinander über gute Löhne plaudern, sind das eine, einen Gesetzesentwurf vorzulegen, ist etwas anderes.
Es tut mir leid für Sie, dass ich Sie nun wieder damit quälen muss, aber den Gesetzentwurf gibt es bislang ja nur von uns.
Nun wissen wir ja, Herr Kollege Schulte, dass Sie sich bis Dezember noch mit der CDU rumärgern werden, jener Partei und Fraktion, die hier ständig die Rolle der Tarifparteien betont und dabei dann gern verschweigt, dass die gleichen Arbeitgeberverbände, die sich permanent politische Einmischung in die Lohnfindung verbitten, immer noch in großem Stil sogenannte OT-Mitgliedschaften – also ohne Tarif – anbieten.
Der Kollege Waldmüller lächelt. Herr Kollege Waldmüller, wenn Sie sich da mal engagieren würden, dann wären wir übrigens in Sachen „Stärkung der Tarifbindung“ auch ein Stück weiter. Im Frühjahr hat der DGB – das kann ich Ihnen mal als Leseempfehlung mit auf den Weg geben – ein Positionspapier zur Stärkung der Tarifbindung herausgegeben. Darin wird unter anderem die Einschränkung dieser OT-Mitgliedschaften gefordert. Ich stelle Ihnen das gern zur Verfügung.
Aber zurück zum Gesetz. Im Dezember sollen ja dann die Ergebnisse Ihrer Arbeitsgruppen in Sachen Vergabegesetz präsentiert werden. Dann wollen wir mal schauen. Wir werden sehen, ob es sich lohnt, dieses vorweihnachtliche Präsent auszupacken,
es näher zu betrachten und daran weiterzuarbeiten, oder ob wir ihm gleich einen sprichwörtlichen Retourenaufkleber verpassen müssen.
Sie werden mir meine Skepsis angesichts der Äußerungen, insbesondere aus der Hausspitze des Wirtschaftsministeriums zu Jahresbeginn 2017 nachsehen, denn da hieß es seinerzeit kategorisch, man sehe keinerlei Änderungsbedarf am Gesetz.
Ich habe es in den vergangenen Jahren schon oft gesagt und deswegen wiederhole ich es heute auch gern noch mal: Mecklenburg-Vorpommern muss endlich raus aus dem Lohnkeller! Das ist für uns als Linksfraktion auch nicht verhandelbar. Wir brauchen gute Löhne und ein Vergabesystem, das die Unternehmen, die genau diese zahlen, nicht noch bestraft. Deshalb in Kürze noch mal unsere Forderungen:
Erstens. Wir wollen einen vergabespezifischen Mindestlohn festschreiben, der sich mindestens an der untersten Entgeltgruppe mit TVL orientiert. Das sind aktuell 10,09 Euro.
Zweitens. Soziale und ökologische Kriterien müssen verpflichtend zu mindestens 30 Prozent gewichtet werden. Schluss mit „Der Preis ist heiß“! Es darf einfach nicht mehr sein, dass ausschließlich der Billigste gewinnt.
Drittens. Das Vergabegesetz muss zwingend auch für die Kommunen gelten, denn wie Sie wissen, werden zwei Drittel aller öffentlichen Aufträge genau dort ausgelöst.
Und viertens wollen wir die Unternehmen und Vergabestellen entlasten. Deswegen soll nur noch derjenige Bieter alle Nachweise einreichen müssen, der den Zuschlag erhält. Das ist eine Regelung, die beispielsweise in NRW mit der Einführung des Bestbieterprinzips eingeführt wurde.
Das ist aus unserer Sicht das Minimum. Ohne diese vier Punkte brauchen Sie gar keinen eigenen Entwurf vorzulegen,
Und, meine Damen und Herren, weil Sie sich so amüsieren, möchte ich am Ende auch noch mal betonen, dass ich die Ablehnung der Überweisung dieses Gesetzentwurfes nach wie vor für einen richtig schlechten Stil halte.
Herr Renz, die zeugt nicht, was Sie nach der Landtagswahl immer so schön betont haben, vom neuen Umgang mit der Opposition.
(Heiterkeit vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Simone Oldenburg, DIE LINKE: Genau. – Zuruf von Vincent Kokert, CDU)
Ihre Begründung, Herr Kokert, Sie hätten den Entwurf ja überwiesen, wenn Sie schon so weit gewesen wären, ist nun wirklich, Entschuldigung, einfach nur billig.
Doch trauern wir nicht den vergebenen Chancen hinterher, sondern schauen wir nach vorn! Meine Mutter pflegt immer zu sagen: „Hätte liegt im Bette und ist krank.“ Meine Fraktion wird den Gesetzentwurf heute zurückziehen.
Der Kollege Waldmüller hatte ja, wenn ich das Plenarprotokoll richtig gelesen habe, in der damaligen Debatte betont,