Protokoll der Sitzung vom 14.12.2017

Die Anwendung des Gesetzes durch alle öffentlichen Vergabestellen erhöht natürlich dessen Wirkung erheblich, immer vorausgesetzt, wir gucken uns dann noch mal die Schwellenwerte an, für die das gilt, denn wenn die zu hoch angesetzt sind, rutschen unterm Strich wieder zu viele Unternehmen durch.

Bei der Wirtschaftsförderung GRW gibt es Licht und Schatten. Wir wollen die GRW-Richtlinie – zumindest nach dem, was man lesen konnte – dahin gehend verändern, dass Sie die Förderung in Ermangelung der Zahlung von Tarif- oder tarifgleichen Löhnen künftig immer dann versagen, wenn es sich um große Unternehmen handelt, die mehr als 250 Beschäftigte haben und die sich das erste Mal quasi für Mecklenburg-Vorpommern interessieren und hier ansiedeln. Da sage ich dann, 0,3 Prozent der Unternehmen im Land haben 250 Beschäftigte und mehr. Insofern ist der Ansatz, hier was tun zu wollen, richtig, aber die Wirkung wird vermutlich überschaubar bleiben.

(Zurufe von Andreas Butzki, SPD, und Susann Wippermann, SPD)

Bei den kleinen und mittleren Unternehmen – die stellen ja, was ein bis zehn Beschäftigte angeht, die Mehrheit, darüber werden wir nachher noch sprechen beim Mittelstandsförderungsgesetz, nämlich 87 Prozent der Unternehmen im Land – ist das Fehlen tariflicher oder tarifgleicher Bezahlung nach wie vor kein Ausschlusskriterium. Stattdessen machen Sie es da umgekehrt und sagen, sie können den Basisfördersatz um 5 Prozent erhöht kriegen, wenn tariflich bezahlt wird. Das ist zwar besser als nichts, will ich auch sehr deutlich sagen, aber mit Überholspur hat das nun wirklich nichts zu tun.

Zusammengefasst...

(Jochen Schulte, SPD: Na, das sagen Sie mal Herrn Ramelow!)

Ja, ach, Herr Schulte! Herr Ramelow – Sie wissen, Sie regieren doch in Thüringen auch mit!

(Zuruf von Jochen Schulte, SPD)

Na, dann einigen wir uns doch darauf, ich telefoniere mit Bodo Ramelow

(Jochen Schulte, SPD: Tun Sie das!)

und Sie mit Ihren Kollegen und dann gucken wir mal, ob wir auch in Thüringen ein vergabespezifisches Mindestentgelt hinkriegen.

Also zusammengefasst bleibt festzustellen, dass Sie sich wohl etwas zu Unrecht heute hier schon die Partyhüte aufgesetzt haben.

(Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

Ich will allerdings mit Blick auf Weihnachten auch etwas versöhnlicher enden. Was ich gut finde, auch an dem, was die Landesregierung hier zustande gebracht hat, ist in erster Linie, dass Sie zu dieser Logik, die man andernorts beobachten kann, dass sich nämlich viele jetzt vom Acker machen in anderen Bundesländern, sagen, wir haben einen gesetzlichen Mindestlohn, warum müssen wir überhaupt noch über vergabespezifische Mindestlöhne reden, dass Sie diesen Weg hier nicht eingeschlagen haben, sondern dezidiert gesagt haben, wir wollen unser Vergabegesetz an der Stelle weiterentwickeln. Das hat ja zur Folge, das ist hier angeklungen, dass es auch eine Entwicklung beim vergabespezifischen Mindestlohn in Mecklenburg-Vorpommern gibt. Ob die Höhe gut oder schlecht ist, das sei jetzt mal dahingestellt. Die einen sagen, das ist der zweithöchste Mindestlohn, andere sagen, wir bräuchten mit Blick auf andere Kriterien noch deutlich mehr.

(Torsten Renz, CDU: Wer sind denn die anderen?)

Aber, wie gesagt, es gibt eine Entwicklung, das ist das Positive. Damit will ich enden. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der BMV der Fraktionsvorsitzende Herr Wildt.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Werte Gäste und liebe Bürger! Jetzt reden wir doch schon über den neuen Vergabemindestlohn, obwohl es eigentlich noch nicht so richtig auf der Tagesordnung steht. Und da möchte ich direkt eine Frage loswerden, im Grunde genommen an die Frau Ministerpräsidentin: Was glauben Sie, was uns dieser neue Vergabemindestlohn kosten wird als Land insgesamt, inklusive der Kommunen? Ich vermute, es wird uns gar nichts kosten. Das ist daraus abgeleitet, weil der Vergabemindestlohn so niedrig ist, dass er eigentlich von fast allen übertroffen wird. Wenn Sie sehen, dass der Gebäudereinigertariflohn ab 01.01., also der Mindestlohn dort, ab 1. Januar schon bei 9,55 Euro liegt und der Vergabemindestlohn bei 9,54 Euro, weiß ich ehrlich gesagt nicht, wo da der große Sprung herkommen soll.

(Thomas Krüger, SPD: Der Sprung kommt daher, dass viele eben nicht tarifgebunden sind. )

Auf jeden Fall möchte ich noch Folgendes sagen: Wir sind für höhere Löhne in Mecklenburg-Vorpommern, das ist gar keine Frage. Auch hier ist nur die Frage, wie man das tatsächlich am besten erreicht. Ich hatte gestern schon darauf aufmerksam gemacht, Bildung ist der Schlüssel zum Erfolg. Wir brauchen mehr Bildung, beste Bildung, dann haben wir hoch qualifizierte Menschen in unserem Land. Hoch qualifizierte Menschen können ein steigendes Bruttosozialprodukt erwirtschaften, und das, was man erwirtschaftet hat, kann man auch verteilen, sodass dann die Einkommen insgesamt steigen, sowohl für die Unternehmer wie natürlich auch für die Arbeitnehmer.

Deswegen unterstützen wir den Kurs der Landesregierung, insbesondere des Landeswirtschaftsministers Herrn Glawe, der sich sehr darum bemüht, auch Flugzeugträger, größere Unternehmen in dieses Land zu bringen, die natürlich tarifgebunden bezahlen. Das ist auch ein guter Aspekt des neuen Vergabegesetzes, dass bei größeren Neuansiedlungen Tariflöhne gezahlt werden müssen, denn gerade diese größeren einzelnen Unternehmen ziehen das gesamte Lohnniveau nach oben.

Deswegen, Herr Foerster, haben Sie auch nicht recht, wenn Sie sagen, das sind ja nur 0,3 Prozent, die davon betroffen sind. Das ist gar nicht das Entscheidende. Auch ein ganz kleiner Prozentsatz von Unternehmen, die gut bezahlen, zieht natürlich im Umfeld die Löhne und Gehälter nach oben. Deswegen ist das an dieser Stelle genau das richtige Signal.

(Beifall Jochen Schulte, SPD)

Ansonsten denke ich, dass es ja schon problematisch ist, wenn sich eine Landesregierung generell in die Tarifbindung und Tariffindung einmischt oder einmischen muss, oder glaubt, sich einmischen zu müssen, aber es ist natürlich eine besondere Situation in Mecklenburg-Vorpommern. Das sehen wir auch, dass hier die meisten Unternehmen tatsächlich nicht tarifgebunden zahlen.

(Thomas Krüger, SPD: Deshalb die Wirkung.)

Dass man da in die richtige Richtung gehen muss oder in diese Richtung gehen muss, ist uns schon klar, aber, wie gesagt, der Weg ist ein anderer. Wir müssen Unterneh

men hierher bekommen, die gut verdienen und deswegen auch gut bezahlen können. Am Ende führt aller Mindestlohn zu gar nichts, wenn die Wirtschaftslage das nicht hergibt, und deswegen noch mal: Mehr in die Bildung, mehr in die Qualifikation setzen! – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktion der BMV)

Ums Wort gebeten hat die Ministerpräsidentin des Landes Frau Schwesig.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Gäste! Ich bin der SPD-Fraktion außerordentlich dankbar, dass sie mit dem Thema „Gute Arbeit – gute Löhne“ ein Thema auf die Tagesordnung gesetzt hat in der Aktuellen Stunde, das vor allem die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land umtreibt. Der „Monitor“, die Befragung der Menschen in unserem Land, hat gezeigt, dass die Erwartung der Menschen ist, dass wir uns um das Thema „Bessere Löhne im Land“ kümmern, und damit ist das das wichtigste politische Thema.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Neben der Frage, wie viel jeder Einzelne am Ende seiner Arbeit im Geldbeutel hat, ist es nach meiner politischen Überzeugung ein ganz elementares Gerechtigkeitsthema, ob soziale Marktwirtschaft in unserem Land wirklich trägt und ob damit Demokratie gestärkt oder geschwächt wird. Ich will es erklären und auch an einem ganz konkreten Beispiel erläutern.

Im September in der Aktuellen Stunde habe ich darauf hingewiesen, dass der durchschnittliche Lohn in unserem Land 2.300 Euro beträgt und damit immer noch weit unter dem in anderen Ländern ist. Daraufhin habe ich viel Bürgerpost bekommen. Zum Beispiel hat mir eine Frau aus Basthorst geschrieben: „Frau Schwesig, diesem Schreiben haben wir die Lohnabrechnung Juli 2017 zu Ihrer Kenntnisnahme beigelegt. Wie Sie daraus entnehmen können, erhält mein Mann den aktuellen Mindestlohn und hat somit einen Bruttolohn von 1.485 Euro, also rund 65 Prozent des von Ihnen erwähnten Durchschnittslohns. Sie können sich also damit vorstellen, dass ein Bruttolohn in Höhe von 2.300 Euro für uns nicht zu wenig, sondern sogar eine Lohnsteigerung bedeuten würde.“

Dieser Mann bekommt 1.485 Euro brutto durch den Mindestlohn von 8,84 Euro. Die Lohnabrechnung ist dabei, es kommen 1.093 Euro netto heraus.

Weiter geht es im Schreiben: „Im Vergleich haben wir mal den Hartz-IV-Anspruch errechnet. Wäre mein Mann alleinstehend, würde er 1.088 Euro Sozialleistungsbezug erhalten. Also bekommt mein Mann für einen Monat Vollbeschäftigung ebenso viel, wie ihm aus Sozialleistung zustehen würde. Und anzumerken ist, dass man dadurch, dass man einer Erwerbstätigkeit nachgeht, noch weitere Kosten zu tragen hat, wie zum Beispiel Fahrtkosten.“ Zitatende.

Genau das sehe ich als Kernproblem an, dass viele Menschen in unserem Land, die den Mindestlohn bekommen, weil sie in der Regel, Herr Wildt, eben nicht den Tariflohn bekommen, weil nur 20 Prozent unserer Betriebe wirklich Tariflohn zahlen,

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Thomas Krüger, SPD: So ist das, genau.)

wenn sie dann nur den Mindestlohn bekommen, am Ende nicht viel mehr haben als das Existenzminimum. Es geht nicht darum, dass wir das Existenzminimum im Land kürzen, sondern es geht darum, dass wir dafür Sorge tragen, dass die Menschen, die den ganzen Tag arbeiten, am Ende mehr haben, als wenn sie nicht arbeiten würden. Das ist eine Frage der Leistungsgerechtigkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, bin ich fest davon überzeugt, dass der Mindestlohn steigen muss, in ganz Deutschland. Er darf nicht bei 8,84 Euro stehenbleiben, er muss in ganz Deutschland steigen, damit die Leute mehr Einkommen haben und später auch eine bessere Rente, denn gutes Einkommen und armutsfeste Rente gehören elementar zusammen.

Wir wollen als Land mit gutem Beispiel vorangehen, denn es reicht nicht, einfach nur Forderungen zu stellen und die Probleme zu beschreiben, sondern es muss darum gehen, auch selbst mit gutem Beispiel voranzugehen. Deshalb freue ich mich sehr, dass wir uns in der Koalition darauf verständigt haben, dass wir zukünftig dort, wo wir selbst Steuergelder ausgeben als Land, darauf achten, dass möglichst sozialversicherungspflichtige Beschäftigung entsteht, möglichst unbefristet, mindestens ein Mindestlohn, ein Vergabemindestlohn von 9,54 Euro, und dass wir Wirtschaftsförderung stärker an tarifähnliche Löhne oder Tarifbindung knüpfen. Darum geht es. Es geht nicht darum, dass der Staat die Löhne für die Tarifautonomie kaputt macht. Es geht auch nicht darum, dass der Staat die Löhne vorschreibt, das können wir nicht. Es geht aber darum, dass wir glaubwürdig sind. Wenn wir sagen, dass die Menschen für ihre Arbeit guten Lohn bekommen müssen, dann müssen wir dort als Land, wo wir selbst mit Steuergeldern Aufträge vergeben oder Wirtschaft fördern, mit gutem Beispiel vorangehen. Darum geht es.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Deshalb haben wir uns gemeinsam darauf verständigt, dass wir einen neuen Vergabemindestlohn einführen von 9,54 Euro, dort, wo wir als Land öffentliche Aufträge vergeben oder auch die Kommunen. Damit haben wir bundesweit den zweithöchsten Vergabemindestlohn. Wir haben uns darauf verständigt, dass dieser Vergabemindestlohn dynamisiert wird entsprechend der Tarifentwicklung in ganz Deutschland. Das war mir besonders wichtig, weil ich nicht mehr möchte, dass sich die Löhne im Osten am Osten orientieren, sondern das, was die Menschen in unserem Land bekommen, muss sich daran orientieren, wie im ganzen Land, wie in Deutschland verdient wird, denn unsere Leute haben den gleichen Lohn verdient wie in allen anderen Regionen von Deutschland.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Thomas Krüger, SPD: So ist das, genau.)

Ich rechne damit, dass dieser Vergabemindestlohn von 9,54 Euro in den nächsten Jahren aufgrund der Dynamisierung steigen wird und dann auch bundesweit der stärkste sein wird.

Zweiter Punkt: Wir haben uns darauf verständigt, dass die Wirtschaftsförderung sich stärker orientieren soll an sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung, an unbefristeter Beschäftigung und auch daran, dass tarifähnliche Löhne gezahlt werden beziehungsweise mit Tarifbindung. Ich finde, da ist uns eine gute Richtlinie gelungen, die klarmacht, dass wir ein Stufensystem einführen. Wer Tarif zahlt, bekommt mehr Förderung, wer das nicht tut, bekommt diesen Vorteil nicht. Und wer eine echte Tarifbindung eingeht, der bekommt einen weiteren Zuschlag.

Neu geregelt ist jetzt auch die Bemessungsgrundlage. Es werden künftig nur Investitionen für solche Arbeitsplätze gefördert, auf denen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit sozialversicherungspflichtigen, überwiegend unbefristeten Beschäftigungsverhältnissen tätig sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, der Vorschlag zu einem neuen Vergabegesetz und auch für die Wirtschaftsförderrichtlinie, die schon zum 01.01.2018 in Kraft treten, zeigt, dass wir mit Maß und Mitte die wirtschaftliche Situation der Unternehmen in unserem Land mitnehmen und jetzt nicht Tabula rasa machen, aber gleichzeitig Anreize schaffen für die Unternehmen, die mit gutem Beispiel vorangehen, die gut entlohnen, die einen höheren Mindestlohn zahlen und die tarifähnliche Löhne oder Tarifbindung geben. Diese Anreize wollen wir setzen, ohne alle anderen kaputt zu machen. Das ist Maß und Mitte zwischen Wirtschaft und guter Arbeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, diese Lösungen sind nicht nur im Interesse der Menschen, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind, sondern auch im Interesse der Unternehmerinnen und Unternehmer, denn es ist zu Recht angesprochen worden, dass es auch eine Frage der Wettbewerbsfähigkeit ist. Wir können uns noch alle erinnern an die Situation der 90er-Jahre. Ich war im ähnlichen Alter wie die jungen Menschen, die heute hier dieser Debatte zuschauen. Für uns hat sich die Frage von Ausbildungsvergütung oder Löhnen gar nicht gestellt. Wir waren froh, wenn wir überhaupt eine Ausbildung oder unsere Eltern einen Arbeitsplatz bekommen haben hier in Ostdeutschland. Deswegen sind viele von uns, die jungen Menschen damals, mit ihren Familien weggegangen in den Westen.