Protokoll der Sitzung vom 14.12.2017

(Marc Reinhardt, CDU: Leider!)

Ich erwarte aber eine gewisse Disziplin, ansonsten werde ich die Sitzung unterbrechen und es verschiebt sich alles entsprechend.

Gut, also die Forderung ist, wie gesagt, nicht neu. Die wurde allerdings auch schon einmal von der mehrfach zitierten Landesstelle selbst erhoben, diese Forderung. Ich glaube jedoch nicht, dass die Landeskoordinierungsstelle für Suchtthemen das so gemeint hat, wie Sie diese Stelle hier auslegen. Sie messen dieser Stelle eine Bedeutung zu und geben ihr in Ihrer Begründung praktisch einen Auftrag, der hier sehr, sehr weitreichend ist. Deswegen – aber darauf komme ich gleich noch zurück –, deswegen glaube ich auch nicht, dass es, um dieses Aufgabenspektrum zu erfüllen, ausreichen würde, einen Beauftragten zu haben und der macht das alles, sondern wahrscheinlich bräuchte der sogar einen Personalapparat.

Vor diesem Hintergrund muss ich mir ja die Frage stel- len – wir haben gestern gerade unsere Haushaltsberatungen abgeschlossen –, dass das aus meiner Sicht sehr haushaltsrelevant ist. Also ist der Zeitpunkt, das hier einzubringen, ein denkbar schlechter – einen Tag, nachdem wir die Haushaltsberatungen abgeschlossen haben. Aber ich will das hier jetzt nicht nur am Geld festmachen, sondern ich will meinen Eindruck, wenn es sich um eine Person mit einem Unterbau handeln muss, auch begründen.

Zum einen ist festzustellen, das hat ja diese Anhörung im Ausschuss auch ergeben, dass Mecklenburg-Vorpommern sich schon sehr frühzeitig dieser Thematik, leider aus gutem Grund, angenommen hat, weil bei dem Drogenthema nicht nur die verbotenen Substanzen, sondern natürlich die Alltagsdrogen, die legalen, die leider legalen Alltagsdrogen – ich hoffe, Frau Präsidentin, das steht jetzt nicht auf der Tagesordnung heute, weil der Weihnachtsmarkt mit all den Lockungen bevorsteht –

(Heiterkeit bei Thomas Krüger, SPD – Minister Harry Glawe: Glühwein!)

sehr viele Konsumenten finden, was natürlich für die Bevölkerungsgesundheit mit fatalen Folgen rechnen lässt.

Wir haben davon ausgehend sehr früh in MecklenburgVorpommern ein Netz aufgebaut. Die Landeskoordinierungsstelle hat eine zentrale Bedeutung. Wir haben viele Beratungsstellen. Das Netz ist eben schon mal genannt worden und es ist darüber referiert worden, was alles zur Verfügung steht. Das ist natürlich in erster Linie erst mal für die Menschen, die schon betroffen sind, ein ganz großer Schwerpunkt, was in die Zukunft gerichtet bei der Prävention liegt. Aber auch damit sind viele Institutionen sehr hochrangiger Art intensiv beschäftigt, zum Beispiel die Polizei. Die ahndet ja nicht nur Verstöße gegen das Drogengesetz, nein, es gibt auch Präventionsarbeit bei der Landespolizei. Das gibt es aber genauso gut an den Schulen. Da gibt es entsprechende Stellen, die sich mit

allen Themen von Suchtverhalten, also weit über Drogen hinaus, im Schulalltag befassen und dort auch einen Ansprechpartner oder eine Ansprechpartnerin zur Verfügung stellen. Es sind hoch qualifizierte Einrichtungen.

Und wenn ich dann in Ihrer Begründung lese, was der Drogenbeauftragte leisten soll, zum Beispiel Handlungsempfehlungen für die gesellschaftlichen Akteure zu entwickeln, mal ganz abgesehen von der Koordinierung, die ich eigentlich bei der Landeskoordinierungsstelle sowieso von vornherein verortet habe, fragt man sich doch, wie soll denn das leistbar sein. Dann müsste er ja Konzepte für die Polizei entwickeln, Konzepte für das Bildungsministerium und diese entsprechende Stelle entwickeln, für die Beratungsstellen entwickeln und, und, und. Was soll denn das für eine Koryphäe sein, die dazu in der Lage ist? Das funktioniert meines Erachtens nur mit wissenschaftlicher Mitarbeit, also einem personellen Unterbau.

Ich habe aber nach Auswertung der Anhörung hier einen anderen Eindruck mitgenommen. Wir haben eigentlich eine gute Struktur, ob die optimal ist, sei dahingestellt. Nichts ist so gut, als dass man es nicht noch besser machen kann. Ob man das Ganze politisch durch einen Drogenbeauftragten krönt, der, wie ich dann aber finde, bei den nächsten Haushaltsplanungen Berücksichtigung finden müsste?

(Zuruf von Bernhard Wildt, BMV)

Aber ich glaube, was man noch wesentlich verbessern kann, ist, dafür zu sorgen, dass die Bundesmittel dafür abfließen. Eine Aussage von vielen anderen negativen und positiven bei der Anhörung im Ausschuss war ja die, dass Bundesmittel zur Verfügung stehen, die einfach nicht unten in der Region und da ankommen, wo sie gebraucht werden. Denn – auch das kam dort zur Sprache – Prävention muss dort passieren, wo die Menschen sind: in den Gemeinden, in den Städten, in den Betrieben, in den Schulen. Dort ist viel an Strukturen vorhanden, aber vielleicht fehlt tatsächlich an der einen oder anderen Stelle so ein bisschen Beratung und noch bessere Koordinierung durch die Landesstelle, um das zur Verfügung Stehende in vollem Umfang auszuschöpfen.

Ich glaube, hier mit einem Beauftragten mit diesem Aufgabenspektrum einzugreifen – so sage ich das mal, weil das auch ein Stück Bevormundung der Stellen ist, die bereits erfolgreich arbeiten und die dann weitere Empfehlungen an die Hand bekommen sollen –, wäre wirklich ein langer Diskussionsprozess, den man zum Beispiel auch noch mal mit der Landeskoordinierungsstelle führen müsste. Deswegen können wir an dieser Stelle diesem Antrag heute leider nicht zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Herr Koplin.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

In der Tat, Herr Wildt, wir haben hier eine große sachliche Gemeinsamkeit, von der Sie sprachen.

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Als wir erfuhren, dass Sie an diesem Antrag arbeiten, ihn vorhaben, haben wir uns dazu verständigt. Wir hatten frühzeitig signalisiert, dass wir ihn unterstützen, denn es gab Ihrerseits diese Initiative, die heute dazu führt, dass wir darüber diskutieren, Frau Tegtmeier. Es ist kein schlechtes Timing, hier geht es um politische Willensbildung.

(Martina Tegtmeier, SPD: Ja, genau.)

Dass Sie die Sache gestern bereits – Herr Ehlers hat sich ja dazu auch ausführlich geäußert – vom Tisch gewischt haben, ist bedauerlich, aber Sie können uns jetzt nicht vorwerfen, dass die eine Fraktion sagt, wir möchten einen solchen Beauftragten und die andere Fraktion sagt, wir unterstützen das Anliegen sehr.

Dafür gibt es eine ganze Reihe sachlicher Gründe. Wir haben einen Änderungsantrag gestellt, weil schon aufgrund der Bandbreite, die ein solcher Beauftragter zu bearbeiten hätte, es nicht nur allein um die Fragen des Drogenkonsums, des Drogenmissbrauchs, der Prävention, aber auch der Betreuung und Beratung gehen darf, sondern auch verschiedener Süchte. Mediensucht ist ein Thema. Wenn ich Herrn Glawe vorhin richtig verstanden habe, haben Sie darauf Bezug genommen, dass das hier mehr ins Blickfeld geraten muss. Deshalb unser Änderungsantrag, der mehr als eine Formalie beinhaltet, mehr als den Namen, sondern inhaltlich untersetzt ist. Im Übrigen hat die Antrag stellende Fraktion im zweiten Absatz ihrer Begründung auch darauf Bezug genommen, dass es um Süchte und um Drogen geht.

(Bernhard Wildt, BMV: Ganz genau.)

Also das dazu.

Seitens der AfD fragten Sie, Herr de Jesus Fernandes, wozu brauchen wir ihn, was soll er leisten. Dazu Folgendes: Wir wollen schon, dass es eine Koordinierung gibt. Wir haben eine Koordinierungsstelle als Institution und wir haben sie in der Anhörung auch zu Gast gehabt, in der Anhörung, die hier eine Rolle spielte. Und eigentlich war es doch erbärmlich. Die Dame, die da war, hoch kompetent, hat beschrieben, wie sie unter widrigen Umständen ihre Arbeit leistet. Sie hat uns dargelegt, dass sie ihren Geschäftsführer, der schon über eine lange Dauer nicht da sein kann, mit vertritt

(Bernhard Wildt, BMV: Richtig!)

und sich faktisch im Kreise dreht. Und wenn sie dann schaut, wen sie als Ansprechpartnerin und Ansprechpartner in den Kommunen, auf der kommunalen Ebene hat, gibt es viele Leerstellen und sie hat sozusagen keinen als Rückgrat.

(Vizepräsidentin Dr. Mignon Schwenke übernimmt den Vorsitz.)

Also die Strukturen an der Stelle stimmen nicht, die Ressourcen stimmen nicht mit der Arbeit, die dort geleistet wird, überein. Das ist ein Zustand, den wir so nicht wollen. Im Übrigen kann der Landesregierung doch nur daran gelegen sein, dass sie eine kompetente Beraterin oder einen kompetenten Berater hat. Genauso wäre eine solche Beauftragte beziehungsweise ein solcher Beauftragter ja auch Ansprechpartnerin und Ansprechpartner für uns.

Hinzu kommt noch, dass es um die Bedarfe geht, die erhoben werden müssen. Hier wie an anderen Stellen haben wir doch große Defizite bei der Bedarfsermittlung. Wir werden morgen noch mal über den Landeskrankenhausplan reden. Da gibt es durchaus Berührungspunkte zu dem Thema, das wir hier gerade haben. Hinsichtlich der Bedarfslagen gibt es vieles, was aufzuarbeiten ist. Von den Bedarfen ausgehend, von Analysen ausgehend hin zu Empfehlungen und dann letztendlich zu einem Planungsdokument „Suchthilfe“ – da wollen wir es hin haben, das Ganze auch immer in Kooperation mit Politik, mit Gesellschaft, mit den relevanten Akteuren auf diesem Gebiet.

Die AfD hatte es jetzt vorgezogen, noch mal zu meinen – mit Verweis auf eine Sekundärquelle –, was wir im Programm hätten. Also es wäre ganz gut, immer das Original zu lesen. Sie werden dort drei Dinge finden:

Wir sind für die Entkriminalisierung von Drogensüchtigen, die es ja in diesem Staat gibt, diese Kriminalisierung. Wir wollen eine Entkriminalisierung – erstens.

Zweitens. Wir sind für eine deutliche Stärkung der Präventionsarbeit. Das berührt dann auch wieder den Antrag, den wir hier gerade diskutieren.

Und wir hielten und halten es für geboten, da, wo es angezeigt ist, Cannabis als Medizin zu reichen.

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Das darf man schon.)

Dazu gibt es seit dem Sommer dieses Jahres entsprechende rechtliche Grundlagen, und diese Grundlagen werden auch in der Praxis angewandt. Das dürfte bekannt sein. Das sind Komponenten dessen, was wir im Programm haben. Da muss man nicht noch was unterschieben, weil man meint, man müsse uns in eine gewisse Ecke stellen, um letztendlich dann wieder sein Weltbild in Ordnung zu kriegen.

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Das war ein Parteitagsbeschluss von Ihnen.)

Herr Minister Glawe, Sie haben gesagt, das sollte man heute nicht positiv votieren, man soll das in einen Prozess münden lassen und über den Prozess dann später gegebenenfalls aufrufen. Die Fachwelt sieht das anders. Mit dieser Initiative – die Fraktion Bürger für Mecklenburg-Vorpommern mit dem Antrag, wir parallel mit unserem Ansinnen, das im Haushalt zu unterlegen – sind wir angeschrieben worden vom Fachverband Drogen und Suchthilfe e. V. in Berlin, der als Dachverband in der ganzen Bundesrepublik gilt und ein sehr kompetenter Ansprechpartner auch für die Bundesebene ist. Die haben uns ermuntert, dranzubleiben, weil sie entsprechend wirksame Strukturen brauchen.

Und sie haben zur Steuerung auf der Ebene der Länder und Kommunen Folgendes in einem fachlich sehr wertvollen Papier abgefasst. Ich würde das ganz gern zitieren. Das sind drei, vier Sätze mehr, aber daraus wird deutlich, dass es nicht nur um ein gesamtgesellschaftliches Phänomen geht, sondern auch darum, dass wir hier Punkte berühren, die mit dem Grundgesetz etwas zu tun haben, also die Verfasstheit dieser Gesellschaft berühren. Zitat: „Die grundgesetzlich geforderte Schaffung gleicher Lebensbedingungen für alle

Menschen muss sich in einem vergleichbaren Angebot der Suchthilfe in allen Regionen Deutschlands wieder finden.“ Die haben wir ja nicht mal im eigenen Land.

(Bernhard Wildt, BMV: Richtig.)

„Daher bedarf dieses Arbeitsfeld einer Koordinations- und Steuerungsfunktion auf Bundes-,“ – die gibt es, das ist hier gesagt worden von Herrn Wildt – auf „Landes-“ – die gibt es so noch nicht, wie wir sie uns wünschen – „und kommunaler Ebene. Die zunehmende Delegation der Verantwortung für die Finanzierung und Gestaltung von Hilfen und Leistungen (Kommunalisierung) und unabgestimmte Planungen führen zu auseinanderstrebenden Qualitätsstandards und völlig unterschiedlichen Zugangsmöglichkeiten der Betroffenen zu den erforderlichen Hilfen und Leistungen.“

In meiner Heimatregion Mecklenburgische Seenplatte haben wir diesen Zwist allein schon zwischen den Maßnahmen, die wir auf kreislicher Ebene leisten, durch die Kreisverwaltung, und das, was über das Jobcenter läuft. Diese werden sich nicht einig und da fallen faktisch diejenigen durch, die die Hilfe aber nahtlos brauchen. Das nur mal als Einschub.

„Der Fachverband“ – ich komme gleich zum Schluss –, „der Fachverband Drogen- und Suchthilfe e. V. fordert, dass jedes Bundesland zuständige“ Suchthilfekoordinatorinnen und -koordinatoren „benennt“ – wir nennen es eben Sucht- und Drogenbeauftragten – „und diese in einem Gremium tätig werden, in dem auch die Bundesebene mitwirkt und das verbindliche Entscheidungen zur Wahrung gleicher Lebens- und damit auch Hilfebedingungen trifft. Regionale Abweichungen müssen möglich sein, wenn sie nicht aus Kostengründen erfolgen.“ Zitatende.

Das wollen wir! Wir unterstützen den Antrag und fordern alle anderen Fraktionen auf, das ebenfalls zu tun. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE, BMV und Jürgen Strohschein, AfD)

Für die Fraktion der CDU hat jetzt das Wort die Abgeordnete Berg.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Ich sage jetzt nichts, ich sage nichts.)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ein Antrag, der uns zu denken geben sollte, denn ich schätze, spätestens in einer viertel Stunde werden wir einige Etagen tiefer, im Hof möglicherweise legale Drogen konsumieren.

(allgemeine Unruhe)