Protokoll der Sitzung vom 24.01.2018

„Sie! Sie dürfen nicht!“

Wenn schon, denn schon!)

Einen Moment! Jetzt rufe ich den nächsten Redner auf. Jetzt gibt es hier keine Debatten.

Ums Wort gebeten hat die Ministerin für Soziales, Integration und Gleichstellung Frau Drese.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Wir haben während der Landtagssitzung heute zwei Punkte auf der Tagesordnung, die fast identisch sind. Während sich die Linksfraktion allerdings die Mühe gemacht hat, einen Antrag zu formulieren und ihr Anliegen differenziert darzustellen, verzichtete die AfD auf derartige Anstrengungen. Wir sind uns deshalb in der Landesregierung einig, uns heute nach der inhaltlichen Befassung mit dem Antrag der Linksfraktion in der beantragten Aussprache kurzzufassen. Ich hoffe, Sie sind mit diesem Vorgehen einverstanden. Ich glaube...

(Zuruf vonseiten der Fraktion der AfD: Nein!)

Dann kann ich das auch nicht ändern.

(Heiterkeit bei Dirk Lerche, AfD)

Ich glaube, die Mehrheit im Haus hier sieht das ähnlich wie ich.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich weise ganz klar zurück, dass es sich bei der 50-Euro-Entlastung des Landes um eine Pseudoentlastung handelt. Ja, es ist richtig, dass sich in diversen Einrichtungen die Platzkosten erhöht haben, und es ist damit zu Elternbeitragssteigerungen gekommen. Dennoch bedeuten die 50 Euro eine Entlastung von den gestiegenen Elternbeiträgen. Ohne diese Entlastung würden die betroffenen Eltern zusätzlich belastet sein.

Lassen Sie mich das verdeutlichen. Der gewichtete durchschnittliche Elternbeitrag in der Krippe beträgt in Mecklenburg-Vorpommern 280,18 Euro. Durch die seit 2012 und 2018 greifende Unterstützung des Landes werden die Eltern bei Ganztagsbetreuung ihrer Kinder um 150 Euro entlastet. 150 Euro multipliziert mit zwölf Monaten, das sind 1.800 Euro jährlich für ein Ganztagskind in der Krippe. Das ist keine Pseudoentlastung, das ist eine deutliche Hilfe des Landes für junge Familien, meine Damen und Herren.

Auch im Kindergarten – der gewichtete durchschnittliche Elternbeitrag im Kindergarten beträgt landesweit 150,60 Euro –, von dem Elternbeitrag im Kindergarten werden die Eltern bei Ganztagsbetreuung ihrer Kinder um 50 Euro entlastet. 50 Euro mal zwölf Monate sind 600 Euro jährlich, die Eltern oder Alleinerziehende sonst mehr zahlen müssten.

Die in diversen Einrichtungen der Kindertagesförderung erfolgten Elternbeitragserhöhungen beruhen zumeist darauf, dass Personalkostenerhöhungen infolge von Tarifanpassungen erfolgt sind. Das ist aber auch ausdrücklich unser Anliegen. Fachkräfte in der Kindertagesförderung sollen ordentlich bezahlt werden. Die Landesmittel werden nach unserem KiföG Mecklenburg-Vorpommern, Paragraf 19 Absatz 3, nur an solche Träger von Einrichtungen weitergeleitet, die sich an den jeweiligen tariflichen Bedingungen orientieren.

Darüber hinaus sind die von Trägern der Einrichtungen mit den örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe zu führenden Vereinbarungen über Leistungen, Entgelt und Qualitätsentwicklung, die in der Vergangenheit teilweise nicht regelmäßig geführt wurden, nachgeholt worden. Auch Investitionskosten können zu einer Kostensteigerung bei den Platzkosten und damit bei den Elternbeiträgen führen. Auch diese nachgeholten Verhandlungen sind grundsätzlich positiv zu bewerten, weil die realen Kosten damit abgebildet werden.

Und Sie zeigen, Herr de Jesus Fernandes, dass Sie wieder einmal schlecht informiert sind, wenn Sie im Tagesordnungspunkt vorher ein Wahlrecht der Eltern fordern. Dieses Recht, zwischen den Angeboten der Kindertagesförderung zu wählen, gibt es in Paragraf 5 SGB VIII und schon längst in Paragraf 3 Absatz 5 des KiföG Mecklenburg-Vorpommern.

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Sehr geehrte Damen und Herren, zum Schluss noch etwas: Die Kindertagesförderung ist auch in dieser Legislaturperiode wieder ein absoluter finanzieller Schwerpunkt der Koalition. Mit der seit Januar wirkenden 50-Euro-Entlastung haben wir als Land noch knapp 24 Millionen Euro zusätzlich investiert. Die geplante Geschwisterkindregelung – bei der, Frau Bernhardt, auch die Hortkinder eingeschlossen sind – ab 2019 kostet das Land rund 15 Millionen Euro. Das heißt, wir sind dann mit 40 Millionen Euro schon weit über dem im Koalitionsvertrag zugesagten 30-Millionen-Euro-Paket zur Elternentlastung – nur, dass Sie das noch einmal gehört haben.

Wir wollen aber natürlich mehr. Wir wollen für die Eltern die kostenfreie Kita. Das gilt für die SPD, das gilt für die Ministerpräsidentin und mich, und das gilt auch für die CDU, wie Herr Renz in der Dezembersitzung des Landtags verdeutlicht hat. Es wäre wichtig, wenn uns auch der Bund dabei kräftig unterstützen würde. Manuela Schwesig hat ja schon einiges erreicht.

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Und seit Sonntag sind wir noch einen Schritt weiter gekommen.

(Torsten Renz, CDU: Weil Herr Kokert jetzt dabei ist.)

Als Sozialministerin freue ich mich über jeden zusätzlichen Euro aus Berlin für die Kindertagesförderung MecklenburgVorpommern. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Vielen Dank, Frau Ministerin.

Das Wort hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete Frau Bernhardt.

(Minister Dr. Till Backhaus: Das Ganze noch einmal? Hoffentlich nicht! – Torsten Renz, CDU: Kann man eigentlich die Lautstärke an den Mikros auch regeln?)

Ich rede für Sie leiser, Herr Renz.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der CDU)

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete!

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Kostenfreie Kita einführen – mittlerweile ist das eine Forderung, die alle Fraktionen eint. Was uns trennt, ist der Weg, die Thematisierung und die Zeitschiene, so auch bei diesem Antrag der AfD. Hinter dieser durch die AfD-Fraktion beantragten Aussprache und der Fassade der scheinbar guten Forderung steckt eine braune Ideologie.

(Unruhe vonseiten der Fraktion der AfD)

Sie ist nicht durchdacht und höchst populistisch. Das durften wir während der Haushaltsberatungen erleben – ich komme gleich dazu –, denn die AfD-Fraktion will die Elternentlastung und kostenfreie Kita auf Kosten der Frauenförderung, der Gleichstellungsarbeit, Maßnahmen zur Integration von Migrantinnen und Migranten und mithilfe von personellen Einsparungen beim Landesjugendring in Mecklenburg-Vorpommern erwirken. Das geht aus unserer Sicht schon mal gar nicht. Das alles wollen wir nicht. Deshalb unterscheiden wir uns in der Art und Weise des Anliegens grundlegend. Das möchte ich gleich zu Beginn meiner Rede klarstellen.

Die Anträge der AfD-Fraktion zum Doppelhaushalt für die Jahre 2018 und 2019 waren darauf ausgerichtet, Haushaltsmittel aus den eben benannten Bereichen abzuziehen. Dafür haben sie Mittel in Höhe von 3,4 bis 3,5 Millionen Euro jährlich pauschal in den Titel zur anteiligen Elternentlastung packen wollen, ohne Begründung und ohne das Aufzeigen des Wies.

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Von wem?)

Konkret danach im Sozialausschuss befragt, wie das Konzept sei, wo mit 4 Millionen Euro jährlich angefangen werden sollte, konnte mir keiner der Herren der AfD eine Antwort geben. Auch heute habe ich darauf gewartet. Sie haben sich nicht die Mühe gemacht, ein Konzept oder Rahmenbedingungen mitzuliefern, welche Altersgruppen in welchen Betreuungsformen in welcher Höhe entlastet werden sollen. Opposition heißt aus unserer Sicht eben nicht nur, zu kritisieren, sondern auch, Lösungsvorschläge zu machen. Das vermisse ich bei Ihnen.

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Soll ich Ihnen noch mal den Antrag vorlegen?)

Von der kostenfreien Kita

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

war in den Anträgen der AfD zum Doppelhaushalt überhaupt nicht die Rede. Ihre Forderungen sind deshalb nicht unterlegt, einen roten Faden oder eine Kontinuität kann ich nicht erkennen. Damit sind Ihre Forderungen willkürlich und pure Effekthascherei, wie wir meinen.

Wer mehr zu Ihrem Konzept der Kitaentlastung oder der kostenfreien Kita wissen will, sollte mal in Ihr Wahlprogramm zur Landtagswahl 2016 schauen, wo es zu diesem Thema heißt, und ich zitiere: „Die Betreuung und

Erziehung im Kindergarten bildet eine Aufgabe des Landes und soll für alle Familien kostenfrei sein.“ Das hört sich erst einmal gut an für den Normalbürger, aber Sie beschränken sich auf die Kindergartenplätze, also auf die 3- bis 6-Jährigen.

(Torsten Renz, CDU: Siehste!)

Was ist mit den Krippen- oder Hortplätzen? Fragen über Fragen!

(Torsten Renz, CDU: Ja.)

Aber es geht noch weiter, denn Sie weichen die Kostenfreiheit im übernächsten Absatz Ihres Wahlprogrammes auf. Da heißt es: „Die staatlichen Zahlungen für KitaPlätze sollen über landesweit einheitliche Gebührenpauschalen erfolgen, die den Grundbedarf der Träger decken. Darüber hinausgehende Angebote müssen die Kitas selbst erwirtschaften. Dies fördert auch den Wettbewerb zwischen den Einrichtungen.“ Zitatende.

Zunächst einmal, Bildungseinrichtungen wie Kitas in einen Wettbewerb zu stellen, ist schon, wie wir finden, sehr makaber. Eltern entscheiden sich nach Konzepten und danach, wo die Kita besteht, aber doch nicht, wie viel ich zahlen muss.

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Ihre nach außen hin so soziale Einstellung wird durch diesen Absatz widerlegt. Kitas müssen danach weitere Angebote selber schaffen oder selber erwirtschaften. Wie erwirtschaften denn Ihrer Meinung nach Kitas selber die Beträge? Natürlich über die Eltern. Das heißt, je mehr Angebote, desto mehr Kosten fallen an, die die Kitas über die Elternbeiträge wieder erwirtschaften müssen. Das bedeutet, je besser die Angebote in einer Kita, desto tiefer greifen die Eltern in den Geldbeutel. Das ist aus unserer Sicht höchst unsozial. Sie befördern die Zweiklassengesellschaft. Kinder aus finanziell gut aufgestellten Elternhäusern erhalten demnach mehr Angebote und somit eine bessere Bildung, Kinder aus finanziell schwachen Elternhäusern können sich dies im Zweifelsfall nicht leisten und fallen hinten runter.

Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, nein, das ist nicht unser Ansatz. Wir sagen, wir wollen eine chancengleiche Bildung von Anfang an. Das ist der beste Ansatz im Kampf gegen Kinderarmut. Sie, Herren der AfD, würden diese mit Ihrer Spaltung sogar noch weiter befördern.

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)