Protokoll der Sitzung vom 25.01.2018

Zweitens. Infraschall klingt immer mindestens wie Atomstrahlung, etwas, das nie da ist und nur von diesen Anlagen ausgeht. Infraschall ist eine der natürlichsten Begleiterinnen und Begleiter, die wir haben. Jeder, der Auto fährt und im Sommer die Scheibe ein bisschen auflässt, erzeugt deutlich mehr Infraschall in der Nähe seines Körpers, als es eine Windkraftanlage mit halbwegs vernünftiger Distanz jeweils vermag.

Meine Damen und Herren, selbst, wenn Sie das nicht überzeugt und Sie sagen, wer weiß, was die in 40 Jahren alles herausfinden – wenn man das im Übrigen zur Maßgabe macht, legen wir uns bei allen Neuerungen in diesem Lande auf den Rücken, das nur am Rande –, aber selbst, wenn man diese Gefahr hat, kann man ja mal eine umgekehrte Frage stellen. Die haben die Baden-Württemberger gestellt, eine schwarz-grüne, grün-schwarze Landesregierung, die ganz verschiedene Kräfte vereint. Die haben ihre Gesundheitsämter auch noch mal losgeschickt und gesagt: Messt doch mal! Messt doch mal in einem immer größer werdenden Abstand, und zwar einmal bei eingeschalteter Windkraftanlage und dann an gleicher Stelle bei abgeschalteter Windkraftanlage! Dann gucken wir mal, wie viel sich eigentlich der gemessene Infraschall für die Menschen erhöht, die betroffen sind bei „an“ und „aus“.

Noch mal im Hinterkopf: Infraschall kommt in der Natur ständig vor, die Frage ist also, wie viel tue ich obendrauf durch die technischen Einrichtungen. Und siehe da, ab einem Abstand von etwas über 600 Metern ist bei eingeschalteter Windkraftanlage der Infraschall an dem Punkt, wo er ankommt, nicht mehr höher als bei ausgeschalteter Anlage, weil offenbar dann Effekte eintreten ab einer gewissen Distanz, dass der natürliche Infraschall den Rest schluckt beziehungsweise sich Dinge auch verlieren. Sie kommen dann also auf ein Niveau, wo es keinen Unterschied mehr macht: knapp über 600 Meter.

Noch mal kurz zur Erinnerung unsere für die Windeignungsplanung vorgegebenen Abstände: 800 Meter zum Einzelgehöft, der Regelabstand zur Bebauung 1.000 Meter. Kleine mathematische Übung mit meiner Tochter, zweite Klasse, die unterscheiden momentan Einer, Zehner, jetzt kommen wir irgendwann zu Hundertern und Tausendern. Bei dem Mindestabstand sind wir im Tausenderbereich, bei dem Abstand ab dem Infraschall, wenn er sich überlagert, also nicht mehr verstärkt wird, sind wir noch in den Hunderterstellen, einer kleineren Größe, wir haben also keine Situation. Selbst, wenn Sie Sorge hätten, dass es bei demjenigen, wo es ankommt, ein gesundheitliches Problem auslöst und vielleicht erst in 40 Jahren festgestellt wird, es kommt keine stärkere Emission vom Infraschall mehr an in der 1.000-MeterDistanz. Von daher finde ich es schwierig, weiterhin zu behaupten, es gäbe hier ein signifikantes gesundheitliches Problem und eine große Sorge.

Ich würde gern noch einen Punkt aufgreifen, der ebenfalls anklang. Es war bisher die Formulierung, es habe eine Umsetzungsfrist gegeben im Paragrafen 249 BauGB. Es gab keine Umsetzungsfrist. Eine Umsetzungsfrist lautet so, dass der Bundesgesetzgeber sagt, ihr 16 Länder macht bitte Folgendes! Und wer es nicht macht, der würde einen Rechtsverstoß begehen. Das ist keine Umsetzungsfrist, sondern das war in der letzten Großen Koalition eine kurze, von Anfang an mit einem Zeitfenster vereinbarte Möglichkeit. In der Zeit erlauben wir den Ländern ausnahmsweise für eine ganz kurze Zeit – es ist eine ausschließlich dem Bundesgesetzgeber obliegende rechtliche Möglichkeit –, Handlungsanweisungen zu geben und durch die Landesgesetze einzugreifen. Die Frist ist abgelaufen, das Handlungsfenster ist wieder zu und wir haben sie hier bewusst – bewusst entschieden – nicht ergriffen. Darauf ist schon hingewiesen worden, meine Damen und Herren.

Ihre Begründung versucht da aber so eine schöne Suggestion. Da steht drin, da konnte man umsetzen, unter anderem hätte zum Beispiel Bayern das gemacht. Die normale deutsche Sprache würde, wenn man „zum Beispiel“ sagt, davon ausgehen, es gäbe noch einen ganzen Sack voll anderer. Wir versuchen das mal zurückzuführen auf die Wahrheit. 15 Bundesländer haben es nicht getan, ein Bundesland, zum Beispiel Bayern, hat es gemacht, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Heiterkeit bei Rainer Albrecht, SPD, und Sebastian Ehlers, CDU)

Meine Damen und Herren, was passiert denn eigentlich, wenn wir da radikal reingehen und sagen, 10-fache Höhe? Sie können auch das 9-Fache oder 11,5-Fache nehmen. Wenn Sie die Abstände, die wir jetzt wählen, deutlich erhöhen – und zurzeit sind wir bei knapp 0,6 Prozent der Landesfläche, die ausgewiesene Flächen für Windeig

nungsgebiete sind, das sind immer größere Bereiche, da stehen dann auch nur auf einzelnen Punkten die Windkraftanlagen und wir hoffen, dass wir auf knapp unter einem Prozent sein werden, wenn denn die Fortschreibung der Gebiete jetzt wie vorbereitet voranschreitet –, wenn Sie die deutlich erhöhen, werden Sie auf einen Bruchteil davon kommen. Es war schon angesprochen worden, selbst in einem Flächenbundesland wie Mecklenburg-Vorpommern wird faktisch der Windkraftausbau weggestoppt, genauso, wie es die Bayern gemacht haben. Einer Ihrer Abgeordneten nickt mir fleißig zu.

Es ist in Ordnung, das politisch zu fordern, aber dann lassen Sie uns doch nicht von hinten durch die Brust ins Auge argumentieren, sondern da stellt man sich hier hin und sagt, ich will Windkraft nicht. Dann wird die Gegenfrage kommen, die immer alle scheuen: Was will ich dann? Deswegen die Frage auch noch mal gern an den Parlamentarischen Geschäftsführer, vorhin war Ihre Antwort möglicherweise nicht zu verstehen: Wollen Sie Atomkraft stattdessen? Ich glaube, Sie hatten geantwortet: Ja.

(Dr. Ralph Weber, AfD: Nicht noch mehr Windkraft.)

Nicht noch mehr Windkraft allein ist nicht zu lösen, weil ich leider eine Alternative brauche an der Steckdose, wenn ich 50 Hertz halten möchte, so leid es mir tut.

(Zurufe von Rainer Albrecht, SPD, Andreas Butzki, SPD, und Patrick Dahlemann, SPD)

Ich hätte gern mal ein klares Bekenntnis gehabt, was stattdessen dann genau die Alternative ist, damit die Menschen wissen, was da alternativ, entweder/oder, gegeneinander steht.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, die Frage ist doch,

(Thomas Krüger, SPD: Was ist denn die Alternative von der Alternative?)

warum denn immer die Gesundheit herhalten muss, um zu begründen, warum man es braucht. Weil Sie wissen, dass der Klimaschutz für viele Menschen in dieser Republik ein so zentrales Thema ist, dass ich allein mit dem Möchte-ich-aber-nicht im Regelfall politisch unterliegen werde, brauche ich eine Drohgebärde, die viele, viele Menschen vielleicht doch noch mal überlegen lässt zu sagen, ob wir dann nicht lieber Klimaschutz weglassen, wenn das wirklich so gefährlich ist. Das ist der Versuch, einen politischen Gegenpol aufzubauen, weil Sie wissen, dass es breiteste Mehrheiten dafür gibt, dass wir Energiewende betreiben und dass wir damit verbunden dann auch Klimaschutz betreiben.

Meine Damen und Herren, wir werden um die CO2Minderung nicht umhinkommen, wir werden die Klimaschutzziele 2020 nicht erreichen. Ich finde das auch undramatisch, wenn man sich trotzdem weiter bemüht, insgesamt auf dem Pfad zu bleiben. Aber wir werden sie nur schaffen, wenn wir weiterhin versuchen, den Energiebereich stärker CO2-freier zu machen, und dafür ist Windkraft eine der günstigsten und im Übrigen in diesem Bundesland auch naheliegendsten Varianten für die alternative Energieerzeugung.

Wir können derartig die Frage aufrufen: Ändern wir damit überhaupt etwas, gibt es menschlichen Einfluss auf Klimawandel? Ich persönlich bin nicht derjenige, der das wissenschaftlich vertieft untersuchen kann. Ich schaue mir aber die große Breite weltweiter Wissenschaftshinweise an und alle rufen uns zu: Jawohl, ihr habt massiven Einfluss. Und wenn ihr nicht aufpasst, habt ihr das 1,5-Prozent-Ziel schon 2040 erreicht und nicht erst 2100. Wir haben also Anlass zu handeln, denn in diesem Bundesland – und da schaue ich auf Till Backhaus – ist Küstenschutz ein Riesenthema, und der Küstenschutz wird schwerer und schwerer, je stärker wir im Klimawandel voranschreiten.

(Minister Dr. Till Backhaus: Der Hochwasserschutz genauso.)

Meine Damen und Herren, wenn es ein Bundesland gibt, …

Hochwasserschutz.

… wenn es ein Bundesland gibt, wo es danach schreit, dass wir ein eigenes Interesse daran haben, dann ist es dieses norddeutsche Bundesland.

Und wenn Sie rausschauen, es ist gerade Winter, nur damit Sie es wissen: Meine Frau behauptet weiterhin vehement, in diesem Bundesland geboren und aufgewachsen, sie könnte sich in ihren Kindheitstagen an keinen Winter erinnern, wo sie nicht viel Schlitten gefahren sei. Unseren Kindern haben wir dieses Jahr wenigstens einen einzigen Tag kurz den Schlitten in die Hand gedrückt, damit sie mal wissen, was Schlittenfahren ist.

(Minister Dr. Till Backhaus: Wir können ja mit Ihnen mal Schlitten fahren.)

Also um mal die Bandbreiten aufzuzeigen,

(Zuruf von Bernhard Wildt, BMV)

Sie können sagen, Zufallswinter, schauen Sie sich einfach die Winter der letzten Jahre an, schauen Sie sich die Sommerspitzenwerte an! Wir sind erkennbar in einem veränderten Klima, was Sie auch im Wetter und vor allen Dingen in Wetterereignissen abbilden können, und wir tun gut daran, dem vorzubeugen.

(Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

Wir stellen nicht Wirtschaft gegen Gesundheit, meine Damen und Herren, denn die Gesundheit ist nicht betroffen, wenn man die Sicherheitsabstände einhält, wie eben gesagt, sondern wir bauen sehr moderat aus, um genau das zu erreichen. Im Übrigen sind wir bei dem Ausbau im Regelfall im Mittelfeld in Deutschland von den Größenordnungen her. Es wird ja manchmal kritisiert, wir seien zu langsam. Wir sind moderat im Mittelfeld, wir strukturieren das mit dem Plan.

(Dr. Ralph Weber, AfD: Wir produzieren doch viel mehr Windenergie, als wir weiterleiten können.)

Wir stellen nicht Gesundheit gegen Wirtschaft, Herr Professor, sondern wir stellen die Zukunft der kommenden Generationen vor kurzfristige Gewinne aus Kohle und Atom. Genau das ist das Ziel dieser Politik, meine Damen und Herren.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Weißig?

Sehr gern, nur zu.

Bitte schön.

Herr Minister, wie halten Sie das denn mit den Naturschutzgebieten?

(Minister Dr. Till Backhaus: Das haben wir ganz klar geregelt.)

In Naturschutzgebieten, wie zum Beispiel den Friedländer Wiesen, wie wollen Sie da vorgehen? Das hätte ich gern gewusst. – Danke.

In Naturschutzgebieten gibt es klare Regeln und an den Naturschutzgebieten gibt es ebenfalls Regeln, überwiegend von den jeweiligen Planungsverbänden mit Mindestabständen untersetzt. Das macht es im Übrigen, je mehr Ziele Sie drauftun, umso schwerer. Wenn ich ein Naturschutzgebiet habe und einen Mindestabstand dazu definiere, packe ich den Zirkel auf die Karte und schlage den Kreis drum herum. Dann packe ich den Zirkel auf die Karte der Ortschaft und schlage einen Kreis drum herum. Das mache ich mit ganz vielen Verbotskriterien. Und nur das, was am Ende übrig bleibt und wo keine Zirkellinie erfasst ist, sind die Bereiche, wo ich überhaupt noch rankomme. Deswegen sind wir bei 0,6 Prozent, weil wir an vielen Stellen andere Dinge vorgehen lassen.

(Andreas Butzki, SPD: Müritzer Nationalpark – kein Windrad. Feldberger Seenlandschaft – kein Windrad.)

Klare Regeln, Sie können aber gern auf den Umweltkollegen zugehen, der kann das sogar noch viel besser als ich.

Herr Minister, gestatten Sie eine weitere Anfrage …

Sehr gern.

… des Abgeordneten Herrn Professor Dr. Weber? (Zustimmung)

Bitte schön.

Danke schön.

Herr Minister Pegel, haben Sie zur Kenntnis genommen, dass wir schon viel mehr Energie, Windenergie produzieren, als wir überhaupt weiterleiten können, und dass das eine Menge Geld kostet zurzeit, sodass jedenfalls im Moment, bevor die Weiterleitung gesichert ist, ein gestoppter oder nicht mehr weiter geförderter Ausbau auch wirtschaftlich und nicht nur gesundheitlich sinnvoll für dieses Land wäre?

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Andreas Butzki, SPD: Stehen bleiben!)

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