Protokoll der Sitzung vom 27.04.2018

Für die Betroffenen beginnt eine neuerliche Tortur, wenn es um Therapieplätze geht. Bereits die Wartezeiten sind erheblich. Dazu gibt es auch Kleine Anfragen, allerdings nur von anderen Bundesländern, aber wir können davon ausgehen, dass die Wartezeiten bei uns ähnlich sind wie in allen anderen Bundesländern. Aus therapeutischer Sicht ist bereits das ein klassischer Fehlstart für eine erfolgreiche Behandlung. Die von den Krankenkassen finanzierte Therapiedauer ist oft nicht ausreichend, um auch Folgeschäden auszutherapieren, sprich, dass der Betroffene wirklich vollständig genesen kann.

Die Missstände im ergänzenden Hilfesystem in der Verantwortung des Bundes müssen beseitigt werden. Ich denke, Frau Drese, darauf wollen Sie auch hinaus, wenn Sie von diesem Bundeskonzept sprechen. Die FAZ schreibt im zitierten Artikel von einer „Bearbeitungszeit“ von „bis zu zwei Jahren“. Es gibt seit Langem die Forderung nach der Reform des Opferentschädigungsgesetzes. Nur in diesem Gesamtzusammenhang würde der Antrag der AfD aus unserer Sicht einen richtigen Sinn ergeben, aber auch so ist es natürlich hilfreich, darüber zu sprechen.

Wir würden den Antrag gerne in den Ausschuss verweisen, natürlich idealerweise mit unserer Änderung versehen, ansonsten können wir dem Antrag nicht zustimmen. Aber im Ausschuss sollte er unbedingt thematisiert werden. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der BMV)

Für die Fraktion der SPD hat jetzt das Wort die Abgeordnete Tegtmeier.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Opferschutz hat in Mecklenburg-Vorpommern einen hohen Stellenwert. Unsere Landesregierung tut für den Opferschutz mehr als andere. Ich erinnere nur daran, was unsere Justizmi

nisterin, nicht die jetzige, sondern die vorherige, angeleiert hat, sage ich mal, auf Bundesebene, um den Opferschutz auch bei uns zu stärken. Die jetzige macht auf dieser Schiene weiter.

Wenn Sie sich den Flyer zum Opferschutz aus dem Justizministerium angeschaut haben, alles, was da an Hilfe aufgelistet ist, dann, denke ich, haben wir doch einiges vorzuweisen.

(Bernhard Wildt, BMV: Das hat keiner bestritten.)

Dass die AfD es versäumt hat, folgerichtig nach ihrer Kleinen Anfrage im Juno letzten Jahres – darauf haben Sie hingewiesen und das steht auch in diesem Antrag – die entsprechenden Schritte zu tun und bereits bei den Haushaltsberatungen, wo das in erster Linie hingehört, einen entsprechenden Antrag zu stellen, ist jetzt mehrfach schon gesagt worden.

Aber ich möchte noch mal zum Ursprung unserer Einrichtungen zurückkommen. Ich glaube, Frau Dr. Seemann, damals Parlamentarische Staatssekretärin für Frauen und Gleichstellung, würde sich doch ein bisschen wundern über das, was hier argumentatorisch vorgetragen wird. Wenn man sich Folgendes anschaut: Allein ein Blick in den Haushalt gibt schon Aufschluss darüber, wozu diese Opferambulanzen seinerzeit eingeführt wurden. Das steht tatsächlich bei der Sozialministerin im Haushalt unter der Maßnahmegruppe 2 bei der Leitstelle für Frauen und Gleichstellung.

Warum ist denn das so? Wir wissen aus der Opferhilfe, aus den zahlreichen Fällen häuslicher Gewalt, dass gerade Opfer von häuslicher Gewalt, aber vor allen Dingen sexualisierter Gewalt fürchterliche traumatische Erfahrungen machen, die sie oftmals nicht in die Lage versetzen, eine Tat gleich anzuzeigen oder auch nur etwas später anzuzeigen, sondern manchmal braucht es sehr viel Zeit. Die Aufgabe, die den Opferambulanzen zugewiesen war, war die, dass Opfer, die freiwillig eine Dokumentation ihrer Verletzungen rechtssicher erfassen lassen wollten, den Zugang haben sollten und das machen lassen können. Nun haben wir aber, und das haben alle gesagt, das steht sogar im Antrag der AfD, dass mittlerweile diese Opferambulanzen nicht nur dafür genutzt werden, dass Opfer da hingehen können aus freien Stücken, um Entsprechendes dokumentieren zu lassen, sondern dass auch die Jugendämter, die Polizei, die Staatsanwaltschaften diese gern nutzen, um gerichtsfeste Dokumentationen erstellen zu lassen. Dazu gehört zum Beispiel auch, dass Opfer als Zeugen im Strafverfahren nach Paragraf 81c Strafprozessordnung verpflichtet werden können, sich untersuchen zu lassen, um glaubwürdig etwas darzustellen. Das ist kein freiwilliges Aufsuchen aus eigenen Stücken, sondern etwas ganz anderes. Deswegen, finde ich, sollte man das ein bisschen auseinanderhalten.

Es ist ein riesiger Erfolg der Gruppe, die jetzt leider nicht mehr da ist, unserer Gleichstellungsbeauftragten, dass gerade die Zahl derer, die von sich aus hingehen und etwas dokumentieren lassen, so in den letzten Jahren angestiegen ist, weil offensiv das Sozialministerium, das Justizministerium, die Gleichstellungsbeauftragten, alle Organisationen der Opferhilfe bei Bekanntwerden von solch schweren grusligen Straftaten die Opfer darüber informieren, dass es die Möglichkeit gibt. Dass dies immer besser angenommen wird, ist ein riesengroßer Erfolg.

Aber die Mittel, die wir dafür einstellen in die Maßnahmegruppe 2, wie gesagt, Frauen und Gleichstellung, sollen in erster Linie auch dafür verwendet werden, wofür wir sie seinerzeit erkämpft haben, und sollen nicht für alles Mögliche, wofür andere zuständig sind und wofür andere diese Untersuchung veranlassen, ebenfalls mit herhalten. Ich finde es daher folgerichtig, dass die Mittel jetzt aufgestockt worden sind, weil die freiwillige Annahme dieser Möglichkeit immer mehr zunimmt. Sicherlich werden in Zukunft auch noch weitere Korrekturen erfolgen. Wir werden uns die Zahlen ganz genau anschauen, wie das weitergeht. Aber man muss realistisch betrachten, was ist mit dieser Stelle gewollt, was wird damit gemacht. Dann müssen wir gucken, ob die Mittel, die dafür da sind, für das, was damit getan werden soll, tatsächlich nicht ausreichen.

Ganz kurios, ehrlich gesagt, ist an Ihrem Antrag – aber darüber werde ich sicherlich gleich wieder Aufklärung erhalten –: Wir stellen fest, dass bei den Opferambulanzen zwei halbe Stellen finanziert werden, die ursprünglich jeweils mit 30.000 Euro ausgestattet waren. Mittlerweile wurde das erhöht um 33 Prozent und somit stehen 40.000 pro Opferambulanz zur Verfügung. Die AfD hat in ihrem Antrag in der Begründung geschrieben: „Durch die geforderten 0,5 Prozent Stellenanteile würden weitere Kosten in Höhe von ca. 120.000 Euro im Jahr anfallen.“ Das erschließt sich mir jetzt nicht ganz, aber darüber werde ich sicherlich gleich aufgeklärt werden.

Sehr geehrte Herren von der AfD, in Ihrer Begründung stellen Sie klar, dass für das, was Sie in dem Antrag an Stellenaufwuchs erreichen möchten, Dinge getan werden, die ursprünglich gar nicht vorgesehen sind. Das ist in der Tat zurzeit so, Frau Ministerin sagte das ebenfalls. Aber die Zahlen erklären sich nicht und Sie haben auch in diesem Antrag nicht begründen können, warum es nun gerade 0,5 Stellenanteile sind, und vor allen Dingen nicht, wie diese 120.000 Euro zustande kommen.

Herr Wildt, zu Ihrem Änderungsantrag möchte ich nur kurz sagen, es ist für mich ein vollkommen neues, ganz umfassendes Thema, was Sie damit ansprechen. Das in einen Änderungsantrag hineinzupacken, finde ich, passt nicht wirklich. Die Thematik wird uns noch lange und immer wieder begleiten, aber an dieser Stelle werden wir auch Ihren Änderungsantrag ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Für die Fraktion der AfD hat jetzt das Wort der Abgeordnete Professor Dr. Weber.

Liebe Bürger von Mecklenburg und Vorpommern! Wertes Präsidium! Werte Kollegen und liebe Gäste! Ich muss mal wieder Haltungsnoten verteilen. Es ist doch immer wieder interessant, mit welchen Pirouetten versucht wird, einerseits so zu tun, der Antrag als solcher hat ja einen berechtigten Hintergrund und ist gar nicht schlecht, aber wir können ihm irgendwie inhaltlich dann doch nicht zustimmen. Frau Ministerin Drese, da haben Sie Haltungsnote 10 von 10 verdient,

(Patrick Dahlemann, SPD: 10 von 10! 10 ist gut.)

10 von 10. Frau Tegtmeier vielleicht Haltungsnote 8.

(Ministerin Stefanie Drese: Also wir sind ja nicht in Ihrem Kolloquium hier mit Haltungsnoten.)

Mir hat die Kür der LINKEN, vertreten durch Frau Bernhardt, am wenigsten gefallen.

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Das größte Lob!)

Sie haben nämlich gar nicht gesagt, warum Sie ihn inhaltlich nicht vertreten können. Sie haben im Kern nur gesagt, das hättet ihr alles schon viel früher machen können,

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Ja.)

und im Übrigen, so sinngemäß, weil es von euch kommt, kann es trotzdem und gerade deshalb nichts sein,

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Nee, weil Sie unglaubwürdig sind damit!)

also Haltungsnote 0 bei Ihnen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Zuruf von Patrick Dahlemann, SPD)

Im Einzelnen möchte ich ausführen,

(Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

Frau Drese, wenn Sie, ich zitiere jetzt mal wörtlich, gesagt haben, „der Nutzerkreis“ dieser Opferambulanzen „(ist) sehr viel größer“, als es durch das Land eigentlich abgedeckt wird, was meinen Sie denn mit dieser Aussage? Sollen Vergewaltigungsopfer, die nicht Bürgerinnen dieses Landes sind, sich künftig erst nach Hause begeben, um dort in die Opferambulanz oder in andere Einrichtungen zu gehen, was die Wahrscheinlichkeit, dass die Spurensicherstellung irgendwie noch möglich ist, auf fast null zurückfährt?

Frau Tegtmeier, Sie hatten zwar nicht so abstrus formuliert, aber Sie hatten auch ausgeführt, dass da Fremdkosten in jeder Form noch reingepackt würden.

(Martina Tegtmeier, SPD: Durch andere veranlasste Kosten, habe ich gesagt. Das ist ein Angebot für die Aufsuchenden.)

Durch andere veranlasste, gut.

Ich möchte in dem Zusammenhang noch mal klarstellen, auch der Verweis auf die Zuweisung durch Sozial- und vor allem Jugendämter führt nicht zwingend zur Lösung. Die Zahl derjenigen, die freiwillig kommen, das heißt, ohne vorher in psychosozialer Prozessbegleitung gewesen zu sein, ein Sozial- oder ein Jugendamt aufgesucht zu haben, hat sich in den Jahren seit 2014 verzehnfacht.

(Beifall Christoph Grimm, AfD)

Das sind nun Zahlen, die man, glaube ich, nicht bestreiten kann.

(Martina Tegtmeier, SPD: Das habe ich auch als großen Erfolg hervorgehoben.)

Im Übrigen, Frau Bernhardt, wenn Sie sagen, dass Sie erstaunt sind, dass Sie solche Töne jetzt von uns hören, das hätten Sie bis heute oder bisher nicht gehört, dann sollten Sie vielleicht mal einen Hörtest durchführen las

sen. Wir haben das mehrfach im Sozialausschuss problematisiert und Ihren Antrag,

(Heiterkeit bei Jaqueline Bernhardt, DIE LINKE: Nie!)

Ihren Antrag den Nachtragshaushalt betreffend haben wir damals nicht mitgetragen, weil uns glaubhaft versichert wurde, was ja auch teilweise geschehen ist, dass das in den Haushaltsberatungen der Regierung schon vorgesehen ist

(Jaqueline Bernhardt, DIE LINKE: Gab es doch auch.)

und dass dort eine Erhöhung erfolgen wird.

(Jaqueline Bernhardt, DIE LINKE: Ja, gab es ja auch.)

Deswegen...

Ja, kam ja auch.

Deswegen war das im Januar nicht absehbar. Was allerdings nicht absehbar war für uns, war, dass diese Erhöhung – wir haben jetzt nachgefragt – noch nicht mal die gestiegenen Sachkosten abdeckt, geschweige denn in irgendeiner Weise nachvollziehbare Stellen äquivalent ersetzt.