Protokoll der Sitzung vom 27.04.2018

Dies wird auch in den Empfehlungen des Unabhängigen Beauftragten mehr als deutlich. Dort wird, wie gesagt, empfohlen, individuelle Schutzkonzepte zu entwickeln. Es wird auch ausgeführt, dass Vorgaben wie Rahmenkonzeptionen, Richtlinien und Informationsmaterialien dafür sehr hilfreich sein können. Entscheidend ist aber, von wem diese nach Auffassung des Unabhängigen Beauftragten erstellt werden sollen – nicht vom Gesetz

geber oder einer Landesregierung, sondern von Fachverbänden und Trägern der Einrichtungen. Diese kennen die strukturellen und organisatorischen Gegebenheiten ihrer Einrichtungen und können entsprechend differenzierte Vorgaben erstellen. Diese Empfehlungen sind mehr als folgerichtig, denn in der Praxis obliegt den Anbietern der Kinder- und Jugendreisen die Anwendung und Umsetzung des Kinder- und Jugendschutzes aus dem Jugendschutzgesetz in konzeptionellen, organisatorischen, personellen und baulichen Fachfragen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Linksfraktion, da Sie in der Begründung Ihres Antrages den Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Missbrauchs so ausdrücklich erwähnen, ist es doch verwunderlich, dass Sie dieser Stelle offenbar nicht zutrauen, als übergeordnete Instanz den Kinder- und Jugendschutz auch für den Bereich der Kinder- und Jugendreisen voranzubringen. Die vielfältigen Aktivitäten dieser Einrichtung und Empfehlungen, wie sie beispielsweise der Runde Tisch zum Thema „Sexueller Kindesmissbrauch“ im November des Jahres 2011 beschlossen hat, scheinen Ihnen nicht viel wert zu sein. Und wenn Sie in der Begründung Ihres Antrages schreiben, „Träger und Betreiber von Kinder- und Jugendreisen beklagen die fehlende Initiative der Landesregierung und fordern mehr Unterstützung und Begleitung im Prozess der Umsetzung des Kinderschutzes in den Einrichtungen“, dann zeigt dies nur erneut, dass Sie offenbar der Meinung sind, zivilgesellschaftliche Akteure seien ohne staatliche Hilfe zur Problemlösung nicht in der Lage.

Die CDU dagegen sieht gerade in dem Zusammenwirken dieser verschiedenen Akteure die beste Voraussetzung, um den sehr unterschiedlichen Problemstellungen dieses Themas am besten gerecht werden zu können. Vielfalt der zivilgesellschaftlichen Akteure ist in unseren Augen gerade der beste Garant für die Problemlösungskompetenz.

Meine Damen und Herren, abschließend ist festzustellen, dass mit dem Jugendschutzgesetz die gesetzlichen Regelungen zum Kinder- und Jugendschutz in der Kompetenz des Bundes liegen. CDU, CSU und SPD haben sich auf Bundesebene im Koalitionsvertrag zum Ziel gesetzt, den Kinderschutz zu verbessern. Zudem befasst sich eine Arbeitsgruppe aus Bund und Ländern mit der Aufnahme von Kinderrechten in das Grundgesetz. Die Vorschläge dieser Arbeitsgruppe sollen bis spätestens Ende 2019 vorgelegt werden. Die im vorliegenden Antrag enthaltene landesseitige Aufforderung ist somit völlig überflüssig. Wir lehnen den Antrag daher ab. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der BMV die Abgeordnete Frau Weißig.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Liebe Gäste! Bevor ich beginne, möchte ich auf die Aussage von Herrn Grimm zurückkommen. Wir, ich, die BMV ist nicht die späte Geburt, sondern, Zitat, „die Gnade der späten Geburt“, wie Helmut Kohl einmal sagte, und dafür bin ich dankbar. Ich fühle mich wirklich wie neugeboren. Legen Sie das aus, wie Sie wollen!

Sehr geehrte Frau Präsidentin, ich möchte fortfahren. Auch wir sehen die Notwendigkeit, verbindliche Standards für Kinder- und Jugendreisen zu schaffen, denn in

nicht einmal zwei Monaten werden sich Kinder und Jugendliche dieses Landes aufmachen, auf Kinder- und Jugendreisen ein Stück weite Welt zu entdecken. Diese Reisen sind ein erster Ausflug in die Welt der Erwachsenen, und das ganz ohne Gängelung durch Eltern und Lehrer. Die mitreisenden Betreuer sind oft nur wenig älter als man selbst und nehmen es mit den Regeln manchmal nicht so genau. Alles ist aufregend, neu, man kann das eine oder andere ausprobieren. So ist es auch gut und so soll es sein, aber für einige Kinder und Jugendliche wird das zum Albtraum werden. Psychische, physische und sexuelle Übergriffe werden wir traurigerweise auch mit den besten Regeln des Gesetzes nie ganz verhindern können. Was wir können – und da bin ich ganz bei den LINKEN –, ist, einen verbindlichen Standard für Kinder- und Jugendreisen zu erarbeiten.

Ich will mich hier auf ein Beispiel beschränken. Betreuer auf Kinder- und Jugendreisen bei den privaten Anbietern heißen Teamer, werden meist nur einige Stunden bis wenige Tage auf ihre Aufgaben vorbereitet. Die Qualität dieser Ausbildung ist aber stark vom Anbieter abhängig. Die Betreuer verpflichten sich im Regelfall eine, zwei oder drei Wochen für ein besseres Taschengeld. Manche von ihnen sind noch lebensunerfahren und betrachten den Einsatz als eine Art Partyurlaub mit lästigen Betreuungspflichten. Hier muss man ansetzen und klare Ausbildungsregeln für den Komplex des Kinder- und Jugendschutzes vorgeben. Bisher ist aber, soweit ich weiß, noch nicht einmal die Beibringung eines polizeilichen Führungszeugnisses für die Betreuer zwingend vorgeschrieben. Das ist erstaunlich, zumal gerade zwischen Heranwachsenden und Betreuern eine große Nähe entsteht, die Übergriffe zumindest begünstigt.

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Generalverdacht.)

Durch eine pflichtige intensive Schulung der Betreuung zum Kinder- und Jugendschutz kann da zumindest das Problembewusstsein für Grenzüberschreitungen bei den Betreuern geschärft werden. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der BMV)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der SPD die Abgeordnete Frau Julitz.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute Vormittag haben wir von Frau Oldenburg gehört, dass wir die Nadel im Heuhaufen suchen würden. Offensichtlich hat dieser Antrag ein ähnliches Ziel. Schon laut unserem Grundgesetz hat in Paragraf 6 die staatliche Gemeinschaft einen Schutzauftrag gegenüber Kindern und Jugendlichen. Das sind wir alle. Selbstverständlich ist gerade in Bezug auf die Arbeit mit Schutzbefohlenen besondere Obacht zu geben. Daher stimme ich Ihnen in Punkt I auch uneingeschränkt zu.

Ab Punkt II muss ich nun leider rummäkeln. Spätestens seit dem Inkrafttreten des Bundeskinderschutzgesetzes vom 01.01.2012 gibt es eine bundeseinheitliche gesetzliche Verankerung Früher Hilfen und Netzwerke Kinderschutz. Die Ministerin hat vorhin darauf hingewiesen. Prävention und Intervention bilden die Säulen des Gesetzes. Als ehrenamtliche Vorsitzende eines solches Netzwerkes, nämlich dem Netzwerk Frühe Hilfen und

Kinderschutz Müritz, liegt mir der Kinderschutz besonders am Herzen und ich bin sehr froh, so nah mit engagierten Akteuren aus der Praxis im Netzwerk zusammenarbeiten zu können. Im VerbundNetzwerkKinderschutz Mecklenburgische Seenplatte kommen alle vier Regionalnetzwerke der Seenplatte zusammen und tauschen sich zweimal jährlich aus. Zwei Netzwerkkoordinatorinnen begleiten diese Arbeit, bei denen ich mich an dieser Stelle ganz herzlich bedanken möchte.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Selbstverständlich bedanke ich mich auch bei allen AkteurInnen der Netzwerke in ganz Mecklenburg-Vorpom- mern. Sie leisten eine ganz wichtige Arbeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Diese Netzwerke bündeln Kompetenzen verschiedener Professionen, orientiert an Paragraf 3 Absatz 1 KKG. Der Paragraf 3 des Bundeskinderschutzgesetzes hingegen gibt die Rahmenbedingungen für genau diese verbindlichen Netzwerkstrukturen vor. Wir haben gute Initiativen, die sich aus diesen Netzwerken und ihren Akteuren entwickelt haben und beispielgebend sein können und sollten, denn wir müssen das Rad nicht jedes Mal neu erfinden.

Ich möchte jetzt drei nennen:

Zum einen gibt es eine Vereinbarung des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte als Träger der öffentlichen Jugendhilfe und dem Kreissportbund Mecklenburgische Seenplatte zur Wahrnehmung des Schutzauftrages gemäß Paragraf 8a Artikel 4 SGB VIII und Paragraf 72a SGB VIII. Herausgekommen ist eine tolle Broschüre, die den ehrenamtlichen Akteuren der Vereine einen Leitfaden bietet, um entsprechende Maßnahmen umzusetzen und auf mögliche Anzeichen einer Kindeswohlgefährdung reagieren zu können.

Zum Zweiten existiert im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte seit Juli 2014 eine Vereinbarung über die Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Schule zum Umgang mit kindeswohlgefährdenden Situationen in Schulen des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte.

Zum Dritten arbeitet auch derzeit der Kreisfeuerwehrverband Mecklenburgische Seenplatte an solchen Handlungsleitfäden.

Nun also zurück zum Antrag und Punkt II. Die zuerst genannte Nadel im Heuhaufen einer vermeintlich gefundenen Schutzlücke greift hier nicht. Das möchte ich natürlich auch begründen.

Zu Punkt 1a): Der Schutz von minderjährigen Schutzbefohlenen ist definiert und verbindlich geregelt, egal, wo sie sich aufhalten.

Zu Punkt 1b): Genau die von mir ausführlich beschriebenen Netzwerke und ihre KoordinatorInnen unterstützen die Entwicklung und Umsetzung einrichtungsbezogener Schutzkonzepte, wie die von mir vorgestellten hervorragenden Beispiele aus der Mecklenburgischen Seenplatte zeigen, bestimmt aber in anderen Landkreisen ähnlich existieren. Warum nicht also auch für Einrichtungen für Kinder- und Jugendreisen? Also insofern danke ich für den Antrag, das ist ein guter Impuls für die Arbeit im Netzwerk.

Die Ministerin warb in ihrer Rede für die Aktionswoche Kinderschutz, die in diesem Herbst in Kooperation mit dem Landkreis Mecklenburgische Seenplatte stattfinden wird – eine ausgezeichnete Wahl, wie ich finde. Kinderschutz in Einrichtungen ist wichtig, und dabei geht es nicht um Metalldetektoren, da geht es vielmehr um Handlungsleitfäden, um Sensibilisierung der Mitarbeiter und unter anderem auch um polizeiliche Führungszeugnisse.

Ich schließe mich der Sozialministerin und meiner geschätzten Kollegin daher an, der Antrag ist gut gemeint, aber nicht zielführend. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Um das Wort gebeten hat noch einmal für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete Frau Bernhardt.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die SPD hat sich dem Kinderschutz im Koalitionsvertrag von 2016 bis 2021 verschrieben. Da steht es, dass Kinder vor Missbrauch und Gewalt geschützt werden müssen. Dieser Schutzauftrag bezieht sich allerdings scheinbar nur auf Bestehendes. Es gibt keine Ansätze zur Weiterentwicklung, Anpassung oder Verbesserungsvorhaben. An den Einrichtungen der Kinder- und Jugendreisen geht dieser Anspruch komplett vorbei. Auch das, was Sie ausgeführt haben, sind alles wichtige Sachen, aber eben nicht für die Betreiber der Kinder- und Jugendreisen.

Ein wichtiges Indiz dafür, dass genau das so stimmt, zeigt auch die Antwort der Landesregierung auf unsere Kleine Anfrage, die ich Ihnen schon mehrfach vorgestellt habe. Da, Frau Drese, zeigen Sie eben, dass Sie nicht wissen, ob es Kinderschutzkonzepte bei den Kinder- und Jugendreiseanbietern gibt. Sie wissen es einfach nicht. Wie können Sie sich dann hierherstellen und sagen, es wird überall gewährleistet? Ja, es ist bloß eine kleine Nische, die Kinder- und Jugendreise, aber wenn selbst bei diesen 162 Anbietern vielleicht nur ein Viertel – und das ist unsere Rückmeldung – tatsächlich Kinder- und Jugendschutzkonzepte haben und die anderen eben nicht, finde ich, ist das schon ein Anhaltspunkt, dem man nachgehen muss und fragen muss,

(Ministerin Stefanie Drese: Gern, tun Sie das!)

werden die dort eingeführt, werden die dort umgesetzt.

(Ministerin Stefanie Drese: Sagen Sie mir das und dann kümmere ich mich darum!)

Eben das geht aus unserer Kleinen Anfrage, aus Ihren Antworten nicht hervor, dass Sie das wissen. Sie wissen es einfach nicht! Sie stellen sich hier hin und sagen, es wird gemacht, aber tatsächlich ist das ins Blaue hinein.

(Ministerin Stefanie Drese: Da kann man alles Mögliche behaupten.)

Das genau kritisieren wir. Ich finde, dafür sind Sie auch hier stärker als Landesregierung gefragt. Wir haben nun mal die Voraussetzungen im SGB VIII. Ich habe Ihnen vorhin die gesetzlichen Regelungen genannt, wonach Sie als Landesregierung stärker, auch bei dem Kinderschutz, bei den Jugendreisen nachzuprüfen haben. Insbesondere der Paragraf 45 SGB VIII legt verschärfte Vorschriften, auch gerade,

wenn Kinder irgendwo übernachten, an, dass so etwas wie Schutzkonzepte, ein Führungszeugnis et cetera vorliegt.

Sie sagen heute, es gibt Regelungen. Frau Drese, ich frage genau für den Bereich der Kinder- und Jugendreisen: Wo gibt es die im Land? Diese Regelungen können Sie mir gerne sagen. Ich habe es in den Antworten auf unsere Anfrage nicht lesen können, ich habe es auch heute in der Rede nicht gehört.

(Ministerin Stefanie Drese: Die sind doch nicht frei schwebend.)

Frau Friemann-Jennert, auch an Sie sozusagen die Frage, woher wollen Sie wissen, dass es die Schutzkonzepte gibt, wenn es nicht mal die Landesregierung weiß? Frau Friemann-Jennert meinte, es müsse vor Ort geregelt werden in den jeweiligen Einrichtungen. Das stimmt, aber den Rahmen, dass es eben auch MecklenburgVorpommern-weit einheitlich gewährt werden muss, dafür ist das Land zuständig, auch nach dem SGB VIII. Insofern widerspricht sich das doch gar nicht, aber auch in unserem Punkt 1 steht, wir wollen den Rahmen auf Landesebene festgesetzt haben. Wie es konkret vor Ort umgesetzt wird mit einem konkreten Schutzkonzept, ja, dafür sind dann die Einrichtungen zuständig. Aber als Orientierung, als wirklich gemeinsame Handlungsempfehlungen bedarf es auf Landesebene eines Rahmens.

Bei Ihnen klingt das alles so, ja, dafür ist der Bund zuständig, ja, da ist man vor Ort zuständig. Alle sind zuständig, bloß eben nicht das Land. Da sage ich, nein, das stimmt nicht. Schauen Sie in die Gesetzlichkeiten rein, auch das Land hat hier eine Verantwortung, genau das für die Kinder- und Jugendreisen zu regeln.

Sie kritisieren unser Staats- und Gesellschaftsverständnis gegenüber freien Trägern, Frau Friemann-Jennert. Ich denke, Sie sollten Ihres überprüfen, sich an Gesetze halten und nicht anderes fordern.

Sie meinen, zivilrechtliche Akteure sind sehr wohl in der Lage, Probleme zu lösen.

(Die Abgeordnete Maika Friemann-Jennert bittet um das Wort für eine Anfrage.)

Jetzt bitte nicht.

Einen Moment! Einen Moment, Frau Friemann-Jennert.