Meine Herren der AfD, wenn Sie nicht die Demokratie aushöhlen wollen, das behaupten Sie hier immer, wenn Sie nicht den Rechtsstaat schleifen wollen, auch das behaupten Sie immer,
(Unruhe vonseiten der Fraktion der AfD – Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Sie missachten die Demokratie auf die niederträchtigste Weise. – Glocke der Vizepräsidentin)
und wenn Sie nicht einen massiven Sozialabbau betreiben wollen, dann kommen Sie ans Pult, Herr de Fernandes, und klären hier klipp und klar, dass Sie sich nicht von den Orbáns, Kaczyńskis und Straches leiten lassen, sondern dass Sie sich klar abgrenzen und für Demokratie und Freiheit stehen!
(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE – Dr. Ralph Weber, AfD: Genau das wollen wir nicht, dass wir uns abgrenzen.)
Wir sind der festen Überzeugung, dass Nationalismus – und das lehrt uns die Geschichte – immer zu Ausgrenzung, zu Krieg und Gewalt geführt hat. Und wenn ich dann sehe, wie auf der einen Seite Ihr Vorsitzender Meuthen gegen Italiens Schulden polemisiert, und auf der anderen Seite höre ich den rechtsextremen LegaChef, der davon spricht, dass Italien, Zitat, „keine Kolo
nie“ und „nicht Sklaven der Deutschen“ seien, dann fällt es mir doch mehr als schwer zu glauben, dass Ihr Konstrukt auch nur eine einzige Krise überstehen würde. Es würde in einer Katastrophe enden.
Und, meine Damen und Herren, es ist ja kein Geheimnis, dass auch meine Partei mit der derzeitigen Ausrichtung der EU nicht einverstanden ist in allen Punkten.
Ich kann Ihnen, meine Herren der AfD, aber mit Gewissheit sagen: Ihr Europa ist ganz sicher nicht unser Europa. Wir wollen eine andere, eine soziale und eine friedliche EU.
(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Dr. Ralph Weber, AfD: Es wäre auch fatal, wenn es anders wäre. – Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Wahrlich, wahrlich!)
Und es war Lothar Bisky, der wie kein zweiter LINKER dafür warb, die Potenziale der europäischen Integration nicht zu verkennen.
(Vincent Kokert, CDU: Er wurde in der eigenen Partei auch heftig kritisiert dafür, muss ich mal einstreuen.)
Gleichzeitig warnte er aber auch davor, kritisch zu sein, solange das Soziale hinter die Freiheiten des Marktes verbannt wird und unkontrollierbare Aufrüstung Grundpfeiler der EU sei. Diese Haltung Lothar Biskys ist auch die Haltung meiner Fraktion, denn kritisch mit der Ausrichtung der EU zu sein, heißt eben ausdrücklich nicht, antieuropäisch zu sein, ganz im Gegenteil.
Wenn wir die globalen Herausforderungen erfolgreich meistern wollen, dann brauchen wir nicht weniger, sondern dann brauchen wir mehr Europa. Der Klimawandel macht selbst dann nicht an den Grenzen halt, wenn die AfD meterhohe Grenzzäune errichten lässt.
Und 27 einzelne Staaten werden niemals in der Lage sein, sich der aggressiven Handelspolitik der USA unter Trump zu wehren, als es die EU als Ganzes kann. Mit Konzepten aus dem 19. Jahrhundert, meine Damen und Herren, löst man nicht die Probleme der Gegenwart und Zukunft. Wir brauchen endlich eine effektive Besteuerung von Reichtum und Spekulation!
Seit Jahren wird über eine europäische Finanztransaktionssteuer schwadroniert, passiert ist bis heute leider nichts. Das Gleiche gilt für effektive Steuerflucht. Diese Mittel würden ein Vielfaches von dem in die Kasse spülen, was wir bräuchten, um eine massive Kürzung bei der Struktur- und Regionalpolitik zu verhindern, denn laut Berichten, wir konnten es heute lesen, drohen nicht nur Kürzungen von 7 Prozent bei der regionalen Strukturpolitik, sondern sogar von über 20 Prozent im Vergleich zur Förderperiode davor. Das wäre tatsächlich eine Katastrophe, auch für unser Bundesland. Das muss man so deutlich sagen.
Was wir brauchen, sind keine Kürzungen, sondern ein gemeinsames Investitionsprogramm, das überall in Europa wirtschaftlichen Aufschwung ermöglicht und vor allem auch die öffentliche Daseinsvorsorge stärkt.
Wir brauchen europaweite Mindestlöhne und eine effektive Bekämpfung des Missbrauchs von Werksverträgen und Leiharbeit.
Es ist wichtig, soziale Standards in ganz Europa zu haben. Die Säule „Soziale Rechte“, wie sie von der EUKommission in Göteborg Ende des vergangenen Jahres proklamiert wurde, reicht bei Weitem nicht aus und kann bestenfalls ein Anfang sein.
(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Sie wollen die Unterschiede auslöschen. Das ist es, was Sie wollen. Sie wollen Kulturen auslöschen, Unterschiede auslöschen. Sagen Sie doch mal die Wahrheit! Das hat nichts mit Vielfalt zu tun.)
Wir brauchen auch kein Europa, das weiter militarisiert wird und im Osten mit den Säbeln rasselt, sondern endlich einen fairen Dialog auf Augenhöhe mit Russland.
Sehr geehrte Damen und Herren, die aktuelle europäische Politik, die auf Autorität und Kürzung setzt, ist nach unserer Ansicht endgültig gescheitert. Wer die Europäische Union nicht vollends gegen die Wand fahren will, muss endlich kräftig auf die Bremse treten und den Blinker nach links setzen für eine soziale und friedliche EU.
Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, möchte ich den Hinweis geben, dass, wenn jetzt hier jedes Glas immer an den Platz mitgenommen wird, wir nachher irgendwann für die Redner keine Gläser mehr haben. Es gab auch mal die Vereinbarung, dass das Wasser draußen getrunken wird. Ich weiß, dass vielleicht jemand sagt, man muss nicht alles wegschütten, aber wie gesagt, es wird hier relativ eng, und ich möchte nicht, dass wir nachher irgendwo die Wassergläser auffischen müssen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Damen und Herren Abgeordnete! Verehrte Gäste! Die europäische Einigung ist ein beispielloser historischer Erfolg. Auch bei allen möglichen Unzulänglichkeiten steht insgesamt gesehen fest, in keiner Region der Welt leben die Menschen so frei und demokratisch, so friedlich, so sicher wie in Europa.
Auch bei der Betrachtung der ökonomischen Seite gilt, Deutschland gehört eindeutig zu den Gewinnern der bisherigen europäischen Entwicklung. Man sollte daher Europa nicht zum Sündenbock für Fehlentwicklungen machen, die oft im eigenen Land verursacht werden. Aber die zunehmende Bedrohung von Rechtsstaat, Demokratie, Meinungsfreiheit und Unabhängigkeit der Justiz in Ländern, auch innerhalb Europas, stellt für die EU eine Herausforderung dar.
Meine Damen und Herren, im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise sowie infolge der Flüchtlingsbewegung hat das Vertrauen in die EU gelitten. Nationale Gegensätze und Egoismen sind zurückgekehrt und populistische Anti-EU-Bewegungen sind entstanden. Dabei ist diese Entwicklung kontraproduktiv.
Ein Europa der Einzelstaaten spielt politisch und wirtschaftlich in der Welt kaum noch eine Rolle. Um das Vertrauen der Menschen in Europa zu stärken, muss die EU bei den großen Aufgaben unserer Zeit handlungsfähig werden. Das gilt gerade in der heutigen Zeit. Als Stichworte mögen hier „Trump-Protektionismus“ und „Brexit“ genügen. Dabei kommen Deutschland und Frankreich eine besondere gemeinsame Verantwortung für den Zusammenhalt der EU und die Einigung Europas zu.
Meine Damen und Herren Abgeordnete, wir brauchen nicht weniger, sondern wir brauchen mehr Europa! Nehmen wir die Wirtschafts- und Währungspolitik, so ist seit Jahren bekannt, dass es Konstruktionsmängel in der Wirtschafts- und Währungsunion gibt. Der Währungsverband funktioniert nicht ohne eine abgestimmte Wirtschafts- und Finanzpolitik. Ziel muss deshalb eine engere Integration und eine stärkere Abstimmung in der Wirtschafts- und Währungspolitik sein. Dafür brauchen wir eine Reform der Wirtschafts- und Währungsunion mit einem Investitionsteil für die Eurozone und einem europäischen Währungsfonds. Dies liegt gerade im Interesse Deutschlands.
Kolleginnen und Kollegen, nur in der vertieften Zusammenarbeit aller Mitgliedsstaaten schaffen wir in Europa das, was einzelne Nationalstaaten nicht mehr erreichen können. In einer sich ändernden Welt, in der andere Regionen und Länder, zum Beispiel die Volksrepublik China, wirtschaftlich und politisch immer mehr Gewicht erlangen, wird Europa nur dann eine Stimme haben, wenn es eine gemeinsame Stimme ist. Eine Vertiefung der Europäischen Union ist daher kein Verlust, sondern ein Gewinn an Souveränität, die einzelne Nationalstaaten in Europa nicht mehr hätten.
Meine Damen und Herren Abgeordnete, der Koalitionsvertrag auf Bundesebene enthält entsprechende Festlegungen, um die Europäische Union handlungsfähiger zu machen. Da der Titel dieser Aktuellen Stunde schon den französischen Staatspräsidenten benennt: Deutschland setzt sich für eine Reform der Wirtschafts- und Währungsunion mit einem Investitionshaushalt für die Eurozone ein. Dazu gehören ein gerechtes und angeglichenes Besteuerungssystem, eine gemeinsame Bemessungsgrundlage und Mindestsätze bei Unternehmenssteuern. Die Möglichkeiten von Unternehmen, ihre steuerpflichtigen Gewinne in andere Länder zu verschieben, müssen systematisch eingeschränkt werden.