Protokoll der Sitzung vom 08.12.2016

Wir kommen jetzt zur Abstimmung.

Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 7/106 abstimmen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Gibt es Stimmenthaltungen? – Damit ist der Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 7/106 mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, CDU und AfD, bei Zustimmung der Fraktion DIE LINKE und einer Stimmenthaltung aus der Fraktion der AfD abgelehnt.

Ich lasse nun über den Änderungsantrag der Fraktion der AfD auf Drucksache 7/108 abstimmen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Gibt es Stimmenthaltungen? – Damit ist der Änderungsantrag der Fraktion der AfD auf Drucksache 7/108 mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, CDU und DIE LINKE, bei Zustimmung der Fraktion der AfD abgelehnt.

Wer dem Antrag der Fraktionen der CDU und SPD auf Drucksache 7/80 zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Gibt es Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktionen der CDU und SPD auf Drucksache 7/80 mit den Stimmen der Fraktionen von SPD und CDU, bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE und Ablehnung der Fraktion der AfD angenommen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 18: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – „Infrastrukturgesellschaft Verkehr“ ablehnen – verkehrspolitische Geisterfahrt beenden, Drucksache 7/78.

Antrag der Fraktion DIE LINKE „Infrastrukturgesellschaft Verkehr“ ablehnen – verkehrspolitische Geisterfahrt beenden – Drucksache 7/78 –

Das Wort zur Begründung hat für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete Frau Dr. Schwenke.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Am 14. Oktober einigten sich Bund und Länder auf die Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen. Ein ganzes Paket ist da geschnürt worden. Doch die zusätzlichen Mittel, die die Länder von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble zugestanden bekommen haben, sind teuer erkauft, zum Beispiel damit, dass die Regionalisierungsmittel für den Schienenpersonennahverkehr zwar nicht so stark sinken wie vorher befürchtet, aber Abbau ist trotzdem vorprogrammiert.

Und – das Thema, was uns heute beschäftigt – für die Bundesautobahnen und möglicherweise auch für Bundesstraßen werden künftig nicht mehr die Länder, sondern wird der Bund zuständig sein. Dagegen hatte sich Verkehrsminister Christian Pegel als bisheriger Chef der Verkehrsministerkonferenz gemeinsam mit seinen Amtskollegen heftig gewehrt. Fast alle Landtage haben parteiübergreifend die jahrzehntelang bewährte Auftragsverwaltung durch die Länder gefordert, auch Mecklenburg-Vorpommern. Wenn Sie sich erinnern, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, war das vor knapp einem Jahr mit einem fraktionsübergreifenden Antrag, und das will schon etwas heißen. Es hatte ja Seltenheitswert, dass sich alle demokratischen Fraktionen einig waren und gemeinsam auftraten. Allein das zeigt, welche Brisanz die Pläne des Bundes für die Länder haben.

Dieser Länderwille ist gebrochen worden, und deshalb hat dieser Einigungspakt mehr als nur einen bitteren Beigeschmack. Auch mit diesem Pakt ist es wie schon immer in solchen Fällen: Es gibt Beteiligte, die dabei das Nachsehen haben. Die größten Kröten müssen die kleinen Länder, insbesondere die ostdeutschen Länder, schlucken, so auch Mecklenburg-Vorpommern. Der Beschluss sieht eine Reform der Bundesauftragsverwaltung mit dem Fokus auf die Bundesautobahnen und die Übernahme in die Bundesverwaltung vor. Die übrigen Bundesfernstraßen sind opt-out, das bedeutet, es liegt im Ermessen der Länder zu entscheiden, weiter für die Bundesstraßen verantwortlich zu sein oder deren Verwaltung ebenfalls an den Bund abzugeben.

Wie verhält sich unser Land dazu? Wir wollen diese Aufteilung nicht, das sei zunächst noch einmal betont. Aber wenn sie schon nicht zu verhindern ist, wäre es sinnvoll, dass das Land wenigstens für die Bundesstraßen weiter verantwortlich bleibt, aber auch nur dann, wenn die Mittel dafür weiter vom Bund kommen.

(Zuruf vonseiten der Fraktion der CDU: Das auch noch!)

Beschlusstext ist, dass eine „unter staatlicher Regelung stehende privatrechtlich organisierte Infrastrukturgesellschaft Verkehr“ einzusetzen ist „und das unveräußerliche Eigentum des Bundes an Autobahnen und Straßen im Grundgesetz festgeschrieben werden“ soll.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Ministerpräsident Sellering hat gestern in seiner Regierungserklärung versprochen, alles für eine gute und gedeihliche Entwicklung unseres Landes zu tun. Wie passt das mit der Zustimmung zu diesem faulen Kompromiss zusammen? Wie konnte er dem zustimmen? Mal abgesehen davon,

dass er sich damit über den Landtagsbeschluss aus der vergangenen Legislatur hinweggesetzt hat, negiert er auch die druckfrische Koalitionsvereinbarung. Die Verhandlungen waren zum Zeitpunkt bereits abgeschlossen, der Entwurf stand, die Unterzeichnung erfolgte am 1. November. Dem Verhandlungsführer Erwin Sellering wird die darin enthaltene Ziffer 92 nicht entgangen sein, in der steht, ich zitiere: „Die Koalitionspartner sprechen sich gegen die Gründung einer sämtliche Bundesstraßen- und Bundesautobahnen zentralverwaltenden Bundesfernstraßengesellschaft aus und tragen dazu bei, das bisherige System der Auftragsverwaltung zu verbessern und zu optimieren.“ Zitatende. Was sollte das eigentlich noch, Herr Ministerpräsident?

(Jochen Schulte, SPD: Das erkläre ich Ihnen, Frau Schwenke.)

Der Pakt war bereits geschlossen und durch den Ministerpräsidenten mitgetragen.

Der LINKEN-Ministerpräsident Thüringens Bodo Ramelow bestand zumindest noch darauf, das unveräußerliche und vollständige Eigentum des Bundes an Autobahnen und Straßen sowie die „Infrastrukturgesellschaft Verkehr“ als Eigentum des Bundes festzuschreiben und als Rechtsform der Infrastrukturgesellschaft die Anstalt öffentlichen Rechts zu prüfen. Niedersachsen geht sogar noch weiter und sieht eine grundlegende Neuordnung der Aufgaben beim Bundesfernstraßenbau nicht geboten und zweifelt daran, dass sich durch die Bundeszuständigkeit etwas verbessert. Ministerpräsident Erwin Sellering hingegen hat zugestimmt. Offenbar wurde dann auch gleich ein Maulkorb verpasst: Weder Verkehrsminister Christian Pegel noch der verkehrspolitische Sprecher der SPD, Jochen Schulte, oder der CDU, Herr Eifler, haben sich dazu geäußert.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Die Skepsis meiner Fraktion gegenüber den Plänen des Bundes von Anfang an erweist sich mehr als gerechtfertigt. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble will die Autobahnen privatisieren. Daraus macht er keinen Hehl.

(Dietmar Eifler, CDU: Wollte! Wollte!)

Eine Gesellschaft privaten Rechts soll für deren Planung, Bau und Unterhaltung zuständig sein. Nach Schäubles Willen sollten private Geldgeber wie Fonds und Versicherungen auch gleich die Mehrheitsanteile an solch einer Gesellschaft haben.

(Jochen Schulte, SPD: Ja, aber das hat sich doch schon erledigt, Frau Kollegin Schwenke.)

Private sollen also nicht nur investieren, sondern auch …

(Jochen Schulte, SPD: Das ist Vergangenheitsbewältigung.)

Ich komme noch darauf, Herr Schulte.

Private sollten also nicht nur investieren, sondern auch gleich noch verwalten. Mit anderen Worten: Private legen fest, wo und wie Autobahnen geplant, gebaut und bewirtschaftet werden.

(Zuruf von Jochen Schulte, SPD)

Der erzielbare Gewinn wäre damit alleiniges Entscheidungskriterium für die künftige Autobahnstruktur in Deutschland. Damit offenbart der Finanzminister, wie skrupellos er öffentliches Eigentum verscherbeln will. Für eine schwarze Null im Bundeshaushalt würde er sich vollständig der Verantwortung für die Hauptstraßeninfrastruktur des Landes entledigen. Dass Private die Mehrheiten in der Gesellschaft haben könnten, ging wohl selbst Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel zu weit und die Länder wollten das schon gar nicht mehr.

Mittlerweile ist zumindest die Privatisierung der Autobahngesellschaft vom Tisch. Man einigte sich darauf, dass das Bundeseigentum an der Infrastrukturgesellschaft bei der nötigen Grundgesetzänderung festgeschrieben werden muss. Aber damit ist die Kuh noch lange nicht vom Eis, denn erstens wird die Bundesautobahngesellschaft nach dem Einverständnis der Regierungschefs kaum noch zu verhindern sein und damit haben die Länder bald nichts mehr zu melden,

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

und zweitens wird die indirekte Privatisierung weiter vorangetrieben, und das ganz offensichtlich auch mit dem Einverständnis der SPD.

Auch wenn Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel nun endlich seine Vorbehalte gegen eine private Autobahngesellschaft artikuliert hat, trägt er bisher alles andere mit, zumindest steht die Gründung einer Gesellschaft privaten Rechts bei ihm nicht in der Kritik. Die Stimmen in der SPD-Bundestagsfraktion, die als Rechtsform eine Anstalt öffentlichen Rechts wollen, sind absolut zu leise. Mit einer Anstalt des öffentlichen Rechts könnte wenigstens sichergestellt werden, dass sie die Aufgaben im öffentlichen Interesse wahrnimmt und dass das auch kontrolliert werden kann.

Eine privat organisierte Gesellschaft ist ein reines Wirtschaftsunternehmen. Statt verkehrlicher Interessen zur Sicherung der Daseinsvorsorge stehen wirtschaftliche Interessen im Mittelpunkt. Und vom Bundeswirtschaftsminister hören wir auch keinen Widerstand dagegen, dass es zur Regel wird, dass private Geldgeber investieren statt der Staat selbst, im Gegenteil, Sigmar Gabriel versprach, privaten Geldgebern attraktive Angebote zu machen, um sich bei der Finanzierung öffentlicher Infrastrukturen zu beteiligen. Künftig finanzieren dann Versicherungen und Fonds unsere Autobahnen. Sicherer und profitabler als für das Autobahnnetz kann man Geld unter den heutigen Bedingungen nicht anlegen.

Dass Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt öffentlich-private Partnerschaften als Standardfinanzierungsmodell nutzen will, ist bekannt. Aber die SPD? Ist das mit ihrem sozialen Gewissen noch vereinbar? Mit ÖPP wird es teurer und nicht besser. Das haben wir hier im Land an vielen Beispielen sehr schmerzhaft lernen müssen: Für das dünn besiedelte Flächen-, Pendler- und Niedriglohnland Mecklenburg-Vorpommern haben Finanzmodelle über öffentlich-private Partnerschaften und die Einführung der Pkw-Maut besonders schwerwiegende Auswirkungen.

Geplant ist, der Infrastrukturgesellschaft neben den Straßenbaumitteln aus dem Bundesetat auch die Einnahmen aus der Lkw-Maut zu überlassen. Kommt die Pkw-Maut – und das sieht ja nun leider so aus –, wird auch dieses Geld an die Bundesgesellschaft fließen.

(Zuruf von Jochen Schulte, SPD)

Da frage ich mich ganz besorgt: Wie soll dann der von Herrn Dobrindt angekündigte Ausgleich für die einheimischen Autofahrer finanziert werden?

(Jochen Schulte, SPD: Gute Frage.)

Wir wollen das alles nicht! Deshalb hoffe ich, dass Sie unserem Antrag zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 45 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Ums Wort gebeten hat zunächst der Minister für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung Herr Pegel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Uns liegt heute ein breites Potpourri verkehrspolitischer Fragen in einem Antrag vor. Ich will mich zunächst dem angesichts der Überschrift des Antrages überraschenden Punkt zur Pkw-Maut zuwenden.

Die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern hat in der Koalitionsvereinbarung für 2016 bis 2021 ihre kritische Haltung zu einer Pkw-Maut vor dem Hintergrund festgeschrieben, weil und – das geht dann auch – sofern dies im Flächenland Mecklenburg-Vorpommern mit seinen vielen Pendlern Nachteile befürchten lässt. Wir haben immer gesagt, dass wir eine finanzielle Mehrbelastung der hiesigen Autoinhaberinnen und -inhaber wegen des Flächenlandstatus von unserer Seite aus ablehnen, da ganz viele den Pkw für die täglichen Wege, vor allen Dingen für die Arbeitswege benötigen.

Soweit mir – nun will ich nicht behaupten, den letzten Stand zu kennen – der ausgehandelte Kompromiss zwischen Bundesverkehrsministerium und der Europäischen Kommission bisher bekannt ist, sollen jedoch auch künftig keine Mehrbelastungen für inländische Autofahrer entstehen, zumindest keine, die über die bisher beschlossene, wenn auch noch nicht in Kraft getretene Gesetzeslage hinausgehen. Der ursprünglich geplante Eins-zu-eins-Ausgleich über die Kfz-Steuer soll nach allem, was uns bisher mitgeteilt wurde, bestehen bleiben. Zusätzlich soll es für einige Kraftfahrzeuginhaber eine etwas stärkere Kfz-Steuer-Entlastung für Besitzer besonders umweltfreundlicher Fahrzeuge geben.

Ob das Gesamtkonstrukt finanziell wirklich noch ertragreich ist, will ich nicht bewerten, da will ich mir gerne Daten angucken. Aber es gibt eben keine Behauptung, dass das zu Mehrbelastungen führt, sondern die bisherige Garantie ist immer, das geschieht nicht. Die Landesregierung wird in den kommenden Monaten besonders darauf achtgeben, ob die geplante Pkw-Maut in der jetzt vorgesehenen Form überhaupt noch in der Lage ist, a) zusätzliche Einnahmen zu erzielen und b) tatsächlich diese Nicht-Mehrbelastung gesichert wird.

Ein solches Mammutprojekt, wie es der Bundesverkehrsminister im Sinn hat, darf natürlich auch nicht zur

Prinzipienreiterei verkommen. Dann ist die Frage, ob überhaupt noch etwas finanziell dabei herumkommt, wo theoretisch zwar Milliardenbeträge von einem Bescheid in den nächsten geschoben werden, die jedoch wegen der entsprechenden wechselseitigen Aufrechnung praktisch nicht im Straßenbau ankommen, wo wir sie im Übrigen dringend benötigen. Deswegen war in 16 Bundesländern über viele Jahre Konsens, dass wir eine Nutzerfinanzierung wollen, auch das gehört zur Vollständigkeit dazu. Es gibt eine Vielzahl von Beschlüssen, zwei Bodewig-Kommissionen und eine Daehre-Kommission. Verkehrsminister von Bund und Ländern wollten eine stärkere Nutzerfinanzierung.

Wir bleiben unserer Linie also im Bundesrat und in seinen Gremien treu und warten jetzt erst einmal ab, wie der konkrete Gesetzentwurf des Bundeskollegen aussieht. Im Übrigen hat sich auch der Landtag zu dieser Position mehrfach geäußert und sie unterstützt. Diese Frage ist nach meinem Eindruck mehrfach und relativ einvernehmlich in der letzten Legislatur zwischen den demokratischen Fraktionen abgehandelt und auch durch Beschlüsse untermauert worden.