Protokoll der Sitzung vom 27.06.2018

vor allem aber rollt der Ball schneller und zielgenauer, als zunächst im Koalitionsvertrag vereinbart war, denn die dort vereinbarte Entlastung um 50 Euro monatlich wurde bereits zum 01.01.2018 eingeführt. Zum genauen Ablauf hat die Ministerin schon ausgeführt.

(Karsten Kolbe, DIE LINKE: Das Runde muss ins Eckige!)

Warten Sie ab!

Mit dem heutigen Gesetzentwurf arbeitet die Landesregierung offensiv als Stürmer im Double dieser Legislatur, zunächst mit der Geschwisterkindregelung ab dem 01.01.2019 und der Beitragsfreiheit ab dem 01.01.2020. Ich würde sagen, unsere Mannschaft hat zwar nur zehn Spieler, ist aber trotzdem klar im Vorteil. Der Ballbesitz ist klar und auch heute kann sie wieder punkten. Wünschen wir unserer elfköpfigen Mannschaft die gleichen Erfolge!

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Thomas Krüger, SPD: Ja.)

Natürlich danke ich an dieser Stelle allen Beteiligten. Eines ist klar: Es geht um die Zukunft der Kleinsten, um Familien. Was ist unterstützenswerter?! Gleiche Chancen von Anfang an, keine Gründe dürfen greifen, die Kinder ins Abseits zu stellen. Mit diesem Gesetzentwurf arbeiten wir mit Taktik an dieser Abseitsfalle und entlasten vor allem Eltern, die täglich arbeiten und die Kitakosten stark belasten. Das ist der Teil, den Politik leisten kann und sollte. Löhne macht die Wirtschaft, Politik legt das Spielfeld fest, zieht die Seitenlinien ein. Heute kommen wir endlich aus der Defensive in die Offensive, die deutlich im Portemonnaie der Eltern sichtbar sein wird.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Abseits.)

Herr de Jesus Fernandes, die Synopsen erinnern sich manchmal nicht richtig beziehungsweise die Synapsen, da kann manchmal ein bisschen was durcheinandergeraten. Der Punkt Zähneputzen stand längst im Entwurf, da hatte niemand Angst vor gemeinsamen Anträgen.

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Na, selbstverständlich!)

Das war wohl eine Schwalbe.

(Beifall und Heiterkeit vonseiten der Fraktion der SPD – Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Nee.)

Noch ein paar wenige Worte an die Kritiker und Kritiken von heute – ich bin mir sicher, da kommen auch noch welche –: Hören Sie auf zu mauern!

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der AfD)

Lassen Sie uns kein Geisterspiel führen! Eigentlich sind Sie doch für die Beitragsfreiheit. Seien Sie doch lieber unser zwölfter Mann

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ich denke, ihr seid nur zehn?!)

und feiern Sie mit uns gemeinsam den Sieg! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(allgemeine Unruhe – Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Für die Fraktion DIE LINKE hat jetzt das Wort die Abgeordnete Frau Bernhardt.

Aber ehe Frau Bernhardt hier ans Pult tritt: Ich hoffe, dass unsere Nationalmannschaft deutlich disziplinierter auf dem Platz ist als Sie jetzt zurzeit.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Wenn sie besser spielt.)

Also ich bitte darum, dass wir den Geräuschpegel wieder etwas nach unten fahren.

Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort.

Danke schön, Frau Präsidentin.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Wir durften heute bereits in der Aktuellen Stunde hören und es in der Presse lesen, wie Sie sich, liebe Regierung und Damen und Herren von SPD und CDU, für den vorliegenden Gesetzentwurf zur Einführung der Geschwisterregelung feiern.

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Die Linksfraktion begrüßt die Neuregelung für die Entlastung der Geschwisterkinder, das möchte ich hier ausdrücklich sagen.

(Andreas Butzki, SPD: Na dann kann man die Rede ja beenden.)

Ja, der Gesetzentwurf ist ein Zeichen für die Eltern in unserem Land, das wir ihnen in Mecklenburg-Vorpommern die besten Bedingungen zum Leben, zum Arbeiten und zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf geben wollen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Ja, die schrittweise Einführung der kostenfreien Kita ist ein Zeichen im Kampf gegen Kinderarmut, um Kindern von Anfang an chancengleich gute Bildung zu sichern. Ja, der vorliegende Gesetzentwurf leistet einen Beitrag für mehr Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit von Anfang an, und ja, es ist eine große familienpolitische Leistung.

(Beifall Thomas Krüger, SPD)

Es gibt auch Abers. Sie wünschen sich, dass ich an dieser Stelle aufhöre, aber da würde ich meiner Oppositionsrolle nicht gerecht werden.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr richtig!)

Erstens aber war dieser Gesetzentwurf nach den jahrelangen Versprechen von SPD und CDU, die seit 2006 die kostenfreie Kita versprachen, mehr als überfällig. 12 Jahre später sollen nun die Geschwister kostenfrei zur Kita gehen können, und hoffentlich dann ab 2020, also 14 Jahre später, sollen alle Kinder die Kita kostenfrei besuchen können. Die Kinder der Eltern, denen Sie das

2006 versprochen haben, haben heute fast die Schule beendet.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Die stehen schon im Abseits!)

Deshalb kann ich den Frust einiger Eltern verstehen, die von Elternbeitragsentlastung zu Elternbeitragsentlastung vertröstet wurden und letztendlich nichts in der Familienkasse merkten, weil die Entlastungen durch Kostensteigerungen wieder aufgefressen wurden.

Das zweite große Aber an diesem Gesetzentwurf ist, dass er das drängendste Problem in der Kindertagesförderung nicht angeht. Eine Erzieherin beschrieb das Problem auf meiner Facebookseite treffend, ich zitiere: „Wie laut müssen wir denn noch nach Hilfe schreien? Wir brauchen kein Gesetz, das uns vorschreibt, mit Kindern Zähne zu putzen. Das machen wir auch ohne Gesetz. Wir brauchen gute Arbeitsbedingungen, gutes und ausreichendes Personal, einen kinderfreundlichen Personalschlüssel und endlich die Einsicht, dass Kitas Bildungseinrichtungen sind und keine Kindertagesaufbewahrungsstätten.“

Gut, dass Sie, Frau Ministerin, heute verheißen, dass Ihnen die Qualität doch auch wichtig ist, und dass Sie das Signal abgegeben haben, dass die Elternbeitragsfreiheit nicht mit der Qualität ausgespielt werden kann, denn das, was ich vorgetragen habe, ist kein Einzelfall. Von einer Erzieherin im Land hieß es in der SVZ am 22. März 2018: „an der Grenze des Leistbaren“. Betroffene stellen Personalschlüssel für Kitas und Hort infrage. Konkret ging es um den Stammtisch von Erzieherinnen und Erziehern, die in einem offenen Brief an Ministerpräsidentin Schwesig Verbesserungen im Kitagesetz gefordert haben. Die Hilfeschreie der Erzieherinnen und Erzieher werden lauter und was sieht der vorliegende Gesetzentwurf zu den Hilfeschreien der Erzieher vor? Nichts!

Frau Schwesig, anstatt den Erzieherinnen und Erziehern immer nur zu danken, dass sie auf dem Zahnfleisch gehen und trotz aller Widrigkeiten ihr Bestes tun, um jedem Kind gute Bildung zukommen zu lassen, nehmen Sie sie ernst! Das kann ich leider beim vorliegenden Gesetzentwurf nicht erkennen, obwohl Sie die Möglichkeit zur Verbesserung hatten. Der Fachkräftemangel kommt in großen Schritten sehenden Auges auf uns zu, und das seit Jahren! Die Landesregierung und Sie, sehr geehrte Damen und Herren von SPD und CDU, wollen dies nicht wahrhaben und lehnen ideologisch, weil die Anträge von uns kommen, jede vorsorgliche Maßnahme ab.

(Thomas Krüger, SPD: Wir haben PiA eingeführt!)

Seit 2011 fordern wir Sie auf, endlich die Ausbildungsplatzplanung für Erzieherinnen und Erzieher anzupassen – abgelehnt von Ihnen. Wir forderten Sie auf, die Ausbildungskapazitäten an den Fachschulen zu erhöhen, um mehr Erzieherinnen und Erzieher zu haben, um endlich auch die Fachkraft-Kind-Verbesserung angehen zu können – abgelehnt. Wir forderten Sie auf, die Arbeitsbedingungen der Erzieherinnen und Erzieher zu verbessern, heißt, Fachkraft-Kind-Schlüssel abzusenken – abgelehnt. Was nützt uns denn die kostenfreie Kita, wenn wir wegen des fehlenden Personals leer stehende Kitas haben?!

Herr Krüger, da hilft es auch nicht, auf PiA zu verweisen und in der Aktuellen Stunde zu suggerieren, dass wir gar kein Fachkräfteproblem haben. Woher wollen Sie das wissen, wenn Sie eine Ausbildungsplatzplanung aus dem Jahr 2014 haben, wo es noch heißt, dass kein Bedarf an weiteren Erzieherinnen und Erziehern besteht? Darauf bleiben Sie die Antwort schuldig. Sie schauten in der Aktuellen Stunde beim Vergabegesetz nach Thüringen. Schauen Sie auch in diesem Bereich nach Thüringen! Neben der Einführung eines kostenfreien Kitajahres wird dort auch die Qualität verbessert. Aktuell ist die Qualitätsverbesserung im Kindergarten angestrebt auf 1 : 12. Davon sind wir meilenweit im Kindergartenbereich mit 1 : 15 entfernt. Ich finde, Sie müssen immer nur getrieben werden, um überhaupt etwas im Kitasystem zu machen. Wo wollen Sie denn hin mit der Kindertagesbetreuung? Keine Ziele, keine Strategie von Ihnen, wo es in der Kindertagesbetreuung hingehen soll! Werden wir jetzt weitere zehn Jahre warten?

2013, Frau Schwesig, als Sie als Sozialministerin die einzig wirklich qualitative Verbesserung im KiföG vorgeschlagen haben, die Absenkung der Fachkraft-KindRelation von 1 : 18 auf 1 : 15 im Kindergartenbereich, sagten Sie, sagte Frau Schwesig in der Landtagsdebatte vom 20.03.2013, und ich zitiere, „dass es richtig ist, Verbesserungen auf den Weg zu bringen, und sicherlich auch zu sagen, dass es noch weiterer Verbesserungen bedarf“, Zitatende.

Wir haben es jetzt fünf Jahre später, Zeit, wo Sie als Bundesfamilienministerin mit einem Kitaqualitätsgesetz hätten in Deutschland einheitliche Mindeststandards bei der Fachkraft-Kind-Relation einführen können, oder Sie hätten heute ein Zeichen setzen können. Müssen die Erzieherinnen und Erzieher wie bei der kostenfreien Kita 14 weitere Jahre warten, also bis 2026? Nein, das hat nichts mit der Verantwortung des Landes gegenüber den Erzieherinnen und Erziehern zu tun.

Sehr geehrte Damen und Herren, weil wir als Linksfraktion nicht nur meckern wollen, sondern uns mit in die Debatte zur zukünftigen Ausrichtung der Kindertagesbetreuung einbringen wollen, haben wir am 17. April dieses Jahres, nachdem der Städte- und Gemeindetag sein Positionspapier zur Weiterentwicklung der Kindertagesbetreuung im Sozialausschuss vorgestellt hat, im Sozialausschuss die Einrichtung einer Expertenkommission zur Novellierung des KiföGs beantragt. Auch das haben Sie, meine Damen und Herren von CDU und SPD, abgelehnt. Sie riskieren so vorsätzlich den Abbau der Qualität der Kindertageseinrichtungen und somit zu mehr Bildung.

Deshalb muss ich den Anfang meiner Rede revidieren: Was Sie im ersten Schritt aufbauen, heißt, mehr Chancengerechtigkeit durch eine kostenfreie Kita, reißen Sie im zweiten Schritt wieder völlig ein, indem Sie nichts tun, um die Qualität in unseren Kitas zu erhalten. Das ist eine Grundkritik, die ich anbringe. Das Kindertagesförderungsgesetz muss nicht nur wegen der Geschwisterregelung angepasst werden, sondern es muss in eine grundlegende Überarbeitung einbezogen werden, mit allen Regelungsbedarfen, die bestehen, vor allen Dingen die Fachkraft-Kind-Relation, über die Einbeziehung der Eltern bis hin zur Überarbeitung des Finanzierungssystems.

Sehr geehrte Damen und Herren, kommen wir zu den spärlichen Inhalten des Gesetzentwurfs. Die Geschwisterregelung soll ab dem 1. Januar 2019 in Kraft treten. Es

freut mich, dass es weitere Zugeständnisse gab. Die ursprünglich anvisierte Handhabung beim zweiten und dritten Kind sowie weiterer Kinder wird nun nicht weiterverfolgt. Wir haben darüber bereits hier im Landtag debattiert. In meiner Rede vom 28. September 2017 zum Antrag der Linksfraktion „Kostenfreie Kindertagesbetreuung schrittweise einführen“ habe ich Ihnen vorgerechnet, wie wenig Familien durch eine solche Regelung überhaupt hätten entlastet werden können. Es waren lediglich 15 Prozent, verschwindend gering und zudem auch nur für einen kurzen Zeitraum, in dem die Geschwister gleichzeitig in eine Kindertageseinrichtung gehen. Das war alles noch ziemlich unausgereift.

Dann haben Sie nachgebessert und kommen mit dem neuen Vorschlag. Das ist gut, das ist ein guter und für die Familien spürbarer Schritt auf dem Weg in die Beitragsfreiheit. Circa 75.700 Familien mit zwei oder mehr Kindern würden aktuell von der Geschwisterkindregelung profitieren, wenn die weiteren Kinder wie das älteste eine Kindertagesbetreuung in Anspruch nehmen.

(allgemeine Unruhe)