Protokoll der Sitzung vom 28.06.2018

Für die Fraktion DIE LINKE hat jetzt das Wort der Abgeordnete Dr. Weiß.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind uns alle einig, die kleine Küstenfischerei soll erhalten bleiben.

(Egbert Liskow, CDU: Muss erhalten werden.)

Muss, soll – darüber wollen wir nicht streiten. Ich denke, sie wird erhalten bleiben, wenn wir uns einig sind.

(Patrick Dahlemann, SPD: Wir sind uns einig. Wir sind uns einig.)

Gefühlt ist das Thema ständig gegenwärtig, faktisch auch. Hinter den verschlossenen Türen des Agrarausschusses sprechen wir ständig darüber,

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Das darfst du nicht sagen.)

auch hier im Plenum. Die Protokolle sind ja zu finden. Aber die Fischer verstehen das auch sehr gut, ihre berechtigten – ich sage, ihre berechtigten – Sorgen und Interessen gut in die Öffentlichkeit zu tragen. Zuletzt war die durchaus kritische Situation für unsere traditionsreiche Küstenfischerei am 14. Juni im Agrarausschuss thematisiert worden. Zuvor hatten wir hier ja schon einige Male Gelegenheit, uns zu positionieren, und insofern ist also der öffentliche Diskurs für uns nichts Neues.

Was gibt es also wirklich Neues? Neu ist, dass Herr Borschke, besser die BMV-Fraktion, ein Thema besetzen möchte. So stellt sich das jedenfalls für mich dar. Die CSU des Nordens hat keine alten, suchen Sie sich ein anderes Opfer.

Die breite öffentliche Diskussion hat in der letzten Zeit mehrfach Würdigung erfahren, insbesondere, wenn es um die kleine Küstenfischerei geht, auch in den Medien. Ich erinnere an die Darstellung von Minister Backhaus im Hinblick auf die gesetzlichen Anforderungen für den Nationalpark, die Boddenzone, die Kernzone und die Pflege- und Entwicklungszone. Das alles, was da umzusetzen ist, ist ja breit thematisiert worden. Dieser Prozess ist noch im Gange, ebenso wie die Entwicklung des Nationalparks insgesamt.

Man redet miteinander – auf verschiedenen Tagungen, in verschiedenen Gremien. Tatsache ist aber auch, dass sich die Anzahl der Fischereibetriebe in den letzten Jahren nahezu halbiert hat. Und wenn wir den Anbeginn einer bestimmten Entwicklung mit dem Wiedervereinigungsprozess sehen, wir haben das heute schon gehört, von 1.300 Betrieben sind 80 Prozent verschwunden. Die rund 230 Betriebe im Haupt- und die 130/135 Betriebe im Nebenerwerbsbetrieb sind aber ein Ergebnis einer Entwicklung, die nicht proportional zu dem Rückgang ist, der auf die Fangquotenentwicklung, die Umsetzung der Bundesnaturschutzgesetze und den Nationalpark zurückzuführen ist. Es ist eben viel zu kurz gegriffen, wenn man nur ein oder zwei Argumente sucht, ein oder zwei Gründe sucht für diese Entwicklung. Herr Lenz hat das gerade dargestellt, dass man komplexer rangehen muss an diese Sache. Und deswegen ist es auch richtig, zu sehen, dass eine ganze Reihe von Fischereibetrieben aufgegeben haben, weil sie beispielsweise keine Nachfolger haben, dass eine ganze Reihe von Fischereibetrieben aufgegeben haben, weil Fisch in der Zwischenzeit vielfach nicht profitabel genug gewesen ist.

Ein Teil der Schwierigkeiten ist aber auch hausgemacht. Ebenso kann ich nämlich wenig nachvollziehen, dass kaum Hilfen vonseiten des Landes angenommen werden, wie sie ja das Ministerium regelmäßig angeboten hat, wenn es darum geht, sich weitere Standbeine, wirtschaftliche Standbeine zu schaffen. Diesbezüglich mussten sich in den meisten...

(Zuruf von Simone Oldenburg, DIE LINKE)

Das darf ich nicht sagen, habe ich gerade gehört.

(Minister Dr. Till Backhaus: Hat die Lehrerin wieder zugeschlagen?)

Der traditionsreiche Fischer möchte lediglich Fische fangen, anlanden und fertig, gut ist es. Direktvermarktung, eigene Räuchereien mit Betrieben eines Imbisses oder eines Bistros, Vermietung von Unterkünften und andere touristische Ideen will man nicht. Gerade auf dem letzten Fischereitag in Negast wurde das auch wieder thematisiert. Dabei haben wir in Mecklenburg-Vorpommern eigentlich ein gutes Vorbild, das zeigt, wie man aus einer krisenhaften Situation herauskommt, wenn man kreative Hilfen annimmt. Hier sollten sich die traditionsreichen Küstenfischer ruhig mal ein Beispiel an den Binnenfischern nehmen. Ich glaube, da haben wir im Land die erfolgreichsten Betriebe deutschlandweit.

Natürlich ist es einfacher, sich immer neue Gegner zu suchen – den Naturschutz, die Gemeinsame europäische Fischereipolitik, die Robbe, den Kormoran. Das Pflegen oder Aufbauen von Fronten, die sich dynamisch immer mehr verhärten, kann wirklich nicht weiterhelfen. Ich kann nicht erkennen, dass die Politik in unserem Land, im Bund oder auf der Bundesebene sich gegen unsere Fischereibetriebe verschworen hat. Mein Eindruck ist eher, dass alle bemüht sind, diesen für unser Land außerordentlich wichtigen Bereich zu erhalten. Nachvollziehen kann ich aber die Forderung nach einem finanziellen Ausgleich für gekürzte Quoten. Insofern ist das, was wir gerade vom Minister gehört haben, sicherlich sehr interessant, und wir sollten ihn dabei unterstützen, das auch durchzusetzen.

Gleichzeitig sind wir uns aber sicher auch alle im Hause einig, dass der Vorschlag des Internationalen Rates für Meeresforschung, ein vollständiges Fangverbot für den Hering in der westlichen Ostsee auszusprechen, auf keinen Fall durchkommen darf. Das wäre sicherlich das Aus für viele unserer Fischer, ich will nicht sagen, für alle. Allerdings wäre es auch das erste Mal – und das ist die andere Sache –, dass ein solcher Vorschlag des ICES eins zu eins durchgegangen ist, und ähnlich wie im Landtag kaum ein Gesetz so rausgeht, wie es reinkommt. Also ist auch hier abzuwarten, was passiert, wenn wir uns diesbezüglich gemeinsam dagegenstemmen. Eine Verständigung über mehrjährige Quoten zum Beispiel wäre da wesentlich hilfreicher und ebenso müsste auch der Ausgleich für eventuelle Kürzungen aus meiner Sicht deutlich verbessert werden.

Zum Schluss möchte ich für meine Fraktion und für mich ganz klar zum Ausdruck bringen, dass weder das Land noch der Bund, noch die EU sich ständig für ihren Einsatz in Sachen Naturschutz und Umweltschutz rechtfertigen sollten. Natürlich muss man Gesetze umsetzen, auch im Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft. Da gehen uns die Kompromisse und ständigen Verlängerungen von bestimmten Sondergenehmigungen eigentlich schon fast viel zu weit.

Und auch, wenn es hier, ich denke mal, zu einem Missverständnis gekommen ist, Frau Präsidentin, die neuesten Vorschläge, den Nationalpark zum Naturpark abzurüsten, wie es der Europaabgeordnete Werner Kuhn von der CDU auf dem Fischereitag in Negast

(Andreas Butzki, SPD: Das war ein Unding.)

vor wenigen Tagen, am 15.06., gemacht hat,

(Andreas Butzki, SPD: Das war ein Unding.)

das kann bei mir nur Fassungslosigkeit auslösen

(Patrick Dahlemann, SPD: Bei uns auch.)

und ist entschieden zurückzuweisen. Das ist nicht der richtige Weg, um die kleine Küstenfischerei als Kulturgut, als Arbeitgeber und als Basis einer gesunden Ernährung mit Küstenfisch zu erhalten und weiterzuentwickeln. Genau deswegen wollen wir aber den weiteren Erhalt dieser kleinen Küstenfischerei für Mecklenburg-Vorpommern. Dafür setzen wir uns ein. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Für die Fraktion der SPD hat jetzt das Wort der Abgeordnete Butzki.

(Patrick Dahlemann, SPD: Jetzt wird hier mal ein bisschen Schwung in die Bude gebracht. – Simone Oldenburg, DIE LINKE: Der heringspolitische Sprecher. – Zuruf von Patrick Dahlemann, SPD)

Hier hat irgendeiner seine Rede noch vergessen.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Wenn es weiße Blätter sind, war es die AfD.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Über den Erhalt der Küsten- und Kutterfischerei, denke ich, sind wir uns alle einig.

(Patrick Dahlemann, SPD: Genau.)

Die Situation der Küstenfischer ist ja wie die See so ein ständiges Auf und Ab. Es gab Jahre der Hoffnung, mit der Fischerei konnte man gut Geld verdienen, aber dann folgten auch Jahre, die die Hoffnung zunichte machten.

Vor zwei Wochen waren vier Fraktionen in Negast auf der Jahreshauptversammlung und die entscheidenden Probleme wurden dort auch angesprochen:

(Zuruf von Patrick Dahlemann, SPD)

die Fangquoten, insbesondere vom Dorsch, von Hering – dort soll ein generelles Fangverbot ausgesprochen werden laut ICES-Empfehlung – und Aal.

(Zuruf von Patrick Dahlemann, SPD)

Das generelle Fangverbot konnte Gott sei Dank abgewehrt werden. Es ist jedoch das nächste Problem angesprochen worden, keine Fischerei in der Kernzone der Nationalparke, bei den Kormoranen zu viele Brutpaare,

(Patrick Dahlemann, SPD: Kormorane!)

eine starke Vermehrung der Kegelrobben und die komplizierte – und das wurde ja heute gar nicht so zum Ausdruck gebracht – Antragstellung für die EU- und Bundesgelder. Die Unruhen in den Laichgebieten entstehen durch Ausbau der Windanlagen und Stromtrassen,

(Zuruf von Burkhard Lenz, CDU)

Nährstoffeinträge durch die Landwirtschaft, Bau von Pipelines, Ausbaggerung von Hafenzufahrten. Insgesamt, muss ich sagen, war das eine sehr emotionale, aber ich denke, auch sehr sachliche Diskussion, die wir in Negast verfolgen durften.

Und dann vielleicht für die AfD – die war ja nicht da –, die entscheidenden Worte, die der scheidende Vorsitzende Grothe dort gesagt hatte. Ich denke, es war auch eine sehr zukunftsweisende Rede für die Fischer. Er sprach zum einen die Probleme konkret an, sagte aber auch, die Fischerei muss sich fit machen für das 21. Jahrhundert.

(Susann Wippermann, SPD: Richtig!)

Unter anderem wurden von ihm die Direktvermarktung und die Tourismuswirtschaft angesprochen, die Betriebe müssen einfach rentabler werden, die Vorteile der Digitalisierung nutzen. Einen Satz habe ich mir wortwörtlich aufgeschrieben. Er sagte: „Einfach den Kutter vom Vater übernehmen und so weitermachen, das geht nicht mehr.“

Auf der anderen Seite muss natürlich auch die Politik die nötigen und richtigen Rahmenbedingungen schaffen. Und es wurde wiederholt, auch von Herrn Zimmermann vom Thünen-Institut und vom Staatssekretär Buchwald, schuld an dieser Misere sind nicht die Fischer. Die Fischer aus Deutschland und Dänemark erfüllen immer alle Anforderungen aus Brüssel, Berlin und für die mecklenburgisch-vorpommerschen Fischer auch die Schweriner Auflagen. Sie halten sich auch an die Auflagen.

(Egbert Liskow, CDU: Das wussten wir.)

Das Hauptproblem beim Hering in der westlichen Ostsee sind die steigenden Wassertemperaturen, das wurde eindeutig so gesagt, insbesondere in den Laichgebieten. Und hier sind wir an dem Punkt angekommen, den viele Menschen bei uns nicht wahrhaben wollen, auch hier im Plenum, der aber wirklich Realität ist. Wir haben einen Klimawandel und der macht vor unserer Tür nicht halt. Schauen wir uns bloß mal die letzten Monate an! Die Wetterextreme nehmen zu. Wir haben eine lange Hitzewelle jetzt vor Kurzem gehabt und insbesondere die große Trockenheit bei uns in Mecklenburg-Vorpommern. Da können Sie gern die Bauern fragen, Sie können aber auch gern zu den Forstleuten gehen, wie hoch die Waldbrandgefahr ist. Auf der anderen Seite hatten wir die Starkniederschläge – bei uns Gott sei Dank im Bundesland nicht so stark aufgetreten –, aber die Starkniederschläge besonders in Mittel- und Süddeutschland waren dann doch zu sehen.

In der Koalitionsvereinbarung haben wir ganz klar festgelegt, SPD und CDU, Erhalt der Kutter- und Küstenfischerei, und meine Fraktion steht uneingeschränkt dazu.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD und Egbert Liskow, CDU)