Protokoll der Sitzung vom 12.09.2018

Für die Seiteneinsteiger dieses Schuljahres gibt es nur eine dreiwöchige Schnellbesohlung. Das ist unseres Erachtens deutlich zu kurz gegriffen,

(Zuruf von Simone Oldenburg, DIE LINKE)

um unerlässliche Voraussetzungen wie das Schulrecht, die Prüfungsordnung, die Kenntnisse der Rahmenlehrpläne, schulinterne Curricula sowie Prinzipien der Leistungsbewertung zu vermitteln. Unsere Seiteneinsteiger werden also ohne diese Grundkenntnisse oft vor die Schulklassen gestellt, und das ist ein Wurf ins kalte Wasser. Das können wir so nicht dulden! Also eine dreimonatige, vor dem ersten Schultag stattfindende Qualifizierung würden wir durchaus als sinnvoll erachten.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Torsten Renz, CDU: Was sagen Sie zu Berlin, wo die nur sieben Tage haben?)

Der Beruf des Lehrers lässt sich jedoch auch nicht so leicht wie der eines Handwerkers lernen.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Wir sind das einzige Bundesland, das Seiteneinsteiger so einstellt, wie wir sie einstellen. Alle anderen qualifizieren zuvor. – Zuruf von Torsten Renz, CDU – Simone Oldenburg, DIE LINKE: Na selbstverständlich.)

Die Persönlichkeit des Lehrers ist mindestens ebenso entscheidend wie die Kenntnis pädagogischer und didaktischer Methoden. Diese unterliegen sehr stark dem jeweiligen Zeitgeist und werden auch zunehmend wieder ideologiebelastet. Vor allem in höheren Klassen muss der Lehrer dazu noch ein fundiertes Fachwissen besitzen, um das Verständnisniveau der Schüler zu überragen, also die sogenannte Lufthoheit in der Klasse zu besitzen. Aber gerade hier haben viele Quereinsteiger auch gute Voraussetzungen, die sie aus ihrem praktischen Berufsleben mitbringen.

Wie gesagt, wenn der Antrag überwiesen wird, können wir uns damit anfreunden, auch zusammen mit dem Änderungsantrag der LINKEN die Sache noch mal im Ausschuss zu diskutieren. Ich denke, es bleibt noch viel zu tun, und ich bedanke mich.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Franz-Robert Liskow.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Gar nicht Herr Renz? – Simone Oldenburg, DIE LINKE: Nein, nein!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag der BMV lässt ja fast den Eindruck zu, als wenn in unserem Bundesland Seiteneinsteiger ohne jegliche Qualifikationen auf unsere Schulkinder losgelassen werden.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Ja, das ist so.)

Sie stellen die Qualität des Seiteneinsteigers hier in Mecklenburg-Vorpommern schlechter dar, als sie tatsächlich ist. Es ist eben nicht so, dass die neu eingestellten Lehrer ohne Lehrbefähigung nach einem dreiwöchigen Crashkurs ins kalte Wasser geworfen werden. Die Ministerin hat, denke ich, dazu ausführlich den Werdegang der Ausbildung erläutert. Da muss ich hier jetzt nicht weiter drauf eingehen. Wer diese Qualifizierungsmaßnahmen hinter sich gebracht hat, der hat unzweifelhaft eine lange fachliche Schulung absolviert.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Ja, von 30 Tagen. Super!)

Und zum Änderungsantrag der LINKEN möchte ich gar nicht so viel sagen bisher, weil Kollegin Oldenburg den Antrag ja noch nicht einbringen konnte. Aber es ist doch schon so, dass man sicher darüber nachdenken kann,

(Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE: Das ist die neueste Ausrede.)

dass man dort, denke ich, dass man darüber sicherlich nachdenken kann, wir allerdings auf unsere Seiteneinsteiger zurzeit auch nicht einfach mal so mindestens 21 Monate verzichten können.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Nee, genau.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, für das Land Mecklenburg-Vorpommern ist es ein großes Glück, dass so viele Menschen die Möglichkeit für einen Seiteneinstieg nutzen. Zumindest in diesem Punkt ist der Antragsbegründung zuzustimmen. Seiteneinsteiger bieten ein großes Potenzial und sind eine wertvolle Bereicherung für unser Schulsystem, denn die Arbeits- und Lebenserfahrung der Seiteneinsteiger kann in der fachlichen wie pädagogischen Anleitung der Schülerinnen und Schüler eine wichtige Ergänzung zu dem fundierten theoretischen Wissen der Lehramtsabsolventen sein.

Wir als CDU-Fraktion sind durchaus offen für Vorschläge zur Verbesserung hinsichtlich der Vorbereitung des Einstieges in den sogenannten Seiteneinstieg. Eine verlängerte Vorbereitungszeit wäre dabei sicher nicht von Nachteil. Allerdings zeigt sich die Realität des Unterrichtsbetriebes mit all seinen Herausforderungen nicht in der theoretischen Vorbereitungszeit, sondern in der Unterrichtspraxis. Daher sind wir nach wie vor der Überzeugung, dass die unterrichtsbegleitende Qualifizierung für die Seiteneinsteiger der richtige Weg ist.

Ebenso sind wir davon überzeugt, dass das Bildungsministerium die Erfahrungen regelmäßig evaluieren und daraus Schlussfolgerungen für die Verbesserung ziehen wird. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir lehnen daher den Antrag ab. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE die Fraktionsvorsitzende Frau Oldenburg.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Seit mehr als fünf Jahren beschäftigen wir uns mit der fehlenden Qualifizierung der Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger, denn bereits mit der Änderung des Lehrerbildungsgesetzes 2013 verursachte die Einstellung von Frauen und Männern ohne pädagogische Qualifikation Entsetzen und erntete auch Kopfschütteln. Schon damals war die Regierung einfach ohnmächtig, denn anstatt das Lehramtsstudium zu reformieren und die bis dahin schon tätigen Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger besser auszubilden, hielt man sich einfach die Hände vor die Augen in der Hoffnung, der Kelch geht an uns vorüber, man müsse hier nichts tun.

Und bereits im Oktober 2013 schrieb Wolfgang Hartmann einen Leserbrief an die „Ostsee-Zeitung“ zum Thema der Seiteneinsteiger. Ich zitiere daraus: „Die neuesten Ideen der Landesregierung zur Bildung sollten ausgedehnt werden. Ich habe meine Bewerbung schon fertig: ,Liebes Krankenhaus, hiermit bewerbe ich mich als Quereinsteiger, denn ich fühle mich ambitioniert.‘“

(Heiterkeit bei Bernhard Wildt, BMV)

„,Dass ich keinen entsprechenden Abschluss vorweisen kann, sollte Sie nicht daran hindern, mich als Hobby

Chirurg einzustellen. Ich kann Blut sehen … und wäre mit einem Oberarztgehalt einverstanden.‘“ Ende des Zitats.

(Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE)

Niemand von Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren, würde auf die Idee kommen, sich von Herrn Hartmann operieren zu lassen, weil Sie genau wissen, wie diese Operation enden wird, weil Herr Hartmann eben kein Arzt ist.

Sehr geehrte Damen und Herren, …

(Marc Reinhardt, CDU: Das erzählt sie jedes Mal.)

Schön, dass Sie sich daran erinnern können, Herr Reinhardt. Ich hoffe, dass das dann auch zu einer Änderung im Verhalten führt.

… heute arbeiten mehr als 1.400 Lehrkräfte ohne Lehrbefähigung im Schuldienst von Mecklenburg-Vorpommern.

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Nach unserer Berechnung sind von denen, die in der letzten Woche eingestellt worden sind, von 35 Einstellungen 27 Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger.

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Hinzu kommen dann aber noch die Lehrkräfte, die allein durch Ablauf der Mindestbeschäftigungszeit von fünf, sieben oder zehn Jahren ihre Lehrbefähigung erhalten haben, ohne eine pädagogische Ausbildung absolviert zu haben. Denn das haben wir bei der Landesregierung erfragt: Haben alle, die die Lehrbefähigung bekommen haben und auch bekommen werden, an beiden pädagogischen Qualifizierungsreihen teilgenommen? Das kann nicht sichergestellt werden, hat man uns geantwortet. Und auf die Nachfrage, ist es möglich, dass man auch ohne pädagogische Qualifizierung die Lehrbefähigung bekommt, wurde mit Ja geantwortet.

Das heißt auch, dass bis heute nicht alle Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger an dieser pädagogischen Grundqualifizierung teilgenommen haben oder eben teilnehmen werden. Aber sie werden vom ersten Tag an eingesetzt als Lehrerinnen und Lehrer – ohne eine einzige Stunde Didaktik, ohne eine einzige Stunde Methodik zu haben, ohne zu wissen, wie man zensiert und bewertet, ohne zu wissen, wie man eine Klassenarbeit aufbaut, ohne zu wissen, was Anforderungsbereiche sind, und, und, und. Und das ist von der Landesregierung einfach unverantwortlich gegenüber den Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteigern.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

An einer Schule in Schwerin sind in diesem Jahr zehn Neueinstellungen erfolgt. Sechs von diesen zehn Neueinstellungen waren Seiteneinsteiger und drei dieser sechs Seiteneinsteiger sind Klassenlehrerinnen und Klassenlehrer einer 1. Klasse.

Herr Butzki als ausgebildeter Lehrer für obere Klassen wird mir beipflichten, dass wir mit einem grundständigen Lehrerstudium nicht über die Didaktik der Grundschule verfügen. Weder Herr Butzki noch Herr Renz, noch ich

können aufgrund unserer hervorragenden Ausbildung, unseres Lehramtsstudiums, den Lütten Lesen und Schreiben beibringen.

(Peter Ritter, DIE INKE: Herr Renz kann das.)

Das können wir nicht, aber diese Seiteneinsteiger sollen das können.

(Torsten Renz, CDU: Andreas, was sagst du dazu?)

Sehr geehrte Damen und Herren, ein kleiner Fortschritt ist in den letzten Jahren zu verzeichnen, denn es wurden jetzt Qualifizierungen angeboten, jedoch lediglich im Umfang von 240 Stunden! Und, Herr Liskow, was Sie gesagt haben, ausreichend hierfür: 240 Stunden, das sind 30 Tage, in denen die Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger diese großen ersten Schritte lernen für ein Lehrerdasein. In 30 Tagen! Ich kannte bisher nur „In 80 Tagen um die Welt“, aber nun ist noch „In 30 Tagen zum Lehrer“ dazugekommen.

Dafür müssen Lehramtsstudenten mindestens neun Semester zur Uni und – ich betone: und! – ein 18monatiges Referendariat, was sich dann anschließt, absolvieren. Und da beißt sich nun auch die Katze in den Schwanz: Wenn Frau Hesse sagt, sie möchte das Referendariat nicht für die Seiteneinsteiger, weil es damit für sie verlängert wird, komplizierter wird, dann brauchen wir auch kein Referendariat mehr für die Lehramtsstudenten, denn die haben schon Unterrichtserfahrungen, die haben schon Methodik und Didaktik. Dann ist das für die auch nicht mehr so schwer und dann wird man eben nach neun Semestern oder zehn Semestern gleich Lehrer, ohne das Referendariat zu machen. Das wäre die Logik, wenn man die von Frau Hesse zu Ende denkt.

In diesem Jahr erfand man nun den eben schon mehrmals erwähnten dreiwöchigen Crashkurs als Beginn der Qualifizierung. Das könnte ich nachvollziehen und sagen, das ist ein erster Schritt, wenn dieser Crashkurs in den Sommerferien stattfinden würde. Tut er aber nicht! Der Crashkurs findet in den ersten drei Schulwochen statt, in den ersten drei Schulwochen sind diese Seiteneinsteiger dann eben nicht da. Da müssen 1. Klassen zusammengelegt werden, weil ihr Lehrer fehlt.

Warum, warum kann man nicht einfach mal nachdenken und wenigstens die Seiteneinsteiger, die schon da sind, weil schon beworben, weil schon eingestellt, in den letzten drei Ferienwochen weiterbilden? Warum in den ersten drei Schulwochen? Wer sich das ausgedacht hat, der muss nicht wissen, was in den ersten drei Schulwochen an einer Schule passiert.