Protokoll der Sitzung vom 12.09.2018

denn wenn allein das Volk Probleme benennt, wenn das Volk die Regierung auffordert, ihre Politik zu überdenken und beispielsweise das fatale Theater- und Orchesterstreichkonzert über Bord zu werfen, dann ist das offenbar zu viel direkte Demokratie, die nämlich am Lack der Regierung kratzt. Genau deshalb soll jetzt die Bürgerbefragung eingeführt werden, eine weichgespülte Beteiligung, bei der nicht einmal die komplette demokratische Bandbreite der Fraktionen des Landtages ein Wörtchen mitzureden hat. Denn was beispielsweise die Wählerinnen und Wähler der LINKEN, die uns ihr Vertrauen ausgesprochen haben, interessiert, wozu sie befragt werden wollen, das spielt im derzeitigen Gesetzentwurf schlicht keine Rolle, weil die Opposition keine Rolle spielt. Es wird also nicht um ein Thema gerungen, es werden keine Argumente ausgetauscht über das Für und Wider eines Themas, allein die Regierung und die Koalition entscheiden.

(Jochen Schulte, SPD: Das ist doch schlichtweg nicht wahr.)

Hier spürt man nicht nur die Grenzen der Gewaltenteilung, hier soll eine direkte Demokratie von oben installiert werden.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE und Dr. Ralph Weber, AfD – Thomas Krüger, SPD: Falsch!)

Sehr geehrte Damen und Herren, über die Ausgestaltung der Volksbefragung können wir im Ausschuss grundsätz

lich diskutieren, allerdings macht das von der Regierung gewählte Thema deutlich,

(Zuruf von Jochen Schulte, SPD – Glocke der Vizepräsidentin)

dass es gar nicht vordergründig um Volkes Wille geht, sondern eher darum, dass das Volk einen Koalitionsstreit beenden soll, weil die Koalition dazu seit Jahren nicht in der Lage ist,

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Ja, genau.)

denn für die Einführung des Wahlalters mit 16 Jahren gibt es in diesem Parlament seit vielen Jahren eine Mehrheit,

(Patrick Dahlemann, SPD: Wie stehen Sie denn dazu, Frau Oldenburg?)

allerdings ohne den Koalitionspartner CDU.

(allgemeine Unruhe – Zuruf von Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE – Glocke der Vizepräsidentin)

Seit vielen Jahren hätten Jugendliche ab 16 das Wahlrecht bei Landtagswahlen haben können, auch dieser Landtag hätte schon von diesen Jugendlichen mitgewählt werden können.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Sehr richtig!)

Aber auch das sollte die Ministerpräsidentin dem Volk mitteilen: SPD und CDU haben mehrfach entsprechende parlamentarische Initiativen von meiner Fraktion abgelehnt.

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Leider.)

Bevor man sich aber mit dem Koalitionspartner anlegt, befragt man lieber das Volk, damit die CDU endlich ihren Widerstand aufgibt oder aber auch nicht. Dieser große Umweg über eine Verfassungsänderung wird in Kauf genommen, weil ein Koalitionspartner nicht mitspielt.

Aber ich habe da eine ganz andere Idee: Warum, sehr geehrte Frau Schwesig, initiieren Sie nicht einfach als Parteivorsitzende eine Volksinitiative zum Wahlalter mit 16? Die Jusos werden Ihnen sofort beispringen und auch bei dieser Volksinitiative hätten Sie meine Partei an Ihrer Seite.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Torsten Renz, CDU: Und warum machen Sie das nicht? – Zuruf von Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE)

Eine andere Möglichkeit der direkten Beteiligung wäre auch, Sie würden das Volk befragen in einer Volksinitiative, ob es überhaupt eine Verfassungsänderung will, ob es auf übergestülpte Fragen antworten will.

2007 haben wir das Volk entscheiden lassen, ob die Verfassung von Mecklenburg-Vorpommern geändert werden soll. Und wenn Sie dann ganz gegen Ihre Gewohn

heiten diese Volksinitiative nicht vom Tisch wischen, haben wir auch ein Ergebnis, und zwar ganz ohne Verfassungsänderung und ohne Hast, denn das vorgelegte rasante Tempo geht auf die Koalitionsvereinbarung zurück. Dort haben Sie Folgendes festgehalten, ich zitiere: „Die Koalitionspartner werden durch eine Änderung der Landesverfassung die rechtlichen Voraussetzungen schaffen, um in wesentlichen Fragen Volksbefragungen durchführen zu können.“ Ende des Zitats.

Allein diese Formulierung zeigt, wer hier so gern der Bestimmer sein möchte. Die Koalitionspartner werden die Landesverfassung ändern – nein, das werden sie nicht, weil sie nicht die Zweidrittelmehrheit dazu haben.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE und Dr. Ralph Weber, AfD – Zuruf von Torsten Koplin, DIE LINKE)

Und als Sie den Koalitionsvertrag ausgehandelt haben, da wussten Sie, dass Sie nicht allein die Verfassung ändern können.

Zum Paragrafen 17a möchten wir nur so viel sagen, dass Stärkung der Selbstbestimmung und Schutz zwei Seiten einer Medaille sind. Das gebietet der Wortlaut der UNBehindertenrechtskommission. Aber auch da hat Frau Schwesig gesagt, dass wir in den Ausschüssen darüber reden werden. Deswegen schließe ich mich dem Antrag von Herrn Krüger an,

(Thomas Krüger, SPD: Sehr gut!)

dass wir das auch gleichzeitig noch – die Verfassungsänderung – in den Sozialausschuss überweisen.

Sehr geehrte Damen und Herren, meine Fraktion ist derzeit weder von der Sinnhaftigkeit noch von der Art und Weise der Volksbefragung ausreichend überzeugt.

(Zuruf von Patrick Dahlemann, SPD)

Selbstverständlich finden wir es gut, wenn Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit erhielten, tatsächlich ihre Meinung zu grundsätzlichen Angelegenheiten der Landespolitik mitzuteilen.

(Thomas Krüger, SPD: Da sind wir uns einig. – Jochen Schulte, SPD: Dann müssten Sie zustimmen.)

Aber so, wie es die Verfassungsänderung derzeit vorsieht, soll das Volk ja nur insoweit einbezogen werden, soweit es nicht stört.

(Torsten Renz, CDU: Das hört sich nach Zustimmung an, das hör ich deutlich.)

Und da man von der Opposition ja bereits weiß, dass sie beim Versuch des Durchregierens stört, bezieht man sie lieber gar nicht mit ein.

(Torsten Renz, CDU: Hör ich deutlich raus – Zustimmung.)

Das lassen wir Ihnen selbstverständlich nicht durchgehen! Auch deshalb stimmt meine Fraktion der Überweisung zu, denn wer sagt, er will das Volk in politische Entscheidungen einbinden, kann schon mal nicht damit

beginnen, einen Teil des Volkes, nämlich die Opposition, außen vor zu lassen.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE und Bernhard Wildt, BMV)

In dem gesamten Prozess der Volksbefragung sind Einwirkungs-, Kontroll- und Gestaltungsrechte der Opposition bisher nicht vorgesehen. Der Gesetzentwurf sieht für uns die Zuschauerrolle vor,

(Torsten Renz, CDU: Nein, auf keinen Fall.)

aber da spielen wir nicht mit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE und Dr. Ralph Weber, AfD)

Für die Fraktion der CDU hat jetzt das Wort der Abgeordnete Renz.

Ehe Herr Renz sein Wort in Anspruch nimmt, begrüße ich neue Besucher auf der Tribüne. Das sind Seniorinnen und Senioren aus Negast, wenn ich richtig informiert bin. Herzlich willkommen!

Herr Renz, Sie haben das Wort.

Danke, Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Liebe Frau Oldenburg! Allein schon der letzte Satz, dass Sie sagen, Sie sind nur Zuschauer, irritiert mich.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Doch, ehrlich.)

Hier, im höchsten Gremium, dem Landtag, debattieren wir unser Thema.