Protokoll der Sitzung vom 21.11.2018

(Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

Dr. Manthei hat hier vorhin ganz andere Schlüsse gezogen. Er hatte im Gegenteil die Unverbindlichkeit hier so ein bisschen kritisiert, hatte ich den Eindruck. Sie haben ja gesagt, das wäre ein unverbindliches Papier und jeder Nationalstaat könne eigentlich machen, was er will. Professor Weber hat genau den gegenteiligen Schluss gezogen, er fand, die Nationalstaaten würden zu stark gebunden, da seien zu viele Verpflichtungen drin, also zwei vollkommen unterschiedliche Auffassungen von eigentlich derselben Sachlage. Ich sage noch mal, für die SPDFraktion hier im Landtag ist das ein gutes Dokument, das viele Klarstellungen beinhaltet

(Zuruf von Jens-Holger Schneider, AfD)

und uns bei unserer Migrations-, aber auch Flüchtlingspolitik in vielen Punkten sogar helfen wird, hier Klarheit hereinzubringen und sogar Missstände abzubauen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Und, Professor Weber, Sie haben vorhin – und so ist ja auch die Überschrift der Aussprache gewählt: Einbindung nationaler Gremien –, Sie haben, habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie damit lediglich den Deutschen Bundestag meinten? Sie hatten kritisiert, dass der zu spät …

(Dr. Ralph Weber, AfD: Dann hätten wir hier wohl keine Aussprache beantragt, wenn wir nur den Deutschen Bundestag meinen.)

Okay, das habe ich vorhin auch so verstanden.

(Jens-Holger Schneider, AfD: Dann verstehe ich die Frage nicht.)

Deswegen die Aufforderung, sagen Sie doch mal ganz konkret, welche Gremien Sie denn hier meinen,

(Zuruf von Horst Förster, AfD)

wenn Sie die gar nicht benennen, auch nicht in Ihrer Aussprache. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zwischen den Fraktionen ist übereinstimmend vereinbart worden, die Tagesordnungspunkte 11 und 12 in der Reihenfolge zu tauschen.

Deshalb rufe ich jetzt den Tagesordnungspunkt 12 auf: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Selbstbestimmungsrechte von Frauen stärken – Paragraf 219a Strafgesetzbuch abschaffen, auf Drucksache 7/2807.

Antrag der Fraktion DIE LINKE Selbstbestimmungsrechte von Frauen stärken – § 219a Strafgesetzbuch abschaffen – Drucksache 7/2807 –

Das Wort zur Begründung hat für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Herr Ritter.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute Morgen in der Aktuellen Stunde hieß es, vieles gibt es noch zu tun. Das trifft auf den Paragrafen 219a beziehungsweise auf die Abschaffung des Paragrafen 219a voll zu.

Der Paragraf 219a des Strafgesetzbuches verbietet die Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft einer Frau. Ich nenne das Wort „Werbung“ immer in Anführungszeichen, da sachliche fachliche medizinische Informationen noch lange keine Werbung sind. Der 219a verbietet es, eigene oder fremde Dienste anzubieten, aber auch, Mittel, Gegenstände oder Verfahren, die zum Abbruch der Schwangerschaft geeignet sind, bekanntzugeben. Er verbietet Ärztinnen und Ärzten, sich mit einer Praxis zu outen, die Schwangerschaftsabbrüche vornimmt. Dass Ärztinnen und Ärzte für jede Abtreibung ein Honorar bekommen, gilt als Vermögensvorteil im Sinne des Gesetzes und macht selbst die sachlichste Information über einen Abbruch illegal. Der Tatbestand der Werbung ist derart weit gefasst, dass es sich hier um ein Informationsverbot handelt und um nichts Anderes.

Im Oktober 2018 wurde das Urteil des Amtsgerichtes Gießen gegen eine Ärztin, die auf ihrer Internetseite Informationen veröffentlichte und damit gegen den 219a verstoßen haben soll, in zweiter Instanz bestätigt. Es wurde zum Politikum und zeigt, wie überholt dieses Gesetz ist.

(Dr. Ralph Weber, AfD: Nein, wie richtig.)

Grund und Auftrag für uns Politikerinnen und Politiker im 21. Jahrhundert ist es, dieses unsägliche Gesetz endlich abzuschaffen.

(Horst Förster, AfD: Meinen Sie?)

Meine ich, sonst würde ich das ja hier nicht vortragen.

(Zuruf von Horst Förster, AfD)

Wenn ich das nicht meinte, würde ich ja gelegentlich die Meinung der AfD hier vortragen,

(Horst Förster, AfD: Das wäre auch besser in dem Punkt.)

aber das mache ich nicht, ich trage meine Meinung vor.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Deswegen sind solche Zwischenrufe völlig deplatziert, Herr Förster.

Die Gründe, warum es dieses Gesetz endlich abzuschaffen gilt, will ich Ihnen hier nennen. Der Paragraf 219a des Strafgesetzbuches erschwert es Frauen in einer Krisensituation, an wichtige Informationen heranzukommen, und das in einer Situation, in der ihnen nur wenig Zeit für eine wichtige Entscheidung bleibt.

Momentan läuft der Weg folgendermaßen: Eine Frau wird von ihrer Frauenärztin oder ihrem Frauenarzt über die Schwangerschaft informiert. Daraufhin bleibt ihr nur der Weg zu einer Beratungsstelle, die sie über den sachlichen und medizinischen Rahmen zum Schwangerschaftsabbruch informieren kann. Sie hat dabei keine Wahl. Möchte sie weiterführende oder vergleichende Informationen, läuft sie im Internet und bei vielen vermeintlichen Anlaufstellen ins Leere. Eine Frau, die aus bestimmten Gründen eine Abtreibung vornehmen lassen möchte, muss die Bescheinigung über die Beratung vorweisen und eine gesetzliche Wartedauer von drei Tagen einhalten, ehe sie den Eingriff vornehmen lassen kann. Laut Paragraf 218 ist die Abtreibung unter diesen und weiteren Voraussetzungen straffrei.

(Dr. Ralph Weber, AfD: Deshalb abschaffen.)

Auch hier, Herr Professor Weber, hat es viele, viele Jahre gedauert, bis die Rechtslage geändert worden ist, weil sie als falsch und nicht mehr zeitgemäß anerkannt war. Informationen darüber stehen jedoch unter Strafe, und das ist paradox. Meinen Sie nicht auch?

(Kopfschütteln bei Dr. Ralph Weber, AfD)

Nein, meint Herr Professor Weber. Ich schon.

Für die betroffenen Frauen, die zusätzlich zu dem ganzen emotionalen Stress, den sie erleben, den Weg über die Beratungsstelle gehen, darüber hinaus aber keine weiteren fundierten Informationen über Methoden, Verfahren und Möglichkeiten eines Abbruchs erhalten können, ist es ein immenser Stressfaktor, der belastend zu der Situation hinzukommt. Das Problem liegt also vor allem auch in der eingeschränkten bis nicht vorhandenen Informationsfreiheit – und das im Zeitalter von Informationsfreiheitsgesetzen – und der Unzugänglichkeit zu fachlichen Informationen. Das verletzt die Würde der Frauen und nimmt ihnen ihre Selbstbestimmung. Darum geht es hauptsächlich.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir lehnen nicht das Prinzip der Beratungsstellen ab. Wir rufen nicht zu Schwangerschaftsabbrüchen auf und sind auch nicht der Meinung, dass durch die Abschaffung des Paragrafen plötzlich weitaus mehr Frauen Abtreibungen vornehmen würden. Das ist eine bösartige Unterstellung. Wir kritisieren jedoch...

(Horst Förster, AfD: Sie wollen aber Werbung gestatten.)

Nein, wir werben nicht. Sie hören nicht zu, und wenn Sie zuhören, begreifen Sie nicht. Wir werben nicht, wir wollen informieren. Wir wollen die Informationsfreiheit für Frauen.

Ich sage noch mal, wir lehnen nicht das Prinzip der Beratungsstellen ab, wir rufen nicht zu Schwangerschaftsabbrüchen auf und wir sind auch nicht der Meinung, dass durch die Abschaffung des Paragrafen plötzlich weitaus mehr Frauen Abtreibungen vornehmen. Soll ich es noch mal vortragen? Nein, ich erspare es mir.

Wir kritisieren jedoch, dass Frauen durch den Paragrafen 219a in ihrer Selbstbestimmung und ihrer Informationsfreiheit eingeschränkt werden und gezwungen sind, sich an eine Beratungsstelle zu wenden, um überhaupt an Informationen zu kommen. Diese Fremdbestimmung ist absurd, denn der Körper einer Frau gehört ihr. Sie muss frei sein, über diesen und ihren Lebensweg selbst entscheiden zu können. Das kann und darf niemand anderes für sie tun, Herr Professor Weber. Dafür müssen wir die Grundlagen schaffen, dass jede Frau sich umfassend informieren kann, um dann die bestmögliche Entscheidung für sich zu treffen.

Dazu gehören aber auch gute Rahmenbedingungen für ein Leben ohne Armutsrisiko. 56 Prozent aller Alleinerziehenden in Mecklenburg-Vorpommern sind armutsgefährdet, viele bleiben es ein Leben lang. Wir dürfen Frauen nicht per Gesetz in eine Sackgasse treiben. So oder so müssen Familien und Alleinerziehende viel besser unterstützt werden. Wenn sich die Strukturen ändern, fällt möglicherweise auch die Entscheidung über einen Abbruch ganz anders aus, liebe Kolleginnen und Kollegen. Aber diese Entscheidung, meine sehr verehrten Damen und Herren, muss einzig und allein bei der Frau bleiben.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die aktuelle Regelung in Paragraf 219a Strafgesetzbuch führt dazu, dass Ärztinnen und Ärzte angeklagt werden, sollten sie Informationen öffentlich machen. Ich sage es noch mal: Informationen und nicht Werbung! In den letzten Jahren gab es eine starke Zunahme an solchen Klagen, durch den Zuwachs an sogenannten Lebensschützern, aber auch durch den zunehmenden Rechtsruck, der zu einem Angriff auf hart erkämpfte Frauenrechte führte. In Magdeburg wurde ein ähnlicher Antrag, wie wir ihn gestellt haben, in den Rechtsausschuss des Landtages überwiesen. Immerhin! Auch die Bundesländer Berlin, Hamburg, Thüringen, Brandenburg und Bremen setzen sich in einer seit 2017 laufenden Bundesratsinitiative für die Abschaffung des Paragrafen 219a ein. Die Große Koalition im Bund ist sich zu diesem Thema weiterhin nicht einig.

(Zuruf von Martina Tegtmeier, SPD)

Die SPD, eigentlich für die Abschaffung des Paragrafen 219a, lässt sich von der CDU unterbuttern und zog den selbst ausgearbeiteten Gesetzentwurf zur Aufhebung wieder zurück, um das Koalitionsklima nicht zu gefährden.

Das halte ich bei einer solchen Thematik für mehr als fragwürdig, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir hoffen inständig, dass sich dies hier in Mecklenburg-Vorpommern anders verhält und die SPD nicht wie beim letzten Mal

unseren Antrag ablehnt. Wir wollen Sie, werte Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen, bitten, Ihr Gewissen entscheiden zu lassen, und fordern daher auch namentliche Abstimmung zu unserem Antrag.

(Zuruf vonseiten der Fraktion der AfD: Sehr gut!)