die wie die Präsidentin des Deutschen Juristinnenbundes im Paragrafen 219a einen „unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsfreiheit“ sehen, darf man allerdings die Frage stellen, wie sie das Schutzziel des Paragrafen 219a auf andere Weise erreichen wollen, ganz abgesehen davon, dass es viele andere gesetzliche Einschränkungen von Werbung gibt, beispielsweise mit dem Ziel des Kinder- und Jugendschutzes, die ebenso wie Paragraf 219a keinen Verstoß gegen die Berufsfreiheit darstellen. Denn eines liegt doch auf der Hand: Wäre dies beim Paragrafen 219a tatsächlich der Fall, er wäre längst vor dem Bundesverfassungsgericht angegriffen worden.
Meine Damen und Herren und sehr geehrte Damen und Herren der Linksfraktion, erlauben Sie mir die Frage, wo konkret die Informationsfreiheit von Frauen durch den Paragrafen 219a eingeschränkt wird,
wo konkret sie entmündigt werden, wo konkret – so der Wortlaut in Ihrer Antragsbegründung – „ihre Gesundheit und mitunter sogar ihr Leben“ gefährdet werden. Die Antwort ist einfach: Die Fälle gibt es nicht.
Jede Frau in einer Notlage kann sich an Fachärzte und die Beratungsstellen wenden, deren Adressen und Telefonnummern über sämtliche Medien verfügbar sind. In Mecklenburg-Vorpommern gibt es ein flächendeckendes und wohnortnahes Netz aus 42 Beratungsstellen. Diese lösen den Rechtsanspruch auf Beratung nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz vorbildhaft ein. Die Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen erbringen mit ihrer psychosozialen Beratung im Falle eines Schwangerschaftskonfliktes eine ganz eigenständige Beratungsleistung, eine Beratungsleistung, die unabhängige und sachlich fundierte Informationen anbietet, zugleich aber auch Wege zur Fortsetzung der Schwangerschaft aufzeigt. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dieser Beratungsstellen möchte ich an dieser Stelle für ihre vorbildliche Arbeit auch ausdrücklich danken.
(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU und Jens-Holger Schneider, AfD – Zuruf von Karen Larisch, DIE LINKE)
Ebenso möchte ich an Frauen und Männer, die sich im Zusammenhang mit der Schwangerschaft in einer schwierigen Situation befinden, den Appell richten, Beratung und Hilfe vor, während und nach der Schwangerschaft anzunehmen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend auf den eigentlichen Grund der Bestrebungen, den Paragrafen 219 abzuschaffen, eingehen. Es geht nicht um das Werbeverbot an sich. Hier sehen übrigens auch die meisten Ärzte keinen Handlungsbedarf. Es geht auch
nicht um die Einschränkung der Informationsfreiheit von Frauen. Angesichts der vielfältigen Möglichkeiten, sich heutzutage über Schwangerschaftsabbrüche zu informieren, ist diese Behauptung nicht nur absurd, sondern geradezu lächerlich. Bei der Suche im Internet finden sich sofort Seiten wie beispielsweise „familienplanung.de“, ein Informationsangebot der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Ich bin doch ein wenig gespannt, ob mir jemand erklären kann, welcher Informationsbedarf auf dieser Seite oder bei ähnlichen Angeboten noch offenbleibt. Tatsache ist, es gibt hinsichtlich sachlicher Informationen über Schwangerschaftsabbrüche kein Tabu
und angesichts von immer noch 100.000 Abtreibungen im Jahr ganz offensichtlich kein Informationsproblem.
Meine Damen und Herren, worum es den Gegnern des Paragrafen 219 tatsächlich geht, sind die gesetzlichen Bestimmungen zum Schwangerschaftsabbruch an sich. Dies wird mehr als offensichtlich, wenn im Zusammenhang mit dem 219a-Paragrafen Phrasen aus den 70erJahren wie „Mein Bauch gehört mir“ erklingen.
(Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE: Das ist ja...! – Zurufe von Horst Förster, AfD, und Dr. Ralph Weber, AfD)
Meine Damen und Herren, für die Regelung des 219a gilt wie für andere Bestimmungen, die den in Artikel 1 unseres Grundgesetzes garantierten Schutz der Menschenwürde sicherstellen sollen, man kann über Einzelheiten diskutieren, auch anderer Meinung sein, unerlässlich ist jedoch, die langfristigen gesellschaftlichen Wirkungen von Veränderungen zu bedenken. Dies gilt für den Schutz des ungeborenen Lebens ebenso wie für ethische Fragen im Zusammenhang mit Gentechnik, Robotik und künstlicher Intelligenz. Einfache, scheinbar auf der Hand liegende Wege bergen die Gefahr, die langfristig möglicherweise negativen Auswirkungen zu übersehen.
Meine Damen und Herren, für meine Fraktion ist der Schutz des ungeborenen Lebens ein Wesensmerkmal unserer politischen Haltung. Das Selbstbestimmungsrecht der Frauen unterliegt immer auch der Abwägung gegenüber dem Schutz des ungeborenen Lebens. Wer diesen vom Bundesverfassungsgericht wiederholt postulierten Grundsatz nicht akzeptiert, wird weiter gegen Regelungen wettern, die den Schutz des ungeborenen Lebens sicherstellen sollen.
Meine Damen und Herren, die CDU wird diesen Grundsatz niemals aufgeben, daher werden wir auch weiterhin der Abschaffung des Werbeverbotes für Schwangerschaftsabbrüche entgegenstehen. Die damit verbundene Normalisierung und Verharmlosung von Schwangerschaftsabbrüchen wäre ein gesellschaftlich fatales Signal. Die Beibehaltung des Paragrafen 219a ist nicht nur ein rechtspolitisches Gebot, sondern vor allem auch ein ethisches, an dem die CDU entschieden festhält. Den vorliegenden Antrag lehnen wir daher ab. – Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch wir lehnen den Antrag nach wie vor ab. Wir hatten ja den ähnlichen Antrag schon im letzten Jahr. In der Überschrift des Antrages heißt es in diesem Jahr statt, Zitat, „Umfassende Schwangerschaftsberatung gewährleisten“, Zitatende, nun, Zitat, „Selbstbestimmungsrechte von Frauen stärken“, Zitatende. Aber auch nach dieser Etikettenänderung ist leider wieder festzustellen, die andere Seite Ihres Antrages verschweigen Sie: die Rechte des ungeborenen Lebens. Ein Schwangerschaftsabbruch bedeutet die Tötung des ungeborenen Lebens. Auch dieses Leben steht unter dem Schutz unserer Verfassung und folgerichtig ist der Schwangerschaftsabbruch in der Systematik des Gesetzes ein Tötungsdelikt. Und es ist doch folgerichtig, Werbung für ein Tötungsdelikt zu verbieten.
Warum will ein Arzt überhaupt Werbung für eine Abtreibung machen? Welchen Zweck hat das? Weil er ein selbstständiger Unternehmer ist? Sie sagen, man will nur darüber informieren, aber das erledigt doch schon die Schwangerschaftsberatung, und die sollte immer für alle Betroffenen die erste Anlaufstelle sein. Eine Information durch den Arzt ist also gar nicht nötig.
Insofern fand ich auch die Rede von Ihnen, Frau Ministerin Drese, widersprüchlich. Auf der einen Seite loben Sie die Schwangerschaftsberatung, die eine hervorragende Arbeit macht, auf der anderen Seite sagen Sie, die Informationen reichen nicht, die Ärzte sollen das auch machen. Das verstehe ich nicht. Denn wer eine Abtreibung in Erwägung zieht, muss sich beraten lassen und vor dem Eingriff einen Nachweis über diese Beratung erbringen. Diese Beratung, das ist das Entscheidende, erfolgt unabhängig. Der Arzt, der den Abbruch durchführt, ist von dieser Beratung ausgeschlossen. Ein Arzt ist eben kein unabhängiger Berater.
Und nun sagen einige, bloße Informationen müssten doch erlaubt sein, nur Werbung sollte verboten bleiben. Auch das lehnen wir ab, denn – da schließe ich mich meiner Vorrednerin Frau Friemann-Jennert an – der Streit, wann wird aus einer Information Werbung, ist vorprogrammiert. Eine Information kann immer auch Werbung sein.
Lassen Sie uns stattdessen Werbung für das Leben machen! Lassen Sie uns die Bedingungen für Kinder und Eltern in unserem Land verbessern! Hier gibt es wahrlich noch genug Baustellen. – Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Für mich ist der Paragraf 219a ein Paradebeispiel deutscher Doppelmoral. Und ich finde in der Tat – wie auch, ich glaube, alle Mitglieder meiner Fraktion –, dass dieser Paragraf eigentlich keine Lebensberechtigung hat. Wir haben zwar nicht die gleichen Schlussfolgerungen wie die Fraktion DIE LINKE als Begründung, aber ich will das auch anders tun.
Wir haben in der deutschen Rechtslage grundsätzlich erst mal das Verbot abzutreiben. So weit, so gut. Aber dieses Verbot ist an zwei Stellen aufgehoben worden: einmal die medizinische Indikation, wenn Leib und Leben der Mutter gefährdet sind, und wir haben auch die Zeitabfolge, also innerhalb einer bestimmten Frist bleiben die Abtreibungen straffrei. Daher ist es für mich eine Doppelmoral, wenn es verboten ist, dass Ärzte in ihrem Leistungskatalog die Abtreibung mit aufführen.
Es gab am 23. August eine sehr interessante „Kontraste“Sendung. In der wurde nämlich genau dieses Thema einmal umfänglich beleuchtet. Das wurde eingeleitet mit der Aussage, dass es in ganz Niederbayern nur noch einen einzigen Arzt gibt, der ungewollt Schwangeren hilft. Ein einziger Arzt! Will eine Frau in Trier eine Schwangerschaft abbrechen, muss sie bis ins Saarland fahren. Immer öfter geraten Frauen in Not, weil immer weniger Ärzte Schwangerschaftsabbrüche vornehmen.
Und das hat erst mal gar nichts zu tun mit dem Anspruch „Mein Bauch gehört mir“ oder sonst was, sondern das hat ganz einfach damit zu tun, dass wir nach deutscher Rechtslage 100.000 Frauen im Jahr haben, die rechtlich zulässig Schwangerschaftsabbrüche für sich in Erwägung ziehen
und deswegen auch Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen selbstverständlich aufsuchen müssen. Deswegen sage ich, es ist eine Doppelmoral.
Und den Hinweis oder die Tatsache, alle Leistungen, die man anbietet, in dem Leistungskatalog aufzuführen, gleich als unbotmäßige Werbung in diesem Zusammenhang zu bezeichnen, darüber kann man trefflich streiten. Mein Fraktionskollege und Vorsitzender hat den Ausführungen von Professor Weber hier schon vehement widersprochen.
Die Problematik wird noch an ganz anderer Stelle deutlich. Schwangerschaftsabbrüche gehören nicht überall zur Regelausbildung der Studenten in der Medizin. Das ist nicht so. Auch das kam bei dieser Sendung, die ich eben schon mal angesprochen habe, zutage. Da hat sich nämlich eine Studentin fürchterlich darüber echauffiert, dass es doch gar nicht sein könne, dass, wenn 100.000 Frauen betroffen sind, es also um ein so relevantes Thema geht, dass Studentinnen und Studenten in sechs Jahren Studium diesen Vorgang überhaupt nicht lernen. Aus Protest
organisierte sie zum Beispiel seit einiger Zeit Praxiskurse. Da werden Berufsanfängerinnen und -anfänger darauf vorbereitet, eben Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen. Und ich halte das für eine sehr schwierige Kiste. Entweder, ein Verbot besteht konsequent für alles, oder aber, wir haben Fachpersonal, das Schwangerschaftsabbrüche auch sicher und für die Beteiligten möglichst..., nicht schmerzfrei, aber möglichst schadensfrei durchführt, oder aber, es ist andersherum. Und in diesem Fall – ich sage es noch mal – ist das für mich hier eine typische deutsche Doppelmoral.
Wir haben heute Morgen schon über verschiedene andere Bereiche beim Thema „100 Jahre Frauenwahlrecht“ gesprochen. Da haben wir andere Themen in diesem Zusammenhang angesprochen, die genauso als Doppelmoral bezeichnet werden können. Auf der einen Seite ist das Recht da, auf der anderen Seite wird es durch andere Regelungen wieder ausgebremst oder auch praktisch widerlegt.
Wir sind als SPD-Landtagsfraktion für die Abschaffung des Paragrafen 219a. Zu Recht wurde hier schon vorgetragen, dass unsere Bundestagsfraktion dazu bereits einen ausformulierten Antrag vorgelegt hatte, der leider wieder zurückgezogen worden ist. Nichtsdestotrotz stehen wir dazu: Aus unserer Sicht muss der Paragraf 219a Strafgesetzbuch weg. – Vielen Dank.