Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf der Landesregierung auf Drucksache 7/2798 zur federführenden Beratung an den Wirtschaftsausschuss und zur Mitberatung an den Finanzausschuss zu überweisen. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Wer stimmt
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 4: Erste Lesung des Gesetzentwurfes der Fraktion DIE LINKE – Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Wahlen im Land Mecklenburg-Vorpommern, Drucksache 7/2812.
Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Wahlen im Land Mecklenburg-Vorpommern (Erste Lesung) – Drucksache 7/2812 –
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Landtag hat sich mit kaum einem Thema so lange und so intensiv befasst wie mit der Frage der Absenkung des Wahlalters bei Landtagswahlen auf 16 Jahre. Die jeweiligen Argumente liegen auf dem Tisch. Sie sind mit allen denkbaren Expertinnen und Experten gründlich erörtert worden. Nur eine Entscheidung ist nach all den Jahren immer noch nicht gefallen, und das ist, ob wir es einführen.
Sehr geehrte Damen und Herren, wie wir alle wissen, scheiterten bisher alle Initiativen zur Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre an den Fraktionen von SPD und CDU. Die Gesetzentwürfe und Anträge der Opposition wurden stets abgelehnt, denn SPD und CDU konnten oder wollten sich nicht einigen. Zuletzt hat die Regierungskoalition unseren Gesetzentwurf im Januar dieses Jahres abgelehnt. Sogar die Überweisung des Gesetzentwurfes zur weiteren Beratung in die Fachausschüsse hatten SPD und CDU damals abgelehnt – eine sehr unfeine Art und Weise, die sich wahrscheinlich heute wiederholen wird.
Sehr geehrte Damen und Herren, heute unternimmt meine Fraktion erneut einen Versuch, denn den ursprünglichen Plan der Regierung, das Thema durch diese komische Volksbefragung entscheiden zu lassen, können SPD und CDU sich nun abschminken.
Die Volksbefragung wurde von allen Verfassungsrechtlern förmlich in der Luft zerrissen. Die Volksbefragung ist damit erledigt.
(Jochen Schulte, SPD: Frau Bernhardt, das Landesverfassungsgericht hat genau das Gegenteil erzählt.)
Sehr geehrte Damen und Herren, es ist daher an der Zeit, heute und hier im Parlament Farbe zu bekennen: Wollen wir nun die Absenkung des Wahlalters bei Landtagswahlen auf 16 Jahre oder wollen wir sie nicht? Die Antwort ist unsere Aufgabe als gewählte Abgeordnete. In unserer Gesetzesbegründung haben wir die wesentli
chen Argumente dafür und dagegen aufgeführt. Wir haben dargelegt, dass die Argumente gegen eine Absenkung des Wahlalters nicht überzeugen, so etwa die Behauptung, Jugendliche im Alter von 16 und 17 Jahren seien für eine verantwortungsvolle Wahlentscheidung noch nicht reif, sie seien leichter zu manipulieren, sie neigten zu Extrempositionen, seien nicht genug an Politik und Wahlen interessiert.
Sehr geehrte Damen und Herren, selbstverständlich gibt es solche und solche Fälle, aber ebenso bei anderen Menschen jeglichen Alters. Das gilt nicht nur für 16- und 17-Jährige. Vor allem aber zeigen die Erfahrungen in den Bundesländern, in denen Jugendliche seit Jahren ab 16 Jahren den Landtag wählen dürfen, dass sich gerade diese Befürchtungen nicht bestätigt haben. Oder sind etwa die Landtage zum Beispiel in Brandenburg radikaler zusammengesetzt als in Sachsen-Anhalt oder in SchleswigHolstein radikaler als in Niedersachsen? Negative Auswirkungen auf das Wahlergebnis waren nirgendwo zu beobachten, so auch nicht in Bremen oder in Hamburg.
Sehr geehrte Damen und Herren, meine Fraktion möchte Jugendliche frühzeitiger für Politik interessieren. Jugendliche sollen sich frühzeitiger mit Demokratie befassen, sich mit ihr identifizieren und für sie engagieren können. Dazu gehört aber gerade auch der Gang zur Wahlurne. Und eines sagen uns die Experten auch: Es gibt keinen Zweifel, dass 16 und 17 Jahre alte Menschen über die notwendige Entscheidungs- und Urteilsfähigkeit verfügen, die ein Wahlrecht erfordert. Diverse wissenschaftliche Untersuchungen belegen dies und sprechen sich konkret für das Wahlalter 16 aus.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte noch ein letztes Argument anführen, für das der Landtag vor fast zehn Jahren selber gesorgt hat. Seit 1999 besteht in Mecklenburg-Vorpommern das aktive Wahlrecht bei Kommunalwahlen ab dem vollendeten 16. Lebensjahr.
Die Gesetzesänderung verfolgte das Ziel, den jüngeren Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit zu geben, verstärkt an kommunalen Entscheidungsprozessen teilzuhaben. Was also bei der Wahl von Kommunalvertretungen, von Landräten und Bürgermeistern gilt, muss doch auch bei Landtagsabgeordneten genauso möglich sein.
Kommunalwahlen sind doch nicht weniger wichtig als Landtagswahlen. Oder setzen wir uns über Landräte oder Bürgermeister hinweg? Ich hoffe mal, die Antwort ist Nein.
Sehr geehrte Damen und Herren, die Zeit für ein klares Bekenntnis ist also gekommen. Ich fordere daher SPD und CDU auf, sich nicht länger vor einer Entscheidung zu drücken und auf diese komische Volksbefragung zu hoffen. Diese Hintertür ist zusammengefallen wie ein Kartenhaus.
Bemühen Sie sich nicht erst wieder um Wiederaufbau. Es würde ohnehin gleich wieder zusammenbrechen. Diese Konstruktion weist einfach zu viele Mängel auf. Das
kann nicht funktionieren. Verwenden Sie lieber Ihre Kraft dafür, Ihrer Verantwortung nachzukommen und hier im Parlament zu entscheiden. Dafür wurden wir alle gewählt. Und wenn Sie immer noch unsicher sind, ob Sie für eine Absenkung sind oder dagegen, hören Sie doch wenigstens auf den Landesjugendring oder den Landkreistag oder den Städte- und Gemeindetag oder, oder, oder! Sie alle unterstützen die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre bei Landtagswahlen. Und wenn Sie nach alledem immer noch keine klare Haltung haben, dann stimmen Sie zumindest der Überweisung des Gesetzentwurfes in die Fachausschüsse zu! Hier können wir Experten einladen und sie anhören. Meine Fraktion steht bereit. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Frau Kollegin Bernhardt, was Sie hier heute treiben, ist Spiegelfechterei, und weil das nun ein vielleicht etwas altbackener Ausdruck ist, aber in der Sache durchaus passend, und der eine oder andere der Kolleginnen und Kollegen nicht weiß, was mit „Spiegelfechterei“ vielleicht gemeint sein könnte: Das ist das übertriebene Verhalten zur Täuschung anderer.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, worüber reden wir denn eigentlich heute? Wir haben die Situation, dass die Koalitionsfraktionen einen Entwurf eingebracht haben zur Änderung der Landesverfassung – und ich gehe deswegen jetzt darauf ein, weil die Kollegin Bernhardt es selber angesprochen hat –, einen Entwurf eingebracht haben zur Änderung der Landesverfassung, Entwürfe eingebracht haben zu entsprechenden Ausführungsgesetzen, mit einem Hintergrund, und dieser Hintergrund, das ist immer auch in diesem Raum kommuniziert worden, war unter anderem der Punkt, dass wir die Menschen in diesem Land dazu befragen wollten, ob sie denn tatsächlich auch bei Landtagswahlen für das aktive Wahlrecht Wahlalter 16 haben wollen.
sehr geehrter Kollege Ritter, die Koalitionsfraktionen, und auch das ist hier gesagt worden, haben sich im Vorfeld immer darauf verständigt, wenn die Bevölkerung in diesem Land das möchte, dann werden wir das umsetzen, aber – und das sage ich an dieser Stelle auch ganz deutlich –, wenn Frau Kollegin Bernhardt an dieser Stelle die Dreistigkeit hat, die Dreistigkeit hat zu sagen,
man solle doch bitte Experten dazu anhören, wen soll man denn anhören, wenn nicht diejenigen, die betroffen sind?
Wer ist denn in diesem Land mehr Experte als die, die tatsächlich das Wahlrecht ausüben wollen oder tatsächlich ausüben?
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir reden eben nicht über Kommunalwahlen. Wir reden nicht über Kommunalwahlen, wir reden über Wahlen zu einem Parlament, und dieses Parlament ist kein Parlament minderer Qualität. Das ist genauso ein Parlament, Sie sind genauso Abgeordneter wie jeder andere Abgeordnete in Deutschland in jedem anderen Parlament, übrigens auch im Bundestag. Damit will ich mal deutlich machen, worüber wir denn eigentlich auch verfassungsrechtlich reden. Wir haben es hier in Mecklenburg-Vorpommern nicht in unserer Landesverfassung stehen. Aber ich will es mal an einem Beispiel deutlich machen. Das Wahlalter 18 hat so einen hohen Wert oder das Wahlalter als solches hat einen so hohen Wert – über die Altersbeschränkung kann man dann ja tatsächlich diskutieren –, aber das Wahlalter als solches hat einen so hohen Wert, dass es im Grundgesetz verankert ist, in Artikel 38 Absatz 2. Dort steht nämlich, was die Parlamentswahlen zum Deutschen Bundestag angeht, dass es tatsächlich ab dem 18. Lebensjahr ist.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, das hat ja auch seinen Grund, denn wenn wir in diesem Haus immer über Demokratie reden, über Beteiligung von Menschen, über die verfassungsrechtlichen Grundlagen unser aller Tuns – wir sind hier doch nicht losgelöst, wir sitzen hier als Vertreter derjenigen in diesem Land, die wählen –, dann ist die Gewalt, die in diesem Parlament sich fokussiert, doch das aktive Wahlrecht dieser Menschen in diesem Land. Es ist die Grundlage jedes verfassungsmäßigen Verhaltens in diesem Land, dieses Parlamentes. Und wenn nicht bei dieser Frage, wer in diesem Land das aktive Wahlrecht bei Parlamentswahlen ausüben sollte, bei welcher Frage wollen wir denn die Menschen überhaupt noch beteiligen? Das ist die Grundlage unseres ganzen politischen Verhaltens.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wenn man das nicht will, wenn man die Menschen in diesem Land nicht
daran beteiligen will, und zwar sowohl diejenigen, die schon das Recht zu wählen haben, als auch diejenigen – und das war der erklärte Wille der Koalitionsfraktionen –, auch diejenigen,