Protokoll der Sitzung vom 22.11.2018

Natürlich muss auch die Offenhaltung der Landschaft durch Beweidung gewährleistet werden, damit seltene Bodenbrüter hier ihren Lebensraum finden. Wie die Schäfer das leisten sollen, kein Thema für die Naturschützer. Dass Schäfer sich bereits jetzt selbst ausbeuten und weit unter dem Mindestlohn verdienen, nicht das Problem der Naturschutzverbände. So einfach dürfen wir es diesen Verbänden zukünftig nicht mehr machen. Es ist ihre Pflicht zu erklären, wie ihre Forderungen, die sich manchmal diametral gegenüberstehen, praxistauglich und finanzierbar umgesetzt werden können.

Zu klären wäre auch, ob dem Naturschutz als Ganzem verpflichtete Verbände eine Kreatur höher bewerten dürfen als andere. Was ist mit dem Leid der Schafe oder anderer Weidetiere, die nach Wolfsangriffen teilweise über Stunden schwer verletzt auf der Koppel liegen? Was ist mit dem Muffelwild, dessen drohende Ausrottung durch den Wolf stillschweigend in Kauf genommen wird? Ist der Wolf vielleicht auch deshalb so wichtig für manche Naturschutzverbände, weil sich mit ihm Geld verdienen lässt und hauptamtliche Tätigkeit in Größenordnungen finanziert wird?

(Beifall vonseiten der Fraktionen der CDU, Freie Wähler/BMV und Jürgen Strohschein, AfD)

Bei all diesen Punkten sind diese Verbände Antworten schuldig geblieben, und das sollte nicht länger hingenommen werden. Vor allem dürfen sie mit ihrer Lobbyarbeit nicht verhindern, dass Mecklenburg-Vorpommern den Schulterschluss mit anderen betroffenen Bundesländern sucht, denn, es tut mir leid, eine andere Begründung, warum wir der Bundesratsinitiative von Niedersachsen, Brandenburg und Sachsen weder beigetreten sind noch sie aktiv unterstützen, kann ich mir nicht vorstellen.

Lassen Sie es mich noch einmal wiederholen: Wenn es nicht kurzfristig gelingt, zu Entlastungen in den besonders betroffenen Gebieten zu kommen, dann brauchen wir dort über Glaubwürdigkeit in der Politik nicht mehr zu reden. Ich selbst habe jahrelang versucht, rechtzeitig eine Diskussion über absehbare Entwicklungen in Gang zu setzen,

(Minister Dr. Till Backhaus: Und was ist dabei rausgekommen? Nichts!)

die in Handlungsoptionen mündet, mit mäßigem Erfolg.

(Minister Dr. Till Backhaus: Nichts!)

Natürlich, wenn man sich die Äußerungen von Verantwortungsträgern zu den angesprochenen Problemen über einen langen Zeitraum vergegenwärtigt, dann hat es eine Entwicklung und einen Erkenntnisgewinn gegeben, aber wenn das nicht kurzfristig verändert wird oder überhaupt zu Handeln in Form von Eingriffen führt, dann bekommt nicht nur der Naturschutz, sondern auch die Politik als Ganzes ein riesiges Akzeptanzproblem.

(Der Abgeordnete Peter Ritter pfeift.)

Unser Land, das ist meine feste Überzeugung, muss alle Möglichkeiten wahrnehmen, die geeignet sind, die notwendigen Änderungen herbeizuführen, wenn nötig auch im Alleingang, und darüber hinaus vehement bei Bund und EU den Finger in die Wunde legen.

Abschließend möchte ich allerdings Erwartungen dämpfen, dass die Bundesratsinitiative eine Lösung für alle bestehenden Probleme wäre. Sie ist allenfalls ein Schritt in die richtige Richtung. Und, wie gesagt, es ist immer gut, sich mit besonders Betroffenen zusammenzuschließen und mit einer Stimme zu sprechen in einem Bund, der sich in der Vergangenheit als dem Problem relativ wenig aufgeschlossen gezeigt hat. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der CDU, AfD und Freie Wähler/BMV)

Für die Fraktion DIE LINKE hat jetzt das Wort der Abgeordnete Dr. Weiß.

(Tilo Gundlack, SPD: Herr Weiß sagt erst mal, wie viele Wölfe es gibt! Glückwunsch zu dieser Krawatte! – Bernhard Wildt, Freie Wähler/BMV: Der mit dem Wolf tanzt!)

Nein, lieber Herr Kollege, das ist keine Krawatte, das ist mein Namensschild. Ich habe darauf auch schon mal hingewiesen, es ist ein

weißer Wolf. Selbst, wenn Sie „weiß“ dann nur mit einem „s“ schreiben, selbst dann wird es stimmen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr gut, Wolfgang!)

Gut, das braucht jetzt ein bisschen bei alten Männern,

(Tilo Gundlack, SPD: Ja, schon klar! – Peter Ritter, DIE LINKE: Vor allem um diese Uhrzeit!)

aber junge Kinder, die nach Gehör schreiben lernen, Herr Wildt, werden das auch nicht verstehen.

(Heiterkeit bei Bernhard Wildt, Freie Wähler/BMV)

Das ist ein anderes Thema, kommen wir zurück zum Wolf.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich hätte mich beinahe verwettet, ich habe gedacht, wir kriegen es erst in der nächsten Runde, aber dass es so schnell wiederkommt – man könnte sagen, vierteljährlich grüßt der Murmelwolf.

(Tilo Gundlack, SPD: Der Muffelwolf.)

Okay, in den letzten Wochen, das stimmt natürlich, ist das Thema Wolf hochgekocht, ausgelöst durch erhebliche Rissschäden in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg sowie durch Diskussionen in der Agrarministerkonferenz, im Bundesrat, dem Bundestag. Herr Dr. Backhaus hat darüber berichtet.

Wieder brachten sich Naturschutz und Weidetierhaltung gegenseitig in Stellung und reflektorisch springt Herr Borschke an und spielt dabei sehr gekonnt mit irrationalen Ängsten. Das muss man erst mal nachmachen! Nun, das ist auch sein gutes Recht, es ist auch seine Pflicht, wenn es um gute Lösungen für echte Probleme geht.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das ist Kunst.)

Aber unabhängig davon, wie oft wir uns in den letzten zwei Jahren mit diesem ernsten Thema beschäftigt haben, weder an der Sachlage hat sich qualitativ – ich sage bewusst qualitativ, nicht quantitativ – etwas geändert, jedenfalls nichts Gravierendes, noch legt Herr Borschke neue Vorschläge auf den Tisch. Da war die „OstseeZeitung“ vom Montag informativer, ehrlich. Der Minister sprach schon davon, Usedom gehört jetzt auch zum Wolfsgebiet dazu. Wir können jetzt vielleicht noch ein bisschen spekulieren, wann die anderen Inseln, Rügen –

(Bernhard Wildt, Freie Wähler/BMV: Auf keinen Fall.)

Herr Lenz sprach von einem Fall, der noch ungeklärt ist –, Poel, Hiddensee, wir können sie alle durchdeklinieren, dazugehören. Kommt ein kalter Winter, dann ist Eis, dann laufen die Tiere auch da rüber.

(Tilo Gundlack, SPD: Gibt es auf Hiddensee einen Wolf? – Peter Ritter, DIE LINKE: Noch nicht!)

Warum nicht? Die Rehe laufen im Winter ja auch über das Eis.

(Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE: Der liegt dann bei Kreibohm vor der Tür und heult den Wetterbericht.)

Die Kinder werden dann möglicherweise einen ganz anderen Spaß haben.

(Zuruf von Tilo Gundlack, SPD)

Nein, ich mache darüber keine Witze. DIE LINKE sucht viel lieber praktikable Wege zum pragmatischen Umgang mit der sich gut, manche sagen, zu gut entwickelnden Wolfspopulation in Deutschland.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Bundestagsfraktion gab zum Beispiel ein Gutachten beim Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages in Auftrag, um eine Bewertung der Vorschläge des Bauernbundes vornehmen zu lassen, sogenannte wolfsfreie Zonen in Deutschland zu ermöglichen. Ich will darüber jetzt nicht spekulieren, ob das irgendwie nach national befreiter Zone klingt, entspringt aber vielleicht der gleichen Logik. Vielleicht!

(Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE)

Ich erinnere nur mal daran, dass bis vor wenigen Jahren ganz Deutschland eine einzige wolfsfreie Zone war, da unsere Vorfahren dieses Raubtier aus ganz eigennützigen Gründen hierzulande ausgerottet hatten. Ich halte es da lieber mit den Forderungen meiner geschätzten Kollegin aus dem Bundestag, Frau Dr. Tackmann, die erst vorige Woche zum Thema sagte, ich zitiere: „Die Ausweisung einer wolfsfreien Zone auf Gemeindeebene“ – das war nämlich die Forderung vom Bauernbund – „widerspricht schon den Vorgaben der Flora-Fauna-HabitatRichtlinie und ist damit rechtlich nicht zulässig.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich erlaube mir eine Zwischenbemerkung zu diesem Zitat: Der Wolf kennt und akzeptiert keine politisch-administrativen Grenzen, weder auf Bundesebene noch auf Landesebene, ja, nicht mal auf Gemeindeebene.

(Dr. Till Backhaus, SPD: Es gibt ein ganz dickes Gutachten dazu.)

Ich möchte mal wissen, wer von Ihnen, wenn Sie mal in sich gehen, wer von Ihnen denn die Grenzen seiner Gemeinde genau kennt, über welchen Acker sie geht, durch welches Waldstück. Wir kennen zwar unsere Orte, aber die Gemeindegrenze, die kennt kaum jemand.

(Zuruf aus dem Plenum: Die kennt man.)

Ja, natürlich, ich habe da nichts anderes erwartet.

Ich zitiere weiter: „Das entlarvt die Kampagne des Bauernbundes als das, was sie ist: reiner Populismus auf Kosten der Weidetierhaltung. Der Wolf dient lediglich als Sündenbock für eine völlig verfehlte Agrarpolitik, die die Weidetierhalter seit Jahren im Stich lässt.“ Wie gesagt, das ist die gesamtnationale Sicht.

Verhaltensauffällige Wölfe hingegen können bereits jetzt entnommen werden. Ob sie abgeschossen werden oder vergiftet oder in der Falle gefangen werden, das ist dabei völlig egal. Diese Debatte ist eine Phantomdiskussion und Jagd auf Pappkameraden, die nur von der dringend

notwenigen Debatte ablenkt, dass endlich ein Rechtsanspruch auf Unterstützung bei Herdenschutzmaßnahmen gebraucht wird und natürlich auch eine angemessene Schadensregulierung.

Wir müssen zurückfinden zum Kern der Debatte, der existenziellen Not in der Weidetierhaltung – Zwischenbemerkung: und zwar mit und ohne Wolf. Das gilt auch für die bereits jetzt mehrfach angesprochenen Gefahren durch Attacken der Kolkraben zum Beispiel. DIE LINKE fordert hier ganz klar bundeseinheitliche und vollumfänglich finanzierte Herdenschutzmaßnahmen. Zudem brauchen wir eine Agrarpolitik, die die Weidetierhaltung als gesellschaftlich wichtige Arbeit wertschätzt. Insofern recht herzlichen Dank, Herr Dr. Backhaus, für den Sachstandsbericht. Zu dieser Wertschätzung gehören die Einführung einer Weidetierprämie, das muss man dazu natürlich auch sagen, und die verstärkte Förderung von Biotopverbünden, denn diese Flächen, wie zum Beispiel Randstreifen an Äckern, Wäldern, Gewässern, sind wichtige Voraussetzungen für wandernde Schafe.

Insgesamt lässt sich zusammenfassen, dass die Ausführungen des Ministers hier den Sachstand richtig beschrieben haben und im Unterschied zu anderslautenden Vermutungen lehnen wir den Antrag von Herrn Borschke ab. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)