Protokoll der Sitzung vom 22.11.2018

So, jetzt haben wir ein gutes Beispiel dafür, wie hier alle aufgepasst haben. Ich habe nämlich um Ruhe gebeten, das ist ja offensichtlich nicht mal durchgedrungen. Ich möchte meinen Hinweis eigentlich nicht noch mal wiederholen, aber ganz offensichtlich ist die Debatte doch so hitzig, dass es jetzt wieder mit der Zahl der Zwischenrufe dahin kommt, dass der Redner nicht mehr in seiner Argumentation zu verstehen ist. Es ist hier zu Recht – wenn auch unzulässigerweise – darauf hingewiesen worden, dass hier jeder noch Redezeit hat. Wenn dann also der dringende Bedarf besteht, ist hier die Möglichkeit, den Redner anzumelden. Aber ich bitte doch jetzt, den Rest der Debatte so diszipliniert zu absolvieren, dass der Redner jederzeit zu verstehen ist.

Bitte schön, Herr Renz, Sie können fortfahren.

Danke schön, Frau Präsidentin!

Ja, meine sehr geehrten Herren von der AfD, die Wahrheit ist bitter.

(Heiterkeit bei Andreas Butzki, SPD)

Die ist bitter wie Medizin, aber sie hilft.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Zuruf von Andreas Butzki, SPD)

Wenn die BMV zum heutigen Tage jetzt auch so tut, als wenn Sie schon immer dafür waren als Personen, dann bin ich schon gespannt auf Ihre Ausführungen.

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Nach meinem Erkenntnisstand ist es so, dass Sie 2017 Mitglied der AfD-Fraktion waren und genau für diese Kannregelung gekämpft haben. Insofern bin ich schon gespannt, wie Sie Ihren Erkenntnisprozess dann nachher hier darstellen werden. Ob er einzig und allein darauf zurückgeht, dass Sie sich jetzt „Freie Wähler“ nennen, das weiß ich nicht, das will ich Ihnen auch nicht unterstellen.

(Bernhard Wildt, Freie Wähler/BMV: Warten Sie ab!)

Ich bin schon auf eine gut ausgetüftelte Argumentationskette Ihrerseits gespannt.

Ich möchte an dieser Stelle der Koalition, den Fraktionen danken, weil die Fraktionen sind jetzt die Initiatoren, die die Lösung in diesem Parlament auf den Weg bringen werden. Diese Koalition handelt aus meiner Sicht ver

antwortungsvoll, weil es gibt unterschiedliche Dinge, die wir bei unseren Lösungen berücksichtigen müssen. Ich gehe davon aus, dass auch die Initiatoren der Volksinitiative eine gleiche Zielstellung haben wie wir, nämlich, dass in diesem Land notwendige Straßensanierungen weiter stattfinden müssen und werden.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Aus diesem Grunde handeln wir, wie wir handeln.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Und wenn gesagt wird vonseiten der LINKEN, Eckpunkte sind nicht bekannt, dann will ich Ihnen sagen, die Grundlage unserer weiteren Schritte sind tatsächlich konkrete Eckpunkte,

(Jeannine Rösler, DIE LINKE: Ja, wo sind sie denn?)

und wenn Sie die nicht kennen,

(Henning Foerster, DIE LINKE: Und welche denn?)

dann werde ich Ihnen die kurz vorstellen.

Erste Kernaussage ist: Die Straßenausbaubeiträge werden abgeschafft.

Zweite Aussage: Wir werden Geld an die Kommunen runterreichen in Form einer Investitionspauschale bezogen auf Gemeindestraßenkilometer.

Dritte Grundaussage: Zur Finanzierung werden wir die Grunderwerbssteuer von fünf auf sechs Prozent anheben.

Vierte und letzte Grundaussage: Wir werden über die Neuregelung und über Übergangslösungen, weil die sich sehr komplex darstellen, mit den kommunalen Spitzenverbänden, Städte- und Gemeindetag und Landkreistag, sprechen, diskutieren und vernünftige Lösungen dann dem Landtag hier vorlegen.

Das ist die Grundlage unseres Handelns. Das sind unsere vier Eckpunkte.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das ist ja konkret, ist das ja!)

Insbesondere die Komplexität von Übergangslösungen sage ich Ihnen voraus.

Ich weiß, Frau Rösler, Sie sehen das auch so,

(Andreas Butzki, SPD: Hat sie ja gesagt.)

und deswegen möchte ich Sie recht herzlich dazu einladen. Insbesondere bei diesem Punkt liegt viel Arbeit vor uns, und das werden wir in verantwortungsvoller Art und Weise für dieses Land als CDU und SPD angehen. Ich lade Sie ein, uns auf diesem Weg zu begleiten im Sinne der Volksinitiative.

Ich danke Ihnen, dass Sie mir zugehört haben, und kündige schon mal einen zweiten Redebeitrag an, der sich

dann noch einmal inhaltlich mit speziellen Dingen befassen wird. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion Freie Wähler/BMV der Abgeordnete Herr Borschke.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrtes Präsidium! Opposition ist eben nicht Mist, auch wenn die Regierungskoalition die Abschaffung der Straßenausbaugebühren als Erfolg ihrer Politik verbuchen will

(Andreas Butzki, SPD: Wir haben nicht von Gebühren, sondern von Beiträgen gesprochen, Herr Borschke. Gebühren sind was anderes.)

und die erfolgreiche Volksinitiative als besten Beweis funktionierender Demokratie und Mitbestimmung für sich reklamiert.

(Andreas Butzki, SPD: Ja, Jurist bleibt Jurist. – Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

Meine Damen und Herren, unsere Fraktion war die einzige hier im Landtag, die konsequent und zuletzt mit einem eigenen Entwurf

(Heiterkeit bei Andreas Butzki, SPD)

die vollständige Streichung des Paragrafen 8 KAG ohne Wenn und Aber gefordert hat.

(Beifall vonseiten der Fraktion Freie Wähler/BMV – Bernhard Wildt, Freie Wähler/BMV: Ganz genauso war das. – Heiterkeit vonseiten der Fraktion der CDU)

Ich hoffe, diesmal kriegt auch der NDR das mit, denn die Straßenausbaubeiträge, meine Damen und Herren, sind zutiefst ungerecht. Kosten der allgemeinen Daseinsvorsorge werden zwangsweise von Bürgern erbracht, die zufällig Grundstückseigentümer an den entsprechenden Straßen sind.

(Tilo Gundlack, SPD, und Martina Tegtmeier, SPD: Zufällig!)

Darüber hinaus gibt es weitere Ungerechtigkeiten im System. Während nämlich Vermieter die Straßenausbaubeiträge als Werbungskosten geltend machen können, kann ein privater Grundstückseigentümer, also auch ein Unternehmer, steuerlich überhaupt nichts absetzen, denn die Straße gehört ihm ja nicht. Positive Entscheidungen der Finanzgerichte zur Absetzbarkeit der in den Straßenausbaubeiträgen enthaltenen Lohnkosten wurden trotz Rechtskraft zum Beispiel durch einen sogenannten Nichtanwendungserlass des Bundesfinanzministeriums vom 09.11.2016 kassiert. So viel an dieser Stelle zum Thema Gewaltenteilung und Bindung der Verwaltung an Gesetze und Urteile der höchsten Gerichte des Landes. Mit diesem bezeichneten Erlass wurde festgelegt, dass Straßenausbaubeiträge eben nicht als haushaltsnahe Handwerkerleistungen geltend gemacht werden können.

Der systemische Widerspruch zeigt sich auch in einem äußerst aktuellen Urteil des Bundesfinanzhofes. In einem Verfahren wegen der steuerlichen Anerkennung eines Baukostenzuschusses an die Gemeinde hat der BFH entschieden, dass Steuerpflichtige nicht berechtigt sind, Steuerermäßigungen für Handwerkerleistungen in Anspruch zu nehmen. Die Begründung – und jetzt kommt es –, weil der Ausbau ja schließlich allen Nutzern zugutekommt. Der Kern dieser Entscheidung widerlegt die gängige Argumentation, der Anlieger erlange mit dem Straßenausbau einen wesentlichen persönlichen Vorteil, insbesondere erfahre sein Grundstück einen erheblichen Wertzuwachs.

Ein weiterer Gesichtspunkt: Aus Sicht der Freien Wähler/BMV ist schon die Finanzausstattung der Kommunen verfassungswidrig,

(Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

denn in steigendem Maße können sie nur unter Schwierigkeiten, wenn überhaupt, ihre Pflichtaufgaben erfüllen. Darauf hatte der Städte- und Gemeindetag des Landes immer wieder hingewiesen. Diese Lage hat auch eine weitere schwerwiegende Konsequenz: Selbst wenn die Kommunen über entsprechende Satzungen den Anliegern bis zu 90 Prozent der Gesamtkosten überbürden könnten, betreiben sie trotzdem keinen Straßenausbau, denn aufgrund der Kassenlage können sie mitunter nicht einmal den Eigenanteil in Höhe von 10 Prozent aufbringen. Nicht zuletzt werden circa 40 Prozent der erhobenen Beiträge bereits durch den mit der Erhebung verbundenen Verwaltungsaufwand aufgefressen. Außer Betracht bleiben die Folgekosten durch juristische Auseinandersetzungen wegen fehlerhafter Satzungen und/oder Bescheide.