Protokoll der Sitzung vom 23.11.2018

Die Missstände wurden dann in einem zweiten NDRBeitrag verschärft. Deshalb haben wir den Dringlichkeitsantrag

(allgemeine Unruhe – Glocke der Vizepräsidentin)

auf die Tagesordnung der letzten Landtagssitzung setzen lassen,

(Zuruf von Sebastian Ehlers, CDU)

weil wir von den Umständen erfuhren, die gegen gesetzliche Vorgaben verstießen. Der Dringlichkeitsantrag wurde auch damals natürlich von Ihnen abgelehnt und ich bin froh, heute noch mal über dieses Thema hier in der Landtagssitzung berichten und sprechen zu können. Ich wurde seitens eines Kollegen gefragt, warum wir den Antrag nicht zurückziehen. Ich kann ganz eindeutig sagen, darüber haben wir nicht im Entferntesten nachgedacht,

(Torsten Renz, CDU: Aber jetzt!)

weil erstens findet hier die öffentliche Debatte statt. Wir hatten das Thema, es beschäftigte die Öffentlichkeit und ich denke, dass es auch nur Pflicht ist, die Öffentlichkeit hierüber zu informieren.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Und zweitens,

(Zuruf von Sebastian Ehlers, CDU)

und zweitens ist es aus unserer Sicht so, dass die Darstellungen des Justizministeriums und die der Mitarbeiter einfach nicht übereinstimmen. Insofern ist es schade, dass auch hier SPD und CDU es leider abgelehnt haben, im Rechtsausschuss auch den Personalrat der Justizvollzugsanstalt Bützow zu hören. Dann hätte man den Sachverhalt noch weiter aufklären können und sich eine breitere Meinung bilden können.

Meine Damen und Herren, ich habe mittlerweile zweimal gemeinsam mit meiner Fraktionsvorsitzenden Simone Oldenburg –

(Torsten Renz, CDU: Genau. Wo ist die überhaupt?)

und zählt man den Gewerkschaftstag der Justizvollzugsbediensteten dazu,

(Zuruf von Sebastian Ehlers, CDU)

sogar dreimal – die JVA Bützow besuchen können, und auch das Justizministerium hat uns letzte Woche im Rechtsausschuss seine Sicht der Dinge geschildert.

(Heiterkeit bei Torsten Renz, CDU: Hat sie ihre Oppositionsarbeit schon eingestellt, oder was?)

Ich glaube also,

(Unruhe vonseiten der Fraktion der CDU – Glocke der Vizepräsidentin)

mir mittlerweile einen guten Überblick verschafft zu haben.

Die Missstände in dem offenen Brief lassen sich ganz einfach zusammenfassen: zu wenig Personal, eine überbelegte Anstalt und als Resultat daraus zum Teil unzureichende Resozialisierungsmaßnahmen mit Häftlingen, verwehrte Besuche von Angehörigen und Einschlusszeiten von bis zu 23 Stunden täglich. Der Bund der Strafvollzugsbediensteten und der Personalrat der Justizvollzugsanstalt Bützow haben die Vorwürfe weitgehend bestätigt. Insofern ist es einfach unredlich, zu versuchen, die Probleme herunterzuspielen, indem man den Verfasser des Briefes diffamiert. Ja, das ist ein Strafgefangener, aber ich frage Sie: Hat er damit alle Rechte verloren? Wir sagen, nein.

Im Rechtsausschuss wurde vom Justizministerium versucht, den Verfasser des offenen Briefes aufgrund seiner Vorstrafen in ein Licht zu stellen, wodurch seine Aussagen schon aufgrund dessen zweifelhaft erscheinen sollten. Mein sonst geschätzter Herr Kollege Ehlers blies dann ins selbe Horn

(Sebastian Ehlers, CDU: Genau.)

auf der Facebook-Seite meiner Fraktion. Er stellte dort die Frage, warum wir den Aussagen eines vorbestraften Betrügers denn mehr Glauben schenken als den Aussagen des Ministeriums.

(Zuruf von Sebastian Ehlers, CDU)

Auch hier noch mal die Frage, Herr Ehlers: Hat ein Gefangener aus Ihrer Sicht keine Rechte mehr? Verliert er sie automatisch? Wir sagen, nein.

(Zuruf von Sebastian Ehlers, CDU)

Zweitens. Weil die Aussagen in dem offenen Brief sowohl von dem Bund der Strafvollzugsbediensteten als auch von dem Personalrat der Justizvollzugsanstalt, also von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Justizvollzugsanstalt Bützow, bestätigt wurden, glauben wir dem einfach, sie wurden untersetzt und wir können sie mit Fakten belegen.

Und wenn Sie, Herr Ehlers, Ihr Elfenbeintürmchen im Schloss mal verlassen und beim Gewerkschaftstag beziehungsweise einer Ihrer Kollegen beim Gewerkschaftstag

(Sebastian Ehlers, CDU: Das war jetzt aber gerade ein wenig unfair, Frau Kollegin. Das wissen Sie auch.)

der Strafvollzugsbediensteten dabei gewesen wären, so wüssten Sie das.

Doch kommen wir zu den Fakten zurück. Zum ersten Punkt habe ich ausgeführt, dass die Ursachen der Missstände in zu wenig Personal in der Justizvollzugsanstalt Bützow liegen. Hier hat sogar das Ministerium bereits ein Defizit eingeräumt. Da gibt es zunächst ein strukturelles Defizit in der Form, dass das Budget des Finanzministeriums geringer ist als der Stellenplan des Kapitels 03 des Justizhaushaltes, hat Abteilungsleiter Jesse auf dem Gewerkschaftstag der Strafvollzugsbediensteten vorletzte Woche in Bützow mitgeteilt. Das „Nordmagazin“ hat hierzu berichtet. Das wussten wir natürlich schon vorher

lange, ich bin nur froh, dass das Justizministerium das jetzt auch mal offen anspricht.

Dann gibt es ein Defizit, weil zwar ein Großteil der Gefangenen der JVA Neubrandenburg nach Bützow verlegt wurde, das Personal aber dem nicht gefolgt ist. Sie können sich ja mal fragen, warum das so ist. Wir haben bereits in der Septembersitzung darauf hingewiesen, dass die Schließung der JVA Neubrandenburg überstürzt kam und dass die persönlichen Belange der Mitarbeiter zum großen Teil unberücksichtigt gelassen wurden. Dem wurde hier damals noch vehement widersprochen. Wer sich aber zu der JVA Bützow begibt, der kann selber feststellen, dass dort Gefangene hingehen mit hohen Suchtproblematiken, dass aber nicht in entsprechender Zahl Suchttherapeuten mitfolgten.

Damals wie heute vertritt das Ministerium offenbar die Auffassung, dass, wenn dieses Personal krank wird oder gar kündigt, die Schuld selbstverständlich bei den Beamten selbst liegt und das Ministerium aus der Pflicht ist. Die Beamten hätten schließlich einen Eid geleistet und wenn das Ministerium die Versetzung nach Bützow fordert, hätte dem jeder Beamte Folge zu leisten. Krank werden oder kündigen hat es nach Auffassung des Ministeriums nicht zu geben. Die Auffassung können Sie natürlich gern vertreten, aber letztendlich haben Sie dafür zu sorgen, dass ausreichend Personal in Bützow vorhanden ist, und wenn Sie sich bemühen müssen, aber ich sehe hier einfach, dass das nicht der Fall ist.

Es kommt natürlich hinzu, dass die JVA Bützow erheblich überbelegt ist.

(Thomas Krüger, SPD: Die Ministerin wird das klarstellen.)

Selbstverständlich ist hierfür die Verlegung der Gefangenen aus Neubrandenburg ursächlich. Da stellt sich dann aber die Frage, ob das Ministerium das nicht schon vorher wusste beziehungsweise nicht schon vorher hätte wissen können, denn das wäre seine Verantwortung gewesen.

Zur Frage des Ausfalls von Resozialisierungsmaßnahmen und verwehrter Besuche fehlen mir noch konkrete Zahlen. Aber auch diesbezüglich konnten wir sehen, als meine Kollegin Simone Oldenburg und ich die Justizvollzugsanstalt besucht hatten, dass schon allein aufgrund dieses Besuches und der Begleitung durch Strafvollzugsbedienstete beispielsweise Arbeitsmaßnahmen ausfallen mussten, weil dann diese Bediensteten fehlten, um dort zu sein.

Und zum Zweiten wurde es belegt. Aufgrund der ganzen öffentlichen Berichterstattung erreichen einen natürlich auch Briefe von Inhaftierten. Ein Inhaftierter berichtete beispielsweise, dass ihm bereits zugesagt wurde, man kann es seinen Haftvollzugsplänen entnehmen, zum 31.12.2017 entlassen zu werden. Aufgrund fehlender Resozialisierungsmaßnahmen ist das bis 2020 nicht möglich. Und genau das zeigt, dass auch der Ausfall von Resozialisierungsmaßnahmen sich hier niederschlägt.

Etwas genauer will ich noch darauf eingehen, dass Häftlinge regelmäßig für 23 Stunden pro Tag in ihren Hafträumen eingeschlossen wurden. Wie bereits gesagt, sollen Häftlinge in M-V regelmäßig in Einzelhafträumen untergebracht werden. Schließt man die jetzt für 23 Stunden täg

lich ein, kommt das einer Isolationshaft gleich. Dies ist aber nur unter engen Voraussetzungen zulässig und deshalb hat die Rechtsprechung das schon als Verstoß gegen die Menschenwürde abgetan. Natürlich muss man sich da die Gesamtumstände ansehen, bedenklich ist das aber aus unserer Sicht auf jeden Fall. Werte Kolleginnen und Kollegen, natürlich ist mir bewusst, dass die Sicherheit der Anstalt immer vorgeht, aber auch Menschenrechte von Strafgegangenen sind zu beachten.

Ich freue mich auf die Diskussion, hoffe auf weitere Aufklärung zu den Vorwürfen und danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat zunächst für die Landesregierung die Justizministerin Frau Hoffmeister.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Mit Ihrem Antrag, meine Damen und Herren von der Fraktion DIE LINKE, liegen Sie vollkommen neben der Sache.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der CDU und AfD)

Weder gibt es in der JVA Bützow etwas aufzuklären, noch ist der Justizvollzug in Mecklenburg-Vorpommern gesetzeswidrig. Das heißt nicht – das will ich an dieser Stelle gleich sagen –, dass wir mit allem in Bützow schon zufrieden wären. Wo es notwendig ist, werden wir daran arbeiten, natürlich dort weiter voranzukommen. Aber das Bild, sehr geehrte Frau Bernhardt, das Sie hier an die Wand malen, hat mit der Realität nichts zu tun.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und AfD – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)