Frauen, die spät oder nie ein Kind bekommen, werden stigmatisiert, da sie einer ihnen oktroyierten Pflicht, wie sie ja auch die Herren hier im Hohen Haus betonen, angeblich nicht nachkommen. Und Mütter, die viel arbeiten,
Frauen tragen auch im 21. Jahrhundert noch immer in zweifacher Weise zur gesellschaftlichen Reproduktion bei – durch Familienarbeit und durch marktvermittelte Arbeit. Dennoch sind die Strukturen so aufgebaut, dass Frauen bei all dem, was sie wuppen, dann noch den Kürzeren ziehen müssen. Die doppelte Vergesellschaftung der Frau wird oft unter den Tisch gekehrt und muss durch gute Strukturen und Rahmenbedingungen, Wertschätzung und eben die Gleichstellung der Geschlechter entschärft werden.
Diese Systematik muss durchbrochen werden. Konkrete Ansätze finden Sie dazu in unserem Antrag, falls Sie ihn gelesen haben, Herr Professor Dr. Weber.
Es ist nicht zu erkennen, dass die Landesregierung Gleichstellung tatsächlich voranbringen will. Die Umstrukturierung auf ministerieller Ebene weg von der Parlamentarischen Staatssekretärin hin zu einer Leitstelle im Sozialministerium hat die Gleichstellung im Land vor Jahren weiter geschwächt.
In Ziffer 327 des Koalitionsvertrages zwischen SPD und CDU heißt es, ich zitiere: „Die Koalitionspartner werden
die in der Landesverfassung festgeschriebene Gleichstellung von Frauen und Männern mit geeigneten Maßnahmen weiter vorantreiben und stärken.“ Zitatende. Aber um welche geeigneten Maßnahmen es sich bei der Landesregierung handelt, ist mir noch nicht ganz klar geworden.
Deshalb fordern wir nach nunmehr zwei Jahren in der 7. Wahlperiode, also quasi zur Halbzeit, dass die Landesregierung einen ressortübergreifenden Maßnahmenplan vorlegt. Wir wollen sehen, was Sie in Ihrem Koalitionsvertrag umsetzen wollen. Es ist nicht hinnehmbar, dass die Gleichstellung in diesen Zeiten auf Sparflamme läuft. Das ist nicht zu verantworten, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Punkt 2 – das ist eine Wiederholung –, Punkt 2 ist das gleichstellungspolitische Rahmenprogramm, das wir seit Jahren fordern. Klingt etwas hölzern, ist aber mit viel Leben unterfüttert, denn es plant die Implementierung von Geschlechtergerechtigkeit und die Rahmenbedingungen für eine Vielfalt verschiedenster Lebensmodelle in nahezu allen gesellschaftlichen Bereichen. Damit kann die Landespolitik in die Gesellschaft hineinwirken und Gleichstellung wirklich voranbringen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, in den nächsten Jahren sind Kommunal- und Europawahlen. In diesen bewegten Zeiten stellen sich mitunter Weichen in ungewollter Weise neu. Ein wesentlicher Baustein für mehr Demokratie ist, dass Frauen verstärkt für die kommunalen Vertretungen gewonnen werden. In Ziffer 334 des Koalitionsvertrages steht, ich zitiere wieder: „Die Koalitionspartner wollen mehr Menschen, insbesondere Frauen, für ehrenamtliches kommunalpolitisches Engagement gewinnen. Die politischen Stiftungen und kommunalpolitischen Vereinigungen sind hierfür ein wichtiger Partner und Impulsgeber.“ Zitatende.
Ich weiß nicht, ob die Koalitionspartner mit den politischen Stiftungen und kommunalpolitischen Vereinigungen alle politischen Stiftungen und kommunalpolitischen Vereinigungen gemeint haben oder nur ihre eigenen. In unserer kommunalpolitischen Vereinigung und der uns nahestehenden politischen Stiftung sind jedenfalls noch keine Erkenntnisse, Initiativen oder Ähnliches angekommen, aus denen man schließen kann, wie die Koalition plant, diesen Punkt der Koalitionsvereinbarung umzusetzen. Also was ist dahin gehend passiert? Welche Grundlage haben Sie für die Wahlen im nächsten Jahr gelegt? Dazu möchte ich gleich etwas von Ihnen hören, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Die Benachteiligung von Frauen in den Vertretungen auf kommunaler und auf Landesebene müssen ein Ende haben. Ursachen hinsichtlich sozioökonomischer Faktoren, institutioneller Rahmenbedingungen, vor allen Dingen auch der politischen Kultur müssen überwunden werden. Eine Änderung des Landes- und Kommunalwahlgesetzes Mecklenburg-Vorpommern ist die rechtliche Grundlage für die Erhöhung des Frauenanteils in den Kommunalvertretungen sowie im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern. Ziel ist die geschlechterparitätische Besetzung aller demokratischen Vertretungen.
Ich weiß das aus vielen Diskussionen der letzten Jahre. Ich weiß, Sie haben es ja auch gekonnt vermieden, dieses Thema in den vergangenen Jahren zu setzen, trotz EU-Richtlinie, trotz der Gleichstellung in der Landesverfassung, trotz der Verständigung auf die gleichstellungspolitische Strategie Gender-Mainstreaming im Land und dem Gender Budgeting als Instrument zur Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit über die öffentlichen Haushalte. Was in Bundesländern wie Hamburg, RheinlandPfalz, Sachsen-Anhalt und in Berlin und dort schon seit 15 Jahren praktiziert wird, ist hierzulande noch Zukunftsmusik. Als hätte die Landesregierung Angst davor, sich die Finger zu verbrennen. Erfahrungen aus den Bundesländern und eine Machbarkeitsstudie auf Bundesebene zur Umsetzung von Gender Budgeting liegen vor, eine Einführung zum Beispiel zunächst anhand einzelner Titel im Landeshaushalt.
Es gibt noch viel zu tun, hieß es am Mittwoch. Das liegt auf der Hand, liebe Kolleginnen und Kollegen. Damit wir das gemeinsam untermauern, bitte ich um namentliche Abstimmung und Zustimmung zu unserem Antrag. – Herzlichen Dank.
Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen und ich eröffne die Aussprache.
Für die Landesregierung hat ums Wort gebeten die Ministerin für Soziales, Integration und Gleichstellung. Frau Drese, Sie haben das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Am 12. November 1918 wurde das Frauenwahlrecht in Deutschland gesetzlich verankert. Zitat: „Alle Wahlen zu öffentlichen Körperschaften sind fortan nach dem gleichen, geheimen, direkten, allgemeinen Wahlrecht auf Grund des proportionalen Wahlsystems für alle mindestens 20 Jahre alten männlichen und weiblichen Personen zu vollziehen“, hieß es in der Weimarer Verfassung. Der 12. November 1918 gilt somit als die Geburtsstunde des Frauenwahlrechts und Beginn der parlamentarischen Demokratie. Im Januar 1919 fand dann erstmalig die Wahl zur verfassunggebenden Nationalversammlung unter Beteiligung von Frauen als Wählerinnen und Gewählte statt. Es kandidierten 300 Frauen, wovon 37 weibliche Abgeordnete ins Parlament einzogen. Die Wahlbeteiligung der Frauen lag bei stolzen 82 Prozent.
Nun feiern wir 100 Jahre Frauenwahlrecht. Deutschlandweit würdigt unsere Gesellschaft in Veranstaltungen, in den Medien und in der Politik die wichtigen Errungenschaften der Frauen. Auch wir haben im März dieses Jahres anlässlich des Internationalen Frauentages gemeinsam mit 200 Gästen hier im Plenarsaal gefeiert. Das Festprogramm demonstrierte sehr anschaulich, welches hohe Gut, welches demokratische Ziel mit dem Wahlrecht für Frauen hart erkämpft worden ist. Dieses allgemeine und gleiche Wahlrecht und der Zugang zu Bildung
sind die wesentlichen Voraussetzungen für die Verwirklichung der Gleichstellung von Frauen und Männern.
Bereits am Mittwoch in der Aktuellen Stunde hat die Ministerpräsidentin die Fortschritte bei der Gleichstellung hervorgehoben und sie hat völlig zu Recht auf die Verdienste von uns Ostdeutschen hingewiesen. Vieles, was bei uns normal ist in Sachen Gleichstellung und Rahmenbedingungen, muss im Westen erst mühsam aufgebaut werden. Parallel dazu gibt es noch einiges zu tun, gerade bei den Themen „Frauen in Führungspositionen“, „gleiche Löhne“ und „Frauen in der Politik“.
Sehr geehrte Damen und Herren, der gleichstellungspolitische Sprecher der Linksfraktion hat sowohl am Mittwoch als auch jetzt gerade einen ziemlich männlichen Auftritt hingelegt. Das kam sehr von oben herab.
Da war viel Selbstgewissheit und Selbstgefälligkeit dabei. Zum einen beklagt Herr Ritter in einer PI am Mittwoch, dass die SPD „100 Jahre Frauenwahlrecht“ zum Thema der Aktuellen Stunde gemacht hat, obwohl es doch einen Antrag der LINKEN gibt. Ich sage Ihnen, Herr Ritter, ich finde es richtig und den mutigen Vorkämpferinnen wie Marie Juchacz angemessen, dieses Thema ganz oben auf die Tagesordnung gesetzt zu haben. Ich begrüße es ausdrücklich, Frauen auf Position eins zu setzen und nicht auf Freitagmittag zu vertrösten.
(Peter Ritter, DIE LINKE: Das liegt ja nun nicht in meiner Hand, wann der Tagesordnungspunkt aufgesetzt wird. – Zuruf von Horst Förster, AfD)
Zum anderen vermittelt Peter Ritter den Eindruck, die Landesregierung kündigt nur an, tue aber nichts
Wir alle wissen, die Gleichstellung von Frauen und Männern umzusetzen, ist das Bohren dicker Bretter. Einiges lässt sich gesetzlich festlegen, wie zum Beispiel Quoten oder gute Rahmenbedingungen, wie gut ausgebaute Kitas, anderes – und das dauert länger –, anderes muss wachsen in den Köpfen von Frauen und Männern. Meine Erfahrungen zeigen, dass es die Möglichkeit geben muss, mit den Menschen darüber zu reden, was zum Beispiel gezielte Frauenförderung in ihrem konkreten Arbeitsfeld, in ihrem Lebensumfeld bedeutet. Es muss sich auch ein Selbstverständnis vieler Frauen bei diesem Thema entwickeln, denn Frauen sind oft viel selbstkritischer, haben Zweifel, ob sie Familie und berufliche Karriere in Einklang bringen können. Frauen brauchen Vorbilder und nehmen Hilfen und Begleitung oft sehr viel offener an als viele Männer.
Genau hier setzen wir mit Maßnahmen und Programmen an. Wir handeln in der Landesregierung und natürlich vor allem im Gleichstellungsministerium, Herr Ritter. Begleitend berichten wir darüber und entwickeln ab und an auch mal eine gute öffentlichkeitswirksame Idee wie die „Frau des Jahres“.
So ist die Reihenfolge bei uns, wir handeln und wir bringen das Thema Gleichberechtigung in vielen Facetten in die Öffentlichkeit. Das ist nämlich auch sehr wichtig.
Ich bin überzeugt, mit den von uns entwickelten Instrumenten, die ressortübergreifend angelegt sind und die die Wirtschafts- und Sozialpartner einbeziehen, sind wir auf dem richtigen Weg. So ist es uns gelungen, Gleichstellung als Querschnittsziel in allen drei Fonds des Operationellen Programms nicht nur zu verankern, sondern auch mit entsprechender Expertise und Frauenpower auszustatten. Entsprechende Ressourcen stehen dem Landesfrauenrat Mecklenburg-Vorpommern e. V. sowohl für den Europäischen Sozialfonds, den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung als auch im Entwicklungsprogramm für den ländlichen Raum zur Verfügung. Diese Fachstellen des Landesfrauenrates begleiten die Umsetzung von Gleichstellungsaspekten in der Durchführung der Projekte und Programme, welche aus den Fonds gefördert werden.
Fragen Sie mal bei Ihrer Parteivorsitzenden Frau Brüdgam nach, was da alles passiert, Herr Ritter! Wir haben mit dem Landeszentrum für Gleichstellung und Vereinbarkeit ein Kompetenzzentrum geschaffen,
(Peter Ritter, DIE LINKE: Es wird Ihnen nicht gelingen, uns gegeneinander auszuspielen, Frau Ministerin. Der Antrag ist eng mit Frau Brüdgam abgestimmt.)
das es sich zur Aufgabe macht, die Rahmenbedingungen für Frauen und Männer in Zusammenhang mit den speziellen Förderungen zu analysieren und geeignete Instrumente und Methoden zu entwickeln, um Gleichstellung als Querschnittsziel erfolgreich und über alle relevanten Themenfelder hinweg umzusetzen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landeszentrums führen Gender Coachings durch und erstellen Handreichungen, wie die Gleichstellung von Frauen und Männern und die Vereinbarkeit von Erwerbs- und Privatleben in den Förderbereichen berücksichtigt werden kann.
Die Fondsverwaltung des ESF und die Leitstelle für Frauen und Gleichstellung werden darüber hinaus durch eine Steuerungsgruppe Gleichstellung von Frauen und Männern im ESF unterstützt. In dieser Steuerungsgruppe sind neben dem Landeszentrum für Gleichstellung und Vereinbarkeit auch die Wirtschafts- und Sozialpartner vertreten. Diese Steuerungsgruppe berät als Expertengremium in der Frage der Umsetzung als Querschnittsziel. Wir fördern im Rahmen der spezifischen ESFGleichstellungsförderung drei Mentoring-Programme, die auf eine spürbare Erhöhung des Frauenanteils an Führungspositionen zielen. Auch das ist eher ein Langstreckenlauf als ein Sprint, aber die Mentoring-Programme zahlen sich aus und bewirken etwas. Viele junge Frauen haben mittlerweile ein ganz anderes Selbstverständnis.