Protokoll der Sitzung vom 12.12.2018

Frau Präsidentin! Ja, ich war jetzt ganz fasziniert von der Sekundenzahl, …

Okay.

… die schon auf der Uhr steht. Okay.

(Christian Brade, SPD: Waren Sie nicht schnell genug?)

Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Präsidentin! Ich bin immer noch in Gedanken ein Stückchen weit bei der Aktuellen Stunde.

(Torsten Renz, CDU: Dass das in Ihnen arbeitet, habe ich mir gedacht.)

Frau Ministerpräsidentin und auch die Redner der Koalition haben ja darlegen wollen beziehungsweise aus ihrer Sicht dargelegt, an welchen Stellen sie gestaltet haben. Und ich habe dann …

(Thomas Krüger, SPD: Das muss man auch mal anerkennen können.)

Ja, das ist eine Frage der Kollegialität und der Souveränität. Ich habe mich nur gefragt, warum Ihnen eigentlich jegliche Form von kritischer Selbstreflexion abhandengekommen ist.

(Torsten Renz, CDU: Kriegen Sie noch die Kurve zu diesem Tagesordnungspunkt hier? – Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

Denn dieser Gesetzentwurf, dieser Gesetzentwurf hier hätte eine selbstkritische Reflexion Ihrerseits durchaus verdient, und zwar aus mehreren Gründen, die ich auch aufzählen will. Sie hätten schon sagen müssen – ich glaube, einer der Vorredner, Herr Dr. Jess, hat darauf Bezug genommen –:

(Jörg Heydorn, SPD: Also wenn das alles ist, können Sie die Rede beenden.)

Stillstand. Zwei Jahre Stillstand! Denn mit Juni 2016 haben Sie um die Mängel des geltenden Gesetzes gewusst.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr richtig!)

Der ganze Hickhack der Behörden, der Gerichte hätte vermieden werden können. Und was das Schlimmste ist, das Ganze ist ja ausgetragen worden auf dem Rücken der Betroffenen.

Herr Ehlers hatte eben unseren Antrag, besser gesagt unseren Gesetzentwurf herabgewürdigt. Wir haben 16 Änderungsvorschläge unterbreitet. Denen kann man sich anschließen oder nicht. Aber was Sie hier vorlegen, ist letztendlich eine Schmalspurnovelle, wo Sie sich auf das zurückziehen, was dringend geändert werden muss, was Sie seit spätem Frühjahr 2016 wissen, dass es hätte geändert werden müssen. Nun versuchen Sie mit diesem Gesetzentwurf, der dann auch noch mal verändert werden musste, diese Problematiken zu heilen, und tun es nur in ausgewählten Fragen. Dazu gehört natürlich die sehr entscheidende Angelegenheit, wer ist zuständig und in welchem Bereich hat wer welche Entscheidung zu treffen. Das wird mit dieser Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses in der Tat nun bewerkstelligt. Aber was lange währt, wird nicht immer gut.

Aus unserer Sicht gibt es nach wie vor Handlungsbedarf, zum Beispiel hinsichtlich der sofortigen Unterbringung psychisch Erkrankter. Herr Ehlers hat es angesprochen, wir begehren ein qualifiziertes ärztliches Zeugnis. Herr Ehlers hat es schon angekündigt, das muss man nicht haben, zu großer bürokratischer Aufwand. Wir stützen

uns in unserem Änderungsbegehren darauf, dass aus der Praxis Hinweise kamen, die sagten, wir brauchen etwas Fundiertes, wenn es um die kurzfristige Unterbringung und die sofortige Unterbringung geht, denn die ärztlichen Zeugnisse – ich darf das ja nicht hochhalten –, aber die ärztlichen Zeugnisse sind eigentlich nichts anderes als ein Formblatt, wo diejenigen, die da tätig werden, Ja oder Nein zu verschiedenen Fragen ankreuzen.

Es gibt keinen qualifizierten Befund und es gibt keinen Hinweis auf Rahmenbedingungen, die zu konstatieren waren, in welcher Situation hat was stattgefunden. Zumindest die Amtsleiterin aus der Stadt Schwerin hat die Anregung gegeben, ein qualifiziertes ärztliches Zeugnis auszustellen,

(Henning Foerster, DIE LINKE: Genauso ist es.)

damit diejenigen, die im Weiteren dann mit der erkrankten Person umgehen, auch wissen, was Phase ist. Dass das hilfreich ist aus unserer Sicht, das haben wir letztendlich in unseren Antrag gegossen, und deswegen hier unser Vorschlag.

Weiterhin halten wir die getroffene Regelung … Sie haben sich ja mit Ihrem Änderungsantrag im Wirtschaftsausschuss seitens der Koalitionäre auch zu Fragen des Verfahrensrechts eingelassen und schlagen zwei Verfahren weiterhin vor, Sie haben die bisherige Regelung präzisiert. Aus unserer Sicht bleibt in der Interpretation und Auslegung, letztlich in der Umsetzung des Gesetzes immer noch das Moment des Widersprüchlichen. Deswegen schlagen wir vor, im Hauptsacheverfahren letztlich das Familienrecht anzuwenden und hier ein einheitliches Verfahrensrecht zur Durchsetzung zu bringen.

Unabhängig davon ist sowohl im Frühjahr 2016 als auch in der Anhörung im Herbst 2017 und dann jetzt wieder in der Befassung deutlich geworden, dass es sehr misslich ist, wenn zwei Gesetze, nämlich da, wo es um den Maßregelvollzug geht, um Straftäterinnen und Straftäter und deren Unterbringung einerseits und andererseits um die kurzfristige Unterbringung – alles, was das Psychischkrankengesetz darüber hinaus regelt oder abseits vom Maßregelvollzug normiert –...

(Zuruf von Minister Harry Glawe)

Man kann beides, sicherlich, Herr Glawe.

(Minister Harry Glawe: Sie bringen das immer alles durcheinander, Herr Koplin.)

Man kann beides zusammenführen, aber die Expertinnen und Experten haben allesamt gesagt,

(Zuruf von Minister Harry Glawe)

dass es ein Stückchen weit misslich ist, weil es immer wieder dazu führt, zu schauen, wo sind die Bereiche, die einschlägig sind, und welche nicht. Und dann haben wir Betroffenenvertretungen – das sollten wir nicht ignorieren, das ist für viele Menschen wichtig –, die sagen, wir möchten, wenn wir eine psychische Erkrankung haben, wenn wir also faktisch in diesen Regelungsbereich fallen, nicht stigmatisiert werden.

(Minister Harry Glawe: Das hat doch keiner stigmatisiert.)

Wenn der Maßregelvollzug mit in diesem Psychischkrankengesetz so normiert ist, so eingepackt ist, dann fühlen wir uns stigmatisiert, und das wollen wir nicht. Das ist uns mehrfach mitgeteilt worden. Es ist eine Frage: Lassen wir das zu? Lassen wir so einen Einwand zu? Wir LINKEN sagen, das ist ratsam, jetzt nicht für dieses Gesetz, aber wenn das Psychischkrankengesetz noch mal angefasst werden sollte, sollten beide Regelungsbereiche wieder getrennt werden und aus diesem einen Gesetz zwei werden, um entsprechend den Hinweisen aus der Praxis gerecht zu werden. – Vielen Dank.

Ach so, dann würde ich ganz gerne noch was zu dem AfD-Vorschlag sagen. Wir haben in der Tat wegen der Videoüberwachung – Sie sind ja reinweg verzückt von Videoüberwachung – …

(Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE: Man kann ja die vom Marienplatz nehmen. Die funktioniert ja gut.)

Ich möchte Ihnen sagen …

Die vom Marienplatz zum Beispiel, ja.

Wissen Sie, da gibt es ein Problem. Man kann es, Herr Dr. Jess, aus unserer Sicht nicht miteinander vergleichen, weil Sie auf Waldeck abstellten. Stellen Sie sich diese Situation der Arretierung in einer hochbrisanten Situation vor bei einem Erkrankten, wo noch nicht ganz klar ist, welchen Verlauf diese Sache nimmt, und der gesundheitliche Status der Person unter Umständen nicht nur unklar ist, sondern auch die Gefahr der Selbstverletzung besteht durch Erbrochenes und so weiter! Wenn man das nur aus der Ferne an Videogeräten konstatiert, dann fehlt die unmittelbare Möglichkeit des Helfens und des Eingreifens. Wir sind der Meinung, diese Arretierung, diese Frage ist so brisant, dass da eine Einszu-eins-Betreuung durch eine qualifizierte Person – das muss nicht immer eine Ärztin oder ein Arzt sein –, durch eine qualifizierte Person besser ist, in der Situation angemessener ist, als wenn man sagen würde, wir begleiten das durch eine Videobeobachtung, die durchaus möglich ist. Wir sind zu einer anderen Auffassung gekommen als die AfD und lehnen deshalb den AfD-Vorschlag ab.

Gleichwohl möchte ich noch mal werben für die Ansinnen der Linksfraktion sowohl den Entschließungsantrag betreffend als auch den Änderungsantrag mit seinen beiden Bestandteilen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Für die Fraktion der SPD hat noch mal ums Wort gebeten der Abgeordnete Heydorn.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Ich muss das jetzt so ein bisschen aus dem Gedächtnis machen, weil da habe ich mich nicht drauf vorbereitet. Aber ich habe den Eindruck, dass ich Ihrer kritischen Selbstreflexion, Kollege Koplin, auch ein bisschen auf die Sprünge helfen muss,

(Torsten Renz, CDU: Und das ohne Vorbereitung?! Meine Herren!)

denn das ist ja im Ausschuss alles besprochen und erörtert worden. Und ich fand eine Begründung des Kollegen

aus dem Wirtschaftsministerium durchaus nachvollziehbar. Die Frage, warum macht ihr jetzt erst was, warum habt ihr nicht gleich auf die Kritik reagiert, hat er ja konsequent und nachvollziehbar beantwortet.

Sie stellen sich hin und werfen den Leuten, die eine sachgerechte Arbeit gemacht haben, Dilettantismus vor, was ich nicht nachvollziehen kann, denn der Mann hat auf Folgendes aufmerksam gemacht: Er hat gesagt, na ja, wir haben hier ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht laufen und wir möchten dieses Verfahren erst abwarten, denn wenn wir vorher gesetzliche Änderungen quasi vorgenommen hätten, und die hätten nicht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entsprochen, dann hätten wir wieder damit angesessen und uns quasi anhören müssen, dass wir hier keine ordentliche Arbeit zustande bringen.

Das heißt also, zu sagen, da gibt es ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht, das steht vor dem Abschluss, und wir warten, bevor wir dieses Gesetz anpacken und ordentlich ausgestalten, nämlich der Maßgabe dieses Urteils folgend, dann ist das meines Erachtens kein Dilettantismus, sondern das ist sachgerecht. Und sich hier hinzustellen und zu sagen, na ja, also keine kritische Selbstreflexion, das halte ich für schwierig. Da müsste man auch noch mal gucken, wie es – das habe ich gerade schon gesagt – mit der eigenen Selbstreflexion aussieht. Es war mir noch mal wichtig, das deutlich zu machen, ganz deutlich zu machen.

Geäußert wurde sich auch zu der Frage, warum lässt man diese beiden Gesetze zusammen, warum zieht man das nicht auseinander. Da ist auf die Sicht der Betroffenen aufmerksam gemacht worden, dass sie sagen, na ja, wir als psychisch Kranke wollen nicht unbedingt zusammengeworfen werden mit Straftätern, insofern hätten wir da gerne zwei unterschiedliche Gesetze an der Stelle. Aber auch darauf ist der Kollege des Wirtschaftsministeriums meiner Auffassung nach, meiner Erinnerung nach hinreichend eingegangen und hat gesagt, es ist einfach administrativ praktikabler, wenn man weiß, worauf man zurückzugreifen hat, das in einem Gesetz zu machen.

Ich bin mir nicht mehr sicher, da spielte das Strafgesetzbuch eine Rolle, das Bürgerliche Gesetzbuch spielte an der Stelle eine Rolle, also welche Regelungen werden angewandt. Deswegen hatte man sich dazu entschieden, das in einem Gesetz zusammenzulassen. Das können wir nicht kritisieren, Herr Koplin. Und ich finde, das, was Sie, an der Stelle hier machen, ist ein bisschen weit hergeholt und entspricht der Sachlage nicht. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Zuruf von Dietmar Eifler, CDU)

Für die Fraktion der AfD hat noch mal ums Wort gebeten der Abgeordnete Dr. Jess.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Landsleute und Gäste! Ich muss doch noch mal jetzt in der Diskussion das Wort ergreifen, und zwar ist es, Herr Koplin, natürlich nicht so, dass wir nur die digitale oder optische Überwachung haben wollen, sondern ganz im Gegenteil, wir sagen, als Option. Und ich bin, ehrlich gesagt, etwas überrascht,

wenn wir uns sozusagen unheimlich viel Mühe geben bei den psychisch Kranken, dafür zu sorgen, dass sie nicht in einer Zwangsjacke stecken, ohne dass sie es verdient haben, aber mit einer großen Gelassenheit stecken wir unsere Akteure vor Ort in eine Zwangsjacke, nämlich in eine bürokratische Zwangsjacke. Da muss man doch klar sagen, man muss schon ein bisschen Vertrauen haben, dass die Akteure vor Ort das richtig einschätzen, wie sie mit den psychisch Kranken dort umgehen. Und ja, wir wissen, es gibt auch Problemfälle, aber das kann nicht der Grund dafür sein, dass wir jetzt die Akteure in eine Zwangsjacke stecken.