Alle Fraktionen haben Änderungsanträge zu dem Gesetzentwurf eingereicht. Die Fraktionen der CDU und SPD haben vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Änderungen zur Regelung der Fixierung beantragt. So soll insbesondere die längerfristige Fixierung grundsätzlich einem Richtervorbehalt unterliegen, während der Fixierung eine Eins-zu-einsBetreuung erfolgen und der Betroffene nach Beendigung der Fixierung auf die Möglichkeit einer nachträglichen gerichtlichen Überprüfung hingewiesen werden.
Überdies soll das bislang bei der Anordnung ärztlicher Zwangsmaßnahmen geltende Verfahrensrecht durch die Anwendung der Vorschriften des Gesetzes über das
Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vereinheitlicht werden. Der Ausschuss hat den Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen einvernehmlich angenommen. Die Fraktion der AfD hat beantragt, eine Eins-zu-eins-Betreuung auch durch den Einsatz von optisch-elektronischen Einrichtungen zur Videoüberwachung zu ermöglichen. Dieser Antrag wurde mehrheitlich vom Ausschuss abgelehnt.
Die Fraktion DIE LINKE hat mit ihrem Änderungsantrag die Vorlage eines qualifizierten ärztlichen Zeugnisses bei der sofortigen Unterbringung und bei ärztlichen Zwangsmaßnahmen gefordert, das nach einer verbindlichen landeseinheitlichen Vorgabe erstellt werden sollte. Zudem sollte bei ärztlichen Zwangsmaßnahmen das Verfahrensrecht des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit angewendet werden. Der Ausschuss hat den Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE mehrheitlich abgelehnt.
Seitens der Fraktion der BMV ist beantragt worden, für besondere Sicherungsmaßnahmen eine richterliche Genehmigung vorzusehen und diese Maßnahmen befristet auf maximal eine halbe Stunde anzuordnen. Darüber hinaus sollte die 5- oder 7-Punkt-Fixierung durch eine Eins-zu-eins-Betreuung begleitet und schriftlich dokumentiert werden, wer für die Betreuung verantwortlich ist. Dieser Änderungsantrag wurde ebenfalls mehrheitlich abgelehnt.
Der Ausschuss hat einvernehmlich mit den Stimmen der Fraktionen der SPD und CDU bei Enthaltung seitens der Fraktionen der AfD, DIE LINKE und Freie Wähler/ BMV beschlossen, dem Landtag zu empfehlen, den Gesetzentwurf der Landesregierung auf Drucksache 7/2241 mit den beschlossenen Änderungen und im Übrigen unverändert anzunehmen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bitte Sie nun um Zustimmung zur Beschlussempfehlung und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 120 Minuten vorzusehen. Widerspruch kann ich dazu weder sehen noch hören, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Der Ausschussvorsitzende hat ja hier schon sehr präzise vorgetragen, um was es geht. Mit dem Gesetzentwurf soll das Thema Zuständigkeiten einmal klargestellt werden. Die Frage war ja jetzt beim Thema Unterbringung, wer ist zuständig für die Unterbringung. Ist es quasi der Landrat beziehungsweise der Oberbürgermeister, wo sich der Betroffene tatsächlich befindet und auch untergebracht werden wird? Soll der zuständig sein oder muss es der Landrat beziehungsweise der Oberbürgermeister sein, wo derjenige seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat? Das ist nicht einheitlich ausgelegt worden, da haben wir für Klarstellung gesorgt. Insofern führt das Gesetz an der Stelle dazu, dass ein
fach Rechtsicherheit hergestellt wird. Das Gleiche gilt bei der Frage der Zuständigkeit. Bei der Verlängerung der Freiheitsentziehung war die Frage zu klären, wer ist dafür zuständig. Auch das haben wir geklärt.
Eine andere Geschichte, die wir aufgreifen mussten, war die Frage der Kostentragung, weil das, was wir bisher gehabt haben, orientierte sich stark an den Leistungsansprüchen nach SGB V. Auch hierfür haben wir Maßnahmen im Gesetz getroffen, die im Ergebnis dazu führen, dass das flexibler gehandhabt werden kann. Wie gesagt, auf die relevanten Punkte der Fixierung ist der Ausschussvorsitzende in hinreichendem Umfang eingegangen und hat noch mal dargelegt, welche Auffassung das Bundesverfassungsgericht an der Stelle vertreten hat, dass wir letztendlich in der Situation waren, unser Gesetz an die Rechtsfolge, die sich quasi aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ergibt, anzupassen. Das haben wir getan.
Die Anträge der Oppositionsfraktionen haben wir im Ausschuss abgelehnt, die werden wir auch an dieser Stelle ablehnen. – Insofern bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Landsleute und Gäste! Endlich! Sollte es heute tatsächlich vollbracht sein? In der heutigen Lesung kann der Landtag über ein, man könnte sagen, akzeptables Psychischkrankengesetz abstimmen. Ich sage bewusst „akzeptabel“, denn aus unserer Sicht bleiben immer noch neue ungelöste Unzulänglichkeiten. Diese wurden leider im federführenden Wirtschaftsausschuss nicht beseitigt, sodass wir hier und heute erneut einen Änderungsantrag einbringen. Aber darauf werde ich später noch ausführlicher eingehen.
Zunächst möchte ich einen Blick zurück werfen. Das derzeitig geltende Gesetz wurde gerade mal 2016 verabschiedet. Nach nur einem Jahr Geltung waren die Proteste der Betroffenen und die Unsicherheiten bei der Anwendung so groß, dass eine Novellierung dringend erforderlich wurde. Das macht deutlich, dass beim Psychischkrankengesetz eine, mit Verlaub gesagt, miserable Arbeit von der damaligen SPD-CDU-Regierung und dem letztlich das Gesetz verabschiedenden damaligen Parlament abgeliefert wurde. Ich erinnere in dem Zusammenhang an den von der Regierungskoalition gern gegen die Oppositionsinitiativen eingesetzten Vorwurf, dass diese parlamentarischen Anträge beziehungsweise Gesetzesentwürfe handwerklich nicht korrekt und inhaltlich nicht ausgereift seien.
Meine Damen und Herren der Regierungskoalition, es gibt so schöne zutreffende Sprichwörter in unserem deutschen Sprachschatz: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Oder: Wer selbst einen Balken im Auge hat, sollte nicht den Splitter im Auge des Nächsten suchen. Diese sollten Sie sich einmal zu Herzen nehmen!
Die Kritik am alten Gesetz setzte vor allem an zwei Punkten an: unklare beziehungsweise unpraktikable Zustän
digkeiten bei Zwangsmaßnahmen gegen psychisch Kranke, Nichttrennung von Forensik und allgemeiner Psychiatrie. Dies hatte Anfang 2017 auf Antrag der Fraktion DIE LINKE zu einer Expertenanhörung im Wirtschaftsausschuss geführt. Am 14. September 2017 bei der ersten, damals nicht öffentlichen Sitzung im Wirtschaftsausschuss hagelte es Kritik von den anzuhörenden Experten. Der Richterbund und der Sozialpsychiatrische Dienst der Stadt Schwerin attestierten dem Psychischkrankengesetz in Passagen juristisch handwerkliche Mängel und Praxisuntauglichkeit. Die Kritik wurde auch bei der öffentlichen Anhörung circa ein Jahr später am 18. Oktober 2018 noch einmal bekräftigt.
In der Zwischenzeit hat ein Urteil vom 24. Juli 2018 vom Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe neue juristische Tatsachen geschaffen. Wir hörten bereits davon. Danach dürften Patienten, die länger als eine halbe Stunde fixiert werden, dies nur noch auf der Grundlage einer richterlichen Anordnung. Ferner wird verlangt, dass es dabei eine Eins-zu-eins-Überwachung geben muss. Damit werden vermutlich neue Unwägbarkeiten auf die Tätigen vor Ort zukommen. Es gibt bereits erste Hinweise aus psychiatrischen Abteilungen der Krankenhäuser, dass gegebenenfalls die Polizei in Anspruch genommen werden wird, wenn psychisch Kranke auffällig werden.
Zunächst hat der vorliegende Gesetzentwurf die scharf kritisierten Mängel des alten Gesetzes im Wesentlichen beseitigt: a) die Zuständigkeiten für das Verfahren der freiheitsentziehenden Unterbringung und b) die Problematik mit der Fixierung. Bedauerlich ist es, dass die Vorschläge, die forensischen Fälle und die Fälle der allgemeinen Psychiatrie in separaten Gesetzeswerken zu regeln, keine Berücksichtigung fanden. Dies hätte zwar keine wirklich praktische Relevanz gehabt, aber potenzieller Stigmatisierung psychisch Kranker gegebenenfalls vorgebeugt.
Die Probleme um die Patientenfixierung haben in unserer Fraktion zu einem neuen Kritikpunkt geführt. Die AfDFraktion hat sich im Ausschuss unter anderem mit der Problematik der Eins-zu-eins-Betreuung bei fixierten Patienten beschäftigt und den entsprechenden Auswirkungen auf die Personalsituation.
Angesichts des allgegenwärtigen Personalmangels halten wir den Zwang zur Eins-zu-eins-Betreuung bei Fixierung über 30 Minuten für praxisfremd. Abhängig von der Anzahl der Fixierungen in den einzelnen psychiatrischen Einrichtungen sollte zumindest die Option gegeben sein, auch technische Hilfsmittel ergänzend einsetzen zu dürfen. Wir halten den optionalen Einsatz technischer Unterstützungsinstrumente, zum Beispiel optischelektronisch und akustisch, bei der Überwachung eines fixierten Patienten für sinnvoll. Ich betone noch einmal, es sollte Einrichtungen die Option eröffnen und nicht mehr.
In der Hoffnung, dass dieses Plenum eine andere, neue Sicht auf die Dinge hat, bitten wir um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag. Und ich bin erstaunt, dass Herr Heydorn zwar ausführt, dass es derartige Anträge gibt, aber keinerlei Argumente hat, warum sie abgelehnt werden.
(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Peter Ritter, DIE LINKE: Das ist seine Art und Weise, zu diskutieren.)
Eine solche Änderung zur Eins-zu-eins-Betreuung wird uns vermutlich in naher Zukunft eine derartige neue Gesetzesänderung ersparen. In der JVA Waldeck sind beispielsweise Videoüberwachungen von Insassen, die suizidal gefährdet sind, längst Realität. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich wollte mich eigentlich eingangs für die konstruktiven Ausschussberatungen bedanken, denn die waren wirklich konstruktiv. Und da, Herr Dr. Jess, hätten Sie Ihren Antrag auch einbringen können.
Ich glaube, Sie waren aber nicht da. Ich glaube, das hat der Kollege Lerche gemacht, und das war natürlich wie immer,
Das kennen wir ja aus anderen Bereichen auch. Und da haben, glaube ich, der Kollege Heydorn und ich ausreichend erklärt, warum wir Ihren Änderungsantrag, den Sie heute hier noch mal vorlegen, auch ablehnen werden.
Deswegen gestatten Sie mir zwei andere Punkte: einmal sozusagen eine politische Bewertung und dann noch eine Reaktion auf die aktuelle Rechtsprechung. Das PsychKG – das ist angesprochen worden – wurde im Juli 2016 letztmalig novelliert. Im Zuge der Umsetzung – das haben wir auch schon bei anderen Gelegenheiten besprochen – haben sich diverse Schwierigkeiten gezeigt. Das haben, glaube ich, auch die Regierungen hier sehr deutlich gemacht. Anfang 2017 haben wir dann im Wirtschaftsausschuss auf Initiative des Kollegen Koplin, auf Initiative der Fraktion DIE LINKE die Frage thematisiert.
Wir haben damals schon gesagt, ich glaube, das Gesetz war noch relativ frisch, sodass man sich auch die Auswirkungen anschauen sollte. Deswegen fand ja eine öffentliche Anhörung im September 2017 statt. Parallel lief schon das Anhörungsverfahren der Regierung. Das hat ja auch hier für einige Irritationen und Spannungen gesorgt bei dem Thema. Im November des vergangenen Jahres hat dann DIE LINKE ihren eigenen Gesetzentwurf auf den Tisch gelegt. Ich glaube, der Landtag war
damals gut beraten, diesen in Gesetzesform gegossenen Schnellschuss hier nicht zu beschließen, sondern sich die Zeit zu nehmen, einen vernünftigen Entwurf der Regierung abzuwarten, der dann einige Monate später auf dem Tisch lag oder immer noch liegt.
Der vorliegende Gesetzentwurf ist vor allem eine Hilfestellung für behördliche Zuständigkeiten. Er regelt viele technische Aspekte, die natürlich für die Praxis ganz wichtig sind. Die von den LINKEN kritisierte Form der ärztlichen Zeugnisse wurde in dem Entwurf, der hier vorliegt, nicht aufgegriffen. Und wir haben es damals auch gesagt und wiederholen es gerne noch mal: Aus unserer Sicht hätte das einen sehr hohen bürokratischen Aufwand zur Folge. Das Gesetz regelt jetzt aber ausdrücklich die behördlichen Zuständigkeiten, das heißt, derjenige Landrat oder OB, in dessen Gemeindegebiet der Anlass zur Unterbringung festgestellt wird, ist zuständig. Und auch die seinerzeit als zu starr erachtete Regelung der Kostentragung bei sogenannten interkurrenten Leistungen wird gelockert. Das Land trägt die Kosten für interkurrente Leistungen ganz oder teilweise. Sie erinnern sich vielleicht, die alte Regelung erlaubte keine Abweichung.
Der zweite Punkt, der, glaube ich, noch mal wichtig ist, ist, dass wir parallel zu dem Gesetzgebungsverfahren hier im Landtag die Rechtsprechung auf Bundesebene hatten – Bundesverfassungsgerichtsurteil, was die Fixierung von Patienten betrifft, die in den Augen des Gerichts einen Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit der Person darstellt. Deswegen haben wir auch nach der Anhörung im Wirtschaftsausschuss angekündigt, dass wir parallel noch mal nachsteuern, denn, wie gesagt, die Verbandsanhörung, das ministerielle Verfahren war abgeschlossen als das Urteil aus Karlsruhe kam. Deswegen konnte man an der Stelle nicht nachsteuern und deswegen haben wir das als Koalitionsfraktionen gemacht.
Ich glaube, die Opposition hatte ähnlich lautende Anträge. Wir haben das als gemeinsamen Beschluss durch den Ausschuss gebracht. Deswegen, glaube ich, kann man heute ruhigen Gewissens dem vorliegenden Entwurf in der Fassung des Ausschusses zustimmen. Und ich werbe ausdrücklich um Zustimmung. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.