Also ich sage es jetzt noch mal deutlich: Dort hinten, da hat es jetzt über, ich weiß nicht, wie viele Minuten, Gespräche gegeben. Wenn etwas dringend zu klären ist – an diese Bank dort hinten gerichtet –, dann bitte draußen, weil es stört hier wirklich. Wir wollen jetzt noch mit den letzten beiden Tagesordnungspunkten entsprechend zurechtkommen. Ich finde, jeder Redner, der hier ist, auch der, der zum letzten Tagesordnungspunkt redet, hat das Recht, dass hier eine gewisse Disziplin im Parlament
herrscht. Ich bitte, das jetzt zukünftig zu beachten, ansonsten werde ich auch noch heute zu Ordnungsmaßnahmen greifen.
Mit der Umstellung von der stellenbezogenen Finanzierung auf Fallpauschalen kam es jedoch zum Stellenabbau und Unsicherheiten bei der Gewährleistung der Prozessbegleitung. In der Praxis ist eine schnelle, unbürokratische und kontinuierliche Inanspruchnahme der psychosozialen Prozessbegleitung jedoch für die Betroffenen essenziell, unter anderem, um die Traumata nicht noch zusätzlich zu verstärken. Hier muss dringend ein Umdenken stattfinden und die psychosoziale Prozessbegleitung gesichert werden.
Zweitens. Im Landesprogramm Kinderschutz sind zudem die Familienhebammen benannt. Familienhebammen helfen jungen Eltern kostenlos in den ersten Monaten, beraten sie und stehen ihnen unterstützend zur Seite. Es war wirklich positiv, als das Landesprogramm Familienhebammen 2008 von der Landesregierung gestartet wurde, denn der beste Schutz für Kinder sind nun mal im Umgang sichere Eltern. Was erleben wir da? Jährlich frage ich ab, wie sich die Anzahl der Familienhebammen in Mecklenburg-Vorpommern entwickelt. Im Jahr 2018 ist die Anzahl der Familienhebammen erstmals stark gesunken. Waren in den Vorjahren circa 50 Familienhebammen in Mecklenburg-Vorpommern tätig, waren es 2018 nur noch 40 Familienhebammen und 6 Familien-, Gesundheits- und Krankenpfleger. Zudem konnte nicht jede Familie, die Unterstützung und Hilfe benötigte, diese zeitnah und tatsächlich durch diese Familienhebammen erhalten. Gründe sind die Engpässe bei der Versorgung durch freiberufliche Hebammen, die sich dann als Familienhebammen qualifizieren könnten.
Wie kann das Land hier umsteuern? Es muss mehr Familienhebammen ausbilden und die Rahmenbedingungen verbessern. Ich denke hier an die Verbesserung bei der Risiko- und Krankenversicherung, sicherlich ein Bundesthema, wo aber auch aus Mecklenburg-Vorpommern entsprechende Impulse erfolgen könnten. Ergebnis also: Auch hier besteht Handlungsbedarf.
Drittens. Ein wirkungsvoller Kinder- und Jugendschutz braucht nicht nur die staatliche Verpflichtung. Das ist etwas, was auf dem Papier steht. Diese Verpflichtung umzusetzen, dazu bedarf es vor allem Menschen, die Kindeswohlgefährdungen erkennen und im Zweifelsfall auch eingreifen. Da schaue ich im ersten Moment auf die Mitarbeiter in den Jugendämtern des Landes, die Mitarbeiter in den Kindereinrichtungen, den Kitas, den Jugendklubs und in den Sportvereinen. Überall, wo Kinder sich ständig aufhalten, müssen die Mitarbeiter für Kinderschutz sensibilisiert sein und die Anzeichen erkennen. Das ist nicht immer ganz einfach. Ist der erste blaue Fleck schon eine Kindeswohlgefährdung, muss ich hier eingreifen, fragen sich dann häufig die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Oft gibt es Unsicherheiten bei diesem sensiblen Thema.
Helfen kann hier Aufklärung und Fort- und Weiterbildung der Mitarbeiter in der Kinder- und Jugendarbeit. Für die Fort- und Weiterbildung ist das Land zuständig. Das Land wird bei der Erfüllung dieser Aufgaben durch das
etablierte Schabernack – Zentrum für Praxis und Theorie in der Kinder- und Jugendhilfe Mecklenburg-Vorpommern unterstützt und dieses deshalb auch mit Landesmitteln gefördert. Die Mitarbeiter dort leisten aus meiner Sicht Großartiges. Seit Jahren machen sie sich aber nicht nur Gedanken, wie sie Fort- und Weiterbildung für Mitarbeiter der Kinder- und Jugendhilfe durchführen, sondern Geldsorgen plagen sie. Seit Jahren sparen sie, nehmen notwendige Investitionen an den Gebäuden nicht vor, erhöhen die Teilnehmerbeiträge und sparen an den Mitarbeitern. Irgendwann hilft das aber alles nicht mehr, wenn die Grundfinanzierung nicht stimmt. Die stimmt seit der Gründung nicht, und das wird immer augenscheinlicher, da immer mehr Aufgaben hinzukommen. Zwar wurden die Landesmittel hier von 2015 372.000 Euro auf ab 2016 402.000 Euro aufgestockt, also um 30.000 Euro, aber 30.000 Euro pro Jahr decken eben nicht die Finanzierungslöcher. Die Finanzierungsprobleme sind mittlerweile so offensichtlich, dass es einen gemeinsamen Appell für eine auskömmliche Finanzausstattung vom Schabernack – Zentrum für Praxis und Theorie in der Kinder- und Jugendhilfe in Mecklenburg-Vorpommern gibt. Auch hier gibt es somit aus unserer Sicht dringenden Handlungsbedarf.
Das sind drei Beispiele aus dem Landesprogramm Kinderschutz, die jedes für sich eine Evaluierung und Prüfung rechtfertigen würden.
Sehr geehrte Damen und Herren, darüber hinaus sind Themen nicht enthalten, wie zum Beispiel der Kinderschutz auf Kinder- und Jugendreisen, die Erziehungs- und Familienberatungsstellen oder Schutzkonzepte für gemeinschaftlich genutzte Unterkünfte ausländischer Flüchtlinge, Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe bei Übernachtungen – alles Themen, die wir bereits in den Landtagssitzungen thematisiert und angesprochen haben und die sich aus unserer Sicht auch im Landesprogramm Kinderschutz wiederfinden sollten. Zwar enthält das Landesprogramm selber nicht den Anspruch auf Vollständigkeit, aber wir meinen, das sind Themen, die sich unbedingt in dem Landesprogramm wiederfinden müssten. Auch eventuelle Schlussfolgerungen aus den Beratungen zu den Missbrauchsfällen in der Katholischen Kirche – und das hatte ich im Oktober in der Debatte deutlich gemacht – sind hier, wenn es um Prävention geht, mit einzubeziehen.
All dies macht deutlich, dass es sehr sinnvoll ist, das Landesprogramm zu evaluieren. Wir meinen, es ist Zeit, das Programm jetzt zu evaluieren. Handlungsbedarfe haben wir aufgezeigt. Insofern stimmen Sie unserem Antrag zu. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Das Wort hat für die Landesregierung die Ministerin für Soziales, Integration und Gleichstellung Frau Drese.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Für den vorliegenden Antrag der Linksfraktion zum Kinderschutz möchte ich zunächst meinen Dank aussprechen.
Ich werte dies als ein Signal, den Dialog zum Wohle unserer Kinder und Jugendlichen fortsetzen zu wollen. Das begrüße ich ausdrücklich, das möchte ich gleich zu Beginn betonen.
Allerdings habe ich so meine Zweifel, ob der vorliegende Antrag der richtige Weg ist, den Kinderschutz in unserem Land voranzubringen. Ich will Ihnen gerne sagen, warum. Eine praktische Weiterentwicklung im Kinderschutz erreichen wir nicht, indem wir ein Landesprogramm durch zusätzliche Maßnahmen immer weiter ausdehnen und es kurzfristig – um nicht zu sagen hastig – fortschreiben. Das klingt mir zu sehr nach dem Motto „Wer schreibt, der bleibt“. Dieser theoretische Ansatz wird meines Erachtens den praktischen Anforderungen für den Kinderschutz in unserem Land nicht gerecht.
Ich setze mich dafür ein, dass unser wirklich gutes Landesprogramm, das ja auch erst 2016 verabschiedet worden ist, zunächst einmal gelebt wird. Das gelingt jedoch nicht, wenn wir im Galopp über die darin enthaltenen Ziele und Maßnahmen reiten und quasi im Vorbeireiten
In der Kinder- und Jugendhilfe geht es vor allem um echte Beziehungsarbeit, Beziehungsarbeit, die im Rahmen einzelner Aktivitäten zum Tragen kommt und Grundlage für gelingendes Handeln ist. Das ist kein Selbstläufer. Hier braucht man Zeit für Kommunikation, Kooperation und Steuerung, Zeit, Vertrauen aufzubauen und zu entwickeln. Kurz gesagt, die Entwicklung im Kinderschutz trägt Prozesscharakter, und in einem solchen Prozess geht es eben nicht nur um einzelne Maßnahmen.
Sehr geehrte Damen und Herren, meine Einschätzung ist, die Herausforderungen für die Kinder- und Jugendhilfe werden in der Zukunft nicht einfacher. Wir werden mit einzelnen, singulären Maßnahmen keine nachhaltige Qualitätsentwicklung hinbekommen. Vielmehr müssen wir uns mehr als bisher mit grundlegenden gesellschaftlichen Problemen, personellen und strukturellen Gegebenheiten auseinandersetzen und wir brauchen eine stärkere Vernetzung und eine stärkere Verankerung des Kinderschutzes in unserer Gesamtgesellschaft. Genau das treibt mich an. Für mich hat die stetige Verbesserung des Kinderschutzes oberste Priorität. Es gibt wohl kein elementareres Thema als die Gewährleistung des Kindeswohls. Ein Landesprogramm ist dafür als Grundlage gut und hilfreich. Um aber wirklich in der Praxis etwas zu bewegen, brauchen wir mehr – ein Mehr an Verantwortung, ein Mehr an Unterstützung und ein Mehr an Ressourcen.
Sehr geehrte Damen und Herren, der Kampf um Fachkräfte tobt nicht erst seit gestern. Er hat auch die Kinder- und Jugendhilfe erreicht. Deshalb mein Appell: Lassen Sie uns gemeinsam an geeigneten Mitteln und Wegen arbeiten, um diese Entwicklung abzufedern! Mein Ministerium hat eine dahin gehende Diskussion bereits angestoßen. Besonders hervorheben möchte ich unseren Fachtag „Fachkräftebedarf in der Kinder- und Jugend
Wenn wir die Leistungsfähigkeit und Professionalität im Kinderschutz und in der Kinder- und Jugendhilfe insgesamt stärken wollen, brauchen wir tragfähige Strukturen und Rahmenbedingungen, damit wir unsere Verantwortung auch ordentlich wahrnehmen können. Ein Schneemann lässt sich auch nicht vom Kopf herunter bauen. Wir brauchen also ein sicheres Fundament und klare Standards, die den jeweiligen Gegebenheiten im Zuständigkeitsbereich des örtlichen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe angepasst und ausgestattet werden müssen. Wir brauchen klare gesetzliche Grundlagen, die die Eingriffsmöglichkeiten und Eingriffsverpflichtungen der Jugendämter beschreiben.
Das beantwortet im Übrigen auch gleich Ihre Frage: Brauchen wir ein Landeskinderschutzgesetz? Ich sage vorerst Nein. Das Bundeskinderschutzgesetz formuliert einschlägige Regelungen. Es ist ein Gesetz, das in der Praxis angekommen ist und gelebt wird. Weitere Reformen sind mit Blick auf das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz, die Novellierung des Jugendschutzgesetzes sowie die Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz geplant. Diese Entwicklung sollten wir abwarten, denn hier müssen wir uns mit personellen und strukturellen Gegebenheiten auseinandersetzen. Nur so wird es uns gelingen, die kommunalen Verantwortungsträger im Kinder- und Jugendschutz richtig zu unterstützen.
Sehr geehrte Damen und Herren, zurück zum Landesprogramm. Ich hatte eingangs gesagt, dass die Entwicklung im Kinderschutz Prozesscharakter trägt, und natürlich, sehr geehrte Abgeordneten der LINKEN, arbeiten wir dauerhaft daran. Wir überprüfen Maßnahmen, identifizieren eventuell vorhandene Lücken oder Schwachstellen, wir schauen, auf welche neuen Entwicklungen wir neue Antworten geben müssen. Das gehört zu unserem täglichen Geschäft und ich glaube, da müssen wir uns überhaupt nicht verstecken. Im Gegenteil, der Kinderschutz in unserem Land ist in den vergangenen Jahren deutlich professioneller, deutlich umfangreicher geworden und die Akteure – also Ärzte, Behörden, Kitas, Schulen, Sozialarbeiter und, und, und – sind deutlich besser vernetzt.
Kinder- und Jugendhilfe verstärkt in den Blick. Dazu gehört vor allem auch das Thema Fachkräftegewinnung und -bindung.
winnung ein. Zudem qualifizieren wir im besonderen Maße Neueinsteiger im Allgemeinen Sozialen Dienst.
Vorpommern so umstrukturiert, dass die übergreifende Kooperation und Vernetzung in den Kommunen stärker zum Tragen kommt.
des runterzuladen ist. Sie kann als Orientierungshilfe im Verfahren von Kindeswohlgefährdungen von Fachkräften der Jugendhilfe, Ärzten und Lehrkräften genutzt werden.
und stricken an Maßnahmen zur Stärkung der Prävention. Dabei berücksichtigen wir auch die Familienhebammen, Familien-, Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger/-innen als einen Baustein.
eine tragende Säule im Kinderschutz und fördern sie mit jährlich 130.000 Euro. In diesem Jahr feiert sie ihr zehnjähriges Bestehen. Wir haben aus diesem Anlass die Kinderschutz-Hotline beworben, um die Bekanntheit noch mehr zu steigern. Wir fördern darüber hinaus das Kinder- & Jugendtelefon sowie das Elterntelefon und wir haben weitere Modellprojekte etabliert, zum Beispiel für Kinder psychisch kranker Eltern.
In der Summe unterstützt mein Ministerium Maßnahmen im Haushaltsjahr 2018 und 2019 mit rund 5,2 Millionen Euro allein für den Kinderschutz. Die tatsächlichen Ausgaben für den Kinderschutz liegen selbstverständlich weit höher, denn Prävention ist in vielen Förderbereichen veranschlagt und Bestandteil verschiedener Projekte, die Kindern und Jugendlichen zugutekommen.
Sehr geehrte Damen und Herren, die soeben benannten Maßnahmen sind allerdings nur Teile eines Ganzen, genau wie die psychosoziale Prozessbegleitung. So kann ich die Forderung der LINKEN, die pädagogische und psychologische Betreuung von Kindern und Jugendlichen als Mitbetroffene von häuslicher und sexualisierter Gewalt in Schutz- und Beratungseinrichtungen als Handlungsziel aufzunehmen, zwar nachvollziehen, doch ist dies nicht explizit notwendig, denn in MecklenburgVorpommern gibt es bereits seit über zehn Jahren eine solche Betreuung. Das Projekt Kinder- und Jugendberatung bei häuslicher Gewalt aus dem Jahr 2005 ist ein fest etabliertes Angebot in allen fünf Interventionsstellen gegen häusliche Gewalt und Stalking geworden. Das Land finanziert seit über zehn Jahren stabil eine pädagogische und psychologische Betreuung von Kindern und Jugendlichen.