Nun aber zu den Anträgen: Den Antrag der Fraktion Freie Wähler/BMV lehnen wir aus den genannten Gründen, die ich eben erläutert habe, ab. Wir möchten, dass das wirkt zur Kommunalwahl, und nicht, dass das verzögert wird. Außerdem erwarte ich nach Ihrer Einbringung, Frau Weißig, dass Sie im Verfahren einen ganz konkreten Vorschlag machen,
nicht nur, dass wir etwas streichen, sondern bereits eine Regelung hier treffen, die vielleicht der Bund übernehmen könnte.
Zum Antrag der LINKEN: Zu Ziffer 1 ist genug gesagt worden, also das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Ziffer 3, denke ich mal, setzen wir gerade mit unserem Gesetzentwurf um. Und zu Ziffer 2 möchte ich Ihnen noch mal Folgendes sagen: Für mich spricht das für ein ganz tiefes Misstrauen gegen die kommunale Ebene, denn – und das würde ich mehreren meiner Vorredner empfehlen – nicht nur das Landes- und Kommunalwahlgesetz hat verbindliche Vorschriften, sondern auch die Landes- und Kommunalwahlordnung. Das ist keine unverbindliche Empfehlung, sondern da stehen Dinge drin, die auch konkret umgesetzt werden müssen.
Die selbstbestimmte und uneingeschränkte Ausübung eines möglichst barrierefreien Wahlrechts stellt bei der Teilhabe am politischen und gesellschaftlichen Leben selbstverständlich einen Schwerpunkt dar. Daher unterstützen wir grundsätzlich die wahlrechtlichen und wahlorganisatorischen Voraussetzungen, die dazu dienen, diese weiterzuentwickeln.
Deswegen enthält die Wahlordnung dafür entsprechende Vorschriften. Diese sieht nämlich vor, dass die Wahlräume so ausgewählt und eingerichtet werden sollen, dass allen Wahlberechtigten, insbesondere Menschen mit Mobilitätseinschränkungen, die Teilnahme an der Wahl erleichtert wird. Dabei soll der Wahlraum möglichst verkehrsgünstig liegen und für Menschen mit Behinderungen gut erreichbar sein. Wortwörtlich kann man das da nachlesen.
Die Gemeindewahlbehörden haben in der Wahlbekanntmachung und in der Wahlbenachrichtigung mitzuteilen, welche Wahlräume barrierefrei sind. Darüber hinaus kann die Gemeindewahlbehörde bereits heute schon bewegliche Wahlvorstände bilden, die während der Wahlzeiten Einrichtungen oder Ortschaften aufsuchen, deren Wahlberechtigte den Wahlraum nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen aufsuchen können.
Wahlberechtigte, die des Lesens oder Schreibens unkundig oder wegen einer körperlichen Beeinträchtigung gehindert sind, den Stimmzettel zu kennzeichnen, zu falten oder selbst in die Wahlurne zu werfen, können sich der Hilfe einer anderen Person bedienen. Dies gilt auch bei der Ausübung der Briefwahl, die sich, wie wir wissen, immer größerer Beliebtheit erfreut. Sehbehinderte Wahlberechtigte können sich zur Kennzeichnung – das hatte Herr Koplin auch schon angesprochen – des Stimmzettels auch einer Stimmzettelschablone bedienen. Muster der Stimmzettel werden nach ihrer Fertigstellung dem Blindenverein, die ihre Bereitschaft zur Herstellung von Stimmzettelschablonen erklärt haben, zur Verfügung gestellt und diese bereiten sie vor, die dann benutzt werden können.
Eine politische Mitwirkung der Menschen mit Behinderungen erfolgt bei uns durch die Landesverbände und Vereine der Menschen mit Behinderungen, die Selbsthilfe für Blinde und den Integrationsförderrat bei der Landesregierung. Insbesondere dieser hat sich als wertvoller Berater in der Vergangenheit entpuppt und hat auch bei der Weiterentwicklung der Landes- und Kommunalwahlordnung kräftig mitgewirkt.
Dass wir jetzt das Wahlrecht für Menschen, die in allen Bereichen betreut werden, umsetzen, lag der Selbsthilfe auch sehr am Herzen und deswegen freue ich mich, dass wir jetzt mindestens den ersten Schritt für das aktive Wahlrecht hinbekommen.
Den Antrag der LINKEN werden wir insgesamt ablehnen, weil er im Großen und Ganzen nicht unterstützt wird. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte gern auf einige Dinge eingehen, die jetzt in der Aussprache waren, und auch zu den Ausführungen des Ministers etwas sagen.
Zunächst zur Schnelligkeit: Wenn man als Fixpunkt den Urteilsspruch vom 29. Januar 2019 herbeizieht, sind Sie in der Tat sehr schnell gewesen, und schneller ging es im Verfahren nicht. Das ist anzuerkennen, aber das kann nicht der Ausgangspunkt sein,
In der Koalitionsvereinbarung von CDU, CSU und SPD in Ziffer 357 ist niedergelegt, dass es eine Veränderung geben soll, und in der Tat haben andere Bundesländer diese rechtliche Veränderung schon vollzogen. Nicht, Herr Minister Caffier, weil die im Unterschied zu uns bereits eine Landtagssitzung hatten, sondern weil sie eben aufgrund der Sachlage und der Dinge, die sich anbahnten, proaktiv gehandelt haben. Also uns liegen zumindest Pressemeldungen aus dem Dezember 2018 vor,
(Torsten Renz, CDU: Herr Koplin, Sie hätten doch einen Gesetzentwurf als Fraktion einbringen können. – Zuruf von Egbert Liskow, CDU)
Nun ist also hier angemahnt oder Unverständnis geäußert worden, warum man noch mal ein Bekenntnis abgeben müsse zu einer Behindertenrechtskonvention. Die darin enthaltenen Artikel unterstützen wir doch alle. Das steht außer Zweifel. Aber mit einem Bekenntnis, so, wie wir es hier herausfordern, ist auch ein Handlungsauftrag verbunden, und zwischen dem Wort und der Tat gibt es bei Ihnen ganz deutliche Unterschiede. Es ist irgendwie traurig, dass Sie sich die Welt auch gestern wieder in der Halbzeitbilanz schönreden.
Aber an dieser Stelle ganz konkret: Bei der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention geht es um Barrieren bei der Wahl. Diese haben wir hier gerade am Wickel. Aber ich möchte auch andere Dinge ins Feld führen, wo die UN-Behindertenrechtskonvention im Wortlaut vom Landtag, von der Landesregierung anerkannt wird, aber in der Tat ändert sich nichts oder kaum etwas.
Wir haben – das werden einige hier bestätigen können – in der vergangenen Woche am Mittwoch hier im Landtag eine gemeinsame Ausschusssitzung des Energieausschusses und des Sozialausschusses gehabt. Gegenstand der Debatte waren Mobilitätseinschränkungen für Menschen mit Handicap und Unterstützungsbedürftige, die bei der Nutzung des Bahnverkehrs, ob regional oder im Fernverkehr, auf erhebliche Barrieren stoßen. Und wenn ich nur daran erinnern darf, der Vorsitzende des Allgemeinen Behindertenverbandes MecklenburgVorpommern, Peter Braun, hat sehr deutlich illustriert, auf welche Barrieren er stößt. Es ist herausgearbeitet worden, dass es hier a) eine politische Verantwortung gibt und b) politisch gehandelt werden muss. An der Stelle tut sich schon lange Zeit nichts.
Oder zum barrierefreien Wohnen: Der gesamte Wohnbereich wird uns ja in dieser Landtagssitzung auch noch mal beschäftigen. Ich habe gerade von der geschätzten Kollegin Eva Kröger erfahren, um noch mal eine Zahl zu nennen, es fehlen aktuell 35.000 barrierefreie Wohnungen in Mecklenburg-Vorpommern, Tendenz deutlich steigend. Diese Zahl ist nicht neu. Die Dramatik besteht nur darin, dass so viel Dynamik in dem Prozess ist, dass die Zahl deutlich steigt und wir nicht hinterherkommen. Auch deshalb das Bekenntnis, man muss sich in die Pflicht nehmen – ein Lippenbekenntnis ist schnell getan –, man muss sich in die Pflicht nehmen, um daraus dann auch Schlussfolgerungen abzuleiten und zu handeln.
Oder ein drittes Beispiel: Die Ärzteschaft, Kassenärztliche Vereinigung, bekennt selbst, dass lediglich 48 Prozent ihrer circa 2.300/2.400 ambulanten Arztpraxen barrierefrei sind. Nicht einmal die Hälfte der Arztpraxen ist hierzulande barrierefrei. Das ist ein Fingerzeig dafür, wie es um die freie Arztwahl unter Umständen steht. Also das sind alles Dinge, die eine Rolle spielen. Wir wollen – und das ist unser Antrag – weiterdenken, als nur in diesem Zusammenhang jetzt dem Urteilsspruch vom 29. Januar schnell Genüge zu tun und dann weiterzutraben, sondern unser Antrag wurde in seiner Wortwahl mit Bedacht gewählt: „Demokratie barrierefreier machen“. Also das ist unser Anliegen.
Ich fand es sehr erhellend, Herr Förster, mit welcher Argumentation Sie vorgetreten sind. Sie hatten ja darauf verwiesen, dass es noch mal ausdrücklich um die Vollbetreuten geht. Das ist völlig korrekt, aber Sie haben dann auch Worte gewählt wie, in der Regel könnten die das sowieso nicht wahrnehmen. Wenn das der Maßstab ist?! Der Maßstab ist Allgemeinheit, Gleichheit. Das ist der Maßstab,
das ist der Maßstab. Sonst passiert nämlich Folgendes, Herr Förster, das muss ich Ihnen an der Stelle vorwerfen,
dass Sie die Person für unmündig erklären. Es hat nämlich einen politischen Aspekt und ich finde es auch sehr bezeichnend vom Rechtsverständnis, dass Sie mit Ihrer Biografie, mit Ihrer beruflichen Biografie dann solche Worte wählen wie, da hat uns das Bundesverfassungsgericht ein Ei ins Nest gelegt.
Frau Tegtmeier, zu Ihnen habe ich Vertrauen, keine Frage. Sie sagen aber, habt doch Vertrauen zur kommunalen Ebene! Wenn das immer so einfach wäre!
So einfach ist es aber nicht. Die Wahlordnung Mecklenburg-Vorpommern hat Empfehlungscharakter, ist aber nicht streng verbindlich.
Und es dabei zu belassen zu sagen, da haben wir Vertrauen, im Grunde genommen ja, aber ich hatte vorhin an einem Beispiel – es ließen sich mehrere Beispiele aufzählen – deutlich gemacht, die Vertrauensseligkeit darf nicht dazu führen, dass wir uns sagen, die machen das schon, sondern dass wir an der Stelle sehr konkret werden und auch dem Geist und den Buchstaben der UNBehindertenrechtskonvention entsprechen. Also das ist unser Redesinn und letztlich auch der Sinngehalt unseres Antrages.
Noch mal, wir werben dafür, dass alles zusammen in die Ausschüsse kommt. Und dann im Übrigen, damit da kein Zweifel besteht, wir haben im Vorfeld über unseren Parlamentarischen Geschäftsführer Peter Ritter signalisiert, was den Gesetzentwurf betrifft, sind wir an einem schnellen Vorgang genauso interessiert wie Sie mit einer schriftlichen Anhörung derjenigen, die anzuhören sind. Das ist gar keine Frage. Die Aspekte, die in unserem Antrag noch zusätzlich über der Frage der notwendigen Gesetzesänderung stehen, kann man abkoppeln in den Ausschüssen und ganz solide und mit Bedacht verhandeln, um dann eine entsprechende, im Übrigen auch vom Minister Caffier angekündigte, weitere Rechtsänderung einfließen zu lassen. Das führt noch mal dazu, alles zu überweisen, im Ausschuss dann in der Sache ein schnelles Gesetzänderungsverfahren zu entkoppeln, damit es noch zum 26. Mai greift, was wir selbst in der Verantwortung und in der Zuständigkeit haben, und alles andere dann sachgerecht in den Ausschüssen zu behandeln. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Werte Frau Präsidentin! Liebe Abgeordnete! Liebe Gäste! Als Erstes noch eine kleine Ergänzung von unserem Juristen: Das Verfassungsgerichtsurteil wirkt bereits wie ein Bundesgesetz. Also es könnte schon gehandelt werden, bevor diese Anpassung an unsere Gesetze vorgenommen wird mit dem heutigen Antrag.
(Jochen Schulte, SPD: Ja, aber das Bundesverfassungsgerichtsurteil gilt nicht für das Landes- und Kommunalwahlgesetz.)
Des Weiteren haben auf Bundesebene auch diverse Anhörungen – drei Stück, wenn ich richtig informiert bin – stattgefunden, die bei der praktischen Ausführung und Umsetzung zu keinem Ergebnis gekommen sind. Und, meine Damen und Herren, ich stehe hier vor Ihnen als einer der Vollbetreuer. Ich habe gerade letzte Woche einen Betreuungsbericht beim Amtsgericht abgegeben für meinen Betreuten und ich will Ihnen einfach mal schildern, was jetzt aus der Sicht eines Betreuers passiert.
Also nehmen wir mal an, das Amtsgericht muss jetzt festlegen, ob er eine von den Personen ist, die das Wahlrecht ausüben kann und darf nach diesem Gesetz. Wie macht es das? Schickt es die Rechtspfleger los, um meinen Betreuten zu besuchen? Gut, er würde keinen Rechtspfleger reinlassen, er würde auch kein fliegendes Wahlteam reinlassen, das ist seine Einschränkung, die er hat. Also wie soll es passieren? Wird der Betreuer gefragt und muss das einschätzen am Ende des Tages? Das sind alles noch offene Fragen, die zu klären sind, meine Damen und Herren. Für meinen Betreuten käme nur die Briefwahl infrage. Das heißt, da ich natürlich als Vollbetreuer auch die Postvollmacht habe, landet alle Post bei mir, die Wahlbenachrichtigung auch. Ich darf für ihn unterschreiben, also werde ich als Betreuer für ihn die Briefwahl beantragen. Dann werde ich, wenn die Briefwahlunterlagen bei mir eingetroffen sind, zu ihm hinfahren, ihm die Briefwahlunterlagen hinlegen, ihm erklären und sagen, ich gehe jetzt dein Rezept einlösen und wenn ich wiederkomme, dann hast du das ausgefüllt. Und dann fragt er mich: In welcher Partei bist du eigentlich noch? Ist das dann schon Wahlhilfe, wenn ich ihm sage, dass ich in der AfD bin,