Ich habe mal eine Blitzumfrage bei mir in der Fraktion gemacht. Das ging so in die Richtung, einmal im Leben bisher das Amtsgericht in persönlicher Funktion aufgesucht. So geht es mir auch in meinen 36 Lebensjahren, einmal dagewesen.
Also tun Sie nicht so, als wenn Sie hier von einer Institution reden, Schule, Kita, wo man täglich hingehen muss und wo man dann eine Tagesreise in Kauf nehmen muss! Das hat eine emotionale Wirkung, das will ich ja gar nicht verhehlen.
Ich glaube, das haben wir als Koalitionsfraktionen erkannt, dass wir natürlich bestimmten Regionen des Landes mit der Strukturreform einiges zugemutet haben. Ich denke, das kann man auch sehr selbstkritisch sagen. Aber man muss doch ebenso mal zur Kenntnis nehmen, dass wir hier nicht über eine Einrichtung reden, wo wir uns täglich hinbewegen. Gott sei Dank, ist das so nicht der Fall.
Die Justiz in Mecklenburg-Vorpommern, wenn man sich das mal anschaut, hat sich natürlich in den letzten Jahrzehnten immer wieder auch demografischen Entwicklungen angepasst. Das Ziel der damaligen Reform und unser jetziges Ziel ist, dass wir eine leistungsfähige und zukunftsfähige Justiz hier im Land haben. Da finde ich es schon ein bisschen schwierig, dass jetzt, obwohl der Prozess noch gar nicht so richtig abgeschlossen ist, hier schon Schulnoten verteilt werden.
Es ist ungefähr so, als wenn ich bereits in der 11. Klasse, ein Jahr vor dem Abitur, schon mal nach den ersten paar Klausuren die Abiturnote festlege,
(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Für die Guten ist das möglich! Torsten Renz, CDU: Wir reden jetzt von den Schlechten! Das ist nicht möglich.)
ohne mir überhaupt den gesamten Zeitraum anzuschauen, wie denn die Leistungen sind. Von daher lehnen wir das an der Stelle natürlich ab.
In Mecklenburg-Vorpommern, meine sehr verehrten Damen und Herren, gibt es wie in allen Bundesländern die im Grundgesetz vorgeschriebenen fünf Gerichtsbarkeiten. Das sind ordentliche Gerichtsbarkeit, Sozialgerichtsbarkeit, Verwaltungsgerichtsbarkeit, Arbeitsgerichtsbarkeit, Finanzgerichtsbarkeit. Dazu kommen die Staatsanwaltschaften mit ihren Kernaufgaben der Strafverfolgung. Da haben wir für beide Bereiche jetzt auch noch mal mehr Personal zur Verfügung gestellt mit dem Pakt für innere Sicherheit. Ich glaube, das ist der vernünftige Weg. Es ging bei der Reform einzig und allein um die Frage, gar nicht mal um das Thema Kosten, sondern: Wie kriegen wir einfach die Justiz hier in den nächsten Jahren organisiert?
Es sind, Herr Dr. Manthei, da können Sie sich drehen und wenden, wie Sie wollen, es sind 16 Gerichtsstandorte weiterhin hier in Mecklenburg-Vorpommern. Das können Sie zur Kenntnis nehmen. Davon sind 6 Zweigstellen, das ist auch völlig klar, aber es sind ja trotzdem noch Standorte, wo die Bürgerinnen und Bürger einen Anlaufpunkt haben. Ich glaube, es gibt durchaus auch Juristen, wenn man sich mit Rechtsanwälten unterhält, die das Thema positiv sehen in einigen Bereichen, weil man damit dort künftig eine größere Bandbreite abdecken kann. Die Spezialisierung ist an größeren Amtsgerichten eher möglich. Ich glaube, die Argumente sind bekannt.
Im Oktober 2014, das klang schon an, ist das erste Amtsgericht in eine Zweigstelle umgewandelt worden und erst im Februar 2017, also vor gut zwei Jahren, er
folgte dann mit der Umwandlung von Ribnitz-Damgarten der Abschluss der Reform. Bereits jetzt, also gut zwei Jahre später, ist DIE LINKE schon zu der Erkenntnis gekommen, dass das alles großer Unsinn ist und man die Reform jetzt schon zurückdrehen muss. Ich habe es in der Debatte 2017 gesagt und ich wiederhole jetzt gerne: Ich kann da wirklich nur vor voreiligen Schlüssen warnen.
Die Ministerin hat hier einen Weg aufgezeigt und das wird an der Stelle sehr ähnlich und sehr offen evaluiert, weil ich glaube, die Punkte, die durchaus berechtigt genannt wurden in der Anhörung hier im Plenarsaal vor einigen Wochen, muss man sich einfach anschauen. Das würde ich auch aus Sicht unserer Fraktion zusichern, dass das keine Alibiveranstaltung wird. Aber ich glaube, die gesamte Reform hat noch gar nicht ihre Wirkung erzeugt, und deswegen bleiben wir bei unserer Position. Wir schauen uns das an, so, wie es vereinbart ist, und werden das dann in aller Offenheit und Deutlichkeit miteinander diskutieren. Ihrem Antrag und der Überweisung werden wir heute nicht zustimmen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Zunächst einmal möchte ich die Gelegenheit ergreifen und auf der Besuchertribüne Bürgerinnen und Bürger aus Wismar und Dorf Mecklenburg begrüßen. Herzlich willkommen!
Liebe Bürger von Mecklenburg und Vorpommern! Frau Präsident! Werte Kollegen! Liebe Gäste! Allgemein zu dem Fehlgriff der Gerichtsstrukturreform ist eben schon das Erforderliche gesagt worden und mein Kollege Förster hat auch bereits zu den Zweigstellen und der Problematik das Notwendige ausgeführt. Es bleibt, noch mal festzuhalten, die meisten Bundesländer verzichten völlig auf Zweigstellen bei den Amtsgerichten. In einigen Bundesländern, zum Beispiel in Bayern gibt es von 73 Amtsgerichten 2 Zweigstellen aufgrund regionaler Besonderheiten.
Zweigstellen sind an sich kaum lebensfähig und vollziehen nicht die Aufgaben, die eigentlich einem Amtsgericht zufallen sollten. Insofern hat DIE LINKE mit ihrem Antrag, die Zweigstellen zu vollwertigen Amtsgerichten wieder aufzuwerten, recht und die richtige Tendenz getroffen.
Trotzdem sind wir der Meinung, dass man etwas bremsen und sich die einzelnen Zweigstellen genauer anschauen sollte. Die Wiedereröffnung einer Zweigstelle mit drei oder vier Richtern zum vollwertigen Amtsgericht macht zum gegenwärtigen Zeitpunkt keinen Sinn. Das heißt, man muss die einzelnen Zweigstellen isoliert betrachten. Zur Zweigstelle Demmin hat der Kollege Förster schon ausgeführt. Ich möchte etwas sagen zur Zweigstelle Parchim des Amtsgerichts Ludwigslust.
Die Zweigstelle Parchim als Zweigstelle ist personell größer als das eigentliche Amtsgericht Ludwigslust. Die notwendige Besetzung mit Richtern, es sind jetzt sechs mit zwei Abordnungen, also acht – acht Richter waren im Amtsgericht Parchim auch vor der Umwandlung durch
die Gerichtsstrukturreform. Am nicht richterlichen Personal hat die Zweigstelle Parchim sogar noch an Personal zugenommen. Das heißt, die strukturell personelle Größe dieser Zweigstelle ist heute größer als zu der Zeit, als es ein selbstständiges Amtsgericht war. Die richterlichen Funktionen sind gleichgeblieben. Insofern spricht für die Zweigstelle Parchim nichts dagegen, diese Zweigstelle wieder zu einem vollwertigen Amtsgericht aufzuwerten. Das wäre ein Gebot der Vernunft.
Das Gleiche gilt für die Zweigstelle Bergen auf Rügen vom Amtsgericht Stralsund. Da sind es nach wie vor acht Richter. Das war auch, als das Amtsgericht Bergen noch selbstständig war, die Besetzung – mit acht Richtern. Das nicht richterliche Personal ist, wenn man auf den ersten Blick sich die Zahlen anschaut, zwar deutlich reduziert worden, das liegt aber ausschließlich daran, dass das Grundbuchamt von Bergen verschwunden ist und nach Stralsund transferiert wurde. Wäre das Grundbuchamt nach wie vor in Bergen, wie es ursprünglich war, hätte auch dort keine strukturell-personelle Anpassung stattgefunden.
Für diese beiden Zweigstellen spricht jedenfalls gar nichts dafür, sie als Zweigstellen weiterzuführen, sondern da hat der Antrag der LINKEN sicherlich recht, die sollten wieder zu vollwertigen Amtsgerichten aufgewertet werden. Das war auch die Tendenz bei der Expertenanhörung, auf die schon mehrfach hingewiesen wurde. Ähnliches gilt für die Zweigstelle Demmin des Amtsgerichts Neubrandenburg.
Insgesamt sollte man das, wie gesagt, etwas vorsichtiger betrachten, als das der Antrag der LINKEN widerspiegelt, nämlich für jede Zweigstelle isoliert mit den entsprechenden Zahlen untermauert, auch die Bearbeitungszeiten. Übrigens, Frau Minister, Sie haben da wenig Einfluss, denn das ist die Frage der einzelnen Referatsführungen in den Gerichten selbst und weniger der Amtsgerichtsstruktur.
Herr Dr. Manthei, Sie sagen, es gibt keine Mindestgröße für Amtsgerichte. Das ist völlig richtig. Wenn Sie aber fragen, wo die Zahl acht, Sie hatten dann zehn genannt, herkommt, das steht im Gerichtsverfassungsgesetz. Ab acht Richtern ist ein Amtsgericht mit einem eigenen Präsidium autonom ausgestattet. Unter acht Richtern müsste der Präsident des Amtsgerichts, dessen Zweigstelle dann da ist, oder des Landgerichts, je nachdem, je nach Struktur, hinzugezogen werden. Insofern war und ist immer die Zahl von acht Richtern als die Strukturgröße für den Erhalt eines eigenständigen Amtsgerichts ausgelegt worden. Das würde für Demmin noch nicht zutreffen. Da müsste man in der richterlichen Besetzung nachhelfen. Für Bergen auf Rügen und für Parchim dagegen wären diese Zahlen mit der entsprechenden Deputatserhöhung erfüllt.
Insofern würden wir uns freuen, Herr Ehlers, wenn Ihren Worten auch Taten folgen. Sie hatten vorhin gesagt, das werden wir uns genauer anschauen. Darüber muss man sprechen. Der richtige Ort, um darüber zu sprechen, wäre der Rechtsausschuss. Trotzdem haben Sie gesagt, Sie werden der Überweisung in den Rechtsausschuss nicht zustimmen. Wir appellieren noch mal daran: Lassen Sie uns doch bitte darüber sprechen! Lassen Sie uns die einzelnen Zweigstellen genau anschauen, und zwar im
Rechtsausschuss! Deswegen werden wir uns natürlich für die Überweisung des Antrages in den Rechtsausschuss einsetzen. Sollte die Überweisung allerdings nicht erfolgen, werden wir in der Pauschalität, wie die LINKEN es beantragt haben, derzeit Ihrem Antrag nicht zustimmen können. Da bräuchten wir noch genauere zahlentechnische und auch aufgabenspezifische Untersuchungen zu den einzelnen Zweigstellen.
Ein letztes Wort zu Herrn Manthei: Zweigstelle Anklam. Im Amtsgericht Pasewalk, haben Sie sicherlich mit vielem recht, was Sie gesagt haben, nur dass Anklam allein dann die Strukturaufgabe zukäme, die Justizsachen für die Insel Usedom abzudecken. Das ist natürlich Lokalpatriotismus. Da muss man an das inzwischen geschlossene frühere Amtsgericht Wolgast erinnern. Wolgast hat genau die gleiche Funktion zur Abdeckung der Justizangelegenheiten auf der Insel Usedom wie Anklam. Da müsste man dann also eventuell eine andere Lösung finden. – Danke für die Aufmerksamkeit.
Herr Ehlers, wenn Sie mich als Lucky Luke des Landtages bezeichnen, dann nehme ich diese Bezeichnung gerne an. Lucky Luke war seit 1946 mit die erfolgreichste Comicfigur. Wenn DIE LINKE genauso erfolgreich ist, SPD und CDU zu überzeugen und für unsere Anliegen zu werben, dann lasse ich mich auch gerne als Lucky Luke des Landtages bezeichnen.
Allerdings haben mich Ihre Argumente wenig überzeugt, genauso wie die vom SPD-Kollegen. Was wirklich die einzig wohltuende Rede hier war, und da möchte ich meinen geschätzten Kollegen Herrn Manthei hervorheben, war Ihre Rede, Herr Manthei. Sie haben die Situation am Beispiel von Anklam richtigerweise beschrieben, wie Zweigstellen ausgehöhlt werden. Insofern haben wir doch immer unterschiedliche Wahrnehmungen.
Herr Ehlers bezeichnete es als unrealistisch. Ich bezeichne es als wohltuend. Insofern vielen Dank für die Rede.
Wir meinen, Ihre Argumente haben uns nicht überzeugt. Wir meinen, wenn eine falsche Entscheidung getroffen worden ist, dann sollte Politik auch den Arsch in der Hose haben und diese Entscheidung zurückdrehen. Und genauso sieht es aus unserer Sicht für die Zweigstellenlösung aus.
Über die Ländergrenzen hinweg sind wir dafür bekannt, wie es der Richterbund bezeichnete, mit der Gerichtsstrukturreform, was die Gerichte betraf, einen völligen
Kahlschlag betrieben zu haben. Die Effizienz größerer Gerichte, die wir uns als Landtag von der Gerichtsstrukturreform versprachen, ist nicht eingetreten. Im Gegenteil, die Fahrtwege und Fahrzeiten für Staatsanwälte, für die Beteiligten am Gerichtsverfahren wurden größer, Schöffen werfen ihr Amt hin, weil sie in ihrem Ehrenamt mehrere Hundert Kilometer zum Gericht fahren müssen.
Bei unserem Besuch der Polizeiinspektion haben uns die Polizisten beschrieben, welche unnötigen Fahrzeiten sie aufnehmen müssen, die einhergehen mit den Zweigstellenlösungen. Insofern müsste schon der Innenminister alleine daran interessiert sein, diese Gerichtsstrukturreform beziehungsweise die Zweigstellenlösung zurückzunehmen.