Protokoll der Sitzung vom 14.03.2019

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Hört, hört!)

Im Ausland erworbene Hebammenabschlüsse müssen gemäß der EU-Richtlinie fatalerweise in Deutschland trotz des deutlich geringeren Erfahrungshorizontes, also halb so groß im Praxisanteil, anerkannt werden.

Einige Bemerkungen zur Positionierung: Akademisierung macht den Beruf der Hebamme attraktiver. Das stimmt, für eine bestimmte Interessentenschicht macht die Akademisierung des Hebammenberufes diesen Beruf attraktiver. Wenn man aber davon ausgeht, dass die Akademisierung auch mit höheren Ansprüchen verbunden wird, dann darf ich postulieren, dass andere, nämlich praxisorientierte Interessenten, diese Entwicklung gerade nicht begrüßen werden. Oder soll etwa der akademische Grad verliehen werden, ohne dass die Ausbildung überhaupt verändert werden soll?! Auch diese Frage wäre zu beantworten.

Natürlich gibt es Vorteile der Akademisierung. Diese sind zum Beispiel die prognostizierte Vergleichbarkeit mit anderen EU-Abschlüssen auf Bachelor- und Masterniveau, so auch in der sozialen Anerkennung, bei weiterführenden Karrieremöglichkeiten, wenn auf das Bachelor- ein Masterstudium folgt oder gar eine Promotion. Auch die Qualifikation der Hebammenausbilder würde aufgewertet werden. Berufsschullehrer würden zu Hochschuldozenten und Professoren.

Und, meine Damen und Herren, natürlich sind mit der Akademisierung auch höhere Vergütungsansprüche der Absolventen verbunden. Dann stellen sich nämlich neue Fragen: Was ändert sich am Berufsbild der Hebamme durch die Akademisierung? Wie unterscheidet sich das Tätigkeitsfeld einer Hebamme mit Bachelor- von dem einer Hebamme mit Masterabschluss? Wird es Vergütungsunterschiede unterschiedlicher Abschlüsse bei gleicher Tätigkeit geben?

Die alltägliche praktische Arbeit im Kreißsaal wird sich wohl kaum ändern. Es ist derzeit auch nicht denkbar, dass eine Hebamme eines Tages einen Kaiserschnitt durchführen will oder darf. Denkbar wäre allerdings die Etablierung moderner Untersuchungsgeräte in der Hebammenmethodik, wie zum Beispiel die Ultraschalluntersuchung.

Manche Ärzte begrüßen die Akademisierung der Hebammenausbildung, weil sie sich dadurch eine Teamarbeit auf gleicher akademischer Augenhöhe versprechen.

(Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

Es gibt Ärzte, die das begrüßen.

(Vincent Kokert, CDU: Ja, die Mehrheit.)

Ja, durchaus.

Dies kann wirklich ein lohnendes Ziel sein, wenn damit der Hierarchisierung im Gesundheitswesen entgegengewirkt werden kann. Mit der Akademisierung der verschiedenen Berufe im Gesundheitswesen könnte die Teamarbeit auf Augenhöhe einen Schub bekommen. Allerdings setzt diese prognostizierte Teamarbeit auch die Bereitschaft von Ärzten voraus, sich in einem solchen Team, zum Beispiel der Geburtshilfe, gegebenenfalls unter die Leitung einer erfahrenen akademischen Hebamme zu stellen. Das scheint den meisten Ärzten derzeit noch nicht bewusst zu sein. Dies könnte dann aber eine realistische Zukunftsperspektive sein, die durchaus auch Vorteile bringen könnte.

Ein letzter Punkt: Bemerkungen zum Widerspruch „Akademisierung und duale Ausbildung“

Der Hebammenverband spricht sich für die umfassende Akademisierung der Ausbildung zur Hebamme aus. Allerdings verlangt er gleichzeitig, dass die Vorteile der dualen Ausbildung, nämlich die bisher übliche Vergütung der praktischen Tätigkeit, erhalten bleibt, also akademische Ausbildung ja, aber doch nicht vergleichbar mit einem normalen Studium im Gesundheitswesen. Man fragt sich unwillkürlich: Warum sollte diese Bevorzugung im Vergleich zum Medizinstudium gewährt werden? Induziert dies nicht neue Ungerechtigkeit?

Nun noch einige Bemerkungen zur Widersprüchlichkeit: Das hatten wir schon, aber lassen Sie mich zum Fazit kommen. Bislang fehlt eine eindeutige Klarstellung, ob die Vollakademisierung des Hebammenberufs in Deutschland sinnvoll und unausweichlich ist und ob dadurch positive Effekte für das Fachgebiet zu erwarten sind. Im Gespräch mit den Beteiligten muss geklärt werden, ob die volle Akademisierung wirklich die beste Lösung darstellt. Angesichts weit verbreiteter Überakademisierung zahlreicher Berufe gäbe es hier eigentlich das falsche Signal in Richtung einer Abwertung der traditionellen dualen Ausbildung in Deutschland.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Wir halten deshalb eine gründlichere Situationsanalyse und Planung für einen gegebenenfalls erforderlichen Einstieg in die akademische Ausbildung der Hebammen für erforderlich. Die im Antrag aufgezeigte Eile ist einer qualitativ hochwertigen Entscheidung nicht dienlich. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Franz-Robert Liskow.

(Marc Reinhardt, CDU: Jetzt gehts los!)

Meine sehr geehrte Frau Präsidentin!

(Vincent Kokert, CDU: Er darf das sagen. – Heiterkeit bei Andreas Butzki, SPD: Das verstehe ich nicht.)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Ich darf das sagen, Herr Kollege Butzki.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der CDU)

Es wurden bereits einige Fakten zu der geplanten Akademisierung von Hebammen vorgetragen und es wurde mehrfach gesagt, dass es eine EU-Richtlinie gibt, die auch in Deutschland umzusetzen ist. Mecklenburg-Vorpommern hat bisher von der gesetzlich bereits möglichen Modellklausel noch keinen Gebrauch gemacht und entsprechend noch keinen Studiengang eingerichtet. Da die EURichtlinie allerdings bis zum 18. Januar 2020 umgesetzt sein soll, besteht schon ein wenig Zeitdruck. Von daher kann ich in diesem Punkt dem Grundgedanken Ihres Antrages durchaus zustimmen.

Mecklenburg-Vorpommern ist in dem Punkt aber auch abhängig von dem Bundesrecht. Dort muss das Gesetz zur Hebammenausbildung angepasst werden. Nicht umsonst befindet sich in der Koalitionsvereinbarung der Satz, dass die Hebammenausbildung nach EU-Recht als akademischer Beruf umgesetzt werde. Hier kommen wir dann an den Punkt, an dem Ihr Antrag überflüssig wird.

(Egbert Liskow, CDU: Aha!)

Sie schreiben in Ihrer Begründung, dass auf Bundesebene keinerlei Aktivitäten zu erkennen seien, die auf eine fristgemäße Umsetzung der EU-Richtlinie hinweisen. Als Sie Ihren Antrag eingereicht haben, mag es noch den Anschein gehabt haben, aber mit Datum vom 27.02.2019 hat die Bundesregierung eine umfassende Antwort zur Umsetzung der Akademisierung der Hebammenausbildung gegeben. Daraus geht hervor, dass das Gesundheitsministerium gerade an einem Gesetzentwurf arbeitet.

Ich will aber hier kurz die Eckpunkte der zukünftigen Ausbildung der Hebammen, so, wie sie die Bundesregierung plant, skizzieren: Die Hebammenausbildung wird zwingend eine zwölfjährige allgemeine Schulbildung voraussetzen. Es wird sich um ein duales Studium mit hohem Praxisanteil handeln. In diesem Praxisteil soll die Expertise der Hebammenschulen einfließen und mindestens ein Drittel der Studienzeit umfassen. Es wird derzeit noch geprüft, ob es einen Übergangszeitraum beider Ausbildungsvarianten geben wird.

Bisher ausgebildete Hebammen behalten selbstverständlich ihre Berufserlaubnis, können sich aber natürlich akademisch weiterqualifizieren, wenn sie dieses möchten. Außerdem wird Personen mit Mittlerer Reife nach einer Pflegeausbildung ebenfalls die Möglichkeit eröffnet, die akademische Ausbildung zur Hebamme durchzuführen.

Die große Frage für mich ist allerdings, ob wir den Mangel an Hebammen durch eine Akademisierung beheben können und ob wir diesen wichtigen, verantwortungsvollen Job damit interessanter machen. Die Frage kann ich hier nicht beantworten. Aber was meiner Fraktion wichtig ist bei der Umsetzung der EU-Richtlinie, gerade die Hebammentätigkeit lebt von ihrer Praxis. In der Theorie mag es noch so einfach klingen, aber in der Praxis müssen sich Hebammen mindestens um zwei Leben kümmern. Der praktische Anteil, der Erwerb von Erfahrungen, von Intuition, das ist es, was eine Hebamme braucht. Die Akademisierung kann auch Vorteile bringen. Vielleicht wird der Hebammenberuf tatsächlich interessanter für die Studienwilligen.

Ein weiterer Vorteil der Akademisierung ist, dass Hebammen dann auch in der Forschung in die Lehre gehen

können. Ihnen stehen ganz andere Wege offen, und auch das finde ich wichtig für diesen Beruf. Der Beruf der Hebamme ist ein alter Beruf, einer der ältesten überhaupt. Er ist wahnsinnig komplex mit viel Verantwortung. Schon heute dürfen Hebammen mehr als Krankenschwestern und genießen im Kreißsaal mehr Autorität als der Chefarzt. Deshalb ist es gut und richtig, auch in der Ausbildung auf Augenhöhe mit den Ärzten zu kommen. Hebammen haben dann auch außerhalb des Kreißsaals ein Mitspracherecht, wenn es um Geburtshilfe geht.

Liebe Fraktion der Freien Wähler, die Hebammenausbildung ist ein wichtiges Thema. Es ist tatsächlich so, dass wir bei diesem Thema dranbleiben müssen. Da wird sich in den nächsten Monaten auch einiges tun. Das Anliegen Ihres Antrages wird auf der Bundesebene bereits umgesetzt. Daher lehnen wir den Antrag erst einmal ab. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU und Philipp da Cunha, SPD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Herr Koplin.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Rede von Herrn Liskow war sehr nachdenklich, nur der Schluss war so frappierend. Also wir haben Handlungsbedarf, es ist ein wichtiges Thema und wir lehnen erst mal ab.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Erst mal, erst mal!)

Das finde ich wirklich schade und das ist aus unserer Sicht der falsche Zirkelschluss.

(Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

Wir haben also mit dem vorliegenden Antrag zur Zukunft der Hebammen und des Geburtshelferberufs in Mecklenburg-Vorpommern einen Antrag, der aus unserer Sicht in die richtige Richtung geht, der das Thema befördert, der das Problem deutlich macht. Und wir haben Ihnen – das ist ja hier schon mitgeteilt worden – einen Änderungsantrag an die Hand gegeben, weil es doch ein paar Dinge gegeben hat in den Formulierungen, die Sie vorgelegt haben, wo wir sagten, da möchten wir anders akzentuieren, und haben einen entsprechenden Vorschlag unterbreitet.

Es gibt wohl wenige Berufe – das ist jetzt hier auch deutlich geworden –, die so viel Verantwortung, so viel soziale Kompetenz, bis hin zum medizinischen Fachwissen und letztlich Können einschließlich Stressresistenz und Arbeitszeitflexibilität verlangen, wie der Beruf der Hebamme.

Herr Kokert, ich weiß, dass Sie da sehr kompetent sind auf dem Gebiet, und die Palette an Herausforderungen in diesem Beruf ist in den letzten Jahren nicht weniger geworden. Auch das ist ein Grund, warum dieses Thema hier relevant ist, nicht allein aus formalrechtlichen Gründen, und weil es gilt, die europäischen Normen nachzuvollziehen und anzuwenden, letztlich dann auch in Mecklenburg-Vorpommern, sondern aus substanziell inhaltlichen Gründen.

Das schlägt sich, was diese Herausforderung betrifft, nicht zuletzt darin nieder, dass auch die Europäische

Kommission dieses Mehr an Verantwortung erkannt und bestimmt hat, dass ab 2013 – das liegt ja nun schon fast sechs Jahre zurück, wenn man das kalendarisch sieht – die zwölf- statt die zehnjährige Schulausbildung als Grundvoraussetzung für die Ausbildung gilt. Leider – das ist ebenfalls hier schon mehrfach gesagt worden – bleibt man in Deutschland oder blieb man in Deutschland auf halbem Wege stehen, indem man die Akademisierung des Berufs nicht konsequent weiterverfolgt hat.

Ich habe Herrn Dr. Jess sehr aufmerksam zugehört. Es ist immer wieder bestechend, wenn Sie systematisch auflisten und analysieren. Ich habe nur den Eindruck, das würde ich schon sagen, dass Sie jetzt die Anhörung, die wir auch befürworten würden, wenn es denn dazu kommt, dass man das in den Ausschuss noch mal gibt und wir uns fachlich damit vertiefend auseinandersetzen, dass Sie dem das Wort geredet haben, aber letztlich eine Akademisierung nicht wollen. Sie haben vor allen Dingen die Argumente dagegen in die Vorhand gebracht.

Die Tatsache, dass Deutschland auf halbem Wege stehengeblieben ist, behindert nicht zuletzt die Berufsgruppe, die Frauen, die dort tätig sind, in der Wahrnehmung ihrer gesetzlich garantierten Arbeitnehmerinnenfreizügigkeit innerhalb der Europäischen Union. Angeklungen ist das hier schon, aber der Abschluss hierzulande reicht inzwischen in vielen EU-Ländern nicht mehr, um diesen Beruf dann europaweit ausüben zu können. Und das ist nachteilig, das ist eine Form der Behinderung, auch letztlich eine Form der Ungerechtigkeit.

In Artikel 12 des Grundgesetzes ist die Freiheit der Berufswahl vorgeschrieben. Da Hebamme und Geburtshelfer nach wie vor ein Ausbildungsberuf ist, der an Berufsfachschulen ausgebildet wird, ist damit die Mittlere Reife eigentlich ausreichend, damit ist die Akademisierung des Berufs zwingend, da mit dem Abitur oder Fachabitur die Hochschulreife oder Fachhochschulreife als Voraussetzung zur Berufsausbildung festgelegt wurde. Ein Ausschluss von Absolventinnen und Absolventen der Mittleren Reife kollidiert bei momentaner Gesetzeslage aus unserer Sicht mit dem Grundgesetz. Da muss sich dringend etwas ändern. Die Frist der EU ist der 18. Januar 2020, also zeitlich gesehen gleich um die Ecke liegend. Und wir sind eines der letzten Länder, die diese EU-Norm noch nicht nachvollzogen haben. Zwar gibt es eine Zusage des Bundesgesundheitsministeriums vom 17. Oktober 2018 – bekanntermaßen ist der Bundesgesundheitsminister sehr umtriebig, fast schon aktionistisch –, aber an dieser Stelle ist eben noch nichts passiert.

Leider, meine Damen und Herren, meinen wir auch, mit Blick auf den Vorschlag der BMV bleibt Ihr Antragstext in dem Punkt noch zu schwammig und nebulös, und wir haben ihn aus unserer Sicht im Änderungsantrag entsprechend konkretisiert. Aber danke, dass Sie schon signalisiert haben, dass Sie ihn als hilfreich empfinden und ihn sich de facto zu eigen machen wollen.

Sehr geehrte Damen und Herren, neben den juristischen gibt es aber auch noch ganz praktische Gründe, warum die EU mit ihrer Richtlinie bereits vor sechs Jahren auf dem aus unserer Sicht richtigen Weg war und Mecklenburg-Vorpommern als Teil der Bundesrepublik in der Umsetzung schleunigst nachziehen muss. Wie bei vielen anderen Berufen, wie beispielsweise im Bereich der Pflege oder Gesundheit, hat sich auch der Beruf der