Protokoll der Sitzung vom 14.03.2019

Im Übrigen ergibt sich aus dem richterlich entwickelten und seit Langem allseits anerkannten nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis eine allgemeine Pflicht zur Rücksichtnahme. Nachbarliche Rechte, wie etwa das Hammerschlags- und Leiterrecht, können also, ohne dass es dafür einer spezifischen Regelung im Landesrecht bedürfte, aus diesem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme hergeleitet werden. Der Landesgesetz

geber darf darüber hinaus auch weitere privatrechtliche Regelungen im Nachbarrecht treffen, aber dafür gelten enge Grenzen. Viele Streitfälle, die vorkommen, wie zum Beispiel Hühnerhaltung in der Nachbarschaft, auch ein Klassiker, sind einer Regelung im Landesrecht überhaupt gar nicht zugänglich.

Die Situationen, die im Alltag zu Streitigkeiten führen, sind außerdem derart vielfältig, dass sich diese auch durch detaillierte Regelungen häufig nur unzureichend abbilden lassen würden. Bei Pflanzabständen kann es nur eine zentimetergenaue Regelung geben, auf deren Einhaltung könnte jeder Nachbar bestehen, und zwar völlig unabhängig davon, ob er tatsächlich irgendwie beeinträchtigt wäre oder nur auf seinem Recht beharren würde.

(Dr. Ralph Weber, AfD: Schikane, Frau Hoffmeister.)

Und, meine Damen und Herren, ich sehe es wirklich wie vor meinem Auge, wie zwei Parteien an der Hecke stehen – jeweils mit einem Maßband und einem Zollstock auf der einen und der anderen Seite – und dann gestritten wird, welches Maß jetzt das Richtige anzeigt. Ich kann mir auch lebhaft vorstellen, dass über den letzten Zweig an der Hecke gestritten wird.

Zudem, meine Damen und Herren, werfen detaillierte Neuregelungen, wie sich in anderen Nachbarrechtsgesetzen zeigt, neue Streitfragen auf. Da zeigt sich zum Beispiel die Frage: Sind etwa Pflanzabstände für Bäume und Sträucher geregelt? Fallen auch Bambus und Elefantengras, also Gräser, die Wuchshöhen von etwa vier Metern erreichen, unter diese Regelung?

(Torsten Renz, CDU: Herr Förster, was sagen Sie dazu? – Zuruf von Horst Förster, AfD)

Meine Damen und Herren, Nachbarschaftsstreitigkeiten haben häufig eine Vorgeschichte, und zwar eine Vorgeschichte, deren Ursache weniger juristischer Natur, sondern viel mehr zwischenmenschlicher Natur ist. Deshalb ist gerade im Bereich des Nachbarrechts auf einvernehmliche Konfliktlösung – Stichwort „außergerichtliche Streitlösung“ – zu setzen. Damit werden die Chancen auf einen dauerhaften Rechtsfrieden zwischen den Nachbarn, denn die Nachbarn bleiben Nachbarn, erhöht.

Der Anteil der Nachbarschaftssachen an den gesamten Neuzugängen in Zivilsachen bei den Amtsgerichten in Mecklenburg-Vorpommern betrug 2016 – Sie haben es schon kurz erwähnt, ich will die Zahlen ergänzen – 1,5 Prozent, 2017 1,15 Prozent und 2018 1,62 Prozent. Schließlich zeigt dieser statistische Vergleich etwa mit anderen Ländern, nämlich Brandenburg und Thüringen, dass die Existenz eines Nachbarrechtsgesetzes gerade nicht zu weniger gerichtlichen Auseinandersetzungen führt.

Meine Damen und Herren, was ließe sich denn nun aber konkret mit einem wiederholt eingeforderten Gesetz erreichen? Die Verfechter eines Nachbarrechtsgesetzes erwarten durch die Kodifizierung erklärtermaßen mehr Rechtsklarheit und weniger gerichtliche und außergerichtliche Nachbarkonflikte. Ich befürchte jedoch, dass sie eine Enttäuschung erleben würden. Auch ein spezielleres Gesetz würde häufig nicht helfen, einen Streit zwischen Nachbarn zu vermeiden oder beizulegen, sondern ganz

das Gegenteil bewirken. Deshalb halte ich daran fest, auch bei erneutem Nachdenken: Nachbarschaftsstreitigkeiten haben eine häufig lange Vorgeschichte und die Ursachen sind oft menschlicher und weniger juristischer Natur. Der vermeintliche Rechtsverstoß ist in diesen Fällen nur noch ein willkommener Anlass, den Nachbarn umgangssprachlich vor Gericht zu ziehen.

Meine Damen und Herren, die Nachteile einer kleinteiligen Regelung würden deren Vorteile nach Einschätzung der Landesregierung bei Weitem überwiegen. Natürlich würden detaillierte Regelungen einige Streitfragen beantworten, aber auch viele neue aufwerfen. Gerade deshalb ist bei Konfliktlösungen nicht auf ein Zentimetermaß, sondern auf Augenmaß zu setzen. Die Landesregierung setzt deshalb im Bereich des Nachbarrechts auch künftig auf einvernehmliche Konfliktlösungen und nicht auf KleinKlein-Regelungen.

(Wolfgang Waldmüller, CDU: So ist es.)

Die sofort ins Auge springenden Vorteile dieser Augenmaßlösungen sind klar, es kann eine schnellere Streitbeilegung erzielt werden, bei der unsere Schiedsstellenleute übrigens eine sehr wichtige Rolle spielen. Aber das Wichtigste ist, es besteht die Chance auf dauerhaften Rechtsfrieden zwischen Nachbarn.

(Wolfgang Waldmüller, CDU: Das ist entscheidend.)

Meine Damen und Herren, Mecklenburg-Vorpommern hat aus guten Gründen bislang bewusst auf ein Nachbarrechtsgesetz verzichtet, denn der beste Weg, Streit zwischen Nachbarn beizulegen, ist und bleibt das Gespräch miteinander, das Gespräch am Gartenzaun. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Vielen Dank, Frau Ministerin.

Das Wort hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete Frau Bernhardt.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Uns liegt heute hier ein Antrag der AfD-Fraktion vor, der die Landesregierung dazu auffordern soll, dem Landtag einen Gesetzentwurf für ein Nachbarrechtsgesetz vorzulegen. Das ist nicht etwa eine verkürzte Wiedergabe des Antrages, sondern das ist der Antrag schon in sich selbst. Mehr sagt der Antrag leider nicht.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Wenig Substanz dahinter.)

Das Grundanliegen teilen wir. Fakt ist, was für ein Nachbarrechtsgesetz spricht: Mecklenburg-Vorpommern ist, abgesehen von Hamburg und Bremen, das einzige Bundesland ohne eigenständiges Nachbarrechtsgesetz. Das ist an sich kein Argument, aber wichtige Teile des Nachbarrechtsgesetzes sind von jeher örtlichen Gebräuchen unterworfen. Deshalb gibt es neben den Paragrafen 903 bis 924 BGB eben auch Ländergesetze, die Grenzabstände regeln.

Deswegen gab es bereits in der 2. Legislaturperiode einen entsprechenden Gesetzentwurf der Regierung.

Dieser fiel dann leider der Diskontinuität anheim. In der 5. Legislaturperiode war es dann die Linksfraktion, die einen entsprechenden Gesetzentwurf einbrachte. Dieser fand hier aber im Landtag keine Mehrheit.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Seltsam.)

Trotzdem hat das Thema uns hier im Landtag nie ganz losgelassen. Ich denke da etwa an die Berichte des Bürgerbeauftragten, in denen die Forderung nach einem Nachbarrechtsgesetz auch für Mecklenburg-Vorpommern regelmäßig wiederkehrt.

Ich möchte nur mal aus dem Jahresbericht 2016 zitieren, wo es heißt: „Rechtspolitisch wurde – wie auch in den Vorjahren – von mehreren Bürgern erneut die Forderung nach einem Nachbarrechtsgesetz erhoben. Diese Petenten erwarten sich eine größere Klarheit zu den Rechten und Pflichten unter Nachbarn durch eine eigene gesetzliche Grundlage. Sie gingen davon aus, dass Streitigkeiten sich dadurch zu Teilen vermeiden ließen. In den konkreten – privatrechtlichen – Streitfällen, die der Forderung nach einem Gesetz zugrunde lagen, verwies der Bürgerbeauftragte die Petenten in der Regel an die örtliche Schiedsstelle.“

Auch der Umstand, dass die hiesige Rechtsprechung häufig in die Gesetze anderer Länder verweist, spricht für ein solches Gesetz, dies einzuführen. Die Aussage, es sei ja alles in gewisser Weise durch die Rechtsprechung geregelt, überzeugt uns nur wenig. Sie wissen, die deutschen Juristinnen und Juristen haben alles gern in Paragrafen gegossen. Aber Gesetze sind für die Menschen da. Und auch für die Bürger in Mecklenburg-Vorpommern ist es eben einfacher und übersichtlicher, wenn sie solche Regelungen in einem Nachbarrechtsgesetz Mecklenburg-Vorpommern wiederfinden könnten.

Auf der anderen Seite ist es so – und das ist etwas, was uns wieder ein bisschen zurückhält, uneingeschränkt für ein Nachbarrechtsgesetz zu streiten –, dass auch wir für die Deregulierung stehen. Man muss, denke ich, mit Augenmaß schauen, welchen Gesetzentwurf man einbringt und welchen nicht. Das Nachbarrechtsgesetz kann durchaus dafür sprechen.

Sehr geehrte Damen und Herren, aber kommen wir zu dem vorliegenden Antrag selbst. Wie eingangs bereits erwähnt, fordert dieser lediglich die Landesregierung auf, dem Landtag einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen. Ich muss es ganz ehrlich sagen, es ist etwas dürftig, um es mal vorsichtig zu formulieren.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Ich sage mir immer, den Schaufensterantrag erkennt man daran, dass die anschließende Presseerklärung länger ist als der Antragstext selbst.

(Heiterkeit und Zuruf von Sebastian Ehlers, CDU)

Es würde mich nicht wundern, wenn das auch hier der Fall sein würde.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Selbsterklärend.)

Meine Herren von der AfD, Sie wissen, dass Sie hier selbst ein Initiativrecht als Landesgesetzgeber im Land

tag haben. Wir sind der Gesetzgeber. Wir als Oppositionsfraktionen sollten Gesetzentwürfe vorlegen, die zumindest die Schwerpunkte, wo wir hinmöchten, ungefähr umreißen. Wenn Sie sich die einzelnen Nachbarrechtsgesetze der verschiedenen Bundesländer anschauen, werden Sie merken, dass diese unterschiedlichen Regelungsgehalt haben. Deshalb hätte ich mir einfach gewünscht, dass Sie sozusagen auch hier im Landtag zumindest Schwerpunkte, wo Ihr Hauptaugenmerk liegt, vorlegen. Gerade das erwarten wir auch von einer Oppositionsfraktion. Das erfüllen wir selbst mit Leben. Insofern werden wir uns bei dem Antrag enthalten. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Friedriszik.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Damen und Herren Abgeordnete! Mecklenburg-Vor- pommern hat aus gutem Grund auf ein Nachbarrechtsgesetz verzichtet. Auch ein solches Gesetz würde häufig nicht helfen, einen Streit zwischen Nachbarn zu vermeiden. Ein Blick in andere Länder zeigt, dass Streit zwischen Nachbarn nicht durch detaillierte Vorschriften verhindert werden kann. So liegt die Anzahl an rechtlichen Streitigkeiten zwischen Nachbarn in MecklenburgVorpommern nicht höher als in Bundesländern mit einem entsprechenden Nachbarrechtsgesetz.

Meine Damen und Herren, auch wenn MecklenburgVorpommern kein eigenständiges Nachbarschaftsgesetz erlassen hat, gibt es bei uns im Land keinen rechtsfreien Raum. Hier gelten für die Rechtsbeziehungen zwischen Nachbarn ebenso bundesrechtliche wie auch landesrechtliche Regelungen. Bei Streitigkeiten unter Nachbarn geht es aber häufig nicht so sehr um einzelne Rechtsfragen, sondern oft ist das persönliche Verhältnis der Auslöser für Konflikte.

Meine Damen und Herren Abgeordnete, Nachbarschaftsstreitigkeiten werden nicht durch detaillierte Regelungen verhindert, etwa zu der Frage, wie nah darf ein Strauch an einer Grundstücksgrenze stehen. Wenn man sich Regelungen in Nachbarrechtsgesetzen anderer Bundesländer anschaut, erscheint dieses wenig praktikabel und schafft mitunter mehr Verwirrung als Klarheit.

So gelten beispielsweise bei Gehölzen, also Bäumen, Sträuchern und Hecken, jeweils unterschiedliche Grenzabstände. In den Gesetzen wird der Versuch unternommen, für nahezu jeden Baum und jede Strauchart besondere Grenzabstände vorzuschreiben. Bei der praktischen Anwendung führt das oft zu der Frage, was denn kleine, mittelgroße oder großwüchsige Bäume und Sträucher im konkreten Fall sind. Auch sind in den Gesetzen betroffene Definitionen nicht einheitlich. So gilt in einigen Fällen zum Beispiel ein- und dieselbe Baumart in einigen Ländern als sehr stark wachsend, in anderen dagegen als nur stark wachsend und in einem anderen Land schließlich als großwüchsig, was Auswirkungen auf die wiederum unterschiedlichen Grenzabstände hat.

Meine Herren von der AfD, wir brauchen kein Konjunkturprogramm für die Zollstockindustrie.

(Torsten Renz, CDU: Wofür? – Dr. Ralph Weber, AfD: Zollstockindustrie. – Heiterkeit bei Torsten Renz, CDU, Christoph Grimm, AfD, und Dr. Matthias Manthei, Freie Wähler/BMV)

Die Vielfalt von Lebenssachverhalten lässt sich nicht detailliert in gesetzliche Regelungen fassen, die dann eine Lösung für die jeweilige Situation vor Ort bieten. Vor diesem Hintergrund sollte man von der Schaffung eines Nachbarrechtsgesetzes absehen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion Freie Wähler/BMV der Abgeordnete Herr Dr. Manthei.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch meine Fraktion wird den Antrag ablehnen. Das Problem der zu hohen Hecken oder der zu hohen Bäume an Grundstücksgrenzen ist bekannt, ist mir auch persönlich bekannt. Auch Bürger aus meinem Wahlkreis haben mich darauf schon mal angesprochen und um Hilfe gebeten.

Aber es ist ganz interessant, wenn man sich mal die Nachbarrechtsgesetze anguckt. Ich will mal so ein Beispiel nennen, was dort alles geregelt ist. Also das ist schon recht detailverliebt, will ich es mal positiv ausdrücken. Wenn wir zum Beispiel Schleswig-Holstein nehmen, wenn wir so ein Gesetz hier einführen, werden wir Folgendes in Mecklenburg-Vorpommern haben: Dann wird es eine Einfriedungspflicht geben und dann können Nachbarn von ihrem Nachbarn verlangen, dass dieser einen Maschendrahtzaun baut,

(Ministerin Stefanie Drese: Da gab es auch schon Lieder von. – Zuruf von Torsten Renz, CDU)