Protokoll der Sitzung vom 25.01.2017

Und das betrifft übrigens das Amtsgericht ganz genauso.

Aber in Bezug auf die Bürgernähe geht noch mehr. Da geht auch noch mehr in der Kooperation zwischen Kreisen und kreisangehörigen Gemeinden. Also da sehe ich doch noch einige Verbesserungsmöglichkeiten, die man sehr gut hinkriegen könnte.

Ich behaupte auch hier tatsächlich, dass durch die Kreisstrukturreform genau das eingetreten ist – vielleicht nicht so schnell und nicht in der ganzen Höhe –, was wir wollten, nämlich, dass die Landkreise irgendwann wieder ausgeglichene Haushalte haben. Im Landkreis Nordwestmecklenburg ist es so weit: Wir haben einen ausgeglichenen Haushalt. Wir sind, glaube ich, der erste Land

kreis mit einem Doppelhaushalt, den wir in der letzten Woche gerade beschlossen haben.

Also, sehr geehrte Damen und Herren, wir sind schon recht gut, aber es geht trotzdem noch mehr, denn begleitend zu diesem ganzen Prozess galt ja auch das Versprechen, sage ich mal, der Landesregierung, regelmäßig bestimmte Sachverhalte zu überprüfen, ob die sich so entwickeln, wie sie sollen. Dazu gehören auch das Hesse-Gutachten und diese Hesse-Berichte.

Frau Tegtmeier, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Manthei?

Ja, mache ich.

Bitte schön.

Danke schön.

Ich habe eine Frage. Sie haben gerade die interessante Behauptung aufgestellt, dass die Kreisgebietsreform dafür ursächlich ist, dass Kreise ausgeglichene Haushalte haben oder haben werden. Wie kommen Sie zu dieser Behauptung? Haben Sie dafür einen Beleg?

(Zuruf von Patrick Dahlemann, SPD)

Ich habe die eigene persönliche Erfahrung, weil ich im Kreistag Nordwestmecklenburg sitze, und ich erlebe das mit. Ich habe die ganzen Kämpfe mit ausgefochten

(Tilo Gundlack, SPD: Sehr richtig.)

mit der Vermögensübertragung, mit dem Zusammenwachsen, sage ich mal, zwischen den Mitgliedern des Kreistags, die in der ehemals kreisfreien Stadt wohnten. Wir haben Einsparungen in verschiedenen Bereichen bei unserer Haushaltsführung erreichen können. Und, wie gesagt, wir haben jetzt wieder einen ausgeglichenen Haushalt, und zwar einen ausgeglichenen Doppelhaushalt beschließen können. Ich bin der persönlichen Überzeugung, dass das auch damit zu tun hat, dass wir die Aufgabenverteilung zwischen Wismar und dem Landkreis Nordwestmecklenburg etwas anders aufgestellt haben und da Effizienzgewinne zu verzeichnen haben.

Aber, wie gesagt, sehr geehrte Damen und Herren, ich hatte es eben gesagt, es ist ja nicht so gut, dass es nicht noch besser werden könnte. Und so haben Sie zum Beispiel alle im Jahresbericht des Landesrechnungshofes, im Kommunalfinanzbericht 2015 sicherlich auch gelesen, dass der Landesrechnungshof dort die Hilfen zur Erziehung des Landkreises Nordwestmecklenburg und des Landkreises Ludwigslust-Parchim überprüft hat. Und siehe da, wir mussten feststellen, bei dem Landkreis Nordwestmecklenburg schlagen Kosten pro Jugendeinwohner von 406 Euro für Hilfen zur Erziehung auf, im Landkreis Ludwigslust-Parchim sind das 532 Euro. Auch Ludwigslust-Parchim hat meiner Meinung nach einen ausgeglichenen Haushalt. Oder irre ich mich da? Ich glaube, nicht. So groß sind trotzdem die Unterschiede. Und, Sie werden staunen, auch dem Landkreis Nordwestmecklenburg konnte der Landesrechnungshof ein paar Tipps ins Stammbuch schreiben, wie wir hier noch einmal zu Senkungen kommen könnten und unsere Arbeit an der Stelle ein bisschen effektiver gestalten.

Ich möchte eine ganz kleine Rolle zurück machen. Wenn wir auf den Beginn des Reformprozesses gucken, erinnere ich mich zum Beispiel deutlich daran, dass ich Gespräche geführt habe, als der Gesetzentwurf erst einmal auf dem Tisch lag, die da hießen: Müsst ihr hier so komfortable Regelungen für die Landräte in Bezug auf den einstweiligen Ruhestand treffen? Oder: Könnt ihr das irgendwie verhindern, dass in den Kreisen noch Stellen aufgewertet, also Leute befördert werden oder sogar noch neu eingestellt werden? Auch da hat es, glaube ich, erst mal einige Ausgabenaufwüchse gegeben, die es nicht hätte zu geben brauchen. Deswegen war auch das, was der Minister gesagt hat, vollkommen richtig. Wer eine Reform will, geht da anders heran als jemand, der eine Reform nicht will, und kommt vielleicht dann auch eher aus dem Knick und zieht seine Vorteile beziehungsweise die Vorteile für den betroffenen Landkreis daraus.

Zum Landkreis Nordwestmecklenburg mit unserer neuen Kreisstadt Wismar möchte ich noch Folgendes sagen: Wir haben einen ausgeglichenen Haushalt. Wir sind in der Lage, die Kreisumlage sogar zu senken in diesem Konstrukt.

(Zuruf von Simone Oldenburg, DIE LINKE)

Wir haben aber gleichzeitig mehr Geld für Investitionen vorgesehen, weil natürlich auch bei uns sich ein Investitionsstau in einigen Bereichen nicht verleugnen lässt. Das muss man von vornherein nicht vernachlässigen, denn es gibt ja so einen schönen Spruch von Benjamin Franklin, der mal gesagt hat: „Hüte dich vor den geringsten Ausgaben, denn auch ein kleines Loch kann ein großes Schiff versenken.“ Das kann man immer gut im Hinterkopf behalten.

Ich möchte meine Ausführungen damit abschließen, dass ich mich bei all denen, die sich wirklich ins Zeug gelegt haben, um diese Kreisstrukturreform mit Leben zu erfüllen und zu positiven Ergebnissen zu führen, bedanke, nämlich vorwiegend den Leuten, die in den Kreistagen sitzen und auch weitere Wege in Kauf nehmen und ihr ehrenamtliches Engagement dafür einsetzen, diese ganze Arbeit zu tun. Also die verdienen unseren Respekt, dass sie auch nicht von der Fahne gegangen sind, sondern diesen Prozess aktiv mitgestaltet haben. – Vielen Dank denen allen und vielen Dank Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der AfD der Abgeordnete Bernhard Wildt.

Ja, sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen des Landtages! Werte Bürger! Werte Gäste! Zuallererst möchte ich mich bedanken bei Frau Rösler und der Linksfraktion, dass sie dieses Thema heute auf die Tagesordnung gebracht haben.

Und, Herr Minister, da muss ich Ihnen widersprechen, das ist kein Ausdruck von Ideenlosigkeit, sondern das ist ein durchaus sehr wichtiges Thema, was wir auch nicht aus den Augen verlieren werden in den nächsten fünf Jahren.

(Torsten Renz, CDU: Aber nicht, wenn wir schon drei Berichte dazu haben und jedes Mal darüber diskutiert haben.)

Denn wer so eine große Reform anstößt, der muss natürlich auch regelmäßig Rechenschaft dazu ablegen, wie diese Reform weitergeht.

(Zuruf von Martina Tegtmeier, SPD)

Sie können gerne eine Zwischenfrage stellen, aber jetzt rede ich gerade.

(Martina Tegtmeier, SPD: Zwischenrufe sind erlaubt.)

So, und deswegen ist es auch sinnvoll, wenn man immer wieder regelmäßig über diese Gebietsreform spricht.

Frau Rösler, Sie hatten auch eine sehr gute Frage formuliert, die ich gerne noch mal zitieren möchte: Welche Bestandteile gehören zu einer Bilanz der Gebietsreform? Wie und wann? Das sind natürlich genau die Fragen: Wie und wann? Das wird sicherlich heute nicht abschließend sein, sondern wir werden das Thema immer wieder aufgreifen müssen. Und wir werden da auch die Landesregierung, wie gesagt, nicht aus der Verpflichtung entlassen, ordnungsgemäß zu berichten.

Aus meiner Sicht stellen sich dort vier große Themenkomplexe, über die wir reden müssen. Alle sind schon angesprochen worden, aber vielleicht doch mit einem etwas anderen Akzent. Das erste Thema, was der geschätzte Kollege Jörg Kröger auch schon ausführlich ansprach, ist natürlich die historische Identität, die unsere Regionen haben. Man kann das lustig finden oder irgendwie eigenartig, aber es ist eine Tatsache. Die Menschen leben in ihrer Region und fühlen sich dort zu Hause, identifizieren sich mit ihrer Region und das ist ihnen natürlich zum Teil durch die Gebietsreform genommen worden.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Zuruf von Patrick Dahlemann, SPD)

Und, Herr Dahlemann, gerade Sie wissen das. Denn das ist genau ein Problem, was wir in Vorpommern haben.

(Zuruf von Patrick Dahlemann, SPD)

Das hat auch etwas mit den Kreisen zu tun.

Ich komme noch mal auf die Linksfraktion zurück, die ja sehr gerne mit Beispielen arbeitet. Das finde ich immer sehr anschaulich. Da gibt es die Nachbarin, da gibt es die Feuerwehrkameradin, da gibt es den Familienvater, den man am Sonntag getroffen hat. Ich habe heute auch ein Beispiel: Ich habe das Beispiel der Insel Rügen. Wie Sie wissen, waren wir sehr stolz darauf, ein eigener Insellandkreis zu sein, der einzige Insellandkreis Deutschlands. Das hat auch gewisse Besonderheiten hervorgerufen, dass sich nämlich die Bevölkerung auf unserer Insel untereinander sehr solidarisch erklärt hat. Es war ganz klar, egal ob Sie in Binz wohnen, in Bergen oder in Dranske, sie sind in dem Moment Rüganer und man hilft sich untereinander und ein Zusammengehörigkeitsgefühl ist da.

(Torsten Renz, CDU: Und das ist jetzt nicht mehr der Fall?)

Das ist natürlich jetzt eingeschränkt

(Thomas Krüger, SPD: Jetzt sind Sie nicht mehr Rüganer?)

und ich komme auch gleich dazu, warum das so ist.

(Marc Reinhardt, CDU: „Runter von Rügen“, oder was?!)

Ja, also das ist schon ein bisschen frech, das wissen Sie selber, ja.

(Zuruf aus dem Plenum: Das haben Sie selbst gesagt.)

Nein, das habe ich nicht gesagt.

So, und dann muss man dazu einfach mal sagen, unser angeblich reiches Land, in dem es uns noch nie so gut ging wie heute, kann es sich also nicht mehr leisten, diese kleinteilige Struktur aufrechtzuerhalten, die wir früher hatten. Der Insellandkreis Rügen existierte seit 1815. Heute, im Jahre 2017, können wir uns das also nicht mehr leisten. Das finde ich sehr eigenartig, denn es geht uns ja angeblich so viel besser.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Das sind, sagen wir mal, sicherlich emotionale Punkte. Die kann man anders sehen. Es gibt Menschen, die sind sehr nüchtern, die können auch in New York leben oder in Berlin oder in Mecklenburg-Vorpommern, das spielt für sie keine Rolle. Aber für die angestammte Bevölkerung, gerade im ländlichen Bereich, spielt es eine Rolle. Und darauf sollte man Rücksicht nehmen. Das ist einfach nur meine Empfehlung, unsere Empfehlung. Sie können darauf eingehen oder Sie können es sein lassen. Wir bieten es an, das mit einzubeziehen in die Überlegungen zur Gebietsreform.

Zweitens ist die Gebietsreform aus unserer Sicht bürgerfern und auch demokratiefeindlich gewesen. Das ist eigentlich aus meiner Sicht sogar das Schlimmste, was man dieser Gebietsreform anlasten kann. Herr Minister Caffier, Sie haben es selber angesprochen. Die Kreistagsmitglieder haben jetzt sehr viel weitere Wege zurückzulegen als früher. Das klingt recht harmlos, ist es aber nicht, denn es führt dazu, dass sich tatsächlich Personen aus den Kreistagen zurückziehen, ich bin immer noch bei meinem Beispiel Rügen,

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

und die nun nicht wieder antreten wollen für den neuen Kreistag, weil sie sagen, es ist mir erstens zu weit, diese weite Entfernung immer nach Stralsund zu fahren – das sind ja alles berufstätige Leute, die das ganz im Ehrenamt, wie Sie ja wissen, machen –, und zweitens kann ich mich auch mit den Problemen in so einem großen Landkreis nicht mehr identifizieren, ich weiß als Rüganer, als Mönchguter nicht mehr, was vielleicht in Ribnitz-Damgarten oder auf dem Darß gerade los ist, nun werde ich aber im Kreistag dazu befragt und ich möchte gerne meine Arbeit gut machen. Das ist eine Frage, wie ernst man seine Arbeit nimmt. Möchte man sie gut machen, möchte man sich in diese Themen einarbeiten oder nicht? Wenn man einfach nur so abstimmt, wie das der Fraktionsvorsitzende macht oder vorgibt, dann ist das einfach, dann können Sie sagen, egal, ich gehe da hin und stimme ab. Wenn Sie aber das Thema ernst nehmen – Sie arbeiten sich dort ein, Sie wollen vielleicht mal einen Ortstermin vereinbaren –, dann geht das eben so nicht mehr und dann ist es ein eindeutiger Nachteil, wenn Sie diese Kreise zu groß fassen.