Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bitte doch, die Plätze einzunehmen, damit wir einigermaßen pünktlich beginnen können.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 60. Sitzung des Landtages. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet. Die Tagesordnung der heutigen Sitzung liegt Ihnen vor. Wir setzen unsere Beratungen vereinbarungsgemäß fort.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 25: Beratung des Antrages der Fraktionen der CDU und SPD – Neufassung einer Anti-Mobbing-Strategie an den allgemein- und berufsbildenden Schulen in Mecklenburg-Vorpommern, Drucksache 7/3239. Hierzu liegen Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 7/3320 sowie ein Änderungsantrag der Fraktion Freie Wähler/BMV auf Drucksache 7/3322 vor.
Antrag der Fraktionen der CDU und SPD Neufassung einer Anti-Mobbing-Strategie an den allgemein- und berufsbildenden Schulen in Mecklenburg-Vorpommern – Drucksache 7/3239 –
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mobbing kommt in der Breite der Gesellschaft vor und auch in allen Schichten unseres Lebens, und so ist es auch nicht verwunderlich oder wir wissen es alle, dass Mobbing natürlich auch ein Problem an unseren Schulen ist. Eine Studie der DAK von 2010 zeigt, dass 50 Prozent der Schüler bereits Mobbing in ihrem Umfeld erlebt haben und dass sogar 10 bis 12 Prozent der Schüler bereits Opfer waren oder zumindest angegeben haben, Opfer von Mobbing geworden zu sein. Der Befragungszeitraum hat abgefragt die letzten drei Monate. Natürlich ist die Studie schon acht oder fast neun Jahre alt, trotzdem, glaube ich, zeigt sie ziemlich deutlich, dass Mobbing auch in der Schule keine Randerscheinung ist.
Es gibt vielfältige Maßnahmen, auch bei uns im Land, und trotzdem kommt es immer wieder zu Mobbing. Gerade auch in den Medien konnte man den Fall an der Crivitzer Regionalen Schule sehr genau verfolgen. Die Folgen von Mobbing oder, man kann auch sagen, zum Teil von Gewalt können starke physische und psychische Beeinträchtigungen bis hin zu dauerhaften körperlichen und auch geistigen Schädigungen sein. Es können Stresssyndrome wie Kopfschmerzen, Bauchschmerzen, sogar bis hin zu Schlafstörungen auftreten. Viele Schülerinnen und Schüler sind verunsichert und leiden unter sinkendem Selbstvertrauen. Eine Auswirkung des Mobbings kann auch soziale Isolation sein bis hin zu Erkrankungen vom Magen-Darm-Bereich. Und wenn es dann tatsächlich sehr umfangreich ist, kann es sogar dazu führen, dass bereits junge Schülerinnen und Schüler von Depressionen durch Mobbing betroffen sind.
Bisher stellen wir als Land jährlich 80.000 Euro zur Verfügung für Projekte, unter anderem für Gewaltprävention. Es gibt den Schulpsychologischen Dienst, der sowohl Schülerinnen als auch Lehrer bei Mobbing- und Gewaltprävention berät und auch vermittelnd tätig wird. Wir haben eine Verwaltungsvorschrift Gesundheitserziehung, Sucht- und Gewaltprävention, wohlgemerkt aus dem Jahr 2007, dementsprechend vielleicht schon ein wenig in die Jahre gekommen, trotzdem ist auch sie ein Handlungsleitfaden.
Was wollen wir nun mit unserem Antrag erreichen? Wir wollen die bisherigen Maßnahmen evaluieren. Insofern liegt ja auch ein Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE vor. Wir wollen natürlich die bisherigen und nicht schon die zukünftigen Maßnahmen evaluieren. Das ist etwas schwierig, es sei denn, einer unter uns wäre Zeitreisender.
Insofern, Frau Oldenburg, ist ja kein Antrag so gut, dass man ihn nicht noch ein wenig verbessern könnte, und wir werden diese Änderung dann auch gerne aufgreifen.
Wir wollen zweitens die Entwicklung einer ganzheitlichen Anti-Mobbing-Strategie bis 2020. Auch da liegt ja der Änderungsantrag vor, auch da können wir uns wahrscheinlich einigen. Wenn es denn der 31. März sein soll und das dem Ministerium so möglich ist, sehen wir da auch keine Probleme.
Und wir wollen die verbindliche Prüfung eines AntiMobbing-Projekttages. Auch hier gibt es ja eine Art Änderung, da können wir uns sicherlich verständigen. Bei so einem Projekttag ist immer die Frage, wenn man mit Lehrern und auch mit Direktoren diskutiert, ist das nicht unbedingt beliebt, so ein Tag, aber es ist halt ein schwieriges Thema, deshalb bin ich auch der Meinung, dass wir das hier ganz genau prüfen sollten, wie wir da helfen sollen.
Ich glaube, es ist auch, wenn jeder in sein Umfeld guckt, ein sehr wichtiges Thema, was wir hier beraten, was Schülern und Lehrern auch weiter vertieft helfen muss, und deshalb glaube ich, es ist wichtig, dass wir unsere Strategie neu ausrichten. Auch wenn man das im Zusammenhang mit der Inklusion sieht, kommen wir da vor ganz neue Herausforderungen. Ich freue mich auf eine spannende Debatte und wünsche mir dann größtmögliche Zustimmung des Parlaments. – Vielen Dank.
Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 150 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte es gleich zu Beginn meiner Rede sagen, ich finde es absolut richtig, dass dieses Thema heute gesetzt worden ist, und bin
der Koalition sehr dankbar und auch meinem Vorredner Herrn Reinhardt, Herrn Butzki, dass dieses Thema hier heute eine Rolle spielt, weil es ist ein Thema – und ich hoffe, dass sich da alle einig sind –, mit dem wir uns auseinandersetzen müssen.
Und, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte einfach noch mal Folgendes sagen: Mobbing ist ein Begriff, der schnell verwandt wird und wo wir aufpassen müssen, wann ist es Mobbing, wann ist es kein Mobbing. Das, finde ich, spielt aber im Moment gar nicht so sehr die Rolle, sondern wir merken an unseren Schulen, und das nicht erst seit Kurzem, sondern auch schon seit Längerem, dass man sich sehr wohl mit der Frage auseinandersetzen muss, wie gehen wir miteinander um, wie gehen Schülerinnen und Schüler miteinander um. Und da, muss man einfach sagen, sind die Vorfälle sehr unterschiedlich. Das reicht manchmal vom Hänseln hin bis zum Federtasche-Wegnehmen und jetzt unlängst der Fall in Crivitz, der ja auch durch die Presse gegangen ist, mit diesem „Stängeln“-Spiel – in Anführungsstrichen –, was natürlich sehr schockierend ist. Insofern finde ich es absolut richtig und gut, dass wir uns mit dieser Thematik auch auseinandersetzen.
Und, meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist so, wir haben einige Schritte bereits gemacht, wir haben den Anti-Mobbing-Koffer an unseren Schulen, wir haben aber auch das Thema Cybermobbing aufgegriffen.
Also ich bin etwas verwundert, wir haben jetzt gerade mit der Sitzung angefangen, es ist der dritte Tag und der Gesprächsbedarf scheint so hoch zu sein wie noch nie. Ich denke mal, es ist dem Thema nicht angemessen, wenn hier alle miteinander reden und niemand mehr zuhört. Ich bitte doch um etwas mehr Aufmerksamkeit.
Wir haben das Thema Cybermobbing auch aufgegriffen – dazu würde ich gleich noch mal kommen –, und wir haben natürlich auch ein Qualitätssiegel „Sicherheit macht Schule“ sowie seit Kurzem auch die „Respekt Coaches“. Aber, und ich glaube, das sollten wir uns auch alle so ehrlich sagen, man muss immer wieder schauen, wie wirken Dinge und was können wir noch besser machen. Insofern finde ich es richtig, dass wir einmal alles auf den Prüfstand stellen, dass wir evaluieren, was haben wir bisher gemacht und was kann man vielleicht noch zusätzlich tun.
Was ich gut finde, ist, dass insbesondere auch Eltern sensibilisiert werden für dieses Thema, denn man muss einfach sagen, Mobbing ist nicht nur ein Thema für Lehrer/Schüler, sondern auch Eltern müssen wir einbinden. Ich will auch begründen, warum. Ein Teil des Mobbings läuft nämlich außerhalb der Schule, und das kennen wir alle über WhatsApp-Chatgruppen, wo doch manchmal recht einfach Dinge sich an den Kopf geschleudert werden können, und das auch außerhalb der Schulzeit. Insofern ist es ganz wichtig, dass wir mit Eltern sprechen und Eltern auffordern, dieses zu Hause zu thematisieren
und vielleicht auch mal aufs Handy zu gucken und sich die Chatverläufe anzuschauen, was die Schülerinnen und Schüler, was die Kinder, was die Jugendlichen schreiben.
Was ich weiterhin gut finde, ist, dass auch einige Schulen sich bereits auf den Weg gemacht haben und sogenannte Vereinbarungen entwickelt haben, Vereinbarungen zwischen Schule, Eltern und Schülern gegen Mobbing. Das ist, finde ich, ein guter Ansatz, und da wäre auch mein Vorschlag – das ist das, was ich gerne jetzt initiieren möchte –, dass wir eine landesweite Vereinbarung machen für unsere Schulen, wo die Schulen sich wirklich mit dem Thema auseinandersetzen, wo also Schüler, Lehrer, Eltern gemeinsam eine Erklärung abgeben, wie gehen wir an unserer Schule miteinander um und gegen Mobbing. Das ist etwas, was ich glaube, was man auch machen könnte. Und wir hatten ja gestern Kultusministerkonferenz, wir haben das im Kreise der Kultusminister noch einmal diskutiert. Einige Bundesländer haben es auch schon gemacht. Ich finde, das ist beispielsweise ein guter Schritt, den man dann auch gehen könnte.
Was ich auch gut finde, ist, dass einige Schulen bereits Tage eingerichtet haben, Projekttage, wo Sie sich unter anderem auch mit dem Themenfeld Mobbing befassen, zum Beispiel am 21.03. bei dem Tag der Demokratie in Ludwigslust am Goethe-Gymnasium, und dort wird es mehrere Workshops geben, zum Beispiel „Hate Speech“, „Fake News“, „Helden statt Trolle“ oder Selbstbewusstseinstraining und, und, und.
Also ich will damit sagen, es gibt viele gute Initiativen, auch an den Schulen, aber der Antrag zielt ja darauf hin, dass wir die bündeln, zusammenfassen und vor allen Dingen einheitlich im Land haben. Insofern sehen Sie mich heute absolut bei diesem Antrag. Wir müssen evaluieren, was wir bisher machen, wir müssen andere Dinge auch noch angehen, und das sollten wir machen, denn wir dürfen unsere Schulen auch nicht alleinlassen.
Ich möchte noch kurz auf die Änderungsanträge eingehen. Der Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE, insbesondere natürlich die Ziffer 3: Selbstverständlich ist es so, dass wir die Verwaltungsvorschriften überarbeiten müssen, eine aus dem Jahr 2007 und dann aus dem Jahr 2010. Das hatten wir uns bereits vorgenommen, aber das ist auch ein wichtiger Hinweis. Insofern kann man, das hat mein Vorredner bereits gesagt, dem Antrag der LINKEN zustimmen.
Zu dem Änderungsantrag der Freien Wähler/BMV: Cybermobbing, habe ich bereits ausgeführt, wird selbstverständlich Berücksichtigung finden, wie aber auch religiöses Mobbing. Wenn wir die Dinge überarbeiten, wird das selbstverständlich mit eingebunden werden. Und wir können auch noch mal prüfen, ob wir noch eine unabhängige Beschwerdestelle brauchen oder nicht. Das sind selbstverständlich Punkte, die man dann auch mitdiskutieren kann.
Ein kleiner Hinweis, den ich nur hätte, in der Ziffer 1 – also ich bin noch „Ministerin“, vielleicht kann man das dann noch mal ändern.
Ich möchte auch noch ganz kurz eingehen auf Crivitz, auf die Regionalschule Crivitz. Ich habe gestern sehr lange telefoniert mit Elternvertretern, die sich an mich gewandt haben. Wir haben mit der Schulleitung Kontakt aufgenommen, es wird jetzt auch noch weitere Gespräche geben. Und ich finde das sehr bemerkenswert, wie insbesondere Eltern und Schulleiter jetzt aufeinander zugehen und versuchen, diese Dinge gemeinsam zu lösen, weil, das ist mir auch wichtig, es hilft uns jetzt nicht, gegenseitig Schuldzuweisungen zu machen, sondern die Vorfälle müssen aufgeklärt werden und wir müssen alles dafür tun, dass so etwas zukünftig nicht mehr vorkommt. Insofern werde ich mich auch persönlich dort noch mal mit den Beteiligten zusammensetzen, um noch mal zu hören, was können wir denn eigentlich perspektivisch besser machen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Wertes Präsidium! Liebe Landsleute! Werte Gäste! Wir befassen uns heute mit einem wirklich schwierigen und auch sehr ernst zu nehmendem Thema. Jeder, der sich an seine eigene Schulzeit erinnern kann, wird möglicherweise auch dazu gekommen sein, dass ihm das auch mal irgendwie persönlich begegnet ist, entweder möglicherweise als Opfer, vielleicht sogar als Täter, aber mindestens als Zuschauer.
Dieser Begriff Mobbing, der erst, ich sage mal, in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aufgekommen und zunächst auf ein Phänomen der Arbeitswelt angewendet worden ist, wurde bald auch auf den Schulbereich ausgedehnt. Das Phänomen selbst ist uralt, es wurde nur anders bezeichnet. Man sprach davon, dass Schüler von anderen Schülern gehänselt, ausgelacht, verspottet, gedemütigt, drangsaliert, schikaniert, tyrannisiert wurden. Inzwischen hat sich sowohl die Forschung ausgiebig dieses Themas angenommen als auch die Politik die Wichtigkeit der Präventionsarbeit erkannt. Die Forschung unterscheidet im Übrigen bei der Betrachtung der Opfergruppen zwischen ernst zu nehmenden passiven Opfern und dann den provozierenden Opfern. Das wiederum ist ein Phänomen, auf das gehe ich nachher später noch kurz ein.
Bereits am 20. November 2007 erschien die Verwaltungsvorschrift Gesundheitserziehung, Sucht- und Gewaltprävention an den Schulen des Landes MecklenburgVorpommern, die in Abschnitt 6 ausdrücklich das Thema Mobbing als Erscheinung psychischer und physischer
Gewalt an Schulen anspricht und dies als Gegenstand der Unterrichtsfächer Sozialkunde, Geschichte, Philosophie, Religion, Deutsch, Biologie und Fremdsprachen benennt. In den Rahmenplänen dieser Fächer sucht man das Thema Mobbing allerdings vergeblich und findet es nur in den fächerübergreifenden Plänen „Digitale Kompetenzen“, „Rechtserziehung“ und „Interkulturelle Erziehung“ am Rande erwähnt.
Dennoch ist dieses Thema allgegenwärtig, die Ministerin hat es erwähnt, und hat erst jüngst durch einen Suizid als drastischste Form eines, ich sage mal, als Ausdruck des Leidens eines Opfers – einer 11-jährigen Schülerin in Berlin-Reinickendorf – größere mediale Aufmerksamkeit erregt, weil das Kind mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ein Mobbingopfer war.