Protokoll der Sitzung vom 10.04.2019

dass wir grundsätzlich 50 bis 100 Euro

(Beifall Tilo Gundlack, SPD)

als Investitionsbedarf über die Dauer brauchen. Wir haben uns entschieden, wir siedeln uns an der oberen Grenze über die Dauer an, um das mögliche Defizit aus den zurückliegenden Jahren mit zu tilgen, und insofern, glaube ich, ist das alles in allem ein guter Kompromiss.

Und, lieber Kollege Kramer, das Gesetz wird nicht erst nächstes Jahr zur Beratung in den Landtag kommen, sondern so, wie es derzeit aussieht,

(Zuruf von Bernhard Wildt, Freie Wähler/BMV)

im zeitigen Herbst, damit wir hier – oder nach der späten Sommerpause –, damit wir hier auch die dementsprechenden Beratungen durchführen können.

Und ansonsten wünsche ich mir, bei dem einen oder anderen Thema vielleicht auch mal nachzufragen in den entsprechenden Ministerien.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das dauert ja immer so lange. Das dauert! – Zuruf von Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE)

Mathias Brodkorb hat das gerade schon mal erwähnt, hat das gerade schon mal erwähnt, dass ich immer staune,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Es werden keine Fristen mehr eingehalten.)

wer alles in den Beratungen zum Finanzausgleichsgesetz dabei gewesen ist. Das sieht immer etwas anders aus in der Realität, als Sie das möglicherweise in den Zeitungen lesen oder als Ihnen kolportiert wird. Ich kann nur sagen, es waren sehr fruchtreiche, sehr gute Beratungen mit den Landesverbänden. Dafür bin ich allen sehr dankbar. Ich bin dem Finanzminister dankbar,

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Der Ministerpräsidentin.)

dass er hier sehr auch auf die Entwicklung mit eingegangen ist, und hoffe,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ich danke auch meiner Mutti.)

dass wir gute Beratungen zum Gesetz über alles haben. Letztendlich sind die Gewinner die Kommunen, und das ist auch gut so, dass sie investieren können in die Zukunft und dass in Zukunft die neuen Gemeindevertretungen nicht nur darüber nachdenken müssen, wie sie ein Konsolidierungskonzept für den Landkreis oder für das Innenministerium machen, sondern dass sie auch für die Zukunft planen können. Insofern ist das auch ein Gesetz für die Zukunft. – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 2: Zweite Lesung und Schlussabstimmung des Gesetzentwurfes der Fraktionen der CDU und SPD – Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Landes- und Kommunalwahlgesetzes Mecklenburg-Vorpommern, Drucksache 7/3235, hierzu Beschlussempfehlung und Bericht des Innen- und Europaausschusses auf Drucksache 7/3424. Hierzu liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktion Freie Wähler/BMV auf Drucksache 7/3437 vor. Auf Drucksache 7/3448 liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE vor.

Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und SPD Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Landes- und Kommunalwahlgesetzes Mecklenburg-Vorpommern (Zweite Lesung und Schlussabstimmung) – Drucksache 7/3235 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Innen- und Europaausschusses (2. Ausschuss) – Drucksache 7/3424 –

Änderungsantrag der Fraktion Freie Wähler/BMV – Drucksache 7/3437 –

Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE – Drucksache 7/3448 –

Das Wort zur Berichterstattung wird nicht gewünscht.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 150 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Reinhardt.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben in Zweiter Lesung den Gesetzentwurf von CDU und SPD zur Änderung des Landes- und Kommunalwahlgesetzes vor uns liegen. Wir wissen es aus der Ersten Lesung, aufgrund eines Urteils des Bundesverfassungsgerichtes vom 29.01.2019 muss dieses Gesetz in MecklenburgVorpommern angepasst werden. Das Urteil besagt, dass der bisherige Ausschluss vom vollumfänglich Betreuten vom Wahlrecht verfassungswidrig ist. Das Urteil macht aber auch deutlich – das haben wir in der Ersten Lesung ebenfalls schon debattiert –, dass es Ausschlussgründe geben könne, in denen es gerechtfertigt sei, eine Person vom Wahlrecht auszuschließen.

Um die Kommunalwahl allerdings rechtssicher zu gestalten, wird der Wahlrechtsausschluss für vollumfänglich Betreute erstmals ersatzlos gestrichen. In der Kürze der Zeit bis zur Wahl ist es nicht möglich, eine neue rechtssichere Wahlrechtsausschlussklausel zu formulieren, zumal ja auch die Fristen, zum Beispiel für die Wählerlisten, laufen. Die Aufhebung jetzt bedeutet aber nicht eine Aufhebung für immer. Das Urteil wird durch die Fraktion und auch durch die Regierung intensiv geprüft und zu einem späteren Zeitpunkt dann sicherlich zu einer Neuanpassung kommen.

Des Weiteren haben wir im Ausschuss auch beschlossen, dass Wahlberechtigte, die weder lesen noch schreiben können oder andere körperliche Behinderungen haben, die sie hindern, den Stimmzettel zu kennzeichnen, zu falten oder selbst in die Wahlurne zu werfen, dass diese nicht durch Wahlbewerber oder Vertrauenspersonen bedient werden dürfen, also die Hilfe von solchen Personen bekommen.

Aufgrund der Zeitschiene – wir haben es ja gehört – war eine zügige Beratung des Gesetzentwurfes im Ausschuss notwendig. Wir hatten die Erste Lesung bereits im März und sind heute im April bereits in der Zweiten Lesung. Dem Gesetzentwurf wurde im Ausschuss mit den Stimmen von CDU, SPD und LINKEN, bei Enthaltung von AfD und BMV zugestimmt.

Der Landkreistag hat der Gesetzesänderung in einer schriftlichen Anhörung zugestimmt.

Der Städte- und Gemeindetag hat zu Recht auf ein Problem hingewiesen, nämlich, dass es ein Auseinanderfallen

der Handhabung zwischen Europa- und Kommunalwahl geben wird, da der Bund die Gerichtsentscheidung erst nach der Wahl nachvollziehen wird. Wir halten es trotzdem für richtig, diesen Gesetzentwurf heute so durch den Landtag zu bringen und für die Kommunalwahl diesen Personen das Wahlrecht zuzugestehen.

Wir werden die Änderungsanträge, die von BMV und LINKE eingereicht wurden, ablehnen, da wir glauben, dass dies erst genauer geprüft werden muss, und wir dann in einer weiteren Anpassung das auch umsetzen werden. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Ich begrüße auf der Besuchertribüne Mitglieder des ISOR Sozialvereins Neubrandenburg. Und um eventuellen Fragen vorzubeugen: ISOR ist die Initiativgemeinschaft zum Schutz der sozialen Rechte ehemaliger Angehöriger bewaffneter Organe und der Zollverwaltung der DDR. Herzlich willkommen!

(Torsten Renz, CDU: Das haben wir doch alle gewusst, Frau Präsidentin! – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Ich werde jetzt keinen zwingen, sich zu outen, ob er es denn gewusst hat. Ich hätte vielleicht Probleme gehabt,

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Fragen Sie mal ab!)

es ganz korrekt zu benennen.

(Torsten Renz, CDU: Ich kann es nicht mal wiederholen.)

Ich rufe auf für die Fraktion der AfD den Abgeordneten Herrn Förster.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste! Wahlausschluss – das Verfassungsgericht hat den Wahlausschluss für Vollbetreute für verfassungswidrig erklärt. Mithin ist die entsprechende Klausel im Landes- und Kommunalwahlgesetz zu streichen, das steht außer Frage. Dennoch besteht Diskussionsbedarf, denn das eigentliche Problem bleibt ungelöst, die Änderungsanträge tragen ebenfalls nicht zu einer Lösung des Problems bei.

Zunächst noch mal zum Verständnis des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts: Die Entscheidung wird überwiegend in den Medien so kommuniziert, als ob den unter Vollbetreuung stehenden Wählern bisher großes Unrecht geschehen sei, weil ihnen grundlos das Wahlrecht genommen worden sei. Das beruht auf einem Missverständnis der Entscheidung. Das Verfassungsgericht bejaht nämlich ausdrücklich die Möglichkeit eines Wahlausschlusses wegen fehlender Einsichtsfähigkeit für Vollbetreute. Es sieht den Mangel allein in der gleichheitswidrigen Typisierung dieser Gruppe, weil es auch viele nicht wahlfähige Menschen gibt, die eben nicht unter Vollbetreuung stehen, zum Beispiel, weil dies infolge einer Vorsorgevollmacht nicht erforderlich ist. Die rechtliche Benachteiligung der Vollbetreuten wirkt sich also in der Praxis überhaupt nicht aus, denn es ist in 99,9 Prozent dieser Fälle davon auszugehen, dass, wer unter Vollbetreuung steht, mangels Einsichtsfähigkeit auch

nicht wahlfähig ist. Wer die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts also so interpretiert, dass hier ein schlimmer Missstand beseitigt wurde und die Vollbetreuten nun endlich wählen dürfen, verkennt die Realität komplett.

Das eigentliche und wohl kaum lösbare Problem liegt woanders, denn wie soll es möglich sein, die Gruppe der entscheidungsunfähigen Wähler, die bei der stetig alternden Bevölkerung immer größer wird, festzustellen. Bei bundesweit rund 80.000 Vollbetreuten kann davon ausgegangen werden, dass die Gruppe der wahlunfähigen Bürger eher bei einer Million Menschen als darunter liegt. Auf Landesebene ist die Zahl natürlich wesentlich geringer. Deren Stimmen könnten jedoch hier wie dort bei einem knappen Ergebnis durchaus wahlentscheidend sein. Eine Wahlentscheidung durch entscheidungsunfähige Wähler verkehrt das allgemeine freie Wahlrecht in sein Gegenteil und widerspricht dem allgemeinen Verständnis von Demokratie.

Ganz offensichtlich will dieses Problem aber niemand so richtig sehen beziehungsweise anfassen, denn es bestand ja schon vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes. Zwar gibt es kein verfassungsrechtliches Gebot für einen Wahlausschluss bestimmter Personen, dennoch kann es nicht sein, dass Wahlen möglicherweise durch die Stimmen wahlunfähiger Bürger entschieden werden.

Dieses Problem würde allerdings nicht oder jedenfalls weniger bestehen, wenn gewährleistet wäre, dass das Wahlrecht, das ein höchstpersönliches Recht ist, auch nur höchstpersönlich wahrgenommen würde. Dem ist aber aufgrund der Möglichkeit einer Briefwahl nicht so. Jeder, der im Wählerverzeichnis steht, erhält eine Wahlbenachrichtigung und kann Briefwahl beantragen. Auf das reale Leben übertragen heißt das, dass das Wahlrecht der Vollbetreuten und anderer entscheidungsunfähiger Personen bei deren Betreuern oder der Person liegt, die sich um den Wahlberechtigten kümmert und dessen Angelegenheit erledigt. Dabei muss nicht einmal eine böse Absicht im Spiel sein, wenn die Hilfsperson meint, im mutmaßlichen Willen des Wahlunfähigen oder des eingeschränkt Handlungsfähigen zu handeln, denn den meisten wird gar nicht bewusst sein, dass bei fehlender Wahlfähigkeit keine Assistenz zulässig ist.

Vor diesem Hintergrund kommt die Koalition mit einem Änderungsantrag und sagt, dass die Person, die nach Paragraf 29 des Landes- und Kommunalwahlgesetzes einem Wahlberechtigten, der nicht lesen oder schreiben kann oder wegen einer körperlichen Beeinträchtigung den Stimmzettel nicht kennzeichnen oder abgeben kann, bei dem Wahlvorgang helfen darf, nicht Wahlbewerber oder Vertrauensperson sein darf. Damit soll der Anschein von Wahlbeeinflussung vermieden werden.

Für diesen Antrag besteht keinerlei Bedürfnis. Hier wird ein theoretisches Randproblem aufgegriffen, das gegenüber dem eigentlichen Problem absolut belanglos ist und zudem zahlenmäßig überhaupt nicht ins Gewicht fällt. Es ist, um sich des Bildes eines Elefanten im Raum zu bedienen, so, dass dieser nicht und dafür die Maus in der Ecke gesehen wird. Die Hilfeleistung nach Paragraf 29 Absatz 3 Landes- und Kommunalwahlgesetz muss sich entsprechend Paragraf 33 Bundeswahlgesetz auf die Erfüllung der Wünsche des Wählers beschränken. Das gilt entsprechend für die Briefwahl.

Die Hilfeleistung muss also dem erklärten Willen des Wählers entsprechen. In aller Regel wird es sich bei der Hilfsperson um den Betreuer oder die Person handeln, die sich auch sonst um den Wähler kümmert. Hier kommt es allein auf das persönliche Vertrauensverhältnis des behinderten Wahlberechtigten zu der von ihm ausgewählten Hilfsperson an. Ob dieser selbst Wahlbewerber oder Vertrauensperson ist, ist demgegenüber unbedeutend und indiziert keinen Missbrauch. Wenn sich der Wahlberechtigte genau diese Hilfsperson, vielleicht sogar gerade wegen deren politischen Engagements ausgesucht hat, dann ist das zu akzeptieren. Zudem wird in solchen Fällen ganz überwiegend Briefwahl erfolgen, wo es ein Leichtes ist, die Wahl formell lupenrein vorzunehmen.