Protokoll der Sitzung vom 22.05.2019

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Das Wort hat nun der Abgeordnete Herr Obereiner.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die SPD setzt in der Aktuellen Stunden das Thema „Bezahlbare Miete statt hoher Rendite“. Das hört sich erst mal gut an, ist aber natürlich ein bisschen euphemistisch. Ich meine, die Unternehmen müssen selbstverständlich eine gewisse Rendite erwirtschaften, sie müssen ja nicht nur ihre laufenden Kosten decken, sie müssen investieren,

(Thomas Krüger, SPD: Es geht darum, wie viel!)

sie müssen in die Instandhaltung …

Ich wollte nur klarstellen! Ist ja in Ordnung!

Aber sie brauchen auch Erträge, ansonsten können sie nicht funktionieren.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Wir haben, wie schon gehört, regional sehr unterschiedliche Leerstandsquoten. Das liegt einfach auch

am demografischen Wandel, das ist klar. Es liegt aber auch am Rückzug des Staates und der öffentlichen Infrastruktur aus der Fläche, sodass das Leben in bestimmten Regionen einfach für die Leute unattraktiv wird, sodass sie in die nächste Kleinstadt, in das nächste Mittelzentrum ziehen, wenn dort irgendwann kein Bus mehr fährt.

Was ist die Ursache für diese steigenden Mietpreise? Das ist in Mecklenburg-Vorpommern nicht so ausgeprägt wie in den Stadtstaaten oder in Ballungszentren speziell in Süddeutschland. Das ist die Nullzinspolitik der EZB. Darauf haben Sie als Land natürlich keinen Einfluss, aber das führt zu einer Flucht in die Sachwerte und zu Bodenspekulationen. Das ist ganz logisch. Die Kapitaleigner wollen ja irgendwo ihre Rendite erwirtschaften und wenn sie das auf dem normalen Kapitalmarkt nicht mehr können, dann weichen sie eben in die Sachwerte aus. Für die Sachwertbesitzer ist das sehr attraktiv. Die Mieter trifft das dann natürlich sehr hart.

Die SPD hat hier sieben Punkte vorgestellt, in der Masse sinnvoll, alles korrekt, kann man so sehen.

(Zuruf von Rainer Albrecht, SPD)

Wohnen im kommunalen Besitz zu halten, ist klar, man kann nicht den kompletten kommunalen Wohnbestand privatisieren, da haben Sie vollkommen recht.

(Thomas Krüger, SPD: Wollen Sie gar nicht privatisieren? – Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Ich habe gesagt, nicht den kompletten.

Die Erbpachtregelung ist auch eine gute Variante, kann man machen. Man muss natürlich dabei in Rechnung stellen, dass beim Rückfall an den Eigentümer eventuell dann Kosten auf die jeweilige Kommune zukommen. Die Verlängerung der Bindungsfristen für die Mietpreise, auch eine denkbare, gute Lösung. Die Altschuldenproblematik, klar, da den Bund in die Pflicht zu nehmen, ist ebenfalls sinnvoll.

Dann sprachen Sie das Wiener Beispiel an. Da möchte ich Ihnen nur mal ein paar Zahlen nennen. Wien hat etwa eine Viertelmillion Einwohner mehr als MecklenburgVorpommern, ist also von der Einwohnerzahl her durchaus vergleichbar, aber dort werden jedes Jahr 600 Millionen in den kommunalen Wohnungsbestand investiert, bei uns sind es staatlicherseits gerade mal 20 Millionen. Das machen die dort seit Jahrzehnten und nicht erst seit Neuestem. Das ist also ein etwas schräges Bild.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

Wir sind für die Stärkung der Eigentumsbildung, seien es Eigenheime, Eigentumswohnungen, sei es punktuell auch der Verkauf kommunaler Wohnungen an die Mieter, selbstverständlich auf freiwilliger Basis, wenn die Mieter das wünschen. Wo es geeignet ist, kann man das durchaus mal machen. Das ist natürlich nicht eine Lösung für die breite Fläche aller Wohnungen.

Zu der Erbpachtregelung habe ich schon was gesagt. Damit kann man auch die Spekulationen mit Bauland eindämmen, insofern durchaus ein sinnvoller Ansatz.

Kontraproduktiv wirkt sich aus, dass jetzt speziell in Berlin in der Koalition über die Enteignung von Wohnungsunternehmen gesprochen wird. Wo bleibt da der Investorenschutz? Diese Forderung kommt jetzt nicht aus diesem Bundesland, aber in Berlin wird das kommuniziert. Welche Parteien da an der Regierung sind, wissen wir auch alle.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sagen Sie doch mal! Sagen Sie das doch mal!)

SPD hat dort sehr viel verkauft

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

vom kommunalen Wohnungsbestand in der damaligen Koalition mit den LINKEN

(Peter Ritter, DIE LINKE: S ehr gut! Sehr gut!)

und heute sind dort noch die GRÜNEN dabei.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Es war wichtig, dass die jungen Menschen noch mal hören, wer da investiert!)

Ja, kein Problem.

In der langen Regierungszeit der rot-roten Koalition in Berlin wurde dort massiv kommunaler Wohnungsbestand privatisiert. Jetzt sind die Probleme da

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

und jetzt kommt man mit der Enteignungskeule. Wer will eigentlich noch investieren, wenn er nicht sicher sein kann, dass er demnächst enteignet wird? Diese Frage stellt sich doch. – Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Für die Fraktion der CDU hat nun das Wort der Abgeordnete Herr Ehlers.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Bezahlbare Miete statt hoher Rendite“ lautet der Titel der heutigen Aktuellen Stunde. Das habe ich, glaube ich, vor Kurzem mal auf Wahlplakaten einer großen Stadt gelesen.

(Jochen Schulte, SPD: Rostock!)

Also der Einfluss des Rostocker Kreisvorsitzenden in der SPD-Fraktion – seine Rückkehr – scheint so groß zu sein, dass auch schon die Titel hier übernommen werden. Das ist auch legitim, dass man einige Tage vor der Wahl über dieses Thema hier spricht.

(Heiterkeit und Zuruf von Rainer Albrecht, SPD)

Schauen wir uns mal die Situation an. Es gab eine forsaUmfrage vom 15. Mai, bundesweit, die besagt, dass 90 Prozent der Deutschen mit ihrer Wohnsituation zufrieden sind. Gleichzeitig, und das haben wir auch dem MV-Monitor entnommen, sprechen sich 60 Prozent der Menschen bei uns im Land dafür aus, dass bezahlbarer Wohnraum und die Schaffung dessen wichtig ist.

Ich würde die Aktuelle Stunde gerne nutzen, um auch mal aus unserer Sicht die Dinge hier etwas einzuordnen und klarzustellen. Das Beispiel Wien ist auch wieder in der Rede vom Kollegen Krüger genannt worden. Ich habe da so ein bisschen meine Zweifel, ob das unbedingt ein Modell ist, was für Mecklenburg-Vorpommern an der Stelle so tragbar ist, weil wenn man sich die Zahlen – und die „Neue Züricher Zeitung“ hat vor einigen Tagen noch mal sehr intensiv darüber berichtet – mal anschaut,

(Zurufe von Rainer Albrecht, SPD, und Jörg Heydorn, SPD)

31 Prozent der Wohnungen befinden sich im Eigentum der Gemeinde, weitere 26 befinden sich im Eigentum von geförderten Genossenschaften und stehen somit indirekt auch unter Verwaltung der Stadt. Diese Wohnungen werden in der Tat in der Regel zu Mietkosten von 6 bis 7 Euro pro Quadratmeter vermietet und sind dann sogar übertragbar auf Angehörige, Kinder, Enkel oder Verwandte. Das führt aber dazu, dass der Mietwohnungsmarkt in Wien zweigeteilt ist, denn zu dem kommunalen Wohnungsmarkt im Niedrigpreissegment ist auf der anderen Seite der freie Wohnungsmarkt, wo die Mietpreise sich seit 2008 um 53 Prozent erhöht haben. Dadurch, dass dort quasi der Wohnraum vererbbar ist, haben wir auch die Situation, dass gut situierte Wiener in eigentlichen Sozialwohnungen wohnen. Eine Bedürftigkeitsprüfung findet nicht statt. Von daher habe ich so meine Zweifel, ob sich dieses Modell unbedingt auf Mecklenburg-Vorpommern übertragen lässt. Aber man kann immer auch lernen, wie es andere machen, das kann man sich anschauen.

Es gibt auch andere wissenschaftliche Studien. Wenn ich mir anschaue, was die wissenschaftlichen Berater der Bundesregierung so fordern, die sagen zum Beispiel, ein komplettes Zurückfahren des sozialen Wohnungsbaus und das ersatzlose Streichen einer Mietpreisbremse. Sie verweisen darauf, dass eine Begrenzung der Mietpreise die Knappheit an Wohnraum fördert, und fordern eine stärkere Bedürftigkeitsprüfung für Sozialwohnungen. Diese Forderung hat bisher noch keiner aufgenommen, aber das zeigt, wie bunt und wie breit die Debatte hier ist.

Schauen wir uns die Lage in Mecklenburg-Vorpommern an. Ich glaube, da können wir schon feststellen, dass das Land an der Stelle durchaus zweigeteilt ist. Wir haben in vielen Bereichen hohen Leerstand, aber gleichzeitig haben wir auch Druck, vor allem in Rostock, in Greifswald, in den Unistädten, aber auch zunehmend in Schwerin. Ich glaube, das gehört zur Wahrheit dazu. Und weil Manuela Schwesig das angesprochen hat, ich glaube, so vor zehn, elf Jahren gemeinsam in der Stadtvertretung haben wir Fragen wie „komplett verkaufte Wohnungsgesellschaften“ diskutiert. Das ist Gott sei Dank dann damals nicht passiert – Gott sei Dank mit dem Blick von heute. Aber auch in den letzten Jahren sind dort Grundstücke, sind einzelne Immobilien verkauft worden, weil natürlich der Druck bei den Wohnungsgesellschaften, auch bei den Kommunen entsprechend groß war. Ich glaube, das gehört zur Wahrheit ebenso dazu.

Ich habe mal reingeschaut – jetzt für Schwerin alleine –, was die Stadt mit Verkäufen erzielt hat in den letzten Jahren. Im Haushalt 2017/2018 waren 4 Millionen Euro eingeplant, jetzt für den neuen Doppelhaushalt sind nur noch 2,8 Millionen Euro eingeplant, alles natürlich auch unter einem gewissen finanziellen Druck, der sich jetzt

etwas legen wird durch das neue FAG. Ich glaube, das gehört einfach zur Wahrheit dazu, um die Situation hier auch ein bisschen einzuordnen.

Wir in der Stadt haben fraktionsübergreifend Ende des Jahres einen gemeinsamen Beschluss gefasst, die Verwaltung beauftragt, ein Konzept vorzulegen, was jetzt vor wenigen Wochen vorgestellt wurde, welches verschiedene Punkte enthält, auch einige, die hier schon diskutiert wurden, dass man über kommunale Flächen künftig wieder stärker steuert, dass wir uns darum bemühen, dass auch Eigenheime dort entstehen, wo wir soziale Probleme haben. Ich verweise immer darauf, Kollege Heydorn sagt es immer so schön, wir dürfen nicht die Fehler machen mit den Stadtteilen, mit Herausforderungen, die wir in den alten Bundesländern gemacht haben. Wenn man sich die Zahlen zurzeit anschaut, die Anteile der Sozialleistungen, aber auch den Migrantenanteil, wenn wir sehen, dass dort eine Kita eröffnet wird mit 75 Prozent Migrantenanteil, dann müssen wir, glaube ich, uns so ehrlich machen an der Stelle, dass wir dabei sind, einige Fehler aus den zitierten alten Ländern zu wiederholen.

(Zurufe von Horst Förster, AfD, und Dr. Ralph Weber, AfD)

Von daher müssen wir schon aufpassen, dass wir an der Stelle auch gegensteuern, indem wir in den Stadtteilen Möglichkeiten beispielsweise zur Eigentumsbildung anbieten. Wir haben dort entsprechende Möglichkeiten. Ich glaube, das gehört alles zur Wahrheit mit dazu.

Ich denke ebenfalls, und das ist mir und auch der Fraktion ganz wichtig, es geht nicht nur darum, von Sozialwohnungen zu reden, denn wenn ich im Gespräch bin mit Leuten, die arbeiten, die sagen, es ist ganz toll, was ihr jetzt macht, Sozialwohnungen, sage ich, ja, aber ich glaube, nach der Definition seid ihr davon nicht erfasst. Es gibt durchaus auch in Schwerin Leute, die arbeiten, wo beide gutes Geld verdienen, die aber sagen, ein Eigenheim für 400.000 oder 450.000 Euro mit Grundstück, das ist mir zu doll, dann ziehe ich lieber ins Umland. Von daher, glaube ich, ist es auch sinnvoll, dass wir diese hart arbeitende Mehrheit in unserer Gesellschaft wieder stärker in den Blick nehmen.