Protokoll der Sitzung vom 22.05.2019

Nun reden wir über Einsparpotenziale, und natürlich schaut man auch auf die Anforderung von Qualität und Komfort. Die Energieeinsparverordnung wird immer wieder genannt. Die technische Gebäudeausrüstung, die Ansprüche der Barrierefreiheit und weitere Standards sind Ursachen für teureres Bauen, doch ich glaube, auf viele dieser Errungenschaften möchten wir nicht mehr verzichten,

(Zuruf von Rainer Albrecht, SPD)

im Gegenteil, wir müssen uns noch ganz anderen Thematiken zuwenden, und das Problem wird nicht kleiner, sondern größer. Der Gebäudesektor steht vor großen Herausforderungen, da eine Senkung des Energieverbrauchs – am Ende reden wir ja über Niedrigstenergiegebäude und sogar über einen klimaneutralen Gebäudebestand – nicht zu weiter steigenden Mieten und weiteren Verdrängungsprozessen führen darf.

Wie können diese Standards finanziert werden? Das ist die Diskussion, die gerade tobt. Und wer hört, es wird energetisch saniert, fühlt sich vielerorts wohl eher bedroht, statt belohnt, obwohl steigende Mieten de facto meistens eine Folge von Spekulationen, Luxussanierungen und natürlich auch Renditegier sind. Die politische Debatte läuft über Steuerförderung für energetische Sanierungen genauso wie über den Entwurf des Gebäudeenergiegesetzes. Auch die Idee des vorgeschlagenen Klimawohngeldes finden wir gut, mit dem teurere, aber eben energetisch sanierte Wohnungen leistbar werden könnten.

Wir werden also auch hierzulande und vor allem in den Kommunen die Instrumente bemühen müssen, die uns abseits der Bundesgesetzgebung zur Verfügung stehen. Ein paar will ich aufzählen: zeit- und kostensparende Genehmigungsverfahren, gut ausgestattete Bau- und Stadtplanungsämter, eine eben nicht auf Höchstpreise ausgerichtete Grundstücksvergabe, überarbeitete Stellplatzsatzungen, kein Verkauf kommunaler Wohnungsbestände und dazu natürlich eine Förderung, die bezahlbare Mieten möglich macht. Doch diese Maßnahmen müs

sen vom Land unterstützt werden. Dass Kommunen regelrecht dazu gezwungen werden, Wohnungsbestände zu verkaufen, wie es in Neubrandenburg auch vor gar nicht allzu langer Zeit erst wieder geschehen ist, muss aufhören, nicht nur, weil immer mehr Menschen immer mehr Geld für das Wohnen ausgeben, sondern weil die Mietkosten – das haben Sie ja auch festgestellt – zur sozialen Frage geworden sind.

(Zuruf von Manfred Dachner, SPD)

Aber Sie sprechen auch über zinsgünstige Darlehen statt Zuschüsse in Bezug auf die Förderung des Wohnungsneubaus. Das klingt wie ein Rückschritt in meinen Ohren, aber vielleicht erfahren wir im Ausschuss mehr dazu oder aber über die Presse, wie es ja neuerdings leider häufiger der Fall ist. Auch Sie wissen, wie es Wohnungsuchenden vielerorts geht: Wer wenig verdient, arbeitsuchend, alleinerziehend, gesundheitlich eingeschränkt ist oder aber ausländische Wurzeln hat, hat es sehr schwer. Wir haben schon Bewerbungsmappen für Wohnraum gesehen, die eher den Anschein erwecken, man würde sich um einen Job bemühen.

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Junge Familien, größere Familien – sie alle suchen Wohnraum. Die steigende Altersarmut verschärft die Situation. Auszubildende und Studierende suchen verzweifelt Wohnheimplätze oft vergebens. Die schwache Mietpreisbremse wird auch zukünftig kaum mehr Bremswirkung entwickeln. Die geplante Wohngelderhöhung kommt zu spät. Einziger Lichtblick ist dabei eine zukünftig anvisierte Anpassung. Es wird Zeit, dass die Förderung aufgestockt wird, das Bundesgeld muss vollständig eingesetzt und mit Landesmitteln ergänzt werden.

Werte Kolleginnen und Kollegen, neuerdings sprechen wir ja oft über die soziale Spaltung in den Städten, die – noch mal – nicht neu ist und auch an vielen Orten schon längst abgeschlossen ist bedauerlicherweise. Wenn Einkommen auseinanderdriften, driften auch Lebensverhältnisse auseinander. Diese Ungleichheit führt zu sozialer Spaltung, die sich längst an Postleitzahlen festmachen lässt.

Es ist unsere Aufgabe, der Armut und dieser Ungleichheit entgegenzuwirken. Dieses Wirken fängt bei mehr Tarifbindung an, erstreckt sich über eine kluge Bildungspolitik und endet vor Ort in den Kommunen, wo die Möglichkeiten der Daseinsvorsorge ausgeschöpft werden müssen. Da geht es um kulturelle und soziale Angebote in den Stadtteilen, und da geht es um Rekommunalisierung statt Privatisierung, da geht es um kluge Stadtentwicklung, die benachteiligte Stadtteile in den Blick nimmt.

Die Stärkung des Sozialraums, der Nachbarschaft und des Miteinanders spielt hier eine große Rolle. Dafür brauchen Kommunen Luft und finanzielle Spielräume, die das Land ihnen ermöglichen kann. Tun wir dies in Zukunft lieber und gerne auch mal zusammen! Falls es offene Fragen gibt, liebe Kolleginnen und Kollegen, begleiten wir Sie auch gerne mal nach Basthorst. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

Das Wort hat nun für die Fraktion Freie Wähler/BMV Herr Wildt.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Mitbürger!

Herr Krüger, Sie und Ihre Fraktion haben heute ein wichtiges Thema aufgerufen. Das ist völlig unstrittig. Trotzdem erwecken Sie schon in Ihrer Überschrift einen falschen Eindruck, und der hat sich ja auch in der Rede verstärkt. Sie tun so, als gäbe es ein Problem, das ausschließlich darin besteht, dass wir auf der einen Seite Mieter haben und auf der anderen Seite gierige Vermieter, die die Rendite nach oben treiben.

(Beifall vonseiten der Fraktion Freie Wähler/BMV)

Das ist aber nicht der Fall. Wir müssen hier sehr viel differenzierter hinschauen.

(Thomas Krüger, SPD: Gibt es aber auch.)

Geografisch wurde das jetzt schon von mehreren Vorrednern gemacht. Darauf gehe ich nicht noch mal ein, aber wir haben auch unterschiedliche Segmente. Die Baukosten sind in den letzten zehn Jahren deutlich stärker gestiegen als die verfügbaren Einkommen, das heißt, der Durchschnittsmieter muss automatisch, wenn er in einen Neubau ziehen will, einen viel höheren Prozentsatz seines Einkommens für die Miete ausgeben, als das noch vor zehn Jahren der Fall war.

(Beifall vonseiten der Fraktion Freie Wähler/BMV)

Das ist reine Mathematik und lässt sich also auch nicht mit einem Federstrich verändern.

Bei den Bestandsbauten möchte ich darauf hinweisen, dass seit 1998 die SPD in der Regierung hier im Land war und auch in der Bundesregierung mit einer kurzen Unterbrechung von vier Jahren und wir seit 1998 einen starken Verkauf der Wohnungsbestände aus öffentlicher Hand haben. Da finde ich es schon erstaunlich, wie rasch Sie sich den Staub von der Jacke schütteln und sagen, jetzt müssen wir endlich umsteuern.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der AfD und Freie Wähler/BMV)

Das betrifft nicht nur den Wohnungsbereich, sondern das betrifft alle Kapitalgesellschaften. Wie Sie wissen, Herr Schulte, seit 1998 können die steuerfrei verkauft werden. Das hat zu einem Ausverkauf der sogenannten Deutschland AG geführt – mit zahlreichen negativen Auswirkungen auf die Tarifbindung und auf Arbeitsplätze in Deutschland.

Deswegen hilft das Bauen alleine auch nicht, Herr Ehlers. Das ist zwar aller Ehren wert, wenn man mehr bauen möchte, aber wenn die Baukosten so hoch sind, dann führt das eben nicht dazu, dass man automatisch preiswerteren Wohnraum bekäme. So funktioniert es nicht. Ich schlage einige Sofortmaßnahmen vor. Zum Beispiel müsste man die steuerfreien Spekulationsgewinne nach zehn Jahren abschaffen. Ich kann mit Ihnen durch die Ostseebäder auf der Insel Rügen gehen und kann auf die Häuser zeigen, die nach zehn Jahren verkauft werden. Ich kann Ihnen auch sagen, welche im nächsten Jahr wieder zum Verkauf stehen, weil die zehn Jahre um sind. Das wäre eine Maßnahme, die Sie sofort

ergreifen könnten. Sie sind in der Bundesregierung, SPD, und CDU auch. Das würde natürlich die Überhitzung und die Fokussierung auf das Betongold, wie es eben angesprochen wurde, an den Urlaubsorten deutlich reduzieren.

Dann müsste man die Grunderwerbsteuer bei den sogenannten Share Deals unbedingt einführen. Frau Schwesig hat darauf hingewiesen, dass Wohnungsbestände hier in Schwerin sogar mehrfach verkauft worden sind. Alles war grunderwerbsteuerfrei. Wir kommen auf dieses Thema morgen noch mal zu sprechen. Das muss dringend abgeschafft werden. Sie können niemandem, keinem normalen – Sie sprechen ja immer so gerne von der Krankenschwester –, Sie können das keiner Krankenschwester erklären, warum sie Grunderwerbsteuer zahlen muss, aber die Fonds teilweise aus dem Ausland eben nicht.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der AfD und Freie Wähler/BMV)

Leider sind die drei Minuten um, ich hätte noch Stoff für weitere drei Minuten. Das müssen wir vertagen. – Danke.

(Beifall vonseiten der Fraktion Freie Wähler/BMV)

Das Wort hat jetzt noch mal für die Landesregierung der Minister für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung.

Herr Pegel, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es freut mich, dass weitere Vorschläge gekommen sind. Ich habe jetzt nicht ganz rausgehorcht, ob Sie der Grundtendenz der sieben Punkte ein Stück weit Ihre Unterstützung zuteilwerden lassen, aber die anderen Punkte sind zum Teil selbstverständlich auch ein Gegenstand von Diskussionen. Es ist klug, über die Frage nachzudenken, wie gehen wir mit Kapitalgesellschaften um, wenn nicht das Grundstück, sondern die Gesellschaft verkauft wird und auf einmal eine entsprechende Grunderwerbsteuer dadurch nicht mehr anfällt – keine Frage.

Meine Damen und Herren, ich habe zwischendurch vernommen, dass es eine kleine Irritation zwischen Rendite und Ertrag gab. Ich versuche es mal mit meiner laienhaften, bisherigen Wahrnehmung aus der steuerrechtlichen Begleitung solcher Dinge. Der Ertrag, die Einnahmen können reichlich hoch sein. Wenn sie denn in die entsprechenden Grundstücke fließen und langfristig genutzt werden, dann nützt es den Mieterinnen und Mietern durchaus. Die Rendite habe ich bisher immer eher als den Teil verstanden, der bei denen bleibt, die vermieten. Und wenn ich die Rendite so verstehe, dann ist die Überschrift eben die Frage, wie viel bleibt eigentlich bei denen, die vermieten.

Da würde ich auch gerne, weil Sie den Hinweis zu Recht gegeben haben, differenzieren: Es gibt einen Sack voll privater Vermieterinnen und Vermieter, die sich im Übrigen zum Teil ganz rührend um ihre Mieterinnen und Mieter kümmern.

(Bernhard Wildt, Freie Wähler/BMV: Ja.)

Aber diejenigen, die uns Schwierigkeiten machen, sind typischerweise die, nicht selten dann im Übrigen in Betongold getriebenen, großen Kapitalgesellschaften. Auch die finden Sie in diesem Bundesland durchaus in größerer Verbreitung. Die finden Sie in den touristischen Schwerpunkträumen als Investoren, nicht selten auf Verkauf angelegt, zum Teil auch Vermietung, und Sie finden sie in den großen Städten. Genau an den Stellen kommen wir in Situationen, wo mancher sogar über besondere Artikel des Grundgesetzes nachdenkt, die wir bisher noch nie in den Blick genommen haben, weil die Verzweiflung so groß wird. Dann sind wir in der Tat nicht bei der Schelte für den Kleinen, für diejenigen, die wenige Wohnungen vermieten, sondern sind bei denen, die in sehr großem Umfang unterwegs sind, wo am Ende eine Zahl von Kapitalanlegern schlicht Rendite erwartet – nicht Ertrag, den auch, aber Rendite – und die dann am Ende unser Problem deutlich zuspitzen.

Meine Damen und Herren, es ist wiederholt Wien angesprochen worden, ich greife den Punkt „Wien“ gern auf. Sie haben darauf hingewiesen – vollkommen zu Recht –, die Wiener geben über eine halbe Milliarde Euro pro Jahr in den verschiedensten Bereichen aus für Wohnraumpolitik. Ich weise aber darauf hin, dass, anders als in Deutschland, Österreich kein zentrales Wohngeld auf bundesstaatlicher Ebene hat, sondern die einzelnen Bundesländer – und Wien ist Stadt und Bundesland zugleich – eben aus diesen Mitteln das Wohngeld finanzieren. Gleichwohl ist die finanzielle Situation dort opulenter.

Die Frage ist, ob man deswegen sagt, das erreichen wir eh nicht und wir beginnen nichts, oder ob wir sagen, wir versuchen, uns auch mit bescheideneren Mitteln gleichwohl auf den Weg zu machen und die Überlegung anzustellen – das war die Frage, nein, ich glaube, Frau Kröger hat es angesprochen, die Frage von Zuschüssen auf Darlehen –, noch einmal, die Überlegung anzustellen umzuschalten, die Frage, die die Wienerinnen und Wiener seit vielen Jahren vor sich hertragen zu sagen, wir geben das Geld nie endgültig weg, sondern wir geben es in Darlehensform weg mit sehr günstigen Zinskonditionen, mit sehr langen Rückzahlungszeitläufen, aber wir schaffen darüber wenigstens alle 50/60 Jahre einen Rückfluss dieses Geldes, und dann wird der Pott, aus dem ich gestalten kann, größer.

Genau die Frage muss doch erlaubt sein: Ist mit einem Zuschuss, der verloren ist, für eine zwanzigjährige Bindungsfrist der optimale Weg beschritten oder geben wir bei sozialen Neubauprojekten sinnvollerweise Darlehen, vielleicht unter anderen Bedingungen, als wir das bisher als Bundesland getan haben? Da wäre ich sehr dafür und würde gern darüber diskutieren,

(Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

aber dann mit einem faktisch auch fördernden Effekt, mit der Idee zu sagen, diese Gebäude stehen aber 50 bis 60 Jahre, und wenn das Kapitalmarktdarlehen in den ersten 20 Jahren abgetragen wird, dürfen vielleicht wie in Wien die Tilgung und die Zinszahlung erst nach 20 Jahren einsetzen, aber dann habe ich trotzdem nach 40 Jahren einen Rückeffekt, wenn auch der Kaufkraftverlust erheblich ist, aber ein Rückeffekt, der Stück für Stück einen Kapitalfonds aufbaut, wie die Wienerinnen und Wiener das über 100 Jahre getan haben.

(Beifall Rainer Albrecht, SPD)

Das sind Überlegungen, über die wir uns freuen würden, wenn wir sie im Fachausschuss in der Tat vertiefen und nicht gleich den Rückschritt ankündigen.

(Rainer Albrecht, SPD: Jawohl! Sehr gut!)

Die Wienerinnen und Wiener zumindest haben mit ihren Wohnungsbeständen was erreicht. Ein Rückschritt scheint mir Wien nicht zu sein, meine Damen und Herren.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Sie sagen, hättet ihr uns früher zugehört, wären wir weiter. Ich schließe nie aus, dass es zuweilen gut ist, früher zuzuhören. Die Frage ist immer, ob ich eine Konzentration hinkriege. Die Herausforderung von Regierungsparteien ist zu sagen, aus einem bemessenen Haushalt müssen wir mit Schwerpunktsetzungen möglichst optimal Themen herauskristallisieren. Die Wunschlisten, die allein DIE LINKE in dreitägigen Landtagszyklen zusammenbringt, reicht ja, um den Haushalt zweimal zu ruinieren für die nächsten zehn Jahre.