Aber wenn ich dann noch lese, dass zwei Studentinnen vor Gericht gestellt werden, weil sie Lebensmittel aus der Mülltonne eines Supermarktes geholt haben, also containert haben, bin ich einfach nur noch sprachlos. Hier brauchen wir doch endlich eine Rechtsumkehr. Nicht das Retten der Lebensmittel gehört verboten und unter Strafe gestellt, sondern das sinnlose Wegwerfen muss endlich ein Ende haben und verboten werden,
gerade vor dem Hintergrund, dass es in Deutschland und auch gerade in Mecklenburg-Vorpommern noch Armut gibt und die stetig zunimmt. Millionen Menschen können sich nicht regelmäßig eine vollwertige Mahlzeit leisten, aber anstatt die Lebensmittelhersteller zu verpflichten, kurz vor dem Ablauf befindliche Lebensmittel an gemeinnützige Organisationen oder interessierte Personen abzugeben, bestrafen wir die, die weggeschmissene Lebensmittel noch verbrauchen wollen.
Wir sind da anderer Meinung, wir fordern: Containern entkriminalisieren, Handel verpflichten, aus dem Verkauf genommene genießbare Ware kostenfrei abzugeben! Lassen Sie uns ernst machen mit dem Kampf gegen das sinnlose Wegwerfen von Lebensmitteln und stimmen Sie dem Antrag zu!
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.
Ehe ich allerdings die Aussprache eröffne, möchte ich besondere Gäste auf unserer Besuchertribüne begrüßen. Seien Sie herzlich willkommen, Exzellenz Botschafter der Republik Südafrika, Herr Sizani, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Südafrikanischen Botschaft in Berlin sowie Herr Honorarkonsul Eymer. Herzlich willkommen!
Ums Wort gebeten hat für die Landesregierung der Minister für Landwirtschaft und Umwelt. Herr Dr. Backhaus, bitte schön.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Werte Gäste! Dieser Antrag, den die LINKEN hier vorlegen, hat natürlich eine klare Zielrichtung. Für mich ist eins klar: Wenn wir uns weltweit anschauen, wir haben nach wie vor leider über 860 Millionen Menschen, die nicht ausreichend mit Lebensmitteln versorgt werden, wenn wir feststellen, dass die Wertschöpfungskette in Lebensmitteln in Deutschland geschlossen ist und damit ethische, ökologische, soziale und nicht zuletzt auch ökonomische Probleme diesem Nachhaltigkeitsgedanken widersprechen, was die Verwendung von Lebensmitteln, den Mitteln zum Leben, bedeutet, dann ist es schon eine Tragödie, wenn man das so sagen darf, dass wir im Durchschnitt in Deutschland, Frau Bernhardt, 82 Kilogramm pro Einwohner – Sie gehören wahrscheinlich auch mit dazu –, 82 Kilogramm hochwertigste Lebensmittel einfach wegwerfen. Das ist nicht richtig, das kann und darf so nicht weitergehen.
Und vor dem Hintergrund von Klimaschutz, von Nachhaltigkeitsstrategien, der wachsenden Weltbevölkerung, aber selbstverständlich auch der knappen Ressourcen und einer steigenden im Übrigen, in der letzten Zeit sehr steigenden Anzahl von hungernden Menschen auf dieser Erde stellen Lebensmittelvernichtung und -verluste ein richtiges ethisches Problem dar. Insofern...
Es geht gar nicht um ein Verbot, sondern es geht um ethische und moralische Ansätze, die Sie angeblich in Ihrer persönlichen Erklärung hier abgeklärt und erklärt haben, die gehören da rein. Also Sie widersprechen sich mal wieder selbst, Herr Weber.
Die Studien zur Ernährung der Weltbevölkerung im Übrigen identifizieren die Reduzierung der Lebensmittelverluste und die Vernichtung als eine wesentliche Stellschraube tatsächlich der Ernährungssicherheit. In ihrer Roadmap für ein ressourcenschonendes Europa hat die Europäische Kommission beschlossen, und daran haben wir uns auch zu halten – und selbstverständlich gibt es da Arbeitsgruppen, Frau Bernhardt, insofern weise ich den Vorwurf, es gäbe hier keine Arbeitsgruppen, die sich mit dem Thema befassen, das weise ich ausdrücklich zurück und ich werde darauf noch eingehen –, und damit ist auch deutlich, nämlich, es ist beschlossen in der Europäischen Kommission und damit auch bindend für die Mitgliedsstaaten, der Lebensmittelverschwendung in Europa Einhalt zu gebieten.
Aktuell plant die Europäische Union, die Mitgliedsstaaten im Rahmen der Novellierung der Europäischen Abfallrichtlinie dazu zu verpflichten, die Lebensmittelabfälle bis zum Jahr 2025 um 30 Prozent zu reduzieren. Und daran werden wir uns auch halten. Das entspricht einer Reduktion von geschätzten 90 bis 63 Millionen Tonnen innerhalb der Europäischen Union, der Mitgliedsstaaten, der 27.
Die wichtigsten Hebel werden dabei allgemein in den Bereichen Aufklärung, finanzielle Anreize, Organisation und Recht gesehen. Bisher wurden in Deutschland überwiegend weiche Maßnahmen wie Aufklärungskampagnen oder auch die Informationsplattformen, an denen sich der Bund und die Länder beteiligen, entwickelt und umgesetzt. So tragen die Initiativen der Landesregierung dazu bei, dass im Übrigen die Fähigkeiten, den Ernährungsalltag bedarfsgerecht abgestimmt, verantwortlich und genussvoll gestalten zu können, gestärkt werden.
Die täglich konsumierten Lebensmittel werden im Übrigen in einen Wertekanon hineingestellt, nämlich Lebensmittel wieder wertzuschätzen – da hätte ich mich schon gefreut, wenn Sie dazu mal was gesagt hätten – und damit den hohen Grad der Lebensmittelverschwendung deutlich zu machen, um damit auch im Übrigen von den Kindergärten bis in die Schulen hinein auch solche Projekte umzusetzen. Und wenn Sie davon noch nie was gehört haben, bin ich gerne bereit, das auch im Ausschuss dann Ihnen mal zu erklären, vom Ernährungsführerschein, den wir machen, oder dass wir die Schulklassen auf die Höfe holen, um sie aufzuklären, um damit tatsächlich auch mehr Verständnis für Lebensmittelproduktion und einen sorgsamen Umgang mit diesen Dingen umzusetzen.
Aus verschiedenen Studien, zum Beispiel aus Deutschland, lassen sich mehrere Tendenzen zu einer zunehmenden Entfremdung von Lebensmitteln in den Industriegesellschaften darstellen. In dieser Anonymisierung, die Sie im Übrigen auch vorgestellt haben, zeichnet sich auch das Bild ab. Es ist leider so, die meisten Menschen haben keine Beziehung mehr zur Produktion von Lebensmitteln und auch zu der Art, wie Lebensmittel heute produziert werden.
Zum einen ist eine Tendenz zum Verlust der Wertschätzung und damit auch des Wertebewusstseins für Lebensmittel zu erkennen, da seit Ende des Zweiten Weltkrieges eine Lebensmittelknappheit – im Übrigen, ich habe das auch noch erlebt, dass wir nicht alle Lebensmittel in der DDR zur Verfügung hatten –, seit den letzten Jahren ja überhaupt nicht mehr vorhanden ist. Es ist alles im Überfluss da. Und deswegen sage ich hier auch noch mal, ein Recht auf Erdbeeren zu Weihnachten gibt es nicht!
Weiterhin ist der Verlust natürlich der Lebensmittelidentität festzuhalten. In den Supermärkten werden Lebensmittel zusammen mit Nichtlebensmitteln verkauft, also Brot, Wurst zusammen mit Fernsehgeräten, Waschmitteln, und das Katzenfutter ist zum Teil teurer als die Lebensmittel. Eine verdrehte Welt! Bunte und werbewirksame Verpackungen der Lebensmittelindustrie verstärken diese Entfremdung. Das Lebensmittel ist überdies jederzeit bis zur letzten Minute vor Ladenschluss in vollen Regalen vollständig vorhanden.
Eine weitere Tendenz beschreibt den Verlust der Beziehung natürlich auch zu der Herkunft von Lebensmitteln. Immer mehr Menschen im Übrigen haben in der Industriegesellschaft den Bezug zur Landwirtschaft komplett verloren. Beim Verkehr von in Stäbchen gepresstem Fisch oder Wurst mit Teddysymbol oder mit Fußballmustern denkt kaum jemand noch daran, wie diese Produkte entstanden sind. Deswegen ist Verbraucheraufklärung für mich eine der wichtigsten Aufgaben. Schließlich geht es um eine integrale...
Schließlich ist es ja so, wer keine emotionale Beziehung mehr zu dem Mittel zum Leben, also zum Lebensmittel hat – und die meisten haben es verloren, da immer mehr Mahlzeiten im Übrigen außer Haus und nebenbei eingenommen werden.
Herr Minister, ich hätte gerne gewusst, ob Sie mir Auskunft geben können, ob im Abfallwirtschaftsplan unseres Bundeslandes etwas geregelt ist zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen, denn mir ist bekannt, es soll acht Bundesländer geben, bei denen das der Fall ist.
Also ich muss Ihnen auch mal ausdrücklich sagen, ich bin für einige Teile, die ich hier vortrage, nicht zuständig. Der Verbraucherschutz, wissen Sie, ist in der Legislaturperiode auf das Justizministerium übergegangen.
Die Abfallwirtschaft ist nicht bei uns ressortiert, sondern ist im Wirtschaftsministerium. Aber natürlich weiß ich, dass es um Abfallvermeidung geht. Im Übrigen haben wir ja auch gesagt, dass wir für die Wiederverwertung unbedingt,
also von der Kompostierung bis hin zur Reduktion der Verschwendung von Lebensmitteln, natürlich eine Strategie haben. Selbstverständlich ist das in unserem Abfallwirtschaftsplan auch enthalten, aber ich nehme auch zur Kenntnis, dass in Teilen, insbesondere aus der Industrie heraus, daraus heute auch ein Geschäft gemacht wird. Mit Abfällen werden heute Geschäfte gemacht, und die nicht zu knapp, wenn Ihnen das hoffentlich reicht.
Also gerade wegen der eingangs genannten Tendenzen ist es in unserer Gesellschaft so wichtig geworden, dass die Sektion Mecklenburg-Vorpommern der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, mit denen ich sehr, sehr eng zusammenarbeite, natürlich auch Alltagswissen weiterhin vermittelt. Ein Beispiel: den Einkaufszettel zu Hause vorbereiten, Haltbarkeit prüfen, Vorräte kontrollieren, nicht zu viel kochen oder letzten Endes, wenn was überbleibt, einfrieren. Wir haben heute an sich ein perfektes System der sinnvollen Lebensmittelverwertung.
Von der Verbraucherzentrale, auch das darf ich noch mal ausdrücklich sagen, Frau Bernhardt, werden über unser Haus im Übrigen, was die Aufklärung der Verbraucherinnen und Verbraucher im Bereich der Ernährung angeht, verschiedene Projekte, Veranstaltungen, Vorträge, Veröffentlichungen zum Thema Ernährung durchgeführt. Wenn Sie davon noch nie was gehört haben – ich glaube, ich habe Sie auch noch nicht so oft,