Protokoll der Sitzung vom 19.06.2019

(Peter Ritter, DIE LINKE: Und dann kriegst du keine mitberatende Stellungnahme aus dem Innenausschuss, das ist schon mal klar.)

und das Kabinett den Haushalt klarziehen will, um den Haushalt uns im Sommer auf den Tisch zu legen, dann ist hier sozusagen eine Unwägbarkeit – im Übrigen von einem großen Ausmaß. So geht es nicht, muss ich mal sagen, so geht es nicht! 2017 war bekannt, was auf uns zukommt und auch, dass es schwierig wird. Aber dann uns im Sommer 2019 etwas auf den Tisch zu legen, das noch nicht vollständig finanziell untersetzt ist, halte ich für hoch problematisch.

Zweiter Punkt, den ich ansprechen möchte für die Fraktion DIE LINKE: Der Gesetzentwurf setzt, unser Gesetzentwurf setzt auf Bundesrecht auf. Und Frau Ministerin hat darauf hingewiesen, dass aus ihrem Haus, dass unsere Landesregierung im Bund darauf hinwirkt, dass noch Veränderungen auch am Bundesgesetz vorgenommen werden. Da hätte uns schon interessiert, dann müssen wir das eben im kleineren Rahmen im Sozialausschuss hinterfragen, in welcher Form und in welchen Angelegenheiten sind Sie da vorstellig geworden, denn in der Tat hat das Bundesgesetz einige Webfehler. Die sind auch schon lange bekannt.

(Torsten Renz, CDU: Das können Sie doch in der Fragestunde noch mal erfragen!)

Die betroffenen Verbände haben bei Verabschiedung dieses Gesetzentwurfes 160 Beschwerden geführt, 160mal gesagt an verschiedenen Stellen, so geht das nicht, wir bekommen dann nicht das hin, was Ziel dieses Gesetzentwurfes oder des Bundesgesetzes eigentlich dem Namen nach wäre, nämlich Teilhabegesetz. 69 Änderungen sind dann nachgepflegt worden. Aber es gibt noch einige Dinge, die unbedingt verändert werden müssen, als da wären:

Es gibt im Bundesrecht – falls doch noch nicht geschehen ist, sind das Ansprüche, die wir an die Landesregierung haben, um auf Bundesebene zu wirken –, es gibt im Moment noch keinen Fahrplan für den Ausstieg aus der Anrechnung von Einkommen und Vermögen bei Inanspruchnahme von Teilhabeleistungen. Es gibt keine Definition von Assistenz gemäß der UN-Behindertenrechtskonvention. Das ist eine Schlüsselfrage. Wenn wir Assistenten sichern wollen, wenn wir die Ressourcen für Assistenzen bereitstellen wollen, aber vorher die Grundfragen, die Definitionsfragen noch nicht abschließend geklärt sind, kommen wir, wenn Grundsätzliches nicht geklärt ist, immer im Einzelnen an Schwierigkeiten und in Konflikte. Es gibt noch keine einkommens- und vermögensunabhängige Gewährleistung der persönlichen Assistenz in allen Lebensbereichen.

Dann kommt noch hinzu, dass die unabhängige Beratung, die ja im Bundesrecht angelegt ist, finanziell nur bis 2022 befristet ist, und es besteht kein Rechtsanspruch auf eine solche. Wie das dann weitergehen soll, da sind auch wir in der Pflicht, uns auf Bundesebene starkzumachen für die Menschen hierzulande.

Ein dritter Punkt, den ich ansprechen möchte, bezieht sich auf einen Teilaspekt dieses Gesetzentwurfes, und zwar nimmt er noch mal Bezug auf ein Gesetz, ich glaube, Frau Friemann-Jennert hat das auch angesprochen, das Ausführungsgesetz zum Sozialgesetzbuch XII, das wir im April 2018 hier verabschiedet haben. Und wenn Sie sich erinnern können, haben wir uns heftig darüber gestritten, in welcher Höhe die Kreise und kreisfreien Städte Mittel zur Verfügung bekommen, um die frühere überörtliche Sozialhilfe finanzieren zu können.

Die Landkreise bekommen nach dem verabschiedeten Recht auf Landesebene 82 Prozent ihrer Auslagen erstattet, die kreisfreien Städte Rostock und Schwerin nur 72 Prozent und die Landkreise 82,5 Prozent. Das ist eine Differenz von 12,5 Prozent. Wir haben gesagt, es geht in zweierlei Hinsicht nicht: Es ist zu wenig Geld eingestellt nach den Erfahrungswerten, die wir haben und nach dem, was uns die Kreise mitgeteilt haben. Und da sind wir alle angesprochen worden. Einige Bürgermeister, also der Schweriner Oberbürgermeister und der damalige oder jetzt noch Rostocker Oberbürgermeister haben uns sogar Briefe geschrieben. Es ist nicht genug eingestellt und die Relation haut nicht hin.

Dann haben wir als LINKE Änderungsvorschläge gemacht und sind abgetropft mit der Begründung, es ist alles genau berechnet, es ist auch prospektiv gedacht worden. Es ist auch berücksichtigt worden, weil Herr Bockhahn, der Sozialdezernent in Rostock, vorgesprochen hat in der Anhörung und gesagt hat, also hier gibt es Benachteiligungen, wir werden Klage führen, weil es nicht auskömmlich ist, denn wir müssen Personal einstellen, für die Hansestadt Rostock allein 65 Personalstellen, wie gesagt wurde, das ist es. Unsere Vorstellung war zum einen, dann an der Größenordnung etwas zu machen, vor allen Dingen, als das nicht mehr ging wegen des Haushaltsrahmens. Dass wir die Relation zwischen Landkreisen und kreisfreien Städten ändern wollten, das haben Sie abgelehnt. Heute kommen Sie – ich bin am Ende meiner Ausführungen –, heute kommen Sie und wuchten uns mit diesem Gesetzentwurf eine Korrektur dessen vor, was Sie damals uns gegenüber abgelehnt haben. Das ist sehr bedauerlich. Wir haben auch an dieser Stelle anderthalb Jahre verloren. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Für die Fraktion der SPD hat jetzt das Wort der Abgeordnete Heydorn.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete!

Herr Koplin, Sie haben laut dem Zwischenruf darauf hingewiesen, dass der Abgeordnete der AfD, Herr de Jesus Fernandes, nicht zum Thema gesprochen hat.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Schulstrukturen sind nicht im Gesetz enthalten.)

Das haben Sie aber weitestgehend auch nicht. Sie haben gerade zum Schluss ausgeführt zum Thema Sozialhilfefinanzierung.

(Zuruf von Torsten Koplin, DIE LINKE)

Das Thema Sozialfinanzierung hat mit dem, was wir hier heute besprechen, gar nichts zu tun, aber auch rein gar nichts.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Natürlich setzt das doch auf!)

Ich will das noch mal klarstellen, damit Ihnen das noch mal widerfährt, worum es bei dem Thema Sozialhilfefinanzierung geht.

Das, was wir hier mit der Erklärung der Finanzierungsfragen in der Sozialhilfe gemacht haben, ist, dass wir weggekommen sind von der Herangehensweise, dass man versucht, sich das Geld von der rechten in die linke Tasche zu schieben, weil es Gerangel zwischen Land und örtlichen Sozialhilfeträgern gab, die immer in der Auseinandersetzung waren, also wer muss was bezahlen. Da haben wir gesagt, wir lösen diesen Konflikt auf, indem sich Land und Kommune wechselseitig an Kosten beteiligen. Dann kamen die von Ihnen genannten Quoten zustande, nämlich, dass das Land X Prozent übernimmt und der andere Teil durch die Kommunen getragen wird. Das hat mit den Eingliederungshilfeleistungen, über die wir jetzt reden, gar nichts zu tun.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Koplin?

Das können wir gerne zum Ende machen. Ich würde gerne jetzt meine Gedankengänge darlegen und dann können Sie gerne noch mal nach vorne kommen und Ihre Zwischenfrage stellen.

Das ist dann allerdings keine Zwischenfrage mehr, Herr Abgeordneter.

(Heiterkeit bei Andreas Butzki, SPD: Das ist dann eine Endfrage!)

Das ist dann eine Endfrage, ja, okay.

Das hat jetzt mit dem Bundesteilhabegesetz überhaupt gar nichts zu tun, denn hier schaffen wir letztendlich einen völlig neuen Sachverhalt, denn die Teilhabeleistungen werden insoweit aus dem Fürsorgesystem her

ausgelöst. Das heißt also, die Ministerin hat darauf aufmerksam gemacht, das sind dann keine Sozialhilfeleistungen mehr, sondern da wird ein völlig neuer konnexer Sachverhalt entstehen, der dann auch bedient und ausgeglichen werden muss. Und die Frage, um wie viel Geld es da geht, ist auch eine reine Krickelei. Es ist letztendlich unabhängig, um wie viel Geld es da geht,

(Torsten Koplin, DIE LINKE: 4 Millionen.)

wir schaffen einen neuen Konnexitätssachverhalt, in dem die Teilhabeleistungen durch die von uns bestimmten Eingliederungshilfeträger, das sind die Kreise und kreisfreien Städte, bezahlt werden müssen, und das passiert dann auch. Ob das nun eine Million mehr oder eine Million weniger ist, das muss zwischen denen ausgehandelt werden, die letztendlich daran beteiligt sind.

Der nächste Punkt, der von Ihnen angesprochen wird, ist, dass Sie sagen, na ja, wir sind hier im Umsetzungsverzug. Ich möchte Sie bitten, sich mal zu erkundigen, und dann werden Sie feststellen, dass MecklenburgVorpommern bei der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes vorne mit dabei ist. Wir haben mit der letzten Gesetzesverabschiedung, also dieses Ausführungsgesetz zum SGB XII, die neuen Eingliederungshilfeträger festgestellt. Das heißt, die Regierung ist kontinuierlich dabei gewesen, die Dinge zu klären und sie zu bearbeiten, die jetzt zu bearbeiten sind, und wir sind da auf Ballhöhe. Und dann stehen Sie hier und reden über Dinge, die nicht durch unser Ausführungsgesetz geklärt werden können, sondern die auf der Bundesebene entschieden werden müssen, das heißt, wie wird Assistenz ausgestaltet und so weiter und so fort.

(Zuruf von Torsten Koplin, DIE LINKE)

Da gibt es auch eine ganze Reihe von anderen unklaren Dingen, weil Betroffene und Betroffenenverbände befürchten, dass mehr Bürokratie entsteht, weil mehr Anträge gestellt werden müssen. Ich will Ihnen ein Beispiel geben: Wenn heute jemand in der stationären Einrichtung ist als schwerbehinderter Mensch, dann hat er es mit einem Ansprechpartner zu tun, der stellt einen Antrag beim zuständigen Sozialhilfeträger, und das Ganze wird abgerechnet dann nach entsprechenden Tagessätzen und damit ist die Sache erledigt. Künftig werden mehrere Ansprechpartner anzugehen sein, die dann also auch das Thema Leistung zur Verfügung stellen müssen, die dann im Rahmen eines Gesamtplanverfahrens zusammengeführt und aufgeklärt werden müssen. Daraus ziehen Betroffene und betroffene Vertretungen die Schlussfolgerung, dass das verwaltungsmäßig komplizierter wird. Das wird man sehen. Also auch die Bundesebene ist hier nicht das Thema.

Und, Herr Jesus de Fernandes, ich habe schon darauf hingewiesen, Sie bleiben sich treu in dem, was Sie hier tun. Sie sind ahnungslos in der Sache wie immer. Sie reden hier über Förderschulen und diese Förderschulen haben überhaupt nichts mit dem Thema zu tun, was wir heute besprechen.

Ich will noch mal einfach versuchen, den Weg zu weisen.

(Torsten Renz, CDU: Ja, genau.)

Wir haben in der Behindertenpolitik die unterschiedlichsten Paradigmen gehabt. Wir fingen an mit einem be

schützend karitativen Paradigma. Das waren diese Anstaltslösungen. Also entweder ist man davon ausgegangen, dass man die betroffenen Menschen vor der Gesellschaft schützen musste oder auch umgekehrt. Über viele Jahre sind da große Einrichtungen entstanden und die Leute wurden mehr oder weniger hospitalisiert. Das wurde überwunden durch ein rehabilitatives therapeutisches Paradigma, indem man gesagt hat, jeder der in irgendeiner Form von Behinderung und Benachteiligung betroffen ist, den versuchen wir zu therapieren und wir versuchen, diese Behinderung und Benachteiligung so gut wie möglich wegzukriegen. Das war nur das nächste Paradigma.

Und jetzt sind wir bei dem Thema der Inklusion. Inklusion geht davon aus, dass niemand in die Gesellschaft integriert werden muss – wir haben früher mal von Integration gesprochen –, sondern Inklusion geht davon aus, dass alle Menschen letztendlich in dieser Gesellschaft schon sind und dass die Barrieren nicht in den Menschen sind, sondern der gesellschaftliche Kontext für bestimmte Menschen letztendlich eine Barriere darstellt. Das ist das große Paradigma der Inklusion.

Auch wir als SPD und CDU wissen, dass das schwierig ist, dass das Restriktionen gibt und dass das eine große Herausforderung darstellt, bei der man wahrscheinlich nur schrittweise weiterkommen wird. Natürlich braucht man Ressourcen, natürlich braucht man Geld, um bauliche Barrieren letztendlich wegzubringen, und natürlich braucht man auch Personal, um unterstützend diesen Menschen zur Seite zu stehen. Aber die große Leistung, die doch jetzt passiert ist, dass wir Menschen mit Behinderungen aus dem Sozialhilfesystem rausholen, aus einem System, was immer davon ausgegangen ist, dass Leistungen derjenige erhält, der sich nicht selbst helfen kann beziehungsweise Hilfe von anderen erhält. Das heißt, diese sogenannten Eingliederungshilfeleistungen, diese Teilhabeleistungen werden aus dem System rausgezogen und die erhält jeder erst mal unabhängig von seiner Leistungsfähigkeit.

Und das, was wir bis heute noch häufig tun, dass wir unversorgt an bestimmten Typen orientieren, dass wir sagen, wir haben stationäre Einrichtungen, wir haben ambulante und teilstationäre und der Mensch wird letztendlich einer Einrichtung zugeordnet, in der dann die Hilfe geleistet wird, auch das wird ja überwunden. Bei dem, was kommt und was wir jetzt tun, steht die Person mit ihrem Hilfeanspruch im Mittelpunkt und nicht mehr der Einrichtungstyp, der vorhanden ist und der letztendlich Angebote macht. Das heißt, die Herangehensweise, der Blickwinkel, die Perspektive hat sich also völlig verändert. Es ist ein neuer Weg. Neue Wege sind nie einfach. Wir sind dabei. Wir haben uns auf den Weg gemacht und ich gehe davon aus, dass wir den Weg auch weitergehen werden. Deswegen bitte ich um Ihre Zustimmung für einen Beschlussvorschlag.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Gestatten Sie jetzt eine Anfrage des Abgeordneten Koplin.

Danke schön, Herr Kollege.

Meine Frage ist folgende, weil Sie in Abrede gestellt haben, dass dieser Gesetzentwurf irgendetwas mit dem Sozialgesetz XII zu tun hätte und sozialen Hilfen, ob Sie bereit sind anzuerkennen, dass der Artikel 2 unter den zehn Artikeln eben dieses Gesetz ändert und noch mal aufgrund der Land/kommunalen Finanzbeziehungen Geld auf Grundlage des ursprünglichen SGB XII Ausführungsgesetzes nachschießt.

Ich bedanke mich für die Frage, weil die gibt mir die Möglichkeit, das noch mal klarzustellen.

Natürlich wird im Artikel 2 das geändert, was Sie angesprochen haben. Aber das war ja auch nicht Gegenstand Ihrer Ausführungen. Sie haben in Ihren Ausführungen gesagt, wir haben das Sozialhilfefinanzierungsgesetz und das ist jetzt geändert worden, wir haben Quoten festgesetzt, danach kriegen die Landkreise folgende Quote und die Stadt Rostock und die Stadt Schwerin kriegen eine geringere Quote. Das ist alles nicht gerecht. Und da habe ich Ihnen gesagt, das hat nichts mit dem System zu tun, weil die Sozialhilfefinanzierung wird weiter nach dem System laufen.

Das, was jetzt passiert, ist, das ganze Thema Teilhabe wird rausgezogen aus der Sozialhilfefinanzierung. Es steht auch in dem Gesetzentwurf, dass ein neuer Konnexitätssachverhalt geschaffen wird, weil auch diese Leistungen sind ja auszugleichen. Das heißt, diese Teilhabeleistungen, die durch die Eingliederungshilfeträger erbracht werden müssen, erbringen die ja nicht aus der eigenen Tasche. Der Sachverhalt ist völlig unstrittig. Ich gehe mal davon aus, diese Konnexitätsverhandlungen, die geführt werden, drehen sich jetzt um die Höhe der Leistungen, die durch das Land an die Eingliederungshilfeträger weitergegeben werden müssen. Und insofern lagen Sie da völlig falsch.

Ich bedanke mich bei Ihnen, dass ich das noch mal klarstellen konnte.