Protokoll der Sitzung vom 21.06.2019

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Landsleute und Gäste! Die Abgeordneten der Linksfraktion greifen mit ihrem Antrag die aktuelle Petition auf, die kürzlich im Bundestag besprochen wurde. Unter dem Titel „Die Periode ist kein Luxus – senken Sie die Tamponsteuer!“ fordern die zwei Petentinnen einen ermäßigten Steuersatz auf Menstruationsartikel. Am 12. Juni hatten um die 175.000 Personen diese Petition online bei www.change.org unterzeichnet.

Es ist immer gut, wenn man weiß, worüber man spricht und über welche Größenordnung man spricht. Ich habe mit meinen Töchtern gesprochen. Die haben mir gesagt, dass wir über etwa 50 Cent Kostenreduktion pro Monat sprechen bei den Frauen. Also, es ist immer auch wichtig, deutlich zu machen, mit welcher Größenordnung wir uns hier im Landtag befassen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Mein Parteikollege und Abgeordneter im Petitionsausschuss des Bundestages, Johannes Huber, äußerte sich zu dem Thema wie folgt – und gibt damit unsere Position auch deutlich wieder, insofern haben wir da durchaus auch eine analoge Haltung, wie Frau Rösler sie hier dargestellt hat –, ich zitiere: „Es kann nicht sein, dass Hundefutter und Schnittblumen unter den ermäßigten Mehrwertsteuersatz fallen, während grundlegende Hygieneprodukte, wie Periodenprodukte, mit dem vollen Satz besteuert werden.“ Zitatende.

Ich würde sogar noch weiter gehen wollen und fordern, dass für sämtliche Hygieneprodukte ein ermäßigter

Mehrwertsteuersatz gerechtfertigt wäre. Dies würde Einmalrasierer für Damen und Herren ebenso betreffen wie diverse Reinigungs- und Desinfektionsmittel. Jegliche Steuererleichterung auf Alltagsgüter ist eine gute Sache für die Verbraucher, auch wenn es sich zum Teil nur um Centbeträge handelt. Ich möchte in dem Zusammenhang auch an frühere Vorstöße der AfDFraktion erinnern,

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

bei denen wir die geringere Besteuerung der Säuglingsartikel gefordert hatten. Sie wurde damals vom Parlament abgelehnt.

Also die Forderung nach einem ermäßigten Steuersatz für Menstruationsartikel können wir unterstützen. Die anderen, darüber hinausgehenden Forderungen, die in dem Antrag benannt werden, halten wir jedoch für problematisch bis weltfremd, sodass eine nähere Auseinandersetzung damit hier jetzt auch gar nicht erfolgen soll.

Ich möchte außerdem den Finanzminister auch noch mal deutlich unterstützen in der Frage, dass sozusagen eine fokussierte Auseinandersetzung mit dieser Problematik vielleicht doch nicht gerechtfertigt ist, sondern die Steuerproblematik und das Chaos in der Steuerproblematik bei uns in Deutschland als Ganzes angegangen werden muss. Ich höre mit Freuden, dass das auch offensichtlich angegangen werden soll, aber da bisher noch leider keine Ergebnisse vorliegen, ich denke, da sollten wir eventuell doch noch mal bei Gelegenheit nachfragen. Ich möchte auch den Finanzminister dahin gehend unterstützen, dass es kein Thema ist, in dem eine Gleichstellungsdebatte geführt werden sollte. Das wird eigentlich der Ursache nicht gerecht.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Wir werden uns also bei diesem Antrag enthalten. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der CDU die Abgeordnete Frau FriemannJennert.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Diskussion um die Belastung von Hygieneprodukten beziehungsweise Menstruationsartikeln, wie es im Antrag der LINKEN heißt, wird seit Jahren und in vielen Ländern geführt. Dabei ergibt sich international gesehen ein völlig unterschiedliches Bild. Während in einigen Ländern wie Indien, Kenia, Kanada und Irland diese Artikel von der Umsatzbesteuerung befreit sind, haben unter anderem Großbritannien, Frankreich, Belgien, Spanien und Australien den Umsatzsteuersatz dafür auf 5 bis 10 Prozent gesenkt. In Österreich, Griechenland und Schweden liegt der Steuersatz mit 20, 22 beziehungsweise 25 Prozent dagegen sogar noch höher als in Deutschland.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, für die Debatte in Deutschland ist zunächst festzustellen, dass in vielen Beiträgen zum Thema wie auch im Antrag der LINKEN mit dem Begriff „Luxusgüter“ eine gewisse Polemik enthalten ist. Auf Menstruationsartikel wird, wie auf sämtli

che andere Hygieneartikel auch, gemäß Paragraf 12 Absatz 1 Umsatzsteuergesetz der reguläre Umsatzsteuersatz von 19 Prozent erhoben. Das gilt für Tampons, Binden, Einlagen ebenso wie für Seife, Shampoo und Duschgel, Toilettenpapier, Taschen- und Wischtücher und nicht zuletzt für Babywindeln sowie Produkte für unter Inkontinenz leidende Menschen. Der Begriff „Luxussteuer“, der im Antrag der LINKEN, aber auch von anderen verwendet wird, die sich für eine Absenkung der Umsatzsteuerbelastung für Hygieneartikel einsetzen, ist somit schlichtweg irreführend. Das Wort „Luxus“ oder „Luxussteuer“ kommt im Umsatzsteuergesetz nicht ein einziges Mal vor.

Meine Damen und Herren, etliche der genannten Hygieneartikel werden nur von bestimmten Gruppen der Bevölkerung verwendet. Insofern stellt sich die Frage, ob von einer steuerrechtlichen Diskriminierung gesprochen werden kann, wenn für Menstruationsartikel der gleiche Umsatzsteuersatz wie für sämtliche andere Hygieneartikel auch erhoben wird.

Meine Damen und Herren, ohne auf die Entwicklung der Umsatzsteuersätze näher einzugehen, lässt sich festhalten, dass der ermäßigte Umsatzsteuersatz ursprünglich das Ziel hatte, Produkte des täglichen Bedarfs, insbesondere Lebensmittel, für die Bevölkerung durch die Umsatzsteuer nicht zu stark zu verteuern. Im Laufe der letzten Jahrzehnte ist die Liste der mit dem ermäßigten Steuersatz belegten Produkte, die unter Paragraf 12 Absatz 2 Umsatzsteuergesetz fallen, verändert und ergänzt worden. Unter Steuerrechtsexperten herrscht Einigkeit darüber, dass dabei mittlerweile eine konsistente Systematik nicht mehr zu erkennen ist, sondern dass immer wieder Lobbygruppen für ihren jeweiligen Wirtschaftszweig erfolgreich Ausnahmen durchgesetzt haben. Frau Rösler hat das eben auch ausführlich beschrieben.

Da inzwischen die Differenzierungen teilweise absurde Züge angenommen haben – man denke nur an vier unterschiedliche Umsatzsteuersätze für Weihnachtsbäume –, sind sich die Steuerexperten ebenso darin einig, dass steuersystematisch eine Bereinigung der historisch gewachsenen Ausnahmen und Differenzierungen und somit die Überarbeitung der Ausnahmetatbestände angebracht wäre. Doch unabhängig von der Zielrichtung fehlt es für eine solche Überarbeitung seit Jahren, seit Jahrzehnten eigentlich, an dem erforderlichen politischen Konsens, sodass diese nicht ansatzweise in Aussicht steht. Insofern stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage, ob die Einführung neuer Ausnahmetatbestände vom regulären Umsatzsteuersatz steuersystematisch und -politisch angebracht ist.

Meine Damen und Herren, für die CDU-Fraktion ist diese Frage mit einem eindeutigen Nein zu beantworten. Der Grund liegt darin, dass steuersystematisch nicht nur nicht zu begründen ist, warum eine Gruppe der Bevölkerung, welche bestimmte Hygieneartikel benötigt, von einem ermäßigten Umsatzsteuersatz profitieren soll, andere Gruppen, die ebenfalls spezifische Hygieneartikel benutzen müssen, dagegen nicht. Um nur zwei zu nennen: Solange nicht eine mittelschwere Form der Inkontinenz vorliegt, werden die entsprechenden Hygieneartikel nicht von der Krankenkasse bezahlt. Und für Babywindeln und die darüber hinaus für Babypflege benötigten Artikel entstehen schon für ein Kind erhebliche Kosten. Auch die in beiden genannten Fällen betroffenen Bevöl

kerungsgruppen werden für ihren spezifischen Bedarf an Hygieneartikeln mit dem regulären Umsatzsteuersatz belastet.

Meine Damen und Herren, diese Betrachtung ließe sich leicht auch auf andere Produktkategorien und Bevölkerungsgruppen ausdehnen, sie zeigt jedoch exemplarisch, dass jede steuerrechtliche Bevorteilung, so begründet sie im Einzelnen auch sein mag, gleichzeitig eine Benachteiligung der nicht betroffenen Bevölkerungsgruppen nach sich zieht. Dies gilt auch für Produkte, bei denen ein Teil der Bevölkerung keine wirkliche Wahl hat, ob er sie nutzen möchte oder nicht. Würden jedoch für immer mehr Bevölkerungsgruppen immer mehr Produktkategorien in den Katalog des ermäßigten Umsatzsteuersatzes aufgenommen, sänken – das wissen Sie auch – die Einnahmen aus der Umsatzsteuer in signifikantem Maße.

Meine Damen und Herren, aus dem gleichen Grund lehnt meine Fraktion auch die weiteren Forderungen im Antrag der LINKEN ab. Wenn Menstruationsartikel in den Katalog der Mehrbedarfe im Paragrafen 21 SGB II aufgenommen und in den Einrichtungen des Landes kostenlos zur Verfügung gestellt werden sollen, stellt sich automatisch die Frage, warum dies nicht auch für Babywindeln gelten sollte.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend betonen, dass für meine Fraktion die Konzentration bei der Verwirklichung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern auf ganz anderen Schwerpunkten liegt. An erster Stelle zu nennen ist zum Beispiel die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die Senkung des Umsatzsteuersatzes für geschlechterspezifisch genutzte Produktkategorien wird uns dagegen auf dem Weg zur Gleichberechtigung nicht voranbringen. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, begrüße ich auf der Besuchertribüne eine Gruppe aus dem Landkreis Ludwigslust-Parchim.

Und jetzt rufe ich auf für die Fraktion der SPD den Abgeordneten Herrn Gundlack.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete!

Frau Rösler, also bei der Rede habe ich es mir nun wirklich nicht einfach gemacht. Ich habe, glaube ich, in der letzten Woche –

(Heiterkeit bei Simone Oldenburg, DIE LINKE)

Simone lächelt schon ein wenig – mit 40 Frauen gesprochen über dieses Thema und auch über alle Punkte, die im Antrag sind. Und ich glaube, auch bei uns in der Fraktion ist dieses Thema ein sehr ernstes Thema, und so haben wir es auch behandelt. Von daher kann ich die Kritik, die Sie gebracht haben am Anfang, nicht nachvollziehen, zumindest nicht für mich und meine Fraktion.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Vorbeugend!)

Ja, vorbeugend, dann kann ich zu jedem Antrag was Vorbeugendes sagen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ja, ja, ja, ja! – Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Kann man meistens auch.)

Meine Damen und Herren, das Grundanliegen des Antrages ist nachvollziehbar

(Zuruf von Patrick Dahlemann, SPD)

und wir nehmen es sehr ernst, was ich gerade schon sagte. Der ermäßigte Umsatzsteuersatz von sieben Prozent sollte generell nur für lebensnotwendige Waren des täglichen Bedarfs gelten. Aus der Vergangenheit her betrachtet waren dies ursprünglich Lebensmittel, damit sich alle Bürgerinnen und Bürger auch das Lebensnotwendige leisten können, weiterhin Kulturgüter, damit sich auch jeder dieser Bürger etwas leisten kann, und der Nahverkehr, damit man auch zur Arbeit fahren kann.

Leider ist der Katalog der Gegenstände und Dienstleistungen, die dem ermäßigten Umsatzsteuersatz unterliegen, zwischenzeitlich außerordentlich umfangreich, unübersichtlich und zum Teil völlig unlogisch. Beispielhaft sind hierbei Trüffel, Schnittblumen und Kunstgegenstände zu nennen. Alle anderen haben Sie ja schon hinreichend benannt.

Allerdings gibt es auch eine Reihe von Produkten, bei denen mit einer ähnlichen Begründung ein ermäßigter Steuersatz gefordert wird oder gefordert werden könnte, zum Beispiel bei Windeln und Medikamenten. Die Einführung eines zusätzlichen ermäßigten Steuersatzes auf Menstruationsprodukte allein würde vor diesem Hintergrund das Umsatzsteuerrecht noch weiter verkomplizieren. Eine solche Absenkung oder gar ein Verzicht auf die Steuer würde zwangsläufig weitere Forderungen nach sich ziehen, sei es nach weiteren Steuersenkungen oder einen Steuerverzicht.

Meine Damen und Herren, vor diesem Hintergrund ist es eher wünschenswert, sich insgesamt den Anwendungsbereich des ermäßigten Steuersatzes und über 200 Ausnahmen anzuschauen und zu überarbeiten. Aber auf bundespolitischer Ebene sehe ich hierbei momentan keine politischen Mehrheiten.

(Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

Meine Damen und Herren, was mich noch umtreibt und bei Gesprächen immer wieder angeführt wird, ist eine Umsetzung einer solchen Steuerrechtsänderung und deren Folgen. Denn das Schlimme ist ja, wir als Gesetzgeber können leider nicht sicherstellen, dass der ermäßigte Steuersatz auch tatsächlich zu einer Entlastung bei den Verbraucherinnen führt. Die Unternehmen können nicht gezwungen werden, ihre Preise entsprechend zu senken, denn die Erfahrung mit den Umsatzsteuersätzen zeigt auch, Steuererhöhungen werden eher sofort als Preisanhebung weitergegeben, Steuersenkungen eher nicht. Zumindest sind mir solche Preissenkungen nicht in reichhaltiger Anzahl bekannt. Also steigert eine Mehrwertsteuersenkung eher den Gewinn am Produkt, der Preis entwickelt sich wie eh und je.

Das haben wir ja zuletzt bei der Umsatzsteuersenkung bei Hotelübernachtungen von 19 auf 7 Prozent gesehen. Sie alle kennen den besagten Fall der sogenannten Mövenpicksteuer. Auch wenn es bei einem Produkt kurzfristig zu einer Senkung des Verkaufspreises kommt, also

auf einen eher politischen Preis hin kommt, so setzt sich schon nach kurzer Zeit der am Markt erzielbare Preis durch.

Meine Damen und Herren, darüber hinaus ist zu beachten, dass der Normalsatz von 19 Prozent keine „Luxussteuer“ darstellt, vielmehr sollen grundsätzlich alle Waren und Dienstleistungen diesem Steuersatz unterliegen und eine Ermäßigung nur ausnahmsweise zur Anwendung kommen.

Meine Damen und Herren, ich möchte kurz auf die Petition kommen, deren Handschrift und Sachgrund ja die Grundlage des vorliegenden Antrages ist. Diese Petition liegt dem zuständigen Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages vor. Es erfolgt dazu auch eine öffentliche Anhörung am 21. Oktober in diesem Jahr, mit den Petentinnen. Eine Entscheidung, was aus der Petition wird und ob es möglicherweise zu einer Steuerrechtsänderung kommt, liegt nicht bei uns, sondern liegt im Spielfeld des Deutschen Bundestages und dann auch der Bundesregierung.

Meine Damen und Herren, an dieser Stelle möchte ich Ihnen einige meiner Gedanken vortragen.

(Dr. Ralph Weber, AfD: Um Gottes willen!)

Dieser Antrag hangelt sich bis II Ziffer 1.b) an der Petition entlang. Ab II Ziffer 1.c) treten wir in eine Gerechtigkeitsdebatte ein. Dies erachte ich als wenig sinnvoll, sollte es doch vordergründig und im Sinne der Petition zu einer Absenkung der Mehrwertsteuer von 19 auf 7 Prozent kommen.

Man muss an dieser Stelle auch einmal fragen dürfen, ist es gerecht, wenn Mädchen und Frauen, die sich im Wirkungskreis des SGB II befinden, die Kosten für Menstruationsartikel als Mehrbedarfe bekommen oder nicht und, wenn ja, wie lange. Wenn man diese Frage mit Ja beantwortet, dann müsste es eigentlich zu einer Einzelfallprüfung kommen, denn Mädchen bekommen ihre erste Menstruation in einem Alter von 9 bis 12 Jahren und die Menopause setzt überwiegend zwischen 41 bis 58 Jahren ein. Schließlich darf es ja auch nicht zu einer Überkompensation kommen. Zum anderen habe ich mich gefragt, warum fällt Ihnen erst heute auf, dass es sich hier um Mehrbedarfe handeln könnte, und warum ein Aufschrei nicht schon bei Inkraftsetzung von Hartz IV kam,