Am 16. Januar, meine Damen und Herren, konnten wir in der Zeitung lesen, und zwar in der Zeitung „Die Welt“: „Im Osten gibt’s mehr Geld“. Das ist eine gute Nachricht und in Mecklenburg-Vorpommern sind die Löhne und Gehälter seit 2001 sage und schreibe um 14 Prozent gestiegen. Gerade, wenn ich die Überschrift unseres Antrages heranziehe und wir über gute Löhne und den Fachkräftemangel reden, möchte ich doch eines deutlich sagen: Gute Löhne und gute Arbeitsbedingungen sind das A und O im Wettstreit um die besten Köpfe und Fachkräfte.
Es hat ja etwas Unruhe nach Beendigung des Antrages der AfD gegeben. Die habe ich auch zugelassen. Aber ich bitte doch jetzt alle wieder ihre Plätze einzunehmen, damit der Redner hier den Antrag der Fraktion DIE LINKE ordnungsgemäß einbringen kann. Das gilt im Übrigen auch für die Regierungsbank.
Aber wie wir alle zur Kenntnis nehmen konnten, wird das nach wie vor von den Wirtschaftsverbänden geleugnet. Ich dachte wirklich, ich falle vom Glauben ab, als ich in der Pressemitteilung der Vereinigung der Unternehmensverbände zum Jahresausblick 2017 gelesen habe, dass der Fachkräftemangel das höchste Risiko sei und man folgende Strategie habe, ich darf zitieren: „Unsere Unternehmen brauchen vor allem keine … überflüssigen Gesetze, weder zur Entgeltgleichheit noch zur Einschränkung von Werkverträgen oder zur Regulierung der Zeitarbeit. Vielmehr steigt der Bedarf an flexiblen Beschäftigungsformen wie Werkverträgen, Zeitarbeit, Befristungen und Minijobs.“ So heißt es in dieser Erklärung der Vereinigung der Unternehmensverbände vom 3. Januar.
Meine Damen und Herren, das schlägt doch dem Fass den Boden aus! Und ich sage, dass dieser Ansatz mich nicht nur nachdenklich, sondern regelrecht wütend macht. So kann der Kampf gegen den Fachkräftemangel nicht aussehen.
Wir haben hier heute junge Leute als Gäste sitzen. Ich kenne keinen – oder kennen Sie jemanden? – von den jungen Menschen, der sagt: Hey, ich bleibe hier im Land, wenn Sie mir einen Minijob geben oder befristete Jahresverträge, oder am liebsten arbeite ich morgens vier Stunden oder nachmittags oder am späten Abend ebenfalls vier Stunden, das ist doch einfach klasse. Nein, meine Damen und Herren, das kenne ich nicht. Ich kenne nicht einen jungen Menschen in Mecklenburg-Vorpommern, der so redet. Neben einem guten Lohn geht es auch um gute Arbeitsbedingungen, und die Vereinbarkeit von Erwerbs- und Privatleben und flexiblen Arbeitsbedingungen besteht eben nicht aus Befristungen und Zeitarbeit.
Bevor ich mich aber noch weiter in Rage rede, will ich zurück zum Artikel der „Welt“ und der Steigerung der Löhne im Land kommen. Trotz der Steigerung der letzten Jahre müssen wir alle zur Kenntnis nehmen, ohne dass ich jetzt mit Zahlen oder Statistiken jonglieren muss: Mecklenburg-Vorpommern steckt nach wie vor im Lohnkeller und die Schere zwischen Ost und West schließt sich nicht. Die Schere zwischen Arm und Reich wird immer weiter, auch das müssen wir zur Kenntnis nehmen. Die Tarifbindung nimmt weiter ab statt zu.
Junge Leute verlassen weiter das Land und der Fachkräftemangel verschärft sich weiter und weiter. Das ist die Ausgangssituation. Das wird, so, wie ich das zur Kenntnis genommen habe, von allen Parteien und Fraktionen so eingeschätzt. Das wissen Sie, meine Damen und Herren, das wissen vor allem die Menschen und die Unternehmen im Land, und sie spüren es am eigenen Leibe. Ich bin der Überzeugung, dass es endlich Zeit ist für Antworten und Maßnahmen, Tacheles zu reden. Die vergangenen fünf Jahre unter der Großen Koalition waren fünf verlorene Jahre für gute Löhne und für gute Arbeit in Mecklenburg-Vorpommern.
Die Landesregierung und allen voran der Ministerpräsident haben ihre Politik auf Appelle und das Prinzip Hoffnung ausgerichtet. Ich erkenne an, dass der Ministerpräsident zu jeder Gelegenheit die Zahlung von Tariflöhnen einfordert, jüngst erst wieder bei seinem Neujahrsempfang, aber am Ende des Tages wird abgerechnet, und da bleibt das nüchterne Ergebnis. Welches, Herr Renz?
Mecklenburg-Vorpommern hat in Sachen Löhne die rote Laterne in Deutschland. Bei uns werden rund 10.000 Euro im Jahr weniger verdient als im Bundesschnitt
Und damit ist doch klar: Die Politik des Hoffens, des Betens, des Wünschens ist in die Hose gegangen. Diese Politik hat den Beschäftigten, die für einen Lohn arbeiten gehen, der nicht armutsfest ist, nichts gebracht, rein gar nichts.
Die Landesregierung – das wird Herr Glawe gleich wieder tun – redet von Wachstum, vom Bruttoinlandsprodukt, von Steigerung der Produktivität, von guter Konjunktur, vom ersten Arbeitsmarkt,
Doch was kommt bei den Menschen konkret an? Was haben die Mindestlöhner davon? Was haben Menschen davon gemerkt, die mit einem Stundenlohn von 9 bis 10 Euro nach Hause gehen?
(Torsten Renz, CDU: Was sagen Sie denn zu der Expertenkommission, die auf der Bundesebene eingerichtet ist?)
Oder was haben die Hartz-IV-Empfänger im Land davon? Was haben die Langzeitarbeitslosen im Land davon, Herr Renz?
Und kommen Sie mir jetzt nicht mit 34 Cent Erhöhung des Mindestlohns oder die 5 Euro mehr für die Hartz-IVEmpfängerinnen und Hartz-IV-Empfänger!
Sie merken nichts davon, sie fühlen sich verschaukelt und sie fühlen sich im Stich gelassen. So geht eine Strategie, die AfD-Wählerinnen und -Wähler zurückzuführen, nicht auf, meine Damen und Herren.
(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Torsten Renz, CDU: Was sagen Sie zum unabhängigen Gremium in Berlin?)
Viele schuften tagein, tagaus für einen Hungerlohn. Ja, ich sage, einen Hungerlohn, denn alles, was nach 45 Jahren Arbeit nicht taugt, um mehr als die Mindestrente zu bekommen, ist nun mal ein Hungerlohn. Deswegen fordert meine Partei zu Recht, 11,68 Euro müssen es sein, damit die Rente armutsfest ist.
11,68 Euro ist der errechnete Wert an Stundenlohn, der notwendig ist, damit die Rente perspektivisch armutsfest ist. Wir fordern zu Recht 12 Euro Mindestlohn, denn nur über diesen Weg kann erreicht werden, dass die Menschen heute eine gute Teilhabe am Leben haben und zweitens dann eine gute Rente bekommen. Das kann doch wohl nicht sein, dass 45 Jahre geschuftet wird und man dann eine Rente bekommt, als wenn man gar nicht gearbeitet hätte! Das halten wir für einen unhaltbaren Zustand. Diese Ungerechtigkeit kann man niemandem erklären, vor allem auch dann nicht, wenn man für den gleichen Job in 200 Kilometer Entfernung 25 Prozent mehr verdient.
Ja, meine Damen und Herren, das ist bekannt, wir LINKEN stehen für das Primat der Politik. Wann, wenn nicht jetzt, ist es Zeit zu handeln? Die Zeit, an die Unternehmer im Land zu appellieren, höhere Löhne zu zahlen, ist vorbei. Jetzt braucht es Taten und darum geht es. Wir fordern Taten von der Landesregierung, damit die Beschäftigten mehr Geld im Portemonnaie haben.
Grundlage für die nächsten Jahre soll ein Pakt zwischen Wirtschaft, Gewerkschaften und Politik sein, ein „Pakt für Gute Arbeit und Gute Löhne“. Daher muss das oberste Ziel sein, dass die Zahl der Unternehmen, die tarifgebunden sind, deutlich zunimmt. Dazu sollen die drei Partner vereinbaren, dass bis 2020 40 Prozent der Unternehmen in Mecklenburg-Vorpommern tarifgebunden sind – bis 2025 die Mehrheit aller Unternehmen, aller Betriebe in unserem Land.
Das ist eine Zielstellung, die ich für sehr ambitioniert halte, zugleich ist sie aber nicht unrealistisch. Von diesem Pakt kann das entscheidende Signal ausgehen, Mecklenburg-Vorpommern aus dem Lohnkeller zu holen. Doch es darf nicht bei warmen Worten bleiben. Dieser Pakt muss die Grundlage für die weitere Arbeit im Fachkräftebündnis sein. Dieses Bündnis ist doch bisher nur eine reine Quatschbude.
Meine Damen und Herren, aus meiner Sicht ist das Fachkräftebündnis in Mecklenburg-Vorpommern gescheitert. Zu dieser Einschätzung komme ich nicht allein. Wenn der Präsident der Vereinigung der Unternehmensverbände sagt, dass man aufgrund der Ergebnisse des Bündnisses seine Zeit vielleicht hätte effektiver nutzen können, dann ist das Fachkräftebündnis in der Form, wie es besteht, gescheitert. Hier braucht es in der Tat einen Neustart. Der Neustart ist notwendig, wir brauchen konkrete Maßnahmen mit einem Zeitplan, was mit welchem Ziel umgesetzt wird. Von mir aus nennen wir es einen Masterplan, einen Masterplan für gute Arbeit, für gute Löhne, für Fachkräftegewinnung, und da darf sich die Landesregierung nicht aus der Verantwortung stehlen.
Die Landesregierung muss auch zeigen, dass sie es ernst meint. Das kann ich derzeit wieder nicht erkennen. Weder im Koalitionsvertrag noch an ihren bisherigen Taten ist das zu erkennen. Da brauche ich nur einen Blick darauf zu werfen, nach welchen Kriterien hier in Mecklenburg-Vorpommern öffentliche Aufträge vergeben werden.
Entschuldigen Sie meine Wortwahl, Herr Minister, aber ich finde es einfach pervers, was da gemacht wird, dass wir bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen lediglich
einen Stundenlohn einfordern, der geradewegs in die Altersarmut führt. Das ist doch einfach krank. Da stimmt doch das System nicht mehr. Gerade als öffentliche Hand müssen wir Löhne einfordern, die armutsfest sind.
Ja, und das wird uns mehr kosten, selbstverständlich. Mathias Brodkorb, der Finanzminister, ist krank, gute Besserung, aber er darf eben in diesem Zusammenhang nicht auf dem Geld sitzen, sondern wir müssen gute Löhne zahlen, damit die Menschen auch tatsächlich etwas von ihrer Arbeit haben.