Um auf ein aktuelles Beispiel einzugehen, wir diskutieren zurzeit die Novellierung des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes hier im Landtag. Wir wissen aus Veröffentlichungen aus den Medien, dass im Anhörungsverfahren in der Verbandsanhörung, vom Ministerium durchgeführt, 20 Expertinnen und Experten und Institutionen angehört wurden. Wir kennen die Inhalte von den wenigsten, es sei denn, die an der Verbandsanhörung Beteiligten haben von sich aus uns diese Stellungnahmen, ihre Stellungnahmen zum Gesetzentwurf, zugeleitet, wie etwa der Landesdatenschutzbeauftragte oder der Bund der Deutschen Kriminalbeamten. Das macht es für uns als Parlamentarier auch einfacher, in die Diskussion schon einzusteigen, es macht für uns nachvollziehbarer, was hat sich seit dem Referentenentwurf an dem Gesetzentwurf geändert, bis er in den Landtag eingebracht wird, und man kann auf Argumente der Anzuhörenden an dieser Stelle schon eingehen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit unserem Gesetzentwurf betreten wir in Mecklenburg-Vorpommern Neuland. Wir sind allerdings nicht die Ersten. In Thüringen ist seit Anfang dieses Jahres ein entsprechendes Gesetz bereits in Kraft getreten. Das dortige Gesetz diente uns als Vorbild, sowohl inhaltlich als auch strukturell. Neben redaktionell gebotenen Unterschieden haben wir an der einen oder anderen Stelle, nämlich beim Inhalt und bei der Ausgestaltung der Dokumentation sowie bei den Vorschriften zum Datenschutz, andere Formulierungen gewählt, als sie in Thüringen Praxis sind. Die Einzelheiten können Sie in unserem Gesetzentwurf nachlesen und im Übrigen empfehle ich auch einen Blick auf die entsprechenden Seiten der Thüringer Landesregierung, wo man genau jetzt schon die Praxis nachvollziehen kann, wie es dort mit der Transparenz bestellt ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, meine Fraktion hat aber nicht nur nach Thüringen geschaut. Wir haben auch das Europäische Parlament im Blick gehabt, denn das Europäische Parlament hat bereits im Jahr 2017 festgestellt, dass eine intransparente, einseitige Interessenvertretung zu einem Korruptionsrisiko führen und eine erhebliche Gefahr für die Integrität der politischen Entscheidungsträger und für das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Organe der Europäischen Union darstellen kann. Daher ist es wichtig, gerade auch auf der Ebene der Gesetzgebung für diese Transparenz und Nachvollziehbarkeit in der Meinungsbildung und Entscheidungsfindung zu sorgen. Dazu gehört auch, offenzulegen, wer sich wie an diesen Arbeits- und Diskussionsprozessen beteiligt hat. In Estland und Slowenien gibt es bereits spezielle Regelungen zum legislativen Fußabdruck.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch Mecklenburg-Vorpommern sollte einen Fußabdruck für alle Gesetze einführen, dann wäre unser schönes Bundesland auch einmal ganz vorn mit dabei. Das wäre doch mal was! Vor allem aber würden wir das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Politik im Allgemeinen und in die Gesetzgebung im Besonderen steigern können.
Übrigen in Grenzen und die Detailfragen können wir jedoch ohnehin noch in aller Ruhe besprechen, wenn der Gesetzentwurf nämlich in die Ausschussberatungen überwiesen wird. Und an dieser Stelle ist natürlich auch die Landtagsverwaltung recht herzlich eingeladen, sich an diesem Diskussionsprozess zu beteiligen und über die Ausgestaltung der Dokumentation miteinander zu reden. Ich beantrage daher eine Überweisung in den Rechtsausschuss und würde mich über eine möglichst breite – in Klammern: bereits gestern heimlich angekündigte – Unterstützung recht herzlich freuen. – Vielen Dank.
Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 64 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.
Bevor ich die Aussprache eröffne, begrüße ich auf der Besuchertribüne Schülerinnen und Schüler des Fachgymnasiums Evershagen sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Betriebsrates der Transcom Rostock GmbH. Herzlich willkommen!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine bessere Durchschaubarkeit und Nachvollziehbarkeit der politischen und parlamentarischen Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozesse, wer soll da was dagegen haben, bitte? Dazu soll aber eine öffentliche Liste eingerichtet werden, in die natürliche und juristische Personen sowie Organe und Vertreter derer eingetragen werden, die an dem Gesetzgebungsverfahren beteiligt sind. Diese Beteiligtentransparenzdokumentation soll in dem Verantwortungsbereich der Landtagspräsidentin angesiedelt werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, dieser Gesetzentwurf, der sich sehr, sehr stark, aber leider manchmal in einigen Fragen auch nicht eins zu eins am Thüringer Beteiligtentransparenzdokumentationsgesetz orientiert, wirft zahlreiche Fragen auf. Und da meine ich bestimmt nicht, Herr Ritter, den manchmal schwer aussprechbaren langen Namen des Gesetzes.
In der Entwurfsbegründung findet man dazu eher allgemeine Ausführungen. Die Transparenz des Gesetzgebungsverfahrens sei ein zentrales Merkmal der Demokratie und wichtig für die Akzeptanz politischer Entscheidungsprozesse seitens der Bürger. Da die Beteiligung Dritter am Gesetzgebungsverfahren ein ausdrücklich und wörtlich „hohes Korruptionsgefährdungspotenzial“ in sich trage, sei für eine bessere Transparenz der Meinungs- und Entscheidungsprozesse zu sorgen.
Ich will an dieser Stelle die Begründung nicht werten, aber, meine Damen und Herren, soweit es um die in der Praxis zahlreichen Gesetzentwürfe der Landesregierung geht, ist festzustellen, dass der Gewährleistung von Transparenz bereits durch das Informationsfreiheitsgesetz des Landes hinreichend Rechnung getragen werden kann. Danach haben die Bürgerinnen und Bürger grundsätzlich einen Anspruch auf Herausgabe von Stellungnahmen, die bei der Landesregierung eingegangen sind, sobald – ich betone das ausdrücklich – der Entscheidungsprozess innerhalb der Landesregierung abgeschlossen ist. In diesem Bereich ist also schon jetzt Transparenz gegeben, sodass hier kein Handlungsbedarf ersichtlich wäre.
Insgesamt fällt auf, dass abgesehen von Thüringen kein anderes Bundesland eine solche Dokumentation bisher eingeführt hat. Auf Bundesebene werden lediglich zusammen mit den Gesetzentwürfen der Bundesregierung die Stellungnahmen der beteiligten Verbände veröffentlicht, sofern diese einer Veröffentlichung nicht widersprechen. Die Notwendigkeit einer weitreichenden und damit aufwendigen Dokumentation zu den am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten wird ganz überwiegend also derzeit nicht gesehen.
Falls man die Notwendigkeit dennoch bejahen wollte und sollte, stellt sich eine weitere Frage: Ist das Gesetz geeignet, das angestrebte Ziel zu erreichen? Das Ziel der Steigerung der Transparenz soll durch die Dokumentation der am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten realisiert werden. Damit eine aussagekräftige Dokumentation entstehen kann, verpflichtet der Entwurf die beteiligten Dritten – aber auch die Fraktionen oder Abgeordneten sowie die Landesregierung –, eine ganze Reihe von Daten an die Landtagspräsidentin zu übermitteln. Allerdings enthält der Entwurf keinerlei Sanktionsmöglichkeiten für den Fall der Pflichtverletzung. Es könnten deswegen Zweifel daran bestehen, ob eine solche Informationspflicht wirklich zu einer aussagefähigen Dokumentation führt, mal ganz abgesehen von der Frage, ob man glauben mag, dass Täter und Beteiligte wirklicher Korruptionsfälle, wenn es die denn geben sollte, sich in ein Register eintragen lassen.
Neben den Fragen zur Notwendigkeit und zur Geeignetheit des Gesetzes ist auch der damit verbundene bürokratische Aufwand anzusprechen. Das will ich hier aber an dieser Stelle nicht weiter ausführen.
Lassen Sie mich aber noch einige Aspekte ansprechen. Gemäß Paragraf 3 Absatz 3 des Entwurfes haben Beteiligte, die durch schriftliche Äußerungen Einfluss auf den Gesetzgebungsprozess genommen haben, die nach Paragraf 5 Absatz 1 des Entwurfes vorgelegten Angaben „vollständig, inhaltlich zutreffend und unverzüglich nach dem jeweiligen Beteiligungsbeitrag“ an den Landtag zu übermitteln. Soll das komplett auch für Gesetzentwürfe der Landesregierung gelten? Hier wäre eine solche Regelung wohl fast verfassungswidrig, denn sie wäre so nicht mit dem Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung der Landesregierung vereinbar.
Diesen Kernbereichsschutz leitet das Bundesverfassungsgericht aus dem Gewaltenteilungsprinzip ab. In unserer Landesverfassung hat das in Artikel 39 Absatz 2 seine Ausprägung gefunden. Der Kernbereichsschutz
soll ein sogenanntes Mitregieren von Dritten bei Entscheidungen verhindern, die in der alleinigen Kompetenz der Regierung liegen. Aus diesem Grund sind Informationen aus der Phase der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen selbst dem Zugriff des Parlaments entzogen, solange der Entscheidungsvorgang noch nicht abgeschlossen ist. Der Kernbereichsschutz würde unterlaufen, wenn unmittelbar nach Abgabe einer Verbandsstellungnahme alle Informationen im Sinne von Paragraf 5 des Entwurfes an den Landtag übermittelt werden müssten und diese dann in der Dokumentation veröffentlicht werden. Bei Gesetzesentwürfen der Landesregierung dürften die Informationen im Sinne von Paragraf 5 Absatz 1 des Entwurfes frühestens nach der zweiten Kabinettsbefassung in die Dokumentation eingestellt werden. Die Begründung zu Ihrem Entwurf des Paragrafen 4 sieht diesen Aspekt zwar, klärt aber das Verhältnis zu Paragraf 3 Absatz 3 nicht.
Im Übrigen bleibt unklar, in welchem Verhältnis die vorgeschlagene Regelung zum Informationsfreiheitsgesetz stehen soll. Das Informationsfreiheitsgesetz des Landes begründet den Anspruch des Bürgers auf Zugang zu Informationen, die in Behörden vorhanden sind, begrenzt diesen Anspruch aber auch gleichzeitig mit Blick auf sonstige schützenswerte Belange, etwa den Schutz des behördlichen Entscheidungsprozesses oder die Belange beteiligter Dritter. Dieses fein austarierte Regelungssystem, das auch für die Ministerien des Landes gilt, könnte durch den Gesetzentwurf unterlaufen werden, da sehr weitgehende Informationen in die Dokumentation aufgenommen werden sollen.
Im Hinblick auf den Datenschutz stellt sich unter dem Aspekt der Datensparsamkeit die Frage, ob die Verarbeitung der in Paragraf 5 Absatz 1 des Entwurfes genannten personenbezogenen Daten überhaupt erforderlich ist.
Meine Damen und Herren, ferner trifft die Pflicht, Informationen an den Landtag zu übermitteln, offenbar Beteiligte und Landesregierung beziehungsweise Beteiligte und Fraktionen oder Abgeordnete gleichermaßen, sodass hinsichtlich der Übermittlung derselben Informationen mehrere Adressaten verpflichtet werden könnten. Das sieht nach überflüssigen bürokratischen Belastungssituationen aus.
Schließlich gehört zu den Informationen, die an den Landtag übermittelt werden müssten, auch nach Paragraf 5 Absatz 1 des Entwurfes die sogenannte „Zusammenfassung der wesentlichen Inhalte des Beitrags“. Wer stellt diese Zusammenfassung her? Und abgesehen vom Aufwand, der unterschiedlich sein kann mit Blick auf den Umfang auch der Stellungnahmen, wer sorgt dafür, dass der ursprüngliche Beitrag nicht unzutreffend wiedergegeben wird, und sei es auch vollkommen unabsichtlich?
Und auf eines darf ich noch hinweisen, nach Paragraf 6 Absatz 2 des Entwurfes gibt es Folgendes: Die Dokumentationspflicht nach Paragraf 5 Absatz 1 Nummern 2 und 3 soll jeweils zu Beginn einer neuen Wahlperiode gelöscht werden. Sind Sie sicher?
Es soll also einiges geregelt werden, ja, meine Damen und Herren, allerdings gibt dieser Gesetzentwurf Fragen, Fragen und Fragen auf, die in jedem Falle, sollte das Vorhaben weitergeführt werden sollen, zu klären sein werden. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Lobbyismus und Korruption, man muss es leider sagen, sind eine Geißel des Parlamentarismus, und das weltweit. Allein in Brüssel sind 25.000 Lobbyisten tätig, in Berlin sollen es ungefähr 5.000 sein. Der Einfluss der Lobbyisten wächst dabei stetig, ebenso wie ihre finanziellen Möglichkeiten.
Ich las einmal mit Schrecken, dass ein Gesetz, ein deutsches Gesetz über das deutsche Bankenwesen, von Juristen einer Bank formuliert wurde im Entwurf. Ich weiß, dass das gesamte Abkommen über den ESM aus der Feder eines Büros einer US Law Firm, also einer großen amerikanischen Anwaltskanzlei, stammt. Da kann man sich schon mit Recht fragen, wie es so weit kommen konnte,
und da finde ich, Ihr Ansatz, hier anzusetzen und zu sagen, wir brauchen mehr Transparenz, das ist durchaus ein berechtigtes und ehrenhaftes Anliegen.
Ich habe auch festgestellt, dass Sie an dem Gesetzentwurf aus Thüringen gearbeitet haben und dass Sie einige Schwächen dieses Gesetzes beseitigt haben. Darauf will ich gleich noch mal näher eingehen. Aber im Ergebnis kann ich mich eigentlich der Frau Ministerin nur anschließen, das Gesetz wirft für mich eigentlich mehr Fragen auf, als es sie eigentlich beantwortet.
Da ist zum Beispiel als Erstes mal die Pflicht, Sie hatten es gesagt, dass diese Dokumentationspflicht bei dem Landtagspräsidenten angesiedelt sein soll. Der hat die Pflicht, von Amts wegen darüber zu wachen. Also das macht natürlich mehr organisatorischen Aufwand, es muss wahrscheinlich Personal eingestellt werden, es wird mehr Geld benötigt – in welchem Umfang, das ist hier die Frage.
Und dann gibt es ja verschiedene Verpflichtete, die die Dokumentation vorlegen müssen, und das auch noch zeitgerecht, „vollständig, inhaltlich zutreffend und unverzüglich“. Die Verpflichteten sind die Abgeordneten beziehungsweise die Fraktionen, die diese Gesetze einbringen. Die Frage, die sich mir stellt, ist, wenn das alles „vollständig, inhaltlich zutreffend und unverzüglich“ geschehen soll, wer kontrolliert das? Und es sind ja nicht immer alle freundlich und tun das, wozu sie verpflichtet sind. Wie, bitte, wollen Sie es sanktionieren, wenn etwas nicht funktioniert? Also mir fehlt am Gesetz dann irgendwie der Anhang „Straf- und Bußgeldvorschriften“. Vielleicht haben Sie ja an so was auch gedacht, aber das dann anders geregelt, an anderer Stelle. Das müssten Sie vielleicht auch noch mal uns sagen.
Was ich gut finde, und das haben Sie verbessert, in Paragraf 3 Absatz 1 des Thüringer Entwurfes war der Begriff der Beteiligten sozusagen unbegrenzt oder uferlos. Und Sie haben das eigentlich ganz gut gelöst. Sie haben gesagt, jeder, der sich mit schriftlichen Beiträgen an dem Entstehen eines Gesetzes beteiligt, der ist oder soll verpflichtet sein, benannt zu werden in der Dokumentation. Da muss ich Sie mal loben, man kann also auch aus rotrot-grünen Fehlern lernen.
Ansonsten ist mir noch aufgefallen, in Paragraf 5 Absatz 1 Ziffer 6 heißt es: „Beteiligte, die mit der Wahrnehmung von Interessen Dritter beauftragt sind, haben ihren Auftraggeber zu benennen.“ Nun ja, das ist also ein sehr frommer Wunsch und da kann man sich natürlich ein bisschen fragen, ob das nicht auch naiv ist.
Was Sie gesagt hatten, Frau Ministerin, ist mir auch aufgefallen. Am Ende soll alles gelöscht werden, aber die Beteiligungspflicht kann man nicht löschen, also da ist ein kleiner Formulierungsfehler. Sie meinen natürlich, das, was gemäß der Beteiligten, der Pflicht zur Dokumentation dokumentiert wurde, das ist zu löschen.
Wenn Frau Hoffmeister sich fragt, ob das Gesetz notwendig ist, ich würde mich, glaube ich, ihr anschließen, dass es nicht unbedingt notwendig ist. Vieles von dem, was dieses Gesetz will, wird bereits durch das Informationsfreiheitsgesetz geregelt. Allerdings, muss ich sagen, ganz trifft das auch nicht zu, sondern es sind viele Konstellationen denkbar der Beteiligung von Lobbyisten, die schriftlich irgendetwas einreichen, was in den Fraktionen versickert, von dem kein Mensch je etwas erfahren würde. Von daher meine ich, dieses Gesetz sollte eine Chance bekommen. Es ist einen Versuch wert.
Aber abschließend möchte ich sagen, dass es doch an uns als den Parlamentariern alleine liegt, die notwendige politische Hygiene bei der Wahrnehmung unserer Ämter zu wahren und darauf zu achten, dass der Einfluss von Lobbyisten oder dass gar Korruption in unser Haus hier nicht einkehrt.