ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 25: Beratung des Antrages des Abgeordneten Holger Arppe – Keine Beteiligung der Bundeswehr an Einsätzen in Syrien, auf Drucksache 7/4286.
Antrag des Abgeordneten Holger Arppe, fraktionslos Keine Beteiligung der Bundeswehr an Einsätzen in Syrien – Drucksache 7/4286 –
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Damen und Herren Abgeordnete! Vor 25 Jahren hatte ich die Ehre, als Rekrut der Luftwaffe hier hinter uns im Schlosspark an einer Festveranstaltung teilzunehmen zum Thema „5 Jahre Armee der Einheit“, also weitestgehend geglückte Symbiose von NVA einerseits und Bundeswehr andererseits, damals noch mit Bernd Seite als Ministerpräsident, der letzte der CDU. Da wird nach ihm keiner mehr kommen mit dem Parteibuch, aber das nur am Rande.
Das war zu einer Zeit, als Soldaten noch in Uniform durch die Straßen gehen konnten, ohne von der Antifa vollgepöbelt zu werden.
Das war auch die Zeit, als es noch anrüchig war, Soldaten als Mörder zu beschimpfen, und das war auch noch die Zeit vor den Kriegseinsätzen der Bundeswehr im Ausland. Danach wurde die Bundeswehr dann immer häufiger in alle möglichen Regionen der Welt geschickt, um dort, wie es Peter Struck ja einmal sagte, die Sicherheit der Bundesrepublik auch am Hindukusch zu verteidigen, was natürlich Unsinn war. Tatsächlich hat sich die Politik damals, die Bundespolitik, zumal entschieden, die Bundeswehr zum Handlanger der geopolitischen Interessen anderer Mächte zu machen.
Das allerdings war ja nicht im Sinne des Erfinders. 1956, kurz nach Gründung der Bundeswehr, sprach der dama
lige Bundeskanzler Adenauer zu den Angehörigen derselben und sagte, ich darf zitieren: „Einziges Ziel der deutschen Wiederbewaffnung ist es, zur Erhaltung des Friedens beizutragen. Wir werden dieses Ziel erreicht haben, wenn die gemeinsame potenzielle Abwehrkraft der Verbündeten zu jedem Zeitpunkt ein zu großes Risiko für jeden möglichen Angreifer bedeutet. In einer solchen militärischen Stärke, die lediglich für unsere Verteidigung ausreicht, kann niemand eine Bedrohung erblicken“, so – Zitatende – der erste Kanzler der Bundesrepublik Konrad Adenauer.
Hier geht also ganz klar daraus hervor, die Bundeswehr wurde einzig und allein zu dem Zweck gegründet, die deutsche Nation, das deutsche Volk vor Aggressoren von außen zu verteidigen und nicht in die Welt hinausgeschickt zu werden, um dort die eigenen Soldaten für Dinge zu verheizen, für Interessen zu verheizen,
Denn was hat sich in Afghanistan beispielsweise groß geändert, seit dort das ausländische Militär wirkt? Eigentlich nicht viel, es ist nach wie vor ein „Failed State“. Und auch der Nahe Osten, wohin ja die derzeitige Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer die Bundeswehr gerne schicken möchte, und zwar nach Syrien, hat ja mit Deutschland überhaupt gar nichts zu tun.
Es waren die amerikanischen Präsidenten George W. Bush und vor allen Dingen auch Barack Obama, die in ihrer Amtszeit in dieser Gegend der Welt ein unglaubliches Chaos gestiftet und die ganze Region destabilisiert haben,
denn mit der Inszenierung dieses als Volksaufstand dahergekommenen sogenannten Arabischen Frühlings sind ja reihenweise nicht unbedingt demokratische, aber dafür stabile und säkulare Regierungen gestürzt worden, und seitdem herrschen in vielen Ländern dieser Region Chaos und Elend.
Es ist nicht die Aufgabe der Bundeswehr, diese Hinterlassenschaften anderer Mächte irgendwie aufzuräumen und unsere Soldaten auch aus Mecklenburg-Vorpommern dort hinzuschicken, damit die sich dort in Gefahr begeben, ohne etwas dafürzukönnen. Es sind ja in den letzten Jahrzehnten, seit die Bundeswehr im Ausland unterwegs ist, über 100 Soldaten ums Leben gekommen. Man könnte auch sagen, gefallen – ein heute ja nicht mehr politisch korrekter Begriff.
Aber auch innenpolitisch wäre ein Einsatz der Bundeswehr in Syrien sehr heikel, denn wir haben hier in Deutschland sehr viele Menschen leben mit türkischen Wurzeln und mit kurdischen Wurzeln, und schon jetzt wird ja dieser Konflikt hier nach Deutschland hineingetragen. Ich selbst habe in Köln – eher zufällig, muss ich sagen – diese große kurdische Protestkundgebung erleben können gegen die türkischen Militäraktionen in Nordsyrien, und das müssen wir hier nicht wirklich haben wollen in Deutschland, um ehrlich zu sein, dass nämlich fremde Konflikte hier in dieses Land importiert werden, was forciert würde, wenn sich Deutschland und die Bundeswehr im Speziellen dort unten tatsächlich einmischen täten.
Abgesehen davon ist es natürlich schon ziemlich absurd, dass ausgerechnet die Verteidigungsministerin einer Regierung, die die Bundeswehr in den letzten Jahren in Grund und Boden gewirtschaftet hat – die Bundeswehr ist ja eigentlich nur noch ein Schrotthaufen und man kann die Soldaten wirklich nicht beneiden, sich unter diesen Umständen Tag für Tag um die deutsche Landesverteidigung kümmern zu müssen –, gerade eine solche Armee, die ja überhaupt nicht einsatzfähig ist, allen Ernstes in einen Krieg schicken zu wollen. Das ist doch schon fahrlässig und gehört wirklich in aller Deutlichkeit kategorisch zurückgewiesen.
Darum dürfen sich – und da muss ich an dieser Stelle auch mal ganz konkret die noch patriotischen Kräfte hier in diesem Hause ansprechen –, darum dürfen sich diese auf gar keinen Fall in die Falle eines militärpolitischen Pseudopatriotismus und hypermoralisch verschleierten außenpolitischen Abenteuers locken lassen. Wer im eigenen bunten Haus, nämlich in Deutschland, täglich mehr die Kontrolle verliert – und wahrscheinlich sollen diese Aktionen der Bundesregierung, wie sie da gegenwärtig angedacht sind …, und Frau von der Leyen will sich jetzt ja sogar militärisch mit den Chinesen anlegen, das muss man sich mal vorstellen –, also wer hier im eigenen Land zusehends die Kontrolle verliert als Regierung und als Elite, der hat eigentlich nicht den Anspruch und schon gar nicht die Glaubwürdigkeit, mehr Mittel für eine militärische Macht zu fordern, die mit der Verteidigung Deutschlands nichts mehr, mit Großmachtplänen unter dem Deckmantel der EU aber sehr viel zu tun hat.
In diesem Sinne – vorhin wurde ja der preußische Militarismus gegeißelt, wenngleich auch in Bezug auf die falsche Person, wie wir festgestellt haben –, an dieser Stelle kann jetzt mal etwas für den Frieden getan werden. Und daher mein Petitum an dieser Stelle und von diesem Pult aus: Die Bundeswehr hat in Syrien und überhaupt im Ausland zu Kriegseinsätzen nichts zu suchen. Es ist die Aufgabe der Bundeswehr, dieses Land vor Aggressionen von außen zu verteidigen. Allerdings könnte man schon einen kleinen Kompromiss finden. Wenn es der Bundesregierung nämlich so wichtig ist, sich da irgendwie in Syrien einzubringen, dann spricht nichts dagegen, dass Frau Kramp-Karrenbauer ein Freiwilligenbataillon aus syrischen Flüchtlingen zusammenstellt, und die können dann ja in ihre Heimat zurückkehren und dort für Ordnung sorgen. – In diesem Sinne vielen Dank.
Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 58 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre
Für die Landesregierung hat ums Wort gebeten der Minister für Inneres und Europa. Bitte schön, Herr Caffier.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich – und das weiß ja hier jeder im Haus – hätte dieser Antrag im Deutschen Bundestag gestellt werden müssen,
der über Einsätze unserer Parlamentsarmee entscheidet. Das entscheiden eben nicht die Abgeordneten des Landtages von Mecklenburg-Vorpommern.
Aber das Thema ist zu ernst, um es einfach mit Verweis auf die Zuständigkeit anderer Stellen abzutun. Deshalb werde ich mich bemühen, hier mit möglichst wenig Polemik auf den Antrag zu reagieren.
Führen wir uns doch erst mal kurz vor Augen, wie der Konflikt in Syrien entstanden ist, und das macht uns schnell deutlich, mit wem wir es in Syrien eigentlich zu tun haben: mit einem brutalen, menschenverachtenden Tyrannen, wegen dessen Machterhalt das Leben von Millionen von Menschen nichts wert ist. 2011 schwappte eine ganze Welle des Aufstands durch die arabische Welt, Menschen, die aufbegehrten, weil sie zu lange Opfer von Armut, Willkür, Unterdrückung und struktureller Gewalt waren. Auch in Syrien war der Arabische Frühling Anlass für Demonstrationen. Der Bürgerkrieg begann jedoch erst, als Kinder dafür verhaftet und gefoltert wurden, dass sie Sprüche gegen den Diktator machten oder an die Wände malten.
Die friedlichen Demonstrationen, die daraufhin begannen, wurden auf brutalste Weise niedergeschlagen. Assad hat damit einen Flächenbrand entfacht, der auf viele umliegende Länder übergesprungen ist, der das Land und die Region in durch unterschiedlichste Gruppen beherrschte Gebiete zerteilt hat und der vor allem allein in Syrien zur größten innerstaatlich vertriebenen Bevölkerung der Welt und zur Auferstehung des Islamischen Staats geführt hat. Schlimm genug, dass der Westen weggeschaut hat, als das Morden losging. Schlimm genug, dass uns außer „roten Linien“, die angeblich nicht überschritten werden dürfen, nichts eingefallen ist, als Chemiewaffen gegen Zivilisten eingesetzt wurden. Schlimm genug, dass wir der Ausbreitung des Islamischen Staats zugesehen haben, der Hauptursache für den Flüchtlingsstrom war 2015.
Der Westen und die internationale Gemeinschaft haben durch ihr Zusehen in Syrien eine Menge moralisches Kapital verspielt, eine Gemeinschaft, die sich eigentlich über Werte definiert, die anders als Russen und Chinesen, Iraner oder sonst wer nicht aufgrund von Machtansprüchen in Länder einmarschiert, sondern die Menschen nach Möglichkeit in aller Welt hilft, wenn ihre Rechte mit Füßen getreten werden. Das ist der Anspruch einer internationalen liberalen Wertegemeinschaft – ein Anspruch, dem wir selten entsprechen können, ein Anspruch, den wir im Fall Syrien aber nicht einmal ernsthaft
in Erwägung gezogen haben. Das Ergebnis sind bekanntermaßen Hunger, Tod, Vertreibung und das Ergebnis ist auch ein anderes Deutschland und ein anderes Europa.
Mit keiner Silbe geht der Antrag auf die Umstände des Konflikts ein. Ich habe aber noch keinen Konflikt gesehen, der ohne eine anständige Auseinandersetzung mit der Konfliktursache gelöst werden kann. Aber darum geht es dem Antragsteller wahrscheinlich auch nicht. Ich bin jedenfalls froh, dass über die Einsetzung einer solchen Mission nicht Menschen zu entscheiden haben, die durch gewaltverherrlichende und pädophile Chats von sich reden machen sollen,
sondern die Abgeordneten des Deutschen Bundestages, die die Risiken der Einrichtung einer Schutzzone in Syrien verantwortungsvoll gegen die Ziele einer solchen Mission abwägen werden.
Meine Damen und Herren, aber auch losgelöst von der Frage, ob wir uns dafür engagieren wollen, Hunderttausende Menschen davor zu bewahren, zwischen die Fronten von Erdogan und Assad zu kommen, müssen wir uns fragen, wie europäische Interessenpolitik im Angesicht der aktuellen Weltpolitik aussehen soll. Für Deutschland, für Europa haben sich in den vergangenen Jahren so einige vermeintliche Wahrheiten auf den Kopf gestellt. Wurde Deutschlands Sicherheit vor nicht allzu langer Zeit noch am Hindukusch verteidigt, wird sie das spätestens seit 2014 auch wieder auf dem Heimatkontinent. Die Annexion Russlands auf der Krim hat eine europäische Selbstverständlichkeit ins Wanken gebracht, die seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs gilt, dass Grenzen durch Truppen und gegen den Willen des betroffenen Landes nicht mehr verschoben werden.
Es ist eben nicht nur Russland, das uns Sorgen bereitet, es ist auch der engste Verbündete Deutschlands und Europas, die USA, und sind ebenfalls die Entwicklungen im Nahen Osten sowie in Afrika. Gerade der Konflikt an Europas Türschwelle in Syrien zeigt, dass auf den alten Verbündeten USA längst nicht mehr allein vertraut werden kann. Zu unberechenbar sind die politischen Verhältnisse dort – zumindest zurzeit –, trotz aller bewährten und vertrauensvollen Zusammenarbeit, die wir natürlich nach wie vor im Bereich der Sicherheitsbehörden auch unterhalten.
So ist der Führer des IS in Syrien seit vergangenem Monat zwar tot, der IS als Organisation geht aber gestärkt aus der jüngsten Entscheidung des US-Präsidenten heraus, US-Truppen aus Nordsyrien abzuziehen. Und nicht nur das, am Ende muss man auch noch um die Mission gegen al-Baghdadi selbst bangen, weil die Amerikaner bei derlei Einsätzen bislang auch auf Informationen der Kurden gesetzt haben, die Trump mit seinem überraschenden Truppenabzug im Stich gelassen hat. Ob die Quellen zum Standort von al-Baghdadi so stimmten, werden letztlich wohl nicht mal die beteiligten Generäle mit Sicherheit gewusst haben, denn der 100-prozentigen Loyalität kann man auch nicht immer sicher sein. Vor Europas Haustür haben wir also freilaufende IS-Kämpfer, deren ideologischer Führer fast auch noch einer durch Sicherheitsexperten von langer Hand geplanten Festsetzung entgangen wäre, weil der US-Präsident meinte, eigensinnig und völlig unabgestimmt ein paar Figuren im wahrscheinlich komplexesten Konflikt der Welt bewegen zu müssen.
Auch wenn der Kalte Krieg sicherlich nichts für schwache Nerven war, so hatten wir uns in gewisser Weise doch mit seiner Vorhersehbarkeit, mit der Berechenbarkeit der Akteure arrangiert. Auf der einen Seite die gute USA, auf der anderen Seite die vermeintlich böse Sowjetunion und nach dem Fall der Mauer der Siegeszug der westlichen Demokratie. Das Ende der Geschichte: Ende gut, alles gut? Es ist etwas Zeit, manch ein Vertreter wird sagen, zu viel Zeit ins Land gegangen, bevor wir hier umgedacht haben. Es braucht eine starke NATO und vor allen Dingen braucht es einen starken europäischen Beitrag zur NATO, um auf die veränderten Rahmenbedingungen reagieren zu können. Deutschland muss sich fragen, was es selbst zu diesem Prozess beitragen kann. Schnell sind wir beim Bündnisbeitrag und auch bei der Bündnisfähigkeit. Finanziell hat die neue Verteidigungsministerin ja bereits Pflöcke eingeschlagen. Bis 2024 sollen 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigungsaufgaben, bis 2031 2 Prozent ausgegeben werden. Und schon jetzt sind mit über 50 Milliarden Euro die höchsten Ausgaben für Verteidigung und Sicherheit in der Geschichte der Bundesrepublik vorgesehen.
Zum Bündnisbeitrag muss auch eine weiter steigende Bereitschaft Deutschlands zählen, mehr Verantwortung zu übernehmen. Wir können uns gegenüber unseren Bündnispartnern nicht immer nur als Ausbilder, Aufklärer und Versorger entziehen, wann immer uns ein Einsatz zu heikel erscheint. Deshalb begrüße ich die Diskussion, die durch die Ministerin zu einer Schutzzone in Nordsyrien losgetreten wurde. Es reicht nicht, mit dem Finger auf andere zu zeigen, sondern wir müssen selbst auch Verantwortung übernehmen, erst recht, wenn ein moralisches Interesse und die Sicherheitsinteressen unseres Landes so zusammenkommen wie in diesem Fall.
Das heißt nicht, dass es am Ende auch Gründe gegen die Einrichtung einer möglichen Schutzzone in Syrien mit UNMandat geben könnte, an dem sich auch die Bundeswehr zu beteiligen hätte. Der Abstimmungsprozess zu solch einer schwerwiegenden Frage sieht aber sicherlich anders aus als ein einsam, ein verkürzter Antrag. Und im Übrigen bleibt es immer noch in Deutschland dabei: Wir haben eine Parlamentsarmee und die Entscheidung über Einsätze nach einer ausgiebigen Diskussion führt der Deutsche Bundestag, und der entscheidet auch in Richtung, welche Aufgaben durch die Bundeswehr wahrgenommen werden. Und dass wir immer Aufgaben nur im Rahmen einer Mandatierung wahrnehmen, ist in den zurückliegenden Jahren so gewesen und, ich glaube, auch eine gute Entscheidung. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Herr Minister, einen Moment bitte! Darf ich Sie fragen, es gibt eine angemeldete Kurzintervention des Abgeordneten Förster. Sie können stehenbleiben, müssen das natürlich nicht.