Protokoll der Sitzung vom 12.12.2019

Wir wissen, dass hier Konzepte in der Schublade liegen. Lassen Sie sie gleich stecken!

(Zurufe von Julian Barlen, SPD, und Thomas Krüger, SPD)

Bringen Sie in dieser Richtung irgendetwas raus, dann prophezeie ich Ihnen, dann kratzen Sie an der 5-ProzentHürde, meine Damen und Herren. Setzen Sie hier heute ein gutes, richtiges und wichtiges Zeichen für unsere Kinder und unsere Familien im Land

(Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

und verbieten Sie diese abnormale, widerliche Praktik und verbieten Sie sie einfach!

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Weil das ist Ihr Auftrag, den Sie hier zu erfüllen haben, meine Damen und Herren. Und darum bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Vincent Kokert, CDU: Klatschen! – Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache von bis zu 58 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Ums Wort gebeten hat für die Landesregierung die Ministerin für Soziales, Integration und Gleichstellung Frau Drese.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Das Ministerium für Soziales, Integration und Gleichstellung spricht sich deutlich gegen die Erziehungsmethode „Original Play“ aus.

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Keine Erziehungsmethode!)

Mein Haus ist sensibilisiert für alle Belange des Kinderschutzes, deshalb ist es abwegig, „Original Play“ verharmlosend als Spiel und inakzeptabel, „Original Play“ als pädagogisches Konzept zu bezeichnen.

(Beifall Dr. Ralph Weber, AfD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, „Original Play“ ist eine Methode, die Grenzüberschreitungen im Umgang

mit Nähe und Distanz mit Fremden fördert und damit Kindeswohlgefährdung begünstigt. Das ist kein Spiel, diese Praktiken sind eindeutig abzulehnen. Deshalb ist auch höchste Achtsamkeit wichtig. Bei „Original Play“ werden die natürlichen Grenzen zwischen Kindern und fremden Erwachsenen aufgeweicht. Es gibt keine irgendwie überprüfbaren Ziele, die in Verbindung mit der praktizierten Methode stehen. Die Beschreibung der Auswahl und Schulung der Lehrlinge, die nicht einmal ein Führungszeugnis mitbringen müssen, sind weitgehend intransparent. Die Praktiken werden durch einen Verein im Rahmen eines zweitägigen Workshops als alternatives pädagogisches Konzept kostenpflichtig vermittelt. Dabei sollen die Teilnehmenden ermutigt werden, sich für das natürliche Spiel von Kindern zu öffnen und die eigenen spielerischen Potenziale wiederzuentdecken.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dieses Konzept ist mit der Bildungskonzeption des Landes und dem präventiven Kinderschutz nicht vereinbar. Das Spielen an sich gehört zu den Grundbedürfnissen von Kindern. Das, was Kinder durch das Spielen in der Kita, durch fachpädagogische Anleitung lernen, verlangt nach klaren, verlässlichen Strukturen und Grenzen. Kinder müssen erkennen, welche Regeln und Werte im Umgang miteinander wichtig sind. Aufgabe des pädagogischen Personals in unseren Einrichtungen der Kindertagesförderung ist es, diesen Prozess professionell zu begleiten und zu fördern. Dabei muss es sich seiner Verantwortung im Umgang mit individuellen Grenzen sowie der eigenen Vorbildfunktion bewusst sein. Nur so können die Bedürfnisse, Rechte und Interessen von Kindern gewahrt bleiben, und genau das tun unsere pädagogischen Fachkräfte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Kinder haben ein Recht, vor Gefährdungen für ihr Wohl geschützt zu werden. Das gilt für den Umgang im familiären Kontext ebenso wie für den Aufenthalt in Einrichtungen. Eltern müssen sicher sein können, dass ihre Kinder bestens versorgt und geschützt werden. Dabei sollte pädagogisches Handeln die Rechte, Interessen und Bedürfnisse von Kindern in den Mittelpunkt stellen. Diese Rechte zu wahren, ist unsere Aufgabe. Genau deshalb sind wir als Sozialministerium auch bereits frühzeitig tätig geworden und haben Jugendämter und Träger vor der Methode „Original Play“ gewarnt. Wir haben bereits vor Wochen – und nicht vor zwei Wochen – ein Rundschreiben an die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe mit entsprechenden Warnhinweisen herausgegeben. Die Einrichtungen und die Träger von Kindertageseinrichtungen wurden sensibilisiert und wir haben deutlich gemacht, dass die Anwendung von „Original Play“ kindeswohlgefährdend ist. Dieses Vorgehen kommt einem Verbot von „Original Play“ in unseren Kitas gleich.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich betonen, wir haben auf unsere Warnung und Rückfragen keinerlei Hinweise bekommen, dass „Original Play“ in einer Einrichtung in unserem Land praktiziert wurde oder wird. Und ich bitte Sie, Herr de Jesus Fernandes, wenn Sie sagen, das liegt in den Schubfächern, mir konkret zu sagen, in welcher Einrichtung das der Fall ist,

(Thomas Krüger, SPD: So ist das.)

damit ich dem nachgehen kann.

(Thomas Krüger, SPD: Böswillige Behauptung.)

Es war und ist also offensichtlich unserem gut ausgebildeten und sensiblen pädagogischen Fachpersonal klar, dass es so etwas nicht in unseren Einrichtungen gibt, dass es dort nicht hingehört. Ihres Antrags nun Wochen später bedarf es nicht.

Und noch ein Hinweis zur Kleinen Anfrage: Die Frist läuft morgen ab zur Beantwortung der Kleinen Anfrage. Stellen Sie sie bitte früher!

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Vielen Dank, Frau Ministerin.

Das Wort hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete Frau Bernhardt.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die AfD hat heute den Antrag mit dem Titel „Sogenanntes Spiel ‚Original Play‘ in den Kindertagesstätten in Mecklenburg-Vorpommern verbieten“ vorgelegt. „Original Play“ – was heißt das eigentlich? Herr de Jesus Fernandes hat es ja schon erzählt. Auf der Internetseite von „Original Play“ ist zu lesen, ich zitiere das mit Erlaubnis der Präsidentin: „Das Original Play“, also ursprüngliches Spiel, „versucht, die Beziehungen zwischen Individuen und Gruppen zu verbessern, indem Aggression und Gewalt zwischen Menschen durch Freundlichkeit und Liebe ersetzt werden und jedes Kind sich sicher und geliebt fühlt.“ Zitatende.

In der Praxis sieht es dann so aus, dass fremde Menschen mit Kindern in Kindertageseinrichtungen in sehr engem Körperkontakt meist auf Gummimatten kommen. Ich muss zugeben, als ich das erste Mal die Filme darüber sah, wirkten die Bilder sehr befremdlich auf mich, weil jeder weiß, dass Kinder in Kindertagesstätten, also gerade die Jüngeren, zu fremden Personen erst mal ein ganz normales Distanzgespür haben und nicht gleich mit Fremden herumtollen. Und ich finde es auch richtig. Dafür braucht es eben auch ein Vertrauensverhältnis, um Konzepte in Kitas anzubieten. Schon deshalb ist „Original Play“ sehr mit Kritik zu betrachten.

(Präsidentin Birgit Hesse übernimmt den Vorsitz.)

Und es birgt eben auch Risiken. Es gab bereits in anderen Bundesländern körperliche und sexuelle Übergriffe auf Kinder. Und ich denke, wir sind uns alle hier im Landtag einig, dass jegliche Übergriffe auf Kinder, seien es körperliche oder sexuelle, nicht zu tolerieren sind. Sie sind auf das Schärfste zu verurteilen und strafrechtlich zu sanktionieren.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und Jeannine Rösler, DIE LINKE)

Wir haben die Pflicht, die Schwächsten unserer Gesellschaft zu schützen. Egal ob in Kindertagesstätten, auf Spielplätzen oder auf Hüpfburgen – Kinder müssen vor sexuellen Übergriffen geschützt werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, insofern verrate ich Ihnen sicherlich nichts Neues, wenn ich Ihnen sage,

dass auch meine Fraktion das Konzept des „Original Play“ aus pädagogischer Sicht sehr skeptisch betrachtet. Erfahrungen aus anderen Bundesländern zeigen, dass die Durchführung dieses Konzeptes durchaus geeignet ist, Möglichkeiten für Kindeswohlgefährdung zu eröffnen. Das ist eine Tatsache und das sollte man auch nicht bagatellisieren.

Sehr geehrte Damen und Herren, gleichwohl hat meine Fraktion mit dem vorliegenden Antrag der AfD ihre Probleme. Er ist aus unserer Sicht inhaltlich nicht schlüssig und es stellt sich zudem die Frage, ob er überhaupt erforderlich ist. Zum einen ist die Argumentation in dieser Sache ohnehin recht schwierig, da wir überhaupt nicht wissen, ob der Bezug zu Mecklenburg-Vorpommern überhaupt da ist, ob „Original Play“ überhaupt in den Kindertagesstätten in Mecklenburg-Vorpommern angewandt wird. Und ich bin ja nun auch schon eine ganze Weile in dem Bereich „Kinder und Jugend“ unterwegs, allerdings ist mir selber noch keine Kita irgendwie begegnet, die das Konzept des „Original Play“ einsetzt. Insofern kann ich Frau Sozialministerin recht geben, dass es sicherlich auch an der guten Ausbildung unserer Fachkräfte in den Kitas liegt, dass sie durchschauen, dass es ein kritisches pädagogisches Konzept ist, und es deshalb hier auch in den Kitas keine Anwendung findet.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Und auch Sie, Herren der AfD, können das nicht wissen. Herr de Jesus Fernandes, Sie haben dazu bereits bei der Landesregierung eine Kleine Anfrage gestellt. Die Antwort wollten Sie allerdings nicht abwarten. Das ist sehr bedauerlich.

(Zuruf von Manfred Dachner, SPD)

Sie springen so auf ein Thema auf, was die AfD deutschlandweit in Landtagen thematisiert – immer mal mit mehr oder weniger guten Anträgen. Einer von Letzteren liegt uns hier vor. Und bevor halt die Antwort kommt, bringen Sie da mal rein vorsorglich den Antrag. Das ist aus unserer Sicht nicht redlich. Wir beraten etwas und wissen überhaupt nicht, ob der Bezug zu MecklenburgVorpommern überhaupt gegeben ist.

(Zuruf von Manfred Dachner, SPD)

Nun aber zu dem Antrag selbst: Im ersten Teil des Antrags möchten Sie festgestellt wissen, ob das Spiel „Original Play“ eine Gefahr für die Kinder in Mecklenburg-Vorpommern darstellt. Zunächst mal ist „Original Play“ kein Spiel, sondern – ich hatte es schon dargestellt – aus unserer Sicht ein pädagogisches Konzept, und es ist auch nicht das Konzept selber, was nur Gefahren bringt, sondern eben auch der Missbrauch des Konzeptes durch Menschen. Das Konzept selbst ist aus unserer Sicht, wie gesagt, pädagogisch nicht fundiert und ohne positiven Effekt. Insofern ist der Antragstext aus unserer Sicht ein wenig halbgar.

Allerdings möchte ich mich hier nicht mit sprachlichen Spitzfindigkeiten aufhalten, sondern möchte auf den Forderungsteil eingehen. Im Forderungsteil Ihres Antrags dann wollen Sie überprüft wissen, inwieweit das Spiel, wie Sie es nennen, in Kindertagesstätten in unserem Land überhaupt Anwendung findet. Und Sie wollen ein landesweites Verbot der Anwendung. Das, wie gesagt, ist aus unserer Sicht nicht ganz stringent. Wenn Sie

etwas ohnehin verbieten wollen, warum soll dann die Regierung vorab prüfen, ob und inwieweit das Konzept überhaupt in Mecklenburg-Vorpommern Anwendung findet? Aus unserer Sicht kommt es Ihnen überhaupt nicht auf die Prüfung an.

(Zuruf von Manfred Dachner, SPD)

Sie wollen es ohnehin verbieten.

(Manfred Dachner, SPD: Genau.)

Dann ist die Forderung nach einer Prüfung ein reinster Schaufensterantrag. Und aus diesen Gründen ist aus unserer Sicht dieser Antrag abzulehnen.

Und noch etwas generell zu dem Thema Kinderrechte, um die es ja hier geht: Wenn ich mich richtig erinnere, ist gerade Ihre Fraktion es,

(Martina Tegtmeier, SPD: Genau.)

die bei verschiedenen Kinderrechten Anträge – bei Aufnahme ins Grundrecht, Kinderschutzkonzepte letztes Jahr – ablehnt. Insofern belegt es eigentlich den Populismus, den Sie hier zutage treten lassen wollen. Und auch vor diesem Hintergrund lehnen wir diesen Antrag ab. – Danke.