Protokoll der Sitzung vom 12.12.2019

(Peter Ritter, DIE LINKE: Wo er noch BMV war, hat er noch anders gesprochen dazu.)

auch in Ordnung, weil ich davon ausgehe, dass Sie das einfach nutzen wollen, um hier die Debatte auch im Landtag, die gesellschaftliche Debatte darüber, was ist gemeinnützig und was nicht, hier eben zu führen. Und das ist ja auch in Ordnung, dafür sind wir ja auch da, nur der Antrag als solches mit der Bundesratsinitiative ist da nicht zielführend.

Aber jetzt noch mal zu der Sache als solcher. Sie sagen, dass aus Ihrer Sicht das deutsche Gemeinnützigkeitsrecht veraltet ist, weil es schon über hundert Jahre alt ist. Das sehe ich anders. Also nicht alles, was hundert Jahre alt ist, ist deswegen schon veraltet, sondern manche Sachen, die schon alt sind, sind trotzdem immer noch sehr gut. Denken Sie mal an das BGB!

Und ich möchte dann einfach zur Erinnerung aus der Abgabenordnung Paragraf 52 den ersten Satz mal vorlesen: „Eine Körperschaft verfolgt gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern.“ Der Satz ist überhaupt nicht veraltet, der ist sehr, sehr gut und den kann man auch immer noch nach wie vor anwenden. Und deswegen brauchen wir das auch nicht komplett alles wegzuschmeißen, sondern wir können diese Abgabenordnung weiter verwenden.

Und die Frage, die Sie dann ja in Ihrem Antrag weiter bringen, ist ja tatsächlich: Was machen wir jetzt mit dem politischen Engagement, wenn also ein Verein ein politisches Engagement hat? Und da – logischerweise – sind wir unterschiedlicher Auffassung und man kann auch unterschiedlicher Auffassung sein. Ist es richtig, dass ein Verein, der ein politisches Engagement führt, dass der halt auch gemeinnützig sein kann? Und welchen Stellenwert darf dann das politische Engagement haben? Denn es ist ja keineswegs ausgeschlossen, sich politisch zu betätigen. Sie bringen das Beispiel mit dem Umweltschutz. Selbstverständlich hat zum Beispiel Greenpeace gar keine Probleme damit, gemeinnützig zu sein, obwohl sie auch politisch tätig sind aus ihrem Umweltschutz heraus. Aber es ist eben nicht das vorrangige Ziel, politisch tätig zu sein, sondern es ist sozusagen das nachgelagerte Ziel.

Und das ist immer dieser Ermessensspielraum, den die Finanzämter haben. Der Minister hat ja schon eindrücklich darauf hingewiesen, was alles gemacht wurde hier im Land, um die Vereine zu schulen beziehungsweise erst mal die Finanzämter, um diese Richtlinien und Formulare und so weiter alles näher zu erläutern, sodass die

Finanzämter genau wissen, wie sie das zu beurteilen haben, und den Vereinen dabei auch zu helfen.

Das ist eine prima Sache, man hat einen Ermessenspielraum und nicht jeder Ermessensspielraum ist schlecht, nur, weil es ihn gibt, sondern man braucht einen Ermessensspielraum. Denn jetzt stellen Sie sich einfach mal vor, es wären nicht die Vereine, die Sie sich jetzt vielleicht wünschen, die man begünstigen sollte, sondern aus Sicht der Gleichbehandlung wären das vielleicht andere, deren politische Ziele Sie jetzt nicht für sinnvoll oder für gut halten, die man aber trotzdem, wenn man das so machen würde, wie Sie das gerne möchten, dann auch fördern müsste. Und ich glaube, in dem Moment würden Sie dann sagen, nee, das wollte ich jetzt eigentlich nicht. Könnte ich mir jedenfalls so vorstellen, dass Sie das dann eigentlich nicht wollen.

Und das ist nämlich genau auch der Grund, warum man mit gutem Gewissen sagen kann, nein, die politische Betätigung, wenn sie ein Schwerpunkt und im Vordergrund, das Wichtigste ist des Vereins, soll nicht gefördert werden. Damit würde man sonst auch die Parteienfinanzierung unterlaufen,

(Horst Förster, AfD: Genau.)

das Ganze wäre nicht mehr transparent, und Sie wissen, dass wir da eher Schwierigkeiten haben, diese Transparenz durchzuhalten, klarzustellen und auch sicherzustellen, dass das nicht unterlaufen wird. Deswegen ist Ihr Antrag an der Stelle aus meiner Sicht sogar kontraproduktiv.

Ansonsten bin ich sehr gespannt, was also da in Berlin zu diesem Thema erarbeitet wird. Vieles war ja schon in der Presse, zum Beispiel auch, dass Vereine nicht gemeinnützig sein können, wenn etwa nur Männer in diesem Verein sind, umgekehrt vielleicht auch nur Frauen, und daran sieht man schon, dass das ganz schön schwierig ist. Die Zeiten haben sich natürlich auch geändert. Es ist richtig, dass ein Verein, der gefördert werden soll über Gemeinnützigkeit, grundsätzlich allen offenstehen sollte. Das sehe ich auch so. Aber warum soll es jetzt keinen Männergesangsverein mehr geben?

(Zuruf von Stephan J. Reuken, AfD)

Oder warum soll jetzt ein Mädchen unbedingt in den Knabenchor eintreten können?

(Heiterkeit vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE)

Also das sind Dinge, die widersprechen einfach so der normalen Logik, die man so kennt, und daran hat es ja auch gekrankt und man hat diesen Entwurf erst mal wieder zurückgezogen. Das war auch eine sehr kluge Entscheidung, das noch mal zurückzuhalten, noch mal zu überarbeiten.

Und so, wie Tilo Gundlack gerade schon gesagt hat, im Bundestag können ja alle Fraktionen, die jetzt heute hier sind, auch mitarbeiten, können da ihre Vorschläge machen. Da gehört das Thema hin, da sollten wir es lassen, und hier im Landtag lehnen wir den Antrag ab. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Ums Wort gebeten hat für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete Frau Larisch.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Also ich ging ja immer davon aus, dass viele von uns in Vereinen und Verbänden aktiv sind und damit tatsächlich auch wissen, wie unterschiedlich Finanzämter Satzungen und auch Jahresberichte werten. Und da geht es definitiv um mehr als um die Einnahmeüberschussrechnung, denn Handlungsempfehlungen der Ehrenamtsstiftung sind Empfehlungen und sie sind keine exakten Rechtsgrundlagen. Finanzämter können sich daran halten, sie müssen es aber nicht.

Rechtssicherheit ist notwendig für die Menschen in Vereinen und Verbänden. Seit Jahren kämpfen aber vor allem kleinere Vereine ständig mit der Abgabenordnung, und es geht nicht nur um die Spenden und das Ausstellen von Bescheinigungen, es geht auch um andere finanzielle Mittel. Nur als gemeinnützig anerkannte Vereine können zum Beispiel bei Stiftungen Geld beantragen.

Ein Beispiel in Mecklenburg-Vorpommern ist die hier schon genannte Ehrenamtsstiftung. Diese soll das Ehrenamt in kleinen Vereinen unterstützen. Ohne Gemeinnützigkeit ist ein Antrag unmöglich, und gerade Veranstaltungen, die von der Ehrenamtsstiftung unterstützt werden, sind auch durchaus für manches Finanzamt politisch. So unterstützte die Ehrenamtsstiftung zum Beispiel eine Veranstaltung gehörloser und hörgeschädigter Menschen. Sie lief unter dem Motto „Eine Stadt für alle“. Es ging um die Forderung, dass Hörschleifen in öffentlichen Veranstaltungen die Teilhabe ermöglichen, und es ging darum, dass es notwendig wäre, Gebärdensprachdolmetschung in allen Verwaltungen einzusetzen, damit die Menschen selbstbestimmt dort Anfragen stellen können. Es ging um die UN-Behindertenrechtskonvention. Das zuständige Finanzamt dieser Stadt wertete dieses als politische Veranstaltung und einer der beteiligten Vereine verlor die Gemeinnützigkeit.

Die Folgen sind sehr weitreichend, denn vor allem Vereine, Initiativen von Menschen mit Behinderungen arbeiten auch mit der Stiftung Aktion Mensch zusammen. Ohne Gemeinnützigkeit oder bei Aberkennung im laufenden Projektjahr muss auch das gesamte Fördergeld zurückgezahlt werden, auch wenn es eigentlich schon ausgegeben ist. Dann können Sie als Verein ja gleich Insolvenz anmelden.

Wissen Sie, wenn Menschen mit Behinderung für ihre Rechte kämpfen, wenn sie Gesetzgeber, Gesellschaft, Verwaltung und Politik auffordern, dass es fatal ist, wenn Nichtbehinderte meinen, immer bestimmen zu dürfen, was Behinderte brauchen, wenn Teilhabe und Inklusion von Behinderten eingefordert wird, dann ist das durchaus politisch, aber vor allem ist es gemeinnützig, denn es nützt der Gemeinschaft.

Ein weiteres Beispiel sind Menschenrechtsvereine, Vereine, die für Frauenrechte, Kinderrechte und gegen häusliche Gewalt kämpfen. So nenne ich hier zum Beispiel mal den Verein Arche e. V., er schrieb zum Beispiel an der Verbesserung des Gesetzes gegen Stalking und gegen häusliche Gewalt. Stellen Sie sich einmal vor, ein Verein, der sich gegen Gewalt einsetzt, für besseren Opferschutz, verliert womöglich die Gemeinnützigkeit, weil er aus jahrelanger Erfahrung heraus Gesetze zum

Schutze von Kindern und Frauen verabschiedet wissen möchte. Auch diese Arbeit ist nämlich für manche Finanzämter politisch.

Oder der kleine Dorfverein, das sind Menschen, die den ländlichen Raum beleben, aber auch Infrastruktur fordern, mit Aktionen, mit Versammlungen, mit Petitionen – politisch, aber gesamtgesellschaftlich doch notwendig.

Und besonders brisant: Die großen Wohlfahrtsverbände sind ja ständiger Partner in der Ausgestaltung von Gesetzen und Verordnungen. Sie kritisieren, sie fordern Nachbesserungen, sie sind gar Teil der Landesverfassung. Ist das politisch? Was wäre, wenn politische Aktivitäten die Gemeinnützigkeit kostet – stirbt dann auch die Wohlfahrt?

Und was ist eigentlich, wenn Kinder und Jugendliche sich als Jugendbeirat eine Satzung geben, einen Verein gründen und in den Kommunalparlamenten mitwirken? Wenn diese Gruppen der Selbstorganisation nicht mehr gemeinnützig sind, dann gibt es zum Beispiel auch kein Geld mehr von der Stiftung Futurino. Aber vielleicht wird ja dann das Waschmittel Persil günstiger, Futurino ist nämlich die Persil-Stiftung, und diese fördert Eigeninitiative und Mitwirkung von Kindern und Jugendlichen – Gemeinnützigkeit vorausgesetzt.

Kleingartenvereine – was wird dann mit diesen, wenn die fordern, dass Kleingärten auch Umweltschutz sind? Was ist mit Sportvereinen?

Und ja, Vereine wie das Auschwitz-Komitee, die VVN-BdA oder auch der Volksbund sind durchaus politisch aktiv. Sie fordern als Betroffene und Angehörige die Hoheit über das Gedenken an Völkermord und Kriegstote. Sie kämpften und kämpfen für Gedenkstätten, für Entschädigungen, für Erinnerungskultur. Sie klären auf, sie pflegen Gräber und sie mahnen.

Und jetzt, Herr Förster, würde ich Ihnen gerne mal die Aktion des Zentrums für Politische Schönheit – das übrigens ein Künstlerkollektiv ist

(Stephan J. Reuken, AfD: Terroristen sind das!)

und kein gemeinnütziger Verein – erklären.

(Stephan J. Reuken, AfD: Terroristen sind das!)

Die Aschesäulen waren nicht,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das sind „Terroristen“, nur fürs Protokoll!)

die Aschesäulen waren tatsächlich nicht gegen Sie gerichtet.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Ich weiß nicht, was Sie sich da einbildeten. Sie liefen unter dem Motto „Sucht mich“ und es ging eigentlich um die Anonymisierung der Opfer. Und es gab riesengroße Kritik der VVN-BdA, es gab riesengroße Kritik des Auschwitz-Komitees und es gab Kritik von Überlebenden und Angehörigen der Überlebenden der Schoah, denn die Hoheit und das Gedenken gehören einzig und alleine

den betroffenen Opfern der Schoah und niemand anderem.

(Dr. Ralph Weber, AfD: Was für ein Blödsinn!)

Ja, genau.

Und dass ausgerechnet antifaschistische Vereine die Gemeinnützigkeit verlieren, lässt mich tatsächlich zweifeln. Denn nehmen wir mal den Verein Uniter. Uniter ist dem Grunde nach vermutlich ein rechtsextremistischer Verein. Sie stehen in dem Verdacht, mit NSU-Mitgliedern oder NSU-Unterstützern Kontakt gehabt zu haben und dass dort auch KSK-Mitglieder tätig sind. Niemand hinterfragt die Gemeinnützigkeit dieses Vereins aus Stuttgart.

Ohne die Vielfalt der vielen Vereine und Verbände ist die Gesellschaft ziemlich öde. Es mag weniger anstrengend sein und es mag auch sehr bequem sein, wenn Vereine und Verbände sich nicht politisch einmischen, wenn sie sich nicht äußern, aber es wäre auch sehr, sehr still. Und Stille ist der Tod der Demokratie!

Und, Herr Förster, Esther Bejarano, Überlebende der Schoah, fast 100 Jahre alt, singt Rap, sie ist die Ehrenvorsitzende der VVN-BdA, und diese nennen Sie extremistisch?! Ich nenne sie extrem antifaschistisch und Antifaschismus ist der Konsens in unserem Grundgesetz. Und wenn Sie, Herr Förster, das ablehnen, dann stehen Sie nicht zu unserem Deutschland! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE – Dr. Ralph Weber, AfD: Zu Ihrem Deutschland stehen wir sowieso nicht.)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 7/4446. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Gibt es Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 7/4446 bei Zustimmung der Fraktion DIE LINKE, ansonsten Ablehnung abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 16: Beratung des Antrags des Abgeordneten Holger Arppe, fraktionslos – Unseriöse „Kaffeefahrten“ in Mecklenburg-Vorpommern bekämpfen, Drucksache 7/4289.